TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/13 B222/82

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Veröffentlicht am 13.06.1985
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

StGG Art5
Nö GVG 1973 §8 Abs2 lita
Nö GVG 1973 §8 Abs2 litd

Leitsatz

Nö. GVG 1973; Verletzung im Eigentumsrecht durch denkunmögliche Anwendung des §8 Abs2 lita und d

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bf. hat mit dem Kaufvertrag vom 4. August 1980 das Grundstück .../2 Wald, KG Walpersbach, im Ausmaß von 2,707 ha um 80000 S von der Verlassenschaft nach H S, vertreten durch die erbliche Witwe I S, erworben.

Die Grundverkehrs-Bezirkskommission Wr. Neustadt hat dem Kaufvertrag mit dem Bescheid vom 26. Feber 1981 nicht zugestimmt, weil der Erwerber kein Landwirt (Baumeister und Sägewerksbesitzer) und der Landwirt F V aus Walpersdorf als Interessent aufgetreten sei.

Die gegen diesen Bescheid vom Bf. erhobene Berufung hat die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 19. Feber 1982 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §§1 Abs1, 6 Abs3 und 8 Abs1 und 2 lita und d des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. 6800-2, abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.

Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie in dem durch Art6 Abs1 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, daß seine "Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb gehöriger Frist gehört" werde, "und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen auf Gesetz beruhendem Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden" habe, verletzt worden zu sein.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf die Bestimmungen des §8 Abs1 und 2 lita und d Nö. GVG; diese Bestimmungen lauten:

"§8. (1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.

(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn

a) der Erwerber, Fruchtnießer oder Pächter eines oder mehrerer land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke kein Landwirt ist und in der Gemeinde, in der das Grundstück oder die Grundstücke liegen, oder in den umliegenden Gemeinden ein oder mehrere Landwirte, oder in Ermangelung solcher Interessenten ein oder mehrere Nebenerwerbslandwirte bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;

...

d) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe, sofern ein solches nicht in Frage kommt, das Interesse an der Stärkung eines oder mehrerer Nebenerwerbsbetriebe das Interesse an der Verwendung aufgrund des vorliegenden Vertrages überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;"

Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind in der Beschwerde Bedenken nicht vorgebracht worden. Im Verfahren vor dem VfGH sind solche Bedenken aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde nicht entstanden (vgl. VfSlg. 9131/1981, 9128/1981, 9004/1981, 7407/9174).

2. Die bel. Beh. hat das Gutachten eines forstwirtschaftlichen Amtssachverständigen eingeholt, aus dem ua. hervorgeht, daß sich als Verkehrswert des Kaufgrundstücks der Betrag von rund 230000 S ergebe. Nach der Wiedergabe der Ausführungen des Gutachtens hat sie den angefochtenen Bescheid wie folgt begründet:

"Der Berufungswerber ist Baumeister und wird von ihm nicht bestritten, daß er überwiegend sein Einkommen aus der Gewerbetätigkeit bezieht. Es kommt ihm daher die Qualifikation als Landwirt im Sinne des §8 Abs5 GVG nicht zu. Hingegen hat sich F V, der nach den Feststellungen des Amtssachverständigen hauptberuflicher Landwirt ist, bereit erklärt, das Grundstück zu erwerben. Ein Nachweis über die Zahlungsfähigkeit wurde vorgelegt. Er erfüllt daher die Voraussetzungen im Sinne des §8 Abs9 GVG. Der Einwand des Berufungswerbers, der Interessent habe nur davon gesprochen, um 80000 S und nicht um den tatsächlichen Wert kaufen zu wollen, konnte keine Berücksichtigung finden, da der Interessent jedenfalls bereit ist, denselben Kaufpreis zu bezahlen wie der Berufungswerber. Daß von ihm zusätzliche Gegenleistungen zu erbringen wären, dafür ergeben sich aufgrund des Kaufvertrages keinerlei Anhaltspunkte. Da der Berufungswerber nicht als Landwirt anzusehen ist und ein Vollerwerbslandwirt als Interessent aufgetreten ist, erscheint der Versagungsgrund nach §8 Abs2 lita GVG gegeben.

Es erscheint aber auch der Versagungsgrund nach §8 Abs2 litd gegeben. Aufgrund der Ausführungen des Berufungswerbers und der Aktenlage kann als unbestritten angenommen werden, daß er nicht Landwirt im Sinne des §8 Abs5 und nicht Inhaber eines bäuerlichen Betriebes im Sinne des §8 Abs7 des Nö. Grundverkehrsgesetzes ist. Der Interessent hingegen ist Vollerwerbslandwirt und Inhaber eines bäuerlichen Betriebes, der nach den Feststellungen des Amtssachverständigen in Anbetracht der geringen Flächenausstattung unbedingt als stärkungsbedürftig zu werten ist. Ziel des Grundverkehrsgesetzes ist es, bäuerliche Familienbetriebe mit ausreichend eigenem Grund auszustatten, um das allgemeine öffentliche Interesse, nämlich einen leistungsfähigen Bauernstand zu erreichen, verwirklichen zu können. Nach Ansicht der Berufungsbehörde liegt die Stärkung des bäuerlichen Betriebes des Interessenten weit mehr im öffentlichen Interesse als das Hinzukommen der Grundfläche zum Gewerbebetrieb des Berufungswerbers."

3. Wie sich aus dem Wortlaut sowohl der lita als auch der litd des §8 Abs2 Nö. GVG ergibt, müssen Interessenten iS dieser Bestimmungen bereit sein, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen. Demgegenüber ist die bel. Beh. in der Begründung des angefochtenen Bescheides bei der Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung für den Bf. davon ausgegangen, daß der aufgetretene Interessent jedenfalls bereit war, denselben Kaufpreis (80000 S) zu bezahlen wie der Bf. Die bel. Beh. hat damit völlig außer acht gelassen, daß Voraussetzung für die Versagung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nach §8 Abs2 lita und d die Bereitwilligkeit eines Interessenten ist, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen, der nach dem Gutachten des Sachverständigen 230000 S betragen hätte. Dieses Vorgehen der bel. Beh. ist hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen des §8 Abs2 lita und d Nö. GVG jedoch denkunmöglich (vgl. VfSlg. 8143/1977).

Da nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wird, ist der Bf. durch den angefochtenen, in das Eigentum eingreifenden Bescheid (vgl. das zitierte Erk. VfSlg. 8143/1977) in diesem Recht verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B222.1982

Dokumentnummer

JFT_10149387_82B00222_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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