TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/10 B273/80, B274/80, B275/80, B276/80

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Veröffentlicht am 10.06.1985
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Index

98 Wohnbau
98/04 Wohnungsgemeinnützigkeit

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Beachte

alle Anlaßfälle zu VfSlg. 10385/1985

Leitsatz

V zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 23. Juli 1940; Rechtsverletzung im Anlaßfall (Vorschreibung von Grunderwerbsteuer) nach Aufhebung einiger Worte in §10 Abs2

Spruch

Die Bf. sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vier bf. Ehepaare haben im Jahre 1977 je ein Reihenhaus einer sechs Häuser umfassenden Reihenhausanlage im Gebiet der Gemeinde Anif von der Gemeinnützigen GesmbH Österreichisches Siedlungswerk erworben. Für diesen Erwerbsvorgang wurde Grunderwerbsteuerbefreiung gemäß §4 Abs1 Z1 litc Grunderwerbsteuergesetz 1975 (GrEStG) beantragt.

Mit vier im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Finanzlandesdirektion für Sbg. vom 21. April 1980 wurde den bf. Parteien Grunderwerbsteuer vorgeschrieben, da Ausstattung, Gesamtbaukosten und Wohnnutzfläche den Bestimmungen des §4 Abs1 Z1 litc GrEStG nicht gerecht würden.

In den - fast gleichlautenden - Bescheiden wird ausgeführt, §6 Abs3 des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes 1940 bestimme, daß es den Durchführungsvorschriften überlassen bleibe, ua. zu regeln, welche Wohnungen als Kleinwohnungen gelten. Nach §10 Abs1 WGGDV seien dies Wohnungen, deren Wohnfläche bei Einfamilienhäusern mit zwei Wohngeschossen höchstens 120 Quadratmeter betrage. Diese Wohnfläche werde hier unbestrittenermaßen - wenngleich nur geringfügig - überschritten. Die Ausnahmebestimmungen des §10 Abs2 WGGDV seien nicht anzuwenden, weil die Überschreitung der zulässigen Wohnfläche nicht wegen "wirtschaftlich notwendiger Grundrißgestaltung" erfolgt sei (dies wird in den Bescheiden des näheren begründet) und weil die Gemeinnützige GesmbH Österreichisches Siedlungswerk in der Gemeinde Anif keine Wohnungsbestände errichtet habe, bei denen die Durchschnittsfläche der Wohnungen das vorgeschriebene Maß nicht übersteigt; ob diese Gegebenheiten in der (benachbarten) Stadt Sbg. vorlägen, sei für das Gebiet der Gemeinde Anif ohne Bedeutung.

2. Gegen diese vier Bescheide richten sich die vier vorliegenden, gleichlautenden Beschwerden, in welchen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung der Beschwerden an den VwGH beantragt wird.

II. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerden hat der VfGH am 15. Juni 1984 beschlossen, gemäß Art140 B-VG die Verfassungsmäßigkeit der Worte "wenn bei größeren Wohnungsbeständen desselben Wohnungsunternehmens innerhalb des Gebiets einer Gemeinde die Durchschnittsfläche der Wohnungen das vorgeschriebene Maß nicht übersteigt oder" in §10 Abs2 der V zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGGDV) vom 23. Juli 1940, DRGBl. I, S 1012, von Amts wegen zu prüfen.

Mit Erk. VfSlg. 10385/1985 hat der VfGH die in Prüfung gezogenen Worte als verfassungswidrig aufgehoben.

III. 1. Die bel. Beh. hat ein verfassungswidriges Gesetz angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich die Anwendung des Gesetzes für die Rechtsstellung der Bf. als nachteilig erweist (vgl. VfSlg. 10303/1984).

Die Bf. sind daher durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide sind somit aufzuheben.

Dies kann gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 idF der Nov. BGBl. 297/1984 in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden, ohne daß nach Beendigung des Gesetzesprüfungsverfahrens eine weitere mündliche Verhandlung in den vorliegenden Beschwerdeverfahren durchzuführen war.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B273.1980

Dokumentnummer

JFT_10149390_80B00273_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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