RS Vwgh 2007/4/17 2006/19/0675

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Veröffentlicht am 17.04.2007
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 1997 §24b Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §32 Abs1;

Rechtssatz

Unter Zugrundelegung der Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, G 237/03 u.a., VfSlg. 17.340, darf das Neuerungsverbot des § 32 Abs. 1 AsylG nicht so verstanden werden, dass neue Tatsachenbehauptungen in der Berufung eines Asylwerbers, bei dem es möglich erscheint, dass er insbesondere aufgrund seiner psychischen Ausnahmesituation nicht in der Lage war, diese früher vorzubringen, unzulässig wären (vgl. zur Beschränkung des Neuerungsverbotes auf Missbrauchsfälle auch das E vom 27. September 2005, 2005/01/0313). Diese Überlegungen gelten aber nicht nur für das asylrelevante Vorbringen selbst, sondern auch für die Frage, ob eine Traumatisierung aufgrund eines fluchtauslösenden Ereignisses vorliegen könnte, zumal es nicht auszuschließen ist, dass eine allfällige Traumatisierung den Asylwerber nicht nur (unverschuldet) daran gehindert hat, im erstinstanzlichen Verfahren über das Erlebte zu berichten, sondern auch die Traumatisierung selbst zu thematisieren. Ausgehend davon erscheint es dem Verwaltungsgerichthof - trotz eines missverständlichen Wortlautes - auch nicht zulässig, § 24b Abs. 1 AsylG so auszulegen, dass damit implizit eine Erweiterung des "Neuerungsverbotes" gerade für jene Personen (nämlich allenfalls Traumatisierte) stattfände, die nach den Intentionen des Gesetzgebers eine besonders schützenswerte Gruppe von Asylwerbern sind. Wenn § 24b Abs. 1 AsylG daher vorsieht, dass sich die für eine Traumatisierung sprechenden medizinisch belegbaren Tatsachen "in der Ersteinvernahme oder einer weiteren Einvernahme im Zulassungsverfahren (§ 24a)" ergeben, lässt sich diese Formulierung nur so verstehen, dass damit auf den - vom Gesetzgeber angedachten - Regelfall abgestellt worden ist, wonach sich Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen einer Traumatisierung bei den gesetzlich vorgesehenen Einvernahmen im Zulassungsverfahren zeigen sollten. Damit wurde aber nicht ausgeschlossen, dass diese Umstände den Asylbehörden auch auf andere Art und Weise, sei es durch Schriftsatz im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens, sei es aber auch in der Berufung gegen eine für den Asylwerber negative Zuständigkeitsentscheidung des Bundesasylamtes zur Kenntnis gelangen und inhaltlich zu prüfen sind. Auch das Berufungsverfahren ist in solchen Fällen Teil des Zulassungsverfahrens (Hinweis E 17. April 2007, 2006/19/0163 bis 0166).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006190675.X01

Im RIS seit

24.05.2007

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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