TE Vfgh Beschluss 1985/6/7 B475/83

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Veröffentlicht am 07.06.1985
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid
StV Wien 1955 Art7 Z3
VolksgruppenG

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; mangelnder Bescheidcharakter einer (behördlichen)Rechtsbelehrung - schlichte Mitteilung

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1.1. Am 19. November 1981 stellte der Bf. H R beim Standesamt Schachendorf, Burgenland, den Antrag, über seine am 9. Oktober 1965 mit I M R geschlossene Ehe eine Heiratsurkunde in kroatischer Sprache auszustellen.

1.1.2. Da in der Folge sowohl das Standesamt Schachendorf als auch die gemäß §73 Abs2 AVG 1950 angerufene Bezirkshauptmannschaft Oberwart untätig blieben, beantragte H R am 11. April 1983 - wieder gestützt auf §73 Abs2 AVG 1950 - die Devolution der Entscheidungsbefugnis über sein Begehren vom 19. November 1981 auf den Landeshauptmann von Bgld.

1.2. Mit Schreiben der Bgld. Landesregierung vom 1. Juni 1983, Z LAD-992-1983, wurde dem Bf. wörtlich mitgeteilt:

"... Das Amt der Burgenländischen Landesregierung beehrt sich, zu

Ihrem Devolutionsantrag wie folgt Stellung zu nehmen:

In Ihrem Antrag auf Ausstellung einer Heiratsurkunde in kroatischer Sprache berufen Sie sich auf Art7 Abs3 des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955, wobei diese Bestimmung unmittelbar anwendbar sei. Dieser Bestimmung kommt hinsichtlich der Rechte der Volksgruppen zweifelsfrei besondere Bedeutung zu. Während aber zB die Erfüllung der Gebote der Abs1 und 5 des Art7 keiner besonderen gesetzlichen Vorkehrungen bedarf, trifft dies für Art7 Abs3 nicht zu. Die unbestimmte Fassung dieser Bestimmung bedarf zu ihrer Durchführung eigener gesetzlicher Regelungen.

Dem am 7. Juli 1976 vom Nationalrat beschlossenen Bundesgesetz über die Rechtsstellung von Volksgruppen in Österreich (Volksgruppengesetz), BGBl. 396/1976, kommt daher bei der Behandlung Ihres Antrages ausschlaggebende Bedeutung zu. Nach §2 Abs1 dieses Gesetzes sind durch Verordnungen der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung ua. festzulegen: Die Behörden und Dienststellen, bei denen zusätzlich zur deutschen Amtssprache die Verwendung der Sprache einer Volksgruppe zugelassen wird, wobei jedoch das Recht der Verwendung dieser Sprache auf bestimmte Personen oder Angelegenheiten beschränkt werden kann. Da bisher keine entsprechende Verordnung der Bundesregierung hinsichtlich des Burgenlandes erlassen wurde und ein Abgehen von dem im Art8 B-VG normierten Gebot der deutschen Amtssprache rechtlich somit nicht vorgesehen und gestattet ist, kann Ihrem Antrag auf Ausstellung einer Heiratsurkunde in kroatischer Sprache nicht entsprochen werden ..."

(Eine vom Adressaten dagegen ergriffene Beschwerde an den VwGH wurde inzwischen als unzulässig zurückgewiesen: VwGH 11. Juli 1984 Z 83/01/0311).

1.3.1. Mit seiner an den VfGH gerichteten und auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde gegen die unter Punkt 1.2. wiedergegebene Enuntiation der Bgld. Landesregierung begehrt H R die Aufhebung dieses Verwaltungsaktes wegen Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, so ua. im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

1.3.2. Die Bgld. Landesregierung erstattete eine Gegenschrift und beantragte darin die Zurückweisung der Beschwerde.

Begründend heißt es ua.:

"... Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers spricht nach Ansicht

der Burgenländischen Landesregierung schon der Wortlaut des ersten Satzes des gegenständlichen Schreibens 'Das Amt der Burgenländischen Landesregierung beehrt sich, zu ihrem Devolutionsantrag wie folgt Stellung zu nehmen' eindeutig dafür, daß die folgenden Ausführungen nur die Wiedergabe einer Rechtsmeinung sind und damit keine Gestaltung oder Feststellung von Rechten oder Rechtsverhältnissen beabsichtigt ist. Durch die Wahl der Worte dieses Einleitungssatzes sowie aus der Tatsache, daß die für eine Bescheiderlassung vorgeschriebenen Formerfordernisse nicht eingehalten wurden, ergibt sich, daß ein Bescheidwille fehlte ..."

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Nach Art144 Abs1 B-VG idF BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen a) Bescheide von Verwaltungsbehörden (Art144 Abs1 Satz 1 B-VG idgF) und b) die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person (Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idgF).

2.1.2.1. Ein diese Voraussetzungen erfüllender Verwaltungsakt liegt - der Auffassung des Bf. zuwider - nicht vor.

2.1.2.2. Bei der vom Bf. bekämpften Zuschrift der Bgld. Landesregierung vom 1. Juni 1983 handelt es sich nämlich weder um einen - Verwaltungsangelegenheiten in einer der Rechtskraft fähigen Weise regelnden - Bescheid (Art144 Abs1 Satz 1 B-VG idgF) noch um einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idgF), sodaß es hier an einem tauglichen Beschwerdegegenstand iS des Art144 Abs1 B-VG fehlt (s. auch VfSlg. 6187/1970).

Denn nach dem klaren, unmißverständlichen Wortlaut und Sinngehalt des zitierten Schreibens kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Bgld. Landesregierung den Bf. lediglich über die aus ihrer Sicht gegebene Rechtslage informierte: Eine solche - schon objektiv betrachtet - den Charakter einer schlichten Mitteilung tragende Rechtsbelehrung entbehrt aber des individuell-normativen Inhalts, wie ihn die Bestimmung des Art144 Abs1 B-VG zwingend verlangt (s. zB VfGH 21. Juni 1982 B291, 292/79, 24. September 1983 B83/83; vgl. auch den schon erwähnten Beschl. des VwGH vom 11. Juli 1984, Z 83/01/0311, womit eine Parallelbeschwerde gegen den in Rede stehenden Verwaltungsakt zurückgewiesen wurde).

2.2. Die Beschwerde war darum als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß es eines näheren Eingehens auf das Beschwerdevorbringen bedurfte. Insbesondere war bei diesem Ergebnis auch nicht die Frage zu prüfen, ob etwa sonstige Prozeßhindernisse bestehen.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Volksgruppen, Staatsverträge,Geltungsbereich eines Staatsvertrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B475.1983

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2011
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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