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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Ktn. FremdenverkehrsabgabeG; V des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 9. Juni 1975, mit der eine Fremdenverkehrsabgabe ausgeschrieben wird; Abstellen der Höhe der Fremdenverkehrsabgabe auf den im zweitvorangegangenen Jahr erzielten Umsatz nicht unsachlich; Durchschnittsbetrachtung; Wesensgehalt des Eigentumsrechtes nicht berührt; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung des Gesetzes und der VSpruch
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) H J betrieb zumindest 1977 und 1978 in Klagenfurt ganzjährig eine Konditorei, im Jahre 1979 nur im Monat Jänner. Mit 1. Feber 1979 übergab sie die Konditorei ihrem Sohn.
Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt schrieb mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. November 1983 H J für das Jahr 1979 - ausgehend vom Umsatz des zweitvorangegangenen Jahres, also vom im ganzen Jahr 1977 erzielten Umsatz - eine Fremdenverkehrsabgabe in der Höhe von 2722 S vor. Die Ktn. Landesregierung wies die dagegen von H J erhobene Vorstellung mit Bescheid vom 15. Dezember 1983 als unbegründet ab.
b) H K betrieb zumindest 1978 und 1979 in Klagenfurt ganzjährig ein Kaffeehaus, im Jahre 1980 nur im Monat Jänner. Mit 1. Feber 1980 legte er seinen Gewerbebetrieb still.
Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt schrieb mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 10. November 1983 H K für das Jahr 1980 - ausgehend vom Umsatz des zweitvorangegangenen Jahres, also von dem im ganzen Jahr 1978 erzielten Umsatz - eine Fremdenverkehrsabgabe in der Höhe von 4597 S vor. Die Ktn. Landesregierung wies die dagegen von H K erhobene Vorstellung mit Bescheid vom 19. Dezember 1983 als unbegründet ab.
2. Gegen diese Vorstellungsbescheide wenden sich die von H J zu B84/84 und die von H K zu B85/84 erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und beantragt wird, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
3. Die Ktn. Landesregierung als bel. Beh. und der Stadtsenat der Landeshauptstadt Klagenfurt für die beteiligte Gemeinde erstatteten Äußerungen, in denen die Abweisung der Beschwerde begehrt wird.
II. Der VfGH hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9726/1983) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde ua. dann vorgeworfen werden, wenn sie den Bf. aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 9726/1983).
Mit den angefochtenen Bescheiden wird eine Abgabe vorgeschrieben; sie greifen somit in das Eigentumsrecht ein. Diese Eingriffe wären nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 9014/1981, 9726/1983) dann verfassungswidrig, wenn die sie verfügenden Bescheide ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wären oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhten, oder wenn die Behörde bei Erlassung der Bescheide eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
2. Die angefochtenen Bescheide ergingen nicht gesetzlos. Sie gründen sich in materieller Hinsicht auf das (Ktn.) Fremdenverkehrsabgabegesetz 1976, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Landesregierung vom 14. September 1976, LGBl. für Ktn. 100/1976, (KFrVAG) und auf die in Durchführung dieses Landesgesetzes ergangene V des Gemeinderates der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 9. Juni 1975, mit der eine Fremdenverkehrsabgabe ausgeschrieben wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 10. bis 24. Juni 1975 (Klagenfurter FrVAV).
a) Nach §1 Abs1 KFrVAG sind die Gemeinden ermächtigt, mit V des Gemeinderates eine Fremdenverkehrsabgabe auszuschreiben.
Abgabepflichtig sind dem §3 Abs1 zufolge die selbständig Erwerbstätigen, die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen und Einkünfte gemäß §2 Abs3 Z1, 2 und 3 EStG 1972 erzielen.
Für die in der Anlage aufgezählten Tätigkeiten (darunter finden sich in der Abgabengruppe A die "Gast- und Schankgewerbebetriebe in allen Betriebsformen" - wozu auch die Konditoreien und Kaffeehäuser zu zählen sind) besteht gemäß §4 die Rechtsvermutung, daß daraus Nutzen iS des §3 Abs1 gezogen wird; trifft die Vermutung nicht zu, so hat der Betreffende dies "glaubhaft zu machen".
§6 Abs1 leg. cit. bestimmt:
"(1) Der Gemeinderat hat die Höhe der Abgabe für die Abgabepflichtigen der Abgabegruppe G mit einem Promillesatz ihres im Lande Kärnten im zweitvorangegangenen Jahr erzielten abgabepflichtigen Umsatzes festzusetzen. Der Promillesatz darf 0,15 nicht übersteigen."
§6 Abs2 legt fest, das Wievielfache die Abgabe für die Abgabepflichtigen der Abgabegruppen A bis F (das 16- bis 1,33fache) der Abgabe der Abgabepflichtigen der Abgabegruppe G beträgt.
Die Einstufung in die Abgabegruppen und die Festsetzung der Höhe der Abgabe haben durch Abgabenbescheid des Bürgermeisters zu erfolgen (§9 Abs1).
b) Die Klagenfurter FrVAV lautet auszugsweise:
"§1
Ausschreibung
Zur Deckung des Aufwandes, der der Landeshauptstadt Klagenfurt aus der örtlichen Förderung des Fremdenverkehrs erwächst, wird für den Bereich der Landeshauptstadt Klagenfurt eine Fremdenverkehrsabgabe ausgeschrieben.
§2
Promillesatz
(1) Für die Abgabepflichtigen der Abgabegruppe G wird der Promillesatz mit 0,15 ihres im Lande Kärnten im zweitvorangegangenen Jahr erzielten abgabepflichtigen Umsatzes festgesetzt.
(2) ..."
3. Die Behörde ist von folgender Rechtsansicht (wie sie in ihrer - auf eine hg. Anfrage ergangenen - Stellungnahme vom 28. März 1985 zusammenfassend wiedergegeben wird) ausgegangen:
"1. Allgemeines
Vorerst darf nochmals darauf hingewiesen werden, daß für das Entstehen der Abgabepflicht grundsätzlich von Bedeutung ist, ob die selbständig Erwerbstätigen in dem Jahr, für welches die Fremdenverkehrsabgabe vorgeschrieben wird, Einkünfte gemäß §2 Abs3 Z1, 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes erzielen und aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen. Treffen diese Voraussetzungen zu, so ist die Abgabepflicht gegeben und eine jährliche Fremdenverkehrsabgabe zu leisten.
2. ad Punkt 1
Die Höhe der Fremdenverkehrsabgabe bestimmt sich jedoch nach einem Promillesatz des im zweitvorangegangenen Jahr erzielten abgabepflichtigen Umsatzes. Für die Vorschreibung einer jährlichen Fremdenverkehrsabgabe ist somit wesentlich, daß die Voraussetzungen für die Entstehung der Abgabepflicht gegeben sind und die Abgabepflichtigen im zweitvorangegangenen Jahr einen abgabepflichtigen Umsatz erzielt haben. Dabei ist es jedenfalls ohne Belang, ob dieser Umsatz an einem Tag, in einem Monat oder durchgehend während eines Jahres erzielt wurde. Denn der Gesetzgeber hat durch seine Gliederung bzw. Einreihung verschiedener Betriebe in einzelne unterschiedliche Abgabegruppen (A-G) auf das jeweilige Verhältnis zum Fremdenverkehr ohnehin Rücksicht genommen.
3. ad Punkt 2
Wurde hingegen im zweitvorangegangenen Jahr kein abgabepflichtiger Umsatz erzielt, so sind dadurch auch die Voraussetzungen für die Vorschreibung einer Fremdenverkehrsabgabe nicht erfüllt."
4. Die erwähnte Auslegung des Gesetzes und der V findet in deren Wortlaut Deckung. Sie ist keineswegs in einer Weise verfehlt, daß dies Willkür indizieren würde oder als denkunmögliche Anwendung der generellen Rechtsvorschriften zu werten wäre.
Allenfalls vorgekommene Verfahrensmängel reichen nicht in die Verfassungssphäre. Wenn die Bf. im Administrativverfahren behauptet haben, sie seien für das Jahr 1979 bzw. 1980 nicht fremdenverkehrsabgabepflichtig, weil sie im Monat Jänner (der einzige Zeitraum, zu dem sie im Jahre 1979 bzw. 1980 die Konditorei bzw. das Kaffeehaus betrieben) keinerlei Nutzen aus dem Fremdenverkehr gezogen hätten, und wenn die Behörde dieser Behauptung nicht gefolgt ist, so kann der Behörde schon im Hinblick auf §4 KFrVAG, der eine Rechtsvermutung und eine Beweislastregel enthält, nicht der Vorwurf einer groben Rechtsverletzung gemacht werden.
5. Der VfGH hat gegen die angewendeten Rechtsvorschriften unter dem Gesichtspunkt dieser Beschwerdefälle auch dann keine verfassungsgesetzlichen Bedenken, wenn sie den von der bel. Beh. angenommenen Inhalt haben; dies entgegen der Ansicht der Bf.:
Sie meinen, das Abstellen der Höhe der Abgabe auf den im zweitvorangegangenen Jahr erzielten Umsatz verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Recht auf Achtung des Eigentums nach Art1 des (1.) ZP zur MRK; §4 KFrVAG stehe zur Ktn. LAO und zur BAO in Widerspruch und verletze das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
a) Zu den grundsätzlichen Fragen der Ausschreibung von Fremdenverkehrsabgaben und zur Festsetzung der Höhe dieser Abgaben ist zunächst auf die Judikatur des VfGH zu verweisen (zB VfSlg. 5606/1967, 5995/1969, 8708/1979).
Auch was den konkreten Vorwurf anlangt, das Abstellen auf den im zweitvorangegangenen Jahr erzielten Umsatz sei gleichheitswidrig, ist von der bisherigen Rechtsprechung des VfGH auszugehen:
Ein Gesetz ist nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Nicht jede Unbilligkeit, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich gewertet werden. Dem Gesetzgeber muß es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (vgl. VfSlg. 9645/1983).
Der Gesetzgeber hat im Rahmen der ihm zukommenden rechtspolitischen Überlegungen gehandelt. Ob die Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann - da ein Exzeß nicht vorliegt - nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (vgl. VfSlg. 9583/1982).
Wenn die Höhe der Fremdenverkehrsabgabe an den erzielten Umsatz angeknüpft wird, ist das nicht unsachlich; bei einer Durchschnittsbetrachtung - die anzustellen hier schon aus verwaltungsökonomischen Gründen nahezu unerläßlich ist - läßt der Umsatz in der Regel auf den Nutzen aus dem Fremdenverkehr schließen, zumal für verschiedene Tätigkeiten verschiedene Abgabegruppen vorgesehen sind.
Wenn die Höhe der Fremdenverkehrsabgabe auf den Umsatz abstellt, muß dieser im Zeitpunkt der Erlassung des die Abgabe vorschreibenden Bescheides feststehen, was jedenfalls dann erwartet werden kann, wenn es sich um jenen des zweitvorangegangenen Jahres handelt. Dies kann wohl (wie im Fall der Bf.) ausnahmsweise zu Härten führen, kann aber auch eine Begünstigung bewirken. So braucht denn etwa der Übernehmer der Konditorei der Bf. H J für die Jahre 1979 und 1980 keine Fremdenverkehrsabgabe zu entrichten, weil er ja im jeweils zweitvorangegangenen Jahr (1977 und 1978) keinen Umsatz erzielte; für das Jahr 1981 wird er nur die Fremdenverkehrsabgabe zu bezahlen haben, die aufgrund der vom 1. Feber bis 31. Dezember 1979 von ihm erzielten Umsätze zu berechnen ist.
Im Durchschnitt müssen sich also Vor- und Nachteile sowohl für die Abgabepflichtigen als auch für die Gemeinden, denen die Abgabenerträge zufließen, ausgleichen.
Wirtschaftlich wirkt sich die getroffene Regelung dahin aus, daß die Abgabe für den aus dem Fremdenverkehr erzielten Nutzen erst zwei Jahre später zu entrichten ist. Dagegen ist sachlich nichts einzuwenden.
Bei dieser Betrachtungsweise kann keinesfalls davon gesprochen werden, daß die Abgabe den Wesensgehalt des Eigentumsrechtes berührt.
b) Wenn ein einfaches Gesetz (etwa das KFrVAG) zu einem anderen einfachen Gesetz (etwa der Ktn. LAO) in Widerspruch steht, verstößt das allein noch nicht gegen die Bundesverfassung. Daß §4 KFrVAG sachfremd wäre, ist nicht zu erkennen. Eine Verletzung des Art11 Abs2 B-VG kann schon deshalb nicht vorliegen, weil der Bund auf dem Gebiet des Abgabeverfahrens seine Bedarfsgesetzgebungskompetenz nicht in Anspruch genommen hat (vgl. §§1 ff. BAO).
c) Der VfGH sieht sich daher - wie zusammenfassend festzuhalten ist - nicht veranlaßt, von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der die angefochtenen Bescheide tragenden Rechtsvorschriften einzuleiten.
6. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Bf. in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerden waren daher abzuweisen.
Schlagworte
Fremdenverkehr, Abgaben Fremdenverkehr, VfGH / Prüfungsmaßstab, Grundrechte, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Finanzverfahren, Kompetenz Bund - Länder, BeweislastEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B84.1984Dokumentnummer
JFT_10149385_84B00084_00