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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §71 Abs1 Z1;Rechtssatz
Im Beschwerdefall wurde der mit Berufung anzufechtende Bescheid der Behörde erster Instanz durch einen Kanzleiassistenten des Vertreters der Partei von einem Boten übernommen und - ohne dass eine Vorlage an den Rechtsanwalt oder eine Eintragung in ein Fristenbuch oder sonstiges Verzeichnis erfolgt wäre - in einen Akt geschoben, wo das Schriftstück nach den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag solange "schlummerte", bis es erst auf Grund einer Nachfrage der Partei gesucht und im Akt aufgefunden wurde. Die Auffassung der Berufungsbehörde, dass die Sorgfaltspflicht des damaligen Vertreters der Partei durch den Umstand der besonderen Belastung seiner Kanzlei angesichts des Umstandes, dass zwei Mitarbeiterinnen nicht anwesend waren, nicht etwa herabgesetzt war, sondern dass der Vertreter sich angesichts dieser - für ihn weder unvorhersehbaren noch unabwendbaren Situation - den Vorgängen in seiner Kanzlei geradezu ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit und Kontrolle hätte widmen müssen, ist nicht rechtswidrig. Zwar muss ein Rechtsanwalt einen erfahrenen und bewährten Mitarbeiter seiner Kanzlei nicht "auf Schritt und Tritt" überwachen, allerdings ist es in einer Rechtsanwaltskanzlei, in der fristenrelevante Schriftstücke von einem erst eineinhalb Monate in der Kanzlei tätigen Mitarbeiter übernommen werden, schon erforderlich, dass der Rechtsanwalt an diesen die Anweisung erteilt hat, dass diese Schriftstücke am selben Tag ihm selbst vorgelegt werden, und dass der Rechtsanwalt die Einhaltung dieser Anweisung auch durch entsprechende Maßnahmen auf effektive Weise kontrolliert. Dass derartige Vorkehrungen in der Rechtsanwaltskanzlei des Vertreters der Partei getroffen worden wären, wurde aber nicht einmal behauptet. Wenn die Partei nunmehr meint, sie habe das Bestehen eines Kontrollsystems in der Kanzlei ihres damaligen Rechtsbeistandes bezüglich der Handhabung des Posteinganges durchaus dargelegt bzw. ein solches sei zumindest indirekt zu erschließen gewesen, so kann dem nicht gefolgt werden. Der Vorwurf an die Berufungsbehörde, sie verlange von einem Rechtsanwalt im Ergebnis, dass er seine Rechtsanwaltskanzlei überhaupt nicht mehr verlassen dürfe, kann nicht geteilt werden, weil auch die Berufungsbehörde einräumt, dass ein Rechtsanwalt durchaus die Besorgung von Aufgaben an Mitarbeiter in seiner Kanzlei delegieren kann. Er muss aber die erforderlichen Anweisungen erteilen und deren Einhaltung durch effektive Kontrollmaßnahmen sicherstellen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007090019.X03Im RIS seit
30.05.2007