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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art26 Abs1Beachte
Kundmachung LGBl. für NÖ 0360-3 am 21. März 1985Leitsatz
Nö. WahlO für Statutarstädte; Verstoß der Bestimmungen über die "Briefwahl" gegen die Verfassungsprinzipien der "geheimen" und "persönlichen" WahlSpruch
I. Folgende Bestimmungen der (Nö.) Wahlordnung für Statutarstädte, LGBl. 0360-2, werden als verfassungswidrig aufgehoben:
In §5 Abs1 die Worte ", zu denen jedenfalls auch die Entgegennahme und Behebung der Wahlbriefe gehört";
in §30 Abs1 die Worte "oder mit Wahlbrief";
in §32 Abs1 die Worte "oder auf dem Briefwege";
§54 zur Gänze;
in der Überschrift zu §54a das Wort "anderen";
in der Überschrift des 12. Teiles die Worte "und Wahlbriefe";
§59a zur Gänze;
§60a zur Gänze;
in §61 Abs3 litc die Worte ", bzw. die Wahlbriefumschläge mit den Wahlkarten";
in §61 Abs3 litd die Worte "und die ungültigen Wahlbriefe";
in §90 Abs2 die Worte ", den amtlichen Wahlbriefumschlag";
in §91 Abs1 die Z10 zur Gänze;
in §91 Abs2 die Worte "bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 Z10 bis zu 10.000 S,".
II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
III. Der Landeshauptmann von NÖ ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im LGBl. verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Mit Gesetzesbeschluß des Nö. Landtages vom 6. Dezember 1984 wurde die (Nö.) Wahlordnung für Statutarstädte geändert. Der Landeshauptmann von NÖ gab den Gesetzesbeschluß gemäß Art98 Abs1 B-VG dem Bundeskanzleramt bekannt; daraufhin erhob die Bundesregierung fristgerecht Einspruch gemäß Art98 Abs2 B-VG.
In der Folge wurde der beeinspruchte Gesetzesbeschluß vom Nö. Landtag am 18. Dezember 1984 gemäß Art98 Abs2 letzter Satz B-VG wiederholt und vom Landeshauptmann am 1. Feber 1985 im LGBl. für NÖ unter der Nr. 0360-2 kundgemacht.
Die (Nö.) Wahlordnung für Statutarstädte (STWO) idF der zitierten Nov. vom 6. Dezember 1984, LGBl. 0360-2, lautet ua. folgendermaßen:
"§5
Wirkungskreis der Wahlbehörden
(1) Die Wahlbehörden haben die Geschäfte zu besorgen, die ihnen nach diesem Gesetz zukommen. Hiebei entscheiden sie in allen Fragen, die sich in ihrem Bereich über das Wahlrecht und die Ausübung der Wahl ergeben; ihre Tätigkeit hat sich jedoch nur auf allgemeine grundsätzliche und wichtige Verfügungen und Entscheidungen zu beschränken. Alle anderen Arbeiten obliegen den Wahlleitern, zu denen jedenfalls auch die Entgegennahme und Behebung der Wahlbriefe gehört.
(2) Den Wahlbehörden werden die notwendigen Hilfskräfte und Hilfsmittel vom Magistrate zugewiesen.
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§30
Anspruch
(1) Wahlberechtigte, die im Besitz einer Wahlkarte sind, können ihr Wahlrecht auch in einem anderen Wahlsprengel der Stadt als dem ihrer Eintragung in das Wählerverzeichnis oder mit Wahlbrief ausüben.
(2) Wahlberechtigte, haben Anspruch auf Ausstellung einer Wahlkarte, wenn sie glaubhaft machen, daß sie sich voraussichtlich am Wahltag in einem anderen Wahlsprengel als dem ihrer Eintragung in das Wählerverzeichnis oder außerhalb der Stadt aufhalten werden und deshalb ihr Wahlrecht nicht ausüben könnten oder daß ihnen infolge einer Krankheit oder eines Gebrechens das Erscheinen vor der Wahlbehörde nicht zugemutet werden kann.
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§32
Ausstellung der Wahlkarte
(1) Die Wahlkarte hat zu bescheinigen, daß eine bestimmte Person berechtigt ist, das Wahlrecht in jedem hiefür vorgesehenen Wahlsprengel der Stadt oder auf dem Briefwege auszuüben.
(2) Der Wahlkarte sind anzuschließen:
1. ein amtlicher (leerer) Stimmzettel,
2. ein undurchsichtiges Wahlkuvert,
3. ein amtlicher Wahlbriefumschlag, der an die Stadtwahlbehörde gerichtet ist,
4. eine Siegelmarke und
5. ein Merkblatt mit Erläuterungen für die Wahl mittels Wahlkarte.
(3) Der Magistrat muß mündlich beantragte Wahlkarten sogleich ausstellen. Er muß schriftlich beantragte Wahlkarten zu eigenen Handen zustellen.
(4) Die Ausstellung einer Wahlkarte ist im Wählerverzeichnis in der Rubrik 'Anmerkung' bei dem betreffenden Wähler mit dem Wort 'Wahlkarte' in auffälliger Weise (zB mit Buntstift) zu vermerken.
(5) Für eine verlorene oder unbrauchbar gewordene Wahlkarte darf ein Duplikat nicht ausgestellt werden.
...
§54
Vorgang bei der Wahl mit Wahlbrief
(1) Wer sein Wahlrecht mit Wahlbrief auszuüben beabsichtigt, hat unbeobachtet den Stimmzettel auszufüllen und in das Wahlkuvert zu legen.
(2) Blinde, schwer Sehbehinderte sowie Personen, die gelähmt oder des Gebrauches der Hände unfähig oder von solcher körperlicher Verfassung sind, daß ihnen die Ausfüllung des Stimmzettels ohne fremde Hilfe nicht zugemutet werden kann, dürfen sich hiebei einer Person ihres Vertrauens bedienen. Abs1 ist sinngemäß anzuwenden.
(3) Hierauf hat der Wähler, oder im Falle des Abs2 die Person seines Vertrauens, die auf der Wahlkarte vorgedruckte Erklärung, daß er den im Wahlkuvert befindlichen Stimmzettel unbeobachtet persönlich oder als Person seines Vertrauens nur vom Wähler beobachtet entsprechend dem Willen des Wählers ausgefüllt hat, unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig zu unterschreiben, die Wahlkarte und das Wahlkuvert in den amtlichen Wahlbriefumschlag zu legen, den amtlichen Wahlbriefumschlag mit der Siegelmarke zu verschließen und durch die Post an die Stadtwahlbehörde so rechtzeitig zu übersenden, daß der Wahlbrief von der Stadtwahlbehörde noch vor dem Ende der Wahlzeit behoben werden kann. Wahlbriefe, die zu einem späteren Zeitpunkt einlangen, gelten als nicht eingebracht. Wahlbriefe können auch am Tag vor dem Wahltag zu der von der Stadtwahlbehörde zu bestimmenden Zeit persönlich abgegeben werden, wobei die Identität durch eine Urkunde oder sonstige amtliche Bescheinigung im Sinne des §52 Abs2 glaubhaft zu machen ist. Für die persönliche Abgabe der Wahlbriefe sind am Tag vor dem Wahltag mindestens zwei Stunden zu bestimmen, wovon eine auf den Nachmittag zu entfallen hat. Wahlbriefe, die außerhalb dieses Zeitpunktes oder nicht persönlich abgegeben werden, gelten als nicht eingebracht.
(4) Die Stadtwahlbehörde hat für die durch die Post übersendeten Wahlbriefe ein Postfach einzurichten und dieses zu dem nach den Postvorschriften spätest möglichen Zeitpunkt, jedoch vor dem Ende der Wahlzeit zu entleeren. Die aus dem Postfach entnommenen und die bei der Stadtwahlbehörde persönlich abgegebenen Wahlbriefe sind bis zum Ende der Wahlzeit unter Verschluß aufzubewahren. Wahlbriefe, die gemäß Abs3 als nicht eingebracht gelten, sind ungeöffnet zu den Wahlakten zu legen. Auf den Wahlbriefen ist der Grund, weshalb die Wahlbriefe als nicht eingebracht gelten, zu vermerken. Dieser Vorgang ist in einer Niederschrift festzuhalten.
§54a
Vorgang bei anderen Wahlkartenwählern
(1) Erscheint ein Wahlkartenwähler vor einer Wahlbehörde, in deren Wählerverzeichnis er nicht eingetragen ist, um sein Wahlrecht auszuüben, hat er neben der Wahlkarte auch noch eine der im §52 Abs2 angeführten Urkunden oder amtlichen Bescheinigungen vorzuweisen, aus der sich seine Identität mit der in der Wahlkarte bezeichneten Person ergibt. Die Namen von Wahlkartenwählern sind am Schlusse des Wählerverzeichnisses unter fortlaufenden Zahlen einzutragen und in der Niederschrift über den Wahlvorgang anzumerken. Die Wahlkarte ist dem Wähler abzunehmen, mit der fortlaufenden Zahl des Wählerverzeichnisses zu versehen und der Niederschrift anzuschließen. Wurde ein Wahllokal nur für Wahlkartenwähler bestimmt, so ist die fortlaufende Zahl des Wählerverzeichnisses auf der Wahlkarte zu vermerken.
(2) Erscheint ein Wahlkartenwähler vor der nach seiner ursprünglichen Eintragung im Wählerverzeichnis zuständigen Wahlbehörde, so kann er auch hier unter Beobachtung der Bestimmungen dieses Gesetzes seine Stimme abgeben, doch ist ihm die Wahlkarte nach der Stimmenabgabe abzunehmen.
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12. Teil
Stimmzettel und Wahlbriefe
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§59a
Ungültige Wahlbriefe
Der Wahlbrief ist ungültig, wenn
1. kein amtlicher Wahlbriefumschlag (§32 Abs2 Z3) verwendet wurde,
2. er keine oder eine nicht gemäß §54 Abs3 unterschriebene Wahlkarte enthält,
3. er kein Wahlkuvert oder kein dem §32 Abs2 Z2 entsprechendes Wahlkuvert enthält,
4. der Wahlbriefumschlag mehrere Wahlkuverts, aber nicht eine gleiche Anzahl gemäß §54 Abs3 unterschriebener Wahlkarten enthält,
5. der Wahlbriefumschlag nicht mit der Siegelmarke (§32 Abs2 Z4) verschlossen wurde.
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§60a
Stimmenzählung bei Wahlbriefen
(1) Die Stadtwahlbehörde hat die bis zum Ende der Wahlzeit eingelangten Wahlbriefe der Sprengelwahlbehörde mit der geringsten Zahl von Wahlberechtigten zu übermitteln. Diese Sprengelwahlbehörde hat zunächst zu überprüfen, ob die Wahlbriefe gemäß §59a ungültig sind. Sie hat die ungültigen Wahlbriefe mit einer fortlaufenden Nummer zu versehen und gesondert abzulegen.
(2) Anstelle des Verfahrens gemäß §60 Abs2 hat diese Sprengelwahlbehörde die Wahlkuverts aus gültigen Wahlbriefen in die Wahlurne zu legen, in der sich die vor ihr abgegebenen Wahlkuverts befinden. Danach hat sie die Wahlkuverts in der Wahlurne gründlich zu mischen, die Wahlurne zu entleeren und die Wahlkuverts zu zählen. Sie hat weiters festzustellen, ob diese Zahl mit der Summe aus den im Abstimmungsverzeichnis eingetragenen Wählern und aus den gültigen Wahlbriefen übereinstimmt, sowie den mutmaßlichen Grund, wenn dies nicht der Fall ist.
(3) Diese Sprengelwahlbehörde hat außer den im §60 Abs3 genannten Summen auch noch die Gesamtsumme aus den gültigen und ungültigen Wahlbriefen und die Summe der ungültigen Wahlbriefe festzustellen und diese Feststellungen in der Niederschrift zu beurkunden, wobei auch der Grund der Ungültigkeit anzuführen ist.
§61
Niederschriften der Sprengelwahlbehörden
(1) Die Sprengelwahlbehörden haben hierauf den Wahlvorgang und das örtliche Wahlergebnis in einer Niederschrift zu beurkunden.
(2) Die Niederschrift hat mindestens zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Wahlortes, Wahlsprengels, Wahllokales und den Wahltag;
b) die Namen der an- und abwesenden Mitglieder der Sprengelwahlbehörde sowie der Vertrauenspersonen nach §10 Abs3;
c) die Namen der anwesenden Wahlzeugen;
d) die Zeit des Beginnes und Schlusses der Wahlhandlung;
e) Die Namen der Wahlkartenwähler, getrennt nach Männern und Frauen;
f) die Beschlüsse der Wahlbehörde über die Zulassung oder Nichtzulassung von Wählern zur Stimmenabgabe (§56);
g) sonstige Beschlüsse der Sprengelwahlbehörde, die während der Wahlhandlung gefaßt wurden;
h) die Feststellungen der Sprengelwahlbehörde nach §60 Abs2 und 3, wobei, wenn ungültige Stimmen festgestellt wurden, auch der Grund der Ungültigkeit anzuführen ist und
i) außergewöhnliche Vorkommnisse (§62).
(3) Der Niederschrift sind anzuschließen:
a) das Wählerverzeichnis;
b) das Abstimmungsverzeichnis;
c) die Wahlkarten der Wahlkartenwähler bzw. die Wahlbriefumschläge mit den Wahlkarten;
d) die ungültigen Stimmzettel und die ungültigen Wahlbriefe, die in abgesonderten Umschlägen mit entsprechenden Aufschriften zu verpacken sind, und
e) die gültigen Stimmzettel, die nach den Parteilisten geordnet, und zwar getrennt nach Stimmzetteln mit Namensumstellungen oder Streichungen (§65 Abs2 litb) und Stimmzetteln ohne Namensumstellungen oder Streichungen (§65 Abs2 lita), ebenfalls in abgesonderten Umschlägen mit entsprechenden Aufschriften zu verpacken sind.
(4) Die Niederschrift ist hierauf von den Mitgliedern der Wahlbehörde zu unterfertigen. Wird sie nicht von allen Mitgliedern unterfertigt, ist der Grund hiefür vom Wahlleiter anzugeben. Damit ist die Wahlhandlung beendet.
(5) Die Niederschrift samt ihren Beilagen bildet den Wahlakt der Sprengelwahlbehörde; er ist nach seinem Abschluß unverzüglich der Stadtwahlbehörde zu übergeben.
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§90
Formulare
(1) Die für das Wahlverfahren in den niederösterreichischen Gemeinden, die kein eigenes Statut besitzen, vorgesehenen Drucksortenmuster sind auch für das Wahlverfahren in den Städten mit eigenem Statut sinngemäß und unter Bedachtnahme auf die besonderen Bestimmungen dieses Gesetzes zu verwenden.
(2) Die Landesregierung hat durch Verordnung gemäß den Bestimmungen der §§31 und 32 und unter Verwendung der in diesen Bestimmungen enthaltenen Bezeichnungen, Muster für den amtlichen (leeren) Stimmzettel, die Wahlkarte, die Siegelmarke, den amtlichen Wahlbriefumschlag und das Merkblatt für die Wahl mittels Wahlkarte, zu erlassen.
§91
Strafbestimmungen
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, wer
1. sich weigert, ein Amt als Beisitzer oder Ersatzmitglied in einer Wahlbehörde anzunehmen;
2. im Wähleranlageblatt oder in einem Einspruch gegen das Wählerverzeichnis wissentlich falsche Angaben macht;
3. mutwillige Einsprüche gegen das Wählerverzeichnis erhebt;
4. die Zustimmung zur Aufnahme als Wahlwerber gibt, obwohl er vom Wahlrecht ausgeschlossen ist;
5. in der Verbotszone am Wahltag Wahlwerbung betreibt;
6. gegen die Vorschriften des §50 Abs1 und 2 verstößt;
7. gleichzeitig mit einem Wahlberechtigten die Wahlzelle betritt, ohne daß die Voraussetzungen des §51 Abs1 zweiter Satz vorliegen;
8. Kundmachungen, die auf Grund dieses Gesetzes anzuschlagen sind, verfälscht, beschädigt oder abreißt;
9. als Hauseigentümer oder dessen Stellvertreter gegen die Vorschrift des §22 Abs3 verstößt;
10. vorsätzlich in einer Erklärung gemäß §54 Abs3 unwahre Angaben macht, das Geheimnis eines Wahlbriefes bricht oder einen Wahlberechtigten an der geheimen Ausübung des Wahlrechtes mit Wahlbrief behindert.
(2) Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 sind, soweit nicht die Tat nach anderen gesetzlichen Bestimmungen strenger oder vom Gericht zu bestrafen ist, vom Magistrat mit einer Geldstrafe bis zu 3000 S, bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 Z10 bis zu 10000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu vier Wochen zu ahnden. Der Erlös dieser Strafen fließt der Stadt zu."
1.1.2.1. Im Bericht des Kommunal-Ausschusses des Nö. Landtages, der in seiner Sitzung am 5. Dezember 1984 die Vorlage der Nö. Landesregierung über den Entwurf einer Nov. zur Wahlordnung für Statutarstädte beriet und abänderte, finden sich ua. folgende Ausführungen:
"Der Abänderungsantrag regelt die Einführung der Briefwahl in die Wahlordnung für Statutarstädte. Die Möglichkeit der Stimmabgabe mit Wahlbriefen ist bereits durch das NÖ Initiativ- und Einspruchsgesetz gegeben. Die Möglichkeit der Briefwahl für Personen, die sich am Wahltag außerhalb der Stadt aufhalten werden oder infolge Krankheit oder Gebrechen nicht oder nur unter unzumutbaren Bedingungen vor der Wahlbehörde erscheinen können, sollte gegeben sein. Behinderten Bürgern kann zwar auch mit der Einrichtung von besonderen Wahlkommissionen geholfen werden, die die Wähler in ihrer Wohnung aufsuchen, doch stellt das Erscheinen einer Wahlkommission für solche Personen oft eine schwer zumutbare Belastung dar. Keine Alternative zur Briefwahl gibt es aber für Personen, die sich aus irgend einem (zB beruflichem) Grund am Wahltag außerhalb der Stadt aufhalten. Während bei Landtagswahlen wenigstens die Möglichkeit gegeben ist, mit Wahlkarten in irgend einer niederösterreichischen Gemeinde zu wählen, ist dies bei den Gemeinderatswahlen derzeit nur in der Gemeinde bzw. Stadt selbst möglich. Die Zulässigkeit der Briefwahl wurde in mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt. Der VfGH hat in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 1982, K-II-1/80-13, festgestellt, daß die Einführung einer solchen Regelung in die Zuständigkeit der Länder fällt ...
Zusätzlich zu der bereits bestehenden Möglichkeit, das Wahlrecht innerhalb der Stadt, aber in einem anderen Wahlsprengel als dem ihrer Eintragung auszuüben, wird der Kreis derjenigen Personen, die Anspruch auf Ausstellung einer Wahlkarte haben, erweitert. Diese Personen haben die Wahl, ihre Stimme persönlich im Wahllokal oder mit Wahlbrief abzugeben. Die Briefwahl bringt eine wesentliche Erleichterung für bestimmte Personengruppen, wie zB Pfleglinge in Heimen und Anstalten, bettlägerige Personen und Personen, die aus anderen wichtigen Gründen an der Ausübung ihres Stimmrechtes in einem Wahllokal gehindert sind ...
Der Antrag auf Ausstellung einer Wahlkarte kann sowohl schriftlich als auch mündlich gestellt werden. Der schriftliche Antrag auf Ausstellung der Wahlkarte bedingt einen früheren Endtermin (spätestens fünfter Tag vor dem Wahltag), um die postalische Zustellung der Wahlkarte und der erforderlichen Unterlagen ... noch rechtzeitig durchzuführen.
Um möglichen Mißbräuchen vorzubeugen, wird die Glaubhaftmachung der Identität durch die im §52 Abs2 erwähnten Urkunden festgelegt. Gegen die Verweigerung der Wahlkarte soll ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig sein. Die rechtswidrige Verweigerung der Wahlkarte kann aber einen Anfechtungsgrund der Wahl bilden ...
Die Briefwahlunterlagen müssen, um den Wahlrechtsprinzipien des geheimen und persönlichen Wahlrechtes zu entsprechen, die im §32 angeführten Beilagen enthalten. Der Stimmzettel hat den Voraussetzungen des §57 Abs1 lita und b zu entsprechen. Ein entsprechendes Muster hat die Landesregierung mit Verordnung zu erlassen (§90 Abs2).
Durch die Anmerkung der Ausstellung einer Wahlkarte im Wählerverzeichnis und die Regelung, daß für verlorene oder unbrauchbar gewordene Wahlkarten ein Duplikat nicht ausgestellt werden darf, soll eine mißbräuchliche Verwendung der Wahlkarte ausgeschlossen werden ...
Bei der Ausübung des Wahlrechtes auf dem Briefwege kommt den Bestimmungen über die Geheimhaltung des Wahlrechtes besondere Bedeutung zu. Durch die Vorschrift des (§54) Abs1 wird der Wahlberechtigte dazu verpflichtet, selbst zur Geheimhaltung des Wahlrechtes dadurch beizutragen, daß er den Stimmzettel unbeobachtet ausfüllt und ihn unbeobachtet in das Wahlkuvert legt. Hält er diese Formvorschrift nicht ein, begeht er eine Verwaltungsübertretung, wenn er die Erklärung auf der Wahlkarte wahrheitswidrig ausgefüllt hat. Es ist auch eine Regelung über die Hilfe durch Vertrauenspersonen vorgesehen. Die Vertrauensperson darf sich bei der Ausfüllung des Stimmzettels und beim Einstecken in das Wahlkuvert nur vom Wahlberechtigten beobachten lassen. Der Wahlberechtigte hat auf der Wahlkarte zu erklären, daß er den Formvorschriften des §54 Abs1 entsprochen hat. Hat sich ein Wahlberechtigter einer Vertrauensperson (§54 Abs2) bedient, so hat diese Erklärung die Vertrauensperson auszufüllen. Das Wahlkuvert, in dem sich der Stimmzettel befindet, und die ausgefüllte Wahlkarte sind in den amtlichen Wahlbriefumschlag zu stecken. Der amtliche Wahlbriefumschlag ist mit der Siegelmarke zu verschließen und durch die Post an die Stadtwahlbehörde zu übersenden. Daneben soll es auch noch die Möglichkeit geben, den Wahlbrief am Tag vor dem Wahltag persönlich abzugeben. Zu diesem Zweck wird die Stadtwahlbehörde am Tag vor dem Wahltag zwei Stunden zusammentreten müssen, um einem möglichen Mißbrauch bei Übernahme des Wahlbriefes durch eine Einzelperson vorzubeugen. Es wäre denkbar, daß jemand, der eine Wahlkarte beantragt hat, weil er sich am Wahltag außerhalb der Stadt aufhält, die rechtzeitige Übergabe des Wahlbriefes im Postweg vergessen hat. Ein solcher Wahlberechtigter hat dann die Möglichkeit, in den zwei Stunden am Tag vor dem Wahltag seinen Wahlbrief der Stadtwahlbehörde noch persönlich zu übergeben. Am Wahltag selbst hat er die Möglichkeit, bei der Sprengelwahlbehörde mit der Wahlkarte zu wählen. Eine Übersendung der Wahlkarte durch Boten ist nicht zulässig. Langt ein Wahlbrief nach dem Ende der Wahlzeit ein, wurde er außerhalb der festgesetzten Zeit bei der Stadtwahlbehörde oder nicht persönlich, sondern durch Boten abgegeben, gilt er als nicht eingebracht.
Um sicherzustellen, daß die Wahlbriefe nur vom Kollegium der Stadtwahlbehörde und nicht von einer Einzelperson in Empfang genommen werden, hat die Stadtwahlbehörde für die mit der Post übersendeten Wahlbriefe ein Postfach einzurichten. Dieses wird von der Stadtwahlbehörde vor Ende der Wahlzeit zum spätest möglichen Zeitpunkt zu entleeren sein. Wann dieser Zeitpunkt ist, wird davon abhängen, bis wie lange vor Ende der Wahlzeit dieses Postfach für die Stadtwahlbehörde nach den Organisationsvorschriften der Post zu beheben ist. Die aus dem Postfach übernommenen und von der Wahlbehörde am Tag vor der Wahl persönlich abgegebenen Wahlbriefe sind bis zum Ende der Wahlzeit unter Verschluß zu halten und werden dann nach den Vorschriften des §60a ungeöffnet der Sprengelwahlbehörde übermittelt. Verspätet eingelangte Wahlbriefe sollen im Interesse des Wahlgeheimnisses von der Stadtwahlbehörde unter Verschluß genommen werden ...
Die umfangreichen Ungültigkeitsbestimmungen bei Wahlbriefen dienen vor allem der Geheimhaltung der Stimmenabgabe. Enthält der Wahlbriefumschlag mehrere Wahlkuverts, so ist er dennoch gültig, wenn die gleiche Anzahl unterschriebener Wahlkarten beigeschlossen ist. Wenn zB ein Ehepaar beide Wahlkuverts in einen amtlichen Wahlbriefumschlag gelegt hat, soll dies kein Ungültigkeitsgrund sein. In diesem Fall müssen aber zwei gültig ausgefüllte Wahlkarten im Wahlbriefumschlag enthalten sein ...
Die Wahlbriefe sind gemäß §54 Abs3 an die Stadtwahlbehörde zu übersenden. Da die Anzahl der einlangenden Wahlbriefe nicht vorauszusehen ist, und die Identität des mit Wahlbrief Wählenden auf Grund der ausgefüllten Wahlkarte feststellbar ist, müssen Regelungen geschaffen werden, die die Geheimhaltung der Wahl sicherstellen. Die Geheimhaltung ist am besten dadurch gewährleistet, daß die eingelangten Wahlkuverts mit den in einem Wahlsprengel abgegebenen Wahlkuverts vermischt werden. Die Stadtwahlbehörde hat die Wahlbriefe der Sprengelwahlbehörde mit der geringsten Zahl von Wahlberechtigten zu übermitteln. Durch diese Regelung wird auch in diesem Wahlsprengel ein weiterer Beitrag zur Geheimhaltung des Wahlergebnisses geleistet. Bevor die Wahlkuverts mit den im Sprengel abgegebenen Wahlkuverts vermischt werden, hat die Wahlbehörde zuerst zu prüfen, ob die Wahlbriefe ungültig sind. Alle Ungültigkeitsgründe des §59a können bereits vor Öffnung des Wahlkuverts geprüft werden ..."
1.1.2.2. Der Kommunal-Ausschuß des Nö. Landtages faßte in seiner Sitzung am 13. Dezember 1984 nach Beratung des Einspruchs der Bundesregierung gegen den Gesetzesbeschluß vom 6. Dezember 1984, mit dem die Wahlordnung für Statutarstädte geändert wurde, den Beschluß, den in Rede stehenden Gesetzesbeschluß gemäß Art98 Abs2 B-VG zu wiederholen, und führte dazu begründend aus:
"Die Bundesregierung hat gegen den Gesetzesbeschluß des Niederösterreichischen Landtages vom 6. Dezember 1984, mit dem die Wahlordnung für Statutarstädte geändert wird, gemäß Art98 Abs2 B-VG Einspruch wegen Verfassungswidrigkeit des genannten Gesetzesbeschlusses erhoben. In der Begründung werden im wesentlichen Bedenken im Hinblick auf die Verletzung des Prinzips des geheimen und des persönlichen Wahlrechtes durch das in der gegenständlichen Novelle eingeführte Briefwahlsystem geltend gemacht. Im Hinblick auf diese Bedenken stelle sich der vorliegende Gesetzesbeschluß als verfassungswidrig dar. Zu den von der Bundesregierung vorgebrachten Bedenken kann weitgehend auf die Ausführungen verwiesen werden, die im Bericht des Kommunal-Ausschusses zur vorliegenden Gesetzesnovelle vorgebracht wurden. Insbesondere muß nochmals darauf verwiesen werden, daß die von der Bundesverfassung aufgestellten Wahlrechtsgrundsätze in ihrem Verhältnis zueinander gesehen werden müssen, und daß die Überbetonung eines dieser Grundsätze, wie etwa des geheimen Wahlrechtes, zu einer Vernachlässigung eines anderen, konkret des allgemeinen Wahlrechtes, führen würde. Das Fehlen eines Briefwahlsystems führt derzeit insbesondere bei Gemeinderatswahlen, bei denen auch mit Wahlkarte nur innerhalb der Gemeinde gewählt werden kann, dazu, daß unter anderem auch alle jene Personen praktisch vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, die sich, was im Zuge der heute erforderlichen höheren Mobilität der Arbeitskräfte gewiß nicht selten ist, aus beruflichen Gründen am Wahltag nicht in ihrer Gemeinde aufhalten können. Dies stellt eine massive Verletzung des Grundsatzes des allgemeinen Wahlrechtes dar, der nach Auffassung des Niederösterreichischen Landtages die im übrigen vom Gesetz her keineswegs begünstigte allfällige Unsicherheit hinsichtlich des geheimen Wahlrechtes aufwiegt. Dem Argument der Bundesregierung, daß bei der derzeit im Interesse des allgemeinen Wahlrechtes ohnedies bereits gegebenen Einschränkung des geheimen und persönlichen Wahlrechtes durch die Mitnahme einer Vertrauensperson durch Blinde oder behinderte Personen eine unmittelbare Kontrolle der Wahlbehörde gegeben sei, kann nicht gefolgt werden, weil bei gesetzestreuer Vollziehung dieser Wahlrechtsbestimmungen der Wahlbehörde keinerlei Einfluß darauf zukommt, ob in der Wahlzelle in solchen Fällen tatsächlich dem Willen des Wählers entsprochen oder unter Umständen von der Vertrauensperson ein Mißbrauch des ihr eingeräumten Vertrauens begangen wird.
Zu den Ausführungen des Einspruches bezüglich der angeblichen Verletzung des bundesverfassungsgesetzlichen Prinzips des persönlichen Wahlrechtes ist weiters anzumerken, daß das Wesen des persönlichen Wahlrechtes darin liegt, daß die Abgabe der Stimme durch den Wahlberechtigten selbst zu erfolgen hat, wobei die persönliche nicht delegierbare Willensentscheidung, nicht etwa die physische Präsenz des Wahlberechtigten wesentlich ist. Die Bundesregierung vermeint, die Bedenklichkeit des Gesetzesbeschlusses darin zu erkennen, daß die persönliche Willensentscheidung des Wahlberechtigten in erhöhtem Maße gefährdet sei, wenn dieser nicht vor der Wahlbehörde seine Stimme abgibt; persönliche Willensentscheidung und physische Präsenz stellten somit eine untrennbare Einheit von Elementen des persönlichen Wahlrechtes dar. Hiezu ist festzuhalten, daß die oben beschriebene Annahme der Bundesregierung sachlich nicht zu begründen ist und im übrigen von der Bundesregierung auch unbegründet geäußert wurde. Die Willensentscheidung des Wählers fußt auf einem vor dem eigentlichen Wahlvorgang gelegenen, mehr oder weniger lang dauernden Willensbildungsprozeß. Inwieweit dieser Prozeß Beeinflussungen unterliegt, ist von vielen teils in der Person des Wahlberechtigten, teils außerhalb derselben gelegenen Faktoren abhängig, welchen jedenfalls gemeinsam ist, daß sie von der Natur der Sache her stets der unmittelbaren Kontrolle der Wahlbehörden entzogen sind.
Zu dem Hinweis auf die im Bundesland Nordrhein-Westfalen gemachten Erfahrungen wäre zu bemerken, daß der vorliegende Gesetzesentwurf durch das Erfordernis der Glaubhaftmachung der Abwesenheit von der Gemeinde am Wahltag sicherstellt, daß die persönliche Stimmabgabe vor der zuständigen Wahlbehörde der Regelfall bleibt. Durch das in diesem Gesetzesbeschluß vorgesehene System der persönlichen Entgegennahme des Wahlbriefes sowie der detaillierten Vorschriften über dessen weitere Behandlung und Zustellung an die Behörde ist nicht nur sichergestellt, daß die Wahlberechtigten selbst die Briefwahlunterlagen entgegennehmen, sondern daß sich auch nicht Wahlfälschungen der genannten Art einstellen. Dem Argument, daß es durch ein zeitliches Auseinanderfallen von Wahlentscheidung des Briefwählers und Wahltag zu einer Änderung der Wahlentscheidung kommen könne, kann nach Auffassung des Niederösterreichischen Landtages höchstens demoskopische, nicht aber verfassungsrechtliche Bedeutung zugemessen werden. Es scheint keiner verfassungsgesetzlichen Wahlrechtsbestimmung entnommen werden zu können, daß dem Wähler in unserem demokratischen Wahlsystem vorgeschrieben werden solle, zu welchem Zeitpunkt er endgültig seine Wahlentscheidung trifft. Das Festsetzen eines bestimmten Wahltages hat wohl eher organisatorische Bedeutung, weil bei der Stimmabgabe an einem Tag eine leichtere Handhabung des Wahlverfahrens (zB Entfall des Erfordernisses, Wahlunterlagen unter Verschluß zu halten) möglich ist. Daraus läßt sich jedoch wohl nicht ableiten, daß eine bereits einige Tage vor dem amtlich festgesetzten Wahltag endgültig getroffene Wahlentscheidung den verfassungsrechtlichen Wahlgrundsätzen widerspricht.
Aus den angeführten Gründen kommt der Niederösterreichische Landtag daher zur Auffassung, daß die von der Bundesregierung geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzesbeschluß nicht gegeben sind."
1.2.1. Am 12. Feber 1985 stellte die Bundesregierung beim VfGH zur Z G18/85 den Antrag:
"Der VfGH wolle folgende Bestimmungen der (Niederösterreichischen) Wahlordnung für Statutarstädte, LGBl. 0360-2, gemäß Art140 B-VG als verfassungswidrig aufheben:
In §5 Abs1 die Worte "zu denen jedenfalls auch die Entgegennahme und Behebung der Wahlbriefe gehört' (Z2 des einschlägigen Gesetzesbeschlusses des NÖ Landtages vom 6. bzw. 18. Dezember 1984);
in §30 Abs1 die Worte 'oder mit Wahlbrief' (Z23 des Gesetzesbeschlusses);
in §32 Abs1 die Worte 'oder auf dem Briefwege' (Z25 des Gesetzesbeschlusses);
§54 zur Gänze (Z27 des Gesetzesbeschlusses);
in der Überschrift zu §54a das Wort 'anderen' (Z28 des Gesetzesbeschlusses);
in der Überschrift des 12. Teiles die Worte 'und Wahlbriefe' (Z29 des Gesetzesbeschlusses);
§59a zur Gänze (Z30 des Gesetzesbeschlusses);
§60a zur Gänze (Z31 des Gesetzesbeschlusses);
in §61 Abs3 litc die Worte "bzw. die Wahlbriefumschläge mit den Wahlkarten' (Z32 des Gesetzesbeschlusses);
in §61 Abs3 litd die Worte 'und die ungültigen Wahlbriefe' (Z33 des Gesetzesbeschlusses);
in §90 Abs2 die Worte "den amtlichen Wahlbriefumschlag' (Z37 des Gesetzesbeschlusses);
in §91 Abs1 die Z10 zur Gänze (Z39 des Gesetzesbeschlusses);
in §91 Abs2 die Worte 'bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 Z10 bis zu 10000 S' (Z40 des Gesetzesbeschlusses)."
(Alle zur Aufhebung beantragten Gesetzesstellen sind in der einleitenden Wiedergabe der STWO - s. Abschn. 1.1.1. - besonders hervorgehoben.)
1.2.2. Begründend heißt es im Antrag der Bundesregierung ua. wörtlich:
"Die genannten Bestimmungen sehen für Gemeinderatswahlen in Statutarstädten die Briefwahl vor. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß diese Bestimmungen mit den bundesverfassungsgesetzlich verankerten Prinzipien des geheimen und des persönlichen Wahlrechts in Widerspruch stehen. Diese Auffassung der Bundesregierung stützt sich auf folgende Überlegungen:
Nach Art117 Abs2 B-VG finden die Wahlen in den Gemeinderat auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechtes statt. Die selben Wahlgrundsätze sehen auch Art26 Abs1 hinsichtlich der Wahlen für den Nationalrat und Art95 Abs1 B-VG hinsichtlich der Wahlen für die Landtage vor. Soweit die folgenden Erwägungen an Art26 Abs1 B-VG ansetzen, sind sie somit auch für die Auslegung des Art117 Abs2 B-VG einschlägig.
Schon in der Stammfassung sah Art26 B-VG als einen der Wahlrechtsgrundsätze das persönliche Wahlrecht vor. Da das B-VG - damals wie heute - nicht definiert, was unter dem Begriff des 'persönlichen Wahlrechts' zu verstehen ist, ist sein Inhalt im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei wird in erster Linie nach dem Willen des historischen Gesetzgebers zu forschen und der Inhalt des Begriffes 'persönliches Wahlrecht' nach der Methode der historischen Interpretation zu ermitteln sein (vgl. dazu Walter, System des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 86 ff.).
Im Rahmen einer solchen Auslegung ist zunächst auf die parlamentarischen Materialien zur Entstehungsgeschichte des B-VG einzugehen. Diese enthalten zwar keine ausdrücklichen Hinweise auf den Inhalt des Begriffes 'persönliches Wahlrecht' (vgl. insbesondere Ermacora, Quellen zum Österreichischen Verfassungsrecht, 326 ff.), bemerkenswert ist allerdings, daß der Entwurf Mayr, der großdeutsche Verfassungsentwurf, der Linzer Entwurf sowie der sozialdemokratische Entwurf in den Bestimmungen über das Wahlrecht den Grundsatz des persönlichen Wahlrechts vorsahen. Daraus kann immerhin abgeleitet werden, daß der historische Verfassungsgesetzgeber des B-VG von einem so festgefügten Inhalt dieses Begriffes ausging, daß ihm eine nähere Erläuterung des Inhalts dieses Wahlrechtsprinzips entbehrlich erschien.
Es ist somit zu untersuchen, welches Verständnis des Begriffs 'persönliches Wahlrecht' sich zum Zeitpunkt der Entstehung des B-VG herausgebildet hatte:
Dabei liegt es zunächst nahe, von jenem Inhalt des Begriffes des 'persönlichen' Wahlrechtes auszugehen, wie er von der einfachgesetzlichen Rechtslage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art26 Abs1 B-VG in der Stammfassung geprägt wurde. Das zu diesem Zeitpunkt geltende Wahlrecht war im Gesetz vom 20. Juli 1920 über die Wahl und die Einberufung der Nationalversammlung, StGBl. 317, und das vom gleichen Tage stammende Gesetz über die Wahlordnung zur Nationalversammlung, StGBl. 316 (dazu Kelsen, Die Verfassungsgesetze der Republik Österreich, vierter Teil, 112 ff.), geregelt. Beide Gesetze wurden im übrigen im gleichen (Verfassungs-)Ausschuß behandelt, dem auch die Behandlung des B-VG oblag. Umsomehr erscheint es vertretbar, davon auszugehen, daß die ... in diesen Gesetzen verwendeten Begriffe mit den gleichnamigen des B-VG identisch sind.
§1 des Gesetzes StGBl. 317/1920 - die dem Art26 B-VG inhaltlich entsprechende Norm - ordnete das 'persönliche Wahlrecht' an. Dieses persönliche Wahlrecht wurde 'auf Grund der mit dem Gesetze vom 20. Juli 1920, StGBl. 316, erlassenen Wahlordnung' ausgeübt. Es muß also davon ausgegangen werden, daß das in dieser Wahlordnung geregelte Wahlverfahren jenes 'persönliche Wahlrecht' verwirklicht, das das erstgenannte Gesetz, damit aber auch das diesbezüglich inhaltlich entsprechende B-VG, nennt.
Das Gesetz StGBl. 316/1920 war in rechtstechnischer Hinsicht zum Teil eine Novelle zur Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung, StGBl. 115/1918. Es fügte mit seinem Art2 Z3 einen neuen §3a in die Wahlordnung ein, welcher lautete:
'(1) Jeder Wahlberechtigte hat nur auf eine Stimme Anspruch. Das Wahlrecht ist - abgesehen von der im §28, vierter Absatz, enthaltenen Gestattung - persönlich auszuüben' (Hervorhebung von der Bundesregierung).
Gemäß §28 Abs4 der Wahlordnung StGBl. 115/1918 konnten daher 'Blinde und Bresthafte ... sich von einer Geleitperson führen und diese für sich abstimmen lassen'. Aus diesem normativen Zusammenhang wird deutlich, daß schon ein solcher Abstimmungsvorgang als Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Wahlausübung angesehen wurde, zu dessen Zulässigkeit eine ausdrückliche Ausnahmeregelung für erforderlich erachtet wurde. Angesichts dessen kann aber wohl kaum ein Zweifel daran bestehen, daß auch die Briefwahl - die nicht einmal das persönliche Erscheinen vor der Wahlbehörde vorsieht - als (unzulässige) Durchbrechung des Prinzips der persönlichen Wahl zu verstehen gewesen wäre.
Weiters wird darauf verwiesen, daß auch das Gesetz über die Einberufung der konstituierenden Nationalversammlung, StGBl. 114/1918, in seinem ArtII Grundzüge des Wahlsystems regelte:
'Die Aufzählung dieser Prinzipien ist jedoch keine vollständige. Nur die Gleichheit, Allgemeinheit und Proportionalität des Wahlrechts wird ausgesprochen, nicht aber, daß das Wahlrecht ein direktes und geheimes sein soll.' (Kelsen, II, 7)
Auch eine ausdrückliche Anordnung der persönlichen Ausübung des Wahlrechtes fehlte in diesem Gesetz.
Auch in der bereits erwähnten Wahlordnung StGBl. 115, auf die der soeben erwähnte ArtII des Gesetzes StGBl. 114/1918 verweist, war ein ausdrücklicher Hinweis auf das persönliche Wahlrecht nicht enthalten. In diesem Gesetz findet sich allerdings im §3 die bemerkenswerte Vorschrift, daß der Wähler sein Wahlrecht in der Ortsgemeinde auszuüben hat, in der er am Tag der Verlautbarung der Wahlausschreibung seinen ordentlichen Wohnsitz hat. Diese Anordnung in Verbindung mit dem Umstand, daß es keine Wahlkarten gab (diese wurden erst im Jahre 1920 eingeführt), sowie mit den Verfahrensbestimmungen für die Stimmabgabe (§§26 ff.) schließen ganz eindeutig die Briefwahl aus.
Im vorliegenden Zusammenhang ist auch §4 der Wahlordnung StGBl. 115/1918 von besonderer Bedeutung. Er ordnet an, daß die Wähler, die am Tage der Verlautbarung der Wahlausschreibung in aktiver militärischer Dienstleistung stehen, ihr Wahlrecht an dem Wahlorte ausüben, ... in dem sie an diesem Tage gewohnt haben. Kelsen (Verfassungsgesetze II, 54) berichtet zur Entstehungsgeschichte dieser Norm, daß sie ursprünglich die Briefwahl jener Wähler vorsah, die zur Zeit der Wahl im Wehrdienst stehen. Ihre Stimmzettel sollten unter Verschluß an die Kreiswahlbehörde zur Stimmenermittlung geschickt werden. Die Wahlgesetzkommission des Staatsrates schlug dagegen aber eine Fassung vor, die vom Briefwahlsystem abging. Die endgültige, in StGBl. 115/1918 kundgemachte Fassung dieser Norm wurde erst im Wahlgesetzausschuß der Nationalversammlung formuliert, die Fassung sieht wie erwähnt kein Briefwahlrecht vor. Dies ist im vorliegenden Zusammenhang deshalb besonders bemerkenswert, weil sich der Gesetzgeber damit - in Kenntnis des Instituts der Briefwahl - gegen diese Einrichtung entschieden hat.
Aufschlußreich ist ferner §40 der Wahlordnung StGBl. 115/1918. In einem besonderen Ausnahmefall ('Wenn die Wahlen infolge von Krieg, von inneren Unruhen, Störungen des Verkehrs oder aus anderen Gründen ... nicht gemäß den Vorschriften dieses Gesetzes durchgeführt werden können ...') war nämlich eine 'unmittelbare Einsendung der Stimmzettel an die Hauptwahlbehörde' zulässig. Sie wurde aber insofern geradezu als 'Fremdkörper' im Wahlsystem angesehen, als der Gesetzgeber anordnete, daß nach einer solchen Briefwahl 'ordentliche Wahlen, sobald die oben angeführten Hindernisse entfallen, ehebaldigst anzuberaumen und durchzuführen' (Hervorhebung von der Bundesregierung) sind. Daraus ergibt sich deutlich, daß die Briefwahl als mit einer 'ordentlichen' Wahl unvereinbares Rechtsinstitut angesehen wurde.
In die gleiche Richtung weist auch die Vollzugsanweisung StGBl. 97/1919, in welcher den Angehörigen einiger verlegter Truppenteile das Recht eingeräumt wurde, am Garnisonsort zu wählen. Die gesetzliche Grundlage für diese Verordnung, der soeben zitierte §40 der Wahlordnung StGBl. 115/1918, hätte ausnahmsweise auch eine 'Briefwahl' (dh. eine unmittelbare Einsendung der Stimmzettel) zugelassen, doch hat der Staatsrat diese Möglichkeit nicht genutzt.
Eine letzte Klärung dessen, was zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des B-VG in seiner Stammfassung mit dem Begriff 'persönliches Wahlrecht' gemeint war, bringt schließlich Kelsen, der in seinem Kommentar (Verfassungsgesetze II, 97) zu §28 der Wahlordnung StGBl. 115/1918 folgendes feststellt:
'Das Wahlrecht ist persönlich auszuüben. Auch dieser Rechtssatz geht nur indirekt aus dem Gesetz hervor. Eine Stellvertretung ist im allgemeinen ausgeschlossen. Nur für Blinde und Bresthafte ist eine Ausnahme insofern gemacht, als diese die Geleitperson, die sie zur Wahlurne hinführt, für sich abstimmen lassen können. Auch diese Personen müssen also vor der Wahlbehörde persönlich erscheinen.'
Auch die maßgebende Literatur stellt somit klar, daß das 'persönliche' Wahlrecht ein solches Wahlsystem ist, bei dem der Wähler selbst persönlich vor der Wahlbehörde erscheint. Diese Umschreibung schließt die Briefwahl aus.
Das System des persönlichen Erscheinens des Wählers vor der Wahlbehörde wird nun im Motivenbericht des Staatskanzlers (zitiert bei Kelsen, aaO, S 96) zur Wahlordnung StGBl. 115/1918 ganz ausdrücklich damit begründet, daß nur mit diesem System Wahlschwindel vermieden werden könne:
'Der Wähler tritt vor die Wahlbehörde (ohne Stimmzettel und) ohne eine Legitimation, bloß im Besitze eines Dokumentes, das seinen Personenstand dartut. Er nennt seinen Namen und seine Wohnungsadresse ... Es ist Wahlschwindlern außerordentlich erschwert, sich Vor- und Zunamen, Haus- und Türnummer mehrerer Wahlberechtigter zu merken und zugleich irgendein den Personenstand dartuendes Dokument zu erhaschen. Wahllegitimationen gibt der Wähler leicht aus der Hand, denn sie haben nur einen einmaligen Wert, nicht so Familienstandsdokumente. Die Gefahr, agnostiziert zu werden, ist hier besonders groß, da ja die Ortswahlbehörde die Leute ihres Sprengels durch die Listenaufnahme zum großen Teil kennengelernt hat. Da zudem das Wählerverzeichnis noch andere Daten über die Person enthält als den bloßen Namen, zB das Alter, den Familienstand, so wird eine Frage aus dem vorliegenden Wählerverzeichnis, die Frage nach dem Türnachbarn links und rechts den Wahlschwindler sofort entlarven.'
Der Gesetzgeber des Wahlrechtsgesetzes, welches zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des B-VG galt, wollte also die Ausübung des Wahlrechts ganz deutlich nur in Form des persönlichen Erscheinens des Wahlberechtigten vor der Wahlkommission zulassen. Besonders bemerkenswert ist, daß sogar für den Sonderfall der zulässigen Stellvertretung bei der Stimmabgabe - nämlich bei der Ausübung des Wahlrechtes durch Blinde und Bresthafte - das persönliche Erscheinen des Wählers vor der Wahlkommission angeordnet war.
Eine historische Interpretation des Begriffes 'persönliches Wahlrecht' im B-VG nach dem aus der einfachgesetzlichen Rechtslage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der einschlägigen Verfassungsbestimmungen erkennbaren Verständnis ergibt somit, daß die Briefwahl mit diesem Wahlrechtsgrundsatz nicht zu vereinbaren ist.
Nach Auffassung der Bundesregierung weist auch die bisherige Judikatur des VfGH, so weit darin eine Auseinandersetzung mit dem Prinzip des persönlichen Wahlrechts stattfand, darauf hin, daß die Briefwahl nicht diesem Prinzip entspricht:
In VfSlg. 2826/1955 hat sich der VfGH mit dem Prinzip des persönlichen Wahlrechtes in einer Gemeindewahlordnung auseinandergesetzt.
Diesem Erkenntnis läßt sich entnehmen, daß der VfGH die Übergabe des Stimmzettels durch einen Dritten als mit dem Prinzip des persönlichen Wahlrechts in Widerspruch stehend erachtet. Eine solche Übergabe des Stimmzettels durch einen Dritten sei ausdrücklich nur bei jenen zulässig, die sich bei der Abstimmung nach den Bestimmungen der Wahlordnung vertreten lassen dürfen. Erforderlich sei aber vor allem, daß 'durch eine ausreichende Kontrolle jede Verfälschung ... durch einen Mißbrauch ausgeschlossen ist'. In diesem Erkenntnis ist bemerkenswert, daß der VfGH in minutiöser Schilderung des Sachverhaltes dartut, daß die Wahlkommission einen persönlichen Eindruck von der Wählerin gewinnen konnte, deren Stimmzettel durch einen Dritten überbracht und in die Wahlurne gelegt wurde. Die Bedeutung, die der VfGH dabei dem persönlichen Erscheinen der Wählerin vor der Wahlbehörde zumißt, läßt eine Wahlform, bei der es daran fehlt, mit dem Prinzip des persönlichen Wahlrechts unvereinbar erscheinen.
In VfSlg. 5166/1965 stellt der VfGH klar, daß zwar die Vertretung Behinderter mit dem persönlichen Wahlrecht vereinbar sei. 'Der Grundsatz des persönlichen Wahlrechts wäre allerdings verletzt, ließe man in einem weiteren Umfang eine Stellvertretung zu'. Offensichtlich sieht der VfGH als absolute Grenze der Durchbrechung des Prinzips des persönlichen Wahlrechts jene Ausnahmefälle an, welche wie oben erwähnt bereits im Jahre 1920 bestanden haben: Jene Fälle also, in denen sich blinde und gebrechliche Personen bei der Wahlrechtsausübung eines Beistandes oder Vertreters bedienen können. Auch daraus scheint ableitbar, daß ein Wahlausübungsmodus wie die Briefwahl, der sich vom Typus der 'persönlichen' Wahlausübung in 'Form des persönlichen Erscheinens vor der Wahlbehörde' noch beträchtlich weiter entfernt, verfassungsrechtlich unzulässig ist.
Die Auffassung der Bundesregierung, wonach das in der Niederösterreichischen Wahlordnung für Statutarstädte vorgesehene Briefwahlrecht in Konflikt zu Art117 Abs2 B-VG iVm. Art26 B-VG steht, weil es den in den genannten Verfassungsbestimmungen verankerten Prinzipien des geheimen und des persönlichen Wahlrechtes widerspricht, läßt sich darüber hinaus noch durch folgende Überlegungen begründen:
Geheimes Wahlrecht liegt dann vor, wenn das Verfahren so gestaltet ist, daß die Wahlentscheidung des einzelnen Wahlberechtigten weder bei der Stimmabgabe noch im Ermittlungsverfahren, sei es für die Wahlbehörde, sei es für die Öffentlichkeit, erkennbar wird (Schäffer,
Die Briefwahl, in: Salzburg Dokumentationen, Band 34, 51; Walter, System des Österreichischen Bundesverfassungsrechts, 238). Im Gegensatz zur Auffassung Schäffers vertritt die Bundesregierung nun die Ansicht, daß die Briefwahl mit diesem Begriff des geheimen Wahlrechtes deshalb nicht vereinbar ist, weil dadurch - wie Schäffer selbst einräumen muß - 'die Wahl in der privaten Sphäre für private Beeinflussung anfälliger (ist) als die Stimmabgabe vor der Wahlbehörde'.
Weiters wird in dem genannten Gutachten Schäffers die Ansicht vertreten, die Entscheidung, allen, die sich an der Willensbildung beteiligen wollen, die Möglichkeit hiezu zu geben, sei vom Standpunkt der Demokratie (Art1 B-VG) höher zu bewerten als das geringfügige Risiko allfälliger Manipulationen (aaO 54). Diese Argumentation ist keineswegs zwingend. Vielmehr ließe sich aus dem Umstand, daß das B-VG und die Wahlordnungen rigorose Sanktionen für ordnungswidrige Wahlen vorsehen, sofern die Rechtswidrigkeit von Einfluß auf das Wahlergebnis hätte sein können, mit - wie die Bundesregierung meint - höherer Plausibilität das Gegenteil ableiten.
Die Bundesregierung weist weiters darauf hin, daß auch in der Lehre die Ansicht vertreten wird, der Grundsatz des persönlichen Wahlrechts bedeute, daß die Abstimmung durch persönliche Anwesenheit und durch persönliche Stimmabgabe des Wahlberechtigten selbst zu geschehen habe und daher die Briefwahl ausgeschlossen sei (vgl. Walter, System, 237). Wenn im oben genannten Gutachten Schäffers die Ansicht vertreten wird, 'die persönliche, nicht delegierbare Willensentscheidung, nicht die physische Präsenz ist das eigentlich Entscheidende' (56), so kann die Bundesregierung diesem Argument, auch im Lichte der historischen Interpretation, nicht zustimmen. Die Bedenklichkeit des Briefwahlrechts ergibt sich nämlich gerade aus der Gefährdung der persönlichen Willensentscheidung, die in erhöhtem Maß dann gegeben ist, wenn der Wähler nicht vor der Wahlbehörde seine Stimme abgibt. Persönliche Willensentscheidung und physische Präsenz stellen somit - offenbar auch im Verständnis des historischen Verfassungsgesetzgebers - eine untrennbare Einheit von Elementen des persönlichen Wahlrechtes dar. Aus diesem Grund kann die Zulässigkeit der Briefwahl auch nicht damit begründet werden, die Nationalratswahlordnung ließe auch die Unterstützung Gebrechlicher durch Begleitpersonen zu: Zwar ist im Fall der Ausübung des Wahlrechts durch behinderte Personen eine Lockerung sowohl des persönlichen als auch des geheimen Wahlrechts zulässig, doch sichert gerade die Formgebundenheit des Verfahrens vor der Wahlbehörde im Verein mit der physischen Präsenz des Behinderten und seines Vertreters die Wahl weitgehend vor Manipulationen.
Die Erläuterungen zum vorliegenden Gesetzesbeschluß sind in keiner Weise geeignet, die oben dargestellten Bedenken zu zerstreuen. Zur Behauptung, die Zulässigkeit der Briefwahl sei in mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt worden, ist einzuräumen, daß Pfeifer, Wahlrecht und Wahlreform, JBl. 1970, S 453 f., S 512 und S 552 f., und Schäffer, aaO, für die Zulässigkeit der Briefwahl eingetreten sind. Auf der anderen Seite haben aber Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 237, und Werner - Klecatsky,
Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 1961, S 132, die Vereinbarkeit der Briefwahl mit den Grundsätzen des persönlichen und geheimen Wahlrechtes auch in der Lehre bestritten (vgl. etwa zum Stand der Lehre weiter die eher distanzierten Ausführungen bei Adamovich - Funk, Österreichisches Verfassungsrecht, 168, und bei Klecatsky - Morscher, Das österreichische Bundesverfassungsrecht, 1982, S 315). Auch dem Erkenntnis des VfGH vom 15. Oktober 1982 (VfSlg. 9547/1982), welches im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zitiert wird, ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, daß die Briefwahl zulässig sein sollte. In diesem Erkenntnis hat der VfGH zu einem Antrag der Salzburger Landesregierung auf Kompetenzfeststellung nach Art138 Abs2 B-VG hinsichtlich eines Entwurfes eines Gesetzes über die Briefwahl bei Landtagswahlen sich - der Auffassung der Bundesregierung folgend - zu einer Prüfung der inhaltlichen Verfassungskonformität nicht zuständig gesehen.
Die Bundesregierung sieht sich in ihren Bedenken gegen die Briefwahl schließlich auch durch den Bericht der sog. 'Ellwein-Kommission' (Kommission zur Gesetzes- und Verwaltungsvereinfachung, Gesetzes- und Verwaltungsvereinfachung in Nordrhein-Westfalen, o.J., S 175 ff.) bestärkt, in welchem vorgeschlagen wird, die Briefwahl abzuschaffen, wobei als Begründung folgendes angeführt wird:
'Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland bestimmt in Art38 und macht gemäß Art28 für die Länder, Kreise und Gemeinden verbindlich, daß die Wahlen zum Bundestag und zu anderen Vertretungskörpersc