TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/8 V41/84, V42/84

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Veröffentlicht am 08.06.1985
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Index

60 Arbeitsrecht
60/03 Kollektives Arbeitsrecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs3 zweiter Satz lita
AKG 1954 §28
GeschäftsO der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg vom 14.11.80
RahmenGO des Österreichischen Arbeiterkammertages
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Art139 Abs1 und 3 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der Rahmengeschäftsordnung des Österreichischen Arbeiterkammertages sowie der Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Sbg. vom 14. November 1980 bzw. 8. Oktober 1974; kein Anspruch auf Vorgehen nach Abs3 lita; keine Darlegung, daß die V zur Gänze die Rechtssphäre verletzten; keine Antragslegitimation Art139 Abs1 B-VG; Eventualbegehren auf Aufhebung des §11 Abs5 der GO cit.; mangelnde Darlegung der Bedenken im einzelnen; keine Antragslegitimation

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit seinen gemäß Art139 B-VG eingebrachten Anträgen begehrt der Einschreiter die Aufhebung der "Rahmengeschäftsordnung des Österreichischen Arbeiterkammertages, sowie der Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg vom 14. November 1980 bzw. 8. Oktober 1974, genehmigt von der Hauptversammlung des Österreichischen Arbeiterkammertages am 20. November 1980 bzw. am 9. Oktober 1974" wegen Gesetzwidrigkeit, in eventu die Aufhebung des "§11 Abs5 der Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg" aus demselben Grund.

Der Antragsteller führt aus, daß in der Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte vom 31. Oktober 1984 auf Antrag einer Fraktion die Tagesordnung einstimmig um den Tagesordnungspunkt "Stellungnahme der Vollversammlung zum 8. Dezember" erweitert worden sei. Nach längerer Diskussion habe der Präsident der Kammervollversammlung die Debatten auf je drei Redner jeder Fraktion beschränkt. Der letzte dieser Redner, der der Fraktion angehörte, die den Tagesordnungspunkt verlangt hatte, habe eine Stellungnahme gegen die Öffnung der Geschäfte am 8. Dezember 1984 beantragt, worüber der Präsident der Kammervollversammlung sofort habe abstimmen lassen. Der Fraktion, der der Antragsteller angehört, sei eine Beratung vor Beschlußfassung versagt worden. Der Antragsteller habe sich gegen die Vorgangsweise ausgesprochen, da er hiedurch in seinem Recht auf Vorbereitung und Beratung mit seiner Fraktion verkürzt worden sei.

Weiter führt er aus (die als Schreibfehler gewerteten Unrichtigkeiten wurden korrigiert):

"§11 (5) lautet:

'Die Reihenfolge der Verhandlungsgegenstände kann durch Beschluß der Vollversammlung geändert werden.

Gegenstände, die nicht auf der Tagesordnung stehen, können in Verhandlung gezogen werden, wenn ihnen die Vollversammlung die Dringlichkeit zuerkennt.'

Die Abstimmung nach §11 (5) ist gegen meinen ausdrücklichen Einspruch erfolgt.

Die bekämpfte Verordnung ist in der angeführten Stelle tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden.

Durch die Anwendung der Norm wurde der Antragsteller aktuell dadurch beeinträchtigt, daß sein rechtlich geschütztes Interesse als Kammerrat, sich auf die Abstimmung vorzubereiten und darüber zumindest mit der Fraktion zu beraten, verkürzt wurde.

Ein Rechtsschutz gegen die rechtswidrige Norm durch ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren liegt nicht vor, und die Verordnung ist ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für den Antragsteller wirksam geworden.

Die bekämpfte Verordnung entbehrt zur Gänze, insbesondere auch hinsichtlich der Bestimmung des §11 (5) der gesetzlichen Grundlage.

§28 des Bundesgesetzes vom 19. Mai 1954, BGBl. 105, über die Kammern für Arbeiter und Angestellte und den Österreichischen Arbeiterkammertag stellt weder hinsichtlich der von den Vollversammlungen der Arbeiterkammern noch hinsichtlich der vom Arbeiterkammertag erlassenen Rahmengeschäftsordnung eine Bestimmung dar, welche die Geschäftsordnung als Verordnung durch das Gesetz ausreichend determiniert.

Es wird daher auch angeregt, ein Gesetzesprüfungsverfahren nach Artikel 140 B-VG einzuleiten, da die formalgesetzliche Delegation vorliegt und die bekämpfte Verordnung nicht nur eine dem §18 (2) B-VG entsprechende gesetzliche Regelung präzisiert."

Über die zitierten Passagen hinaus enthält die Eingabe lediglich eine - bereits wiedergegebene - Darstellung des Sachverhaltes, die Formulierung des Antrages und eine wörtliche Abschrift des §28 ArbeiterkammerG.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Nach der ständigen Judikatur des VfGH (beginnend mit VfSlg. 8009/1977) ist grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation, daß das Gesetz oder die V die Rechtssphäre der betreffenden Person berührt, daß die generelle Norm in deren Rechtssphäre eingreift und diese - im Falle ihrer Rechtswidrigkeit - verletzt.

Bei Beurteilung der unmittelbaren Betroffenheit kommt es ausschließlich auf die Behauptung des Antragstellers, in welcher Hinsicht die angefochtene V seine Rechtssphäre berührt und allenfalls verletzt, an (VfSlg. 8060/1977); es braucht nicht untersucht zu werden, ob die V sonstige unmittelbare Wirkungen für den Antragsteller hat (VfSlg. 8404/1978).

Der Antrag enthält überhaupt keine Darlegung, inwieweit die gesamte Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Sbg. sowie die Rahmengeschäftsordnung des Österreichischen Arbeiterkammertages unmittelbar in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen haben.

Sollte der Antragsteller aber der Meinung sein, Art139 Abs3 lita B-VG gewähre ihm ein Recht auf Aufhebung der gesamten V bei Ermangelung der gesetzlichen Grundlage, so irrt er. Den Parteien des Verfahrens steht nämlich ein Anspruch auf ein Vorgehen des VfGH nach Art139 Abs3 lita B-VG nicht zu; die Voraussetzungen des Art139 Abs3 lita B-VG sind nur von Amts wegen wahrzunehmen (VfSlg. 9260/1981).

Da die Eingabe des Einschreiters Behauptungen darüber, daß die V zur Gänze seine Rechtssphäre verletzten, nicht enthält, war der Antrag, soweit er die Aufhebung der Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Sbg. und der Rahmengeschäftsordnung des Österreichischen Arbeiterkammertages zur Gänze begehrt, mangels Legitimation zurückzuweisen.

2. Aber auch der Antrag, §11 Abs5 der Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Sbg. aufzuheben, ermangelt der notwendigen Prozeßvoraussetzungen.

Ein Antrag auf Aufhebung einer V hat die gegen die Gesetzmäßigkeit der V sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen. Das Fehlen dieser Darlegung ist nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ein nicht behebbarer Mangel, der zur Zurückweisung des Normenprüfungsantrages führt (VfSlg. 8308/1978, 8570/1979, 8594/1979, 8863/1980, 9506/1982).

§28 ArbeiterkammerG, BGBl. 105/1954, idF BGBl. 622/1977 lautet:

"(1) Die Arbeiterkammern, der Arbeiterkammertag und deren Organe führen ihre Geschäfte gemäß den für sie beschlossenen Geschäftsordnungen.

(2) Die Geschäftsordnung der Arbeiterkammern und ihrer Organe werden von den Vollversammlungen der Arbeiterkammern auf Grund einer vom Arbeiterkammertag erlassenen Rahmengeschäftsordnung beschlossen. Zu ihrer Gültigkeit und ihrer rechtswirksamen Abänderung ist die Genehmigung durch den Arbeiterkammertag erforderlich, die von der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit beschlossen wird.

(3) Die Geschäftsordnung des Arbeiterkammertages und seiner Organe sowie die Rahmengeschäftsordnung für die Arbeiterkammern (Abs2) werden von der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit beschlossen. Sie bedürfen zu ihrer Gültigkeit und ihrer rechtswirksamen Abänderung der Genehmigung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung."

Im Hinblick auf diese Rechtslage kann der Satz: "Die bekämpfte Verordnung entbehrt zur Gänze, insbesondere auch hinsichtlich der Bestimmung des §11 (5) der gesetzlichen Grundlage", der sich als einziger in der gesamten Eingabe mit der Frage der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen V beschäftigt - die darauf folgenden Passagen enthalten Ausführungen zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes - nicht als Darlegung von Bedenken im einzelnen gewertet werden. Es handelt sich hiebei - vor dem Hintergrund dieser Rechtslage - lediglich um eine ganz allgemein abgefaßte Behauptung, die ein Eingehen auf Bedenken im einzelnen vermissen läßt.

Aus diesem Grund war auch der Antrag auf Aufhebung des §11 Abs5 der Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Sbg. als unzulässig zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Formerfordernisse, Arbeiterkammern, Arbeiterkammertag, VfGH / Bedenken

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:V41.1984

Zuletzt aktualisiert am

22.08.2008
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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