TE Vfgh Beschluss 1985/6/15 G153/84

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Veröffentlicht am 15.06.1985
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
B-VG Art140 Abs2
VfGG §19 Abs3 Z3 idF BGBl 353/1981
VfGG §86

Leitsatz

VerfGG 1953 §19 Abs3 Z3; Einstellung des Normenprüfungsverfahrens nach Zurückziehung der Beschwerde im Anlaßverfahren; keine Klaglosstellung iS des Art140 Abs2 B-VG idF BGBl. 302/1975

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Begründung

Begründung:

1.1. Aus Anlaß des zum AZ B712/83 protokollierten Verfahrens über die Beschwerde der M S gegen den Bescheid der Bezirkswahlbehörde Wien-Umgebung als Berufungsinstanz vom 3. Oktober 1983, Z 2-A/83, womit die Streichung der Bf. aus dem Wählerverzeichnis der Gemeinde Mauerbach für die Landtagswahl vom 16. Oktober 1983 verfügt wurde, leitete der VfGH mit Beschl. vom 28. September 1984, B712/83-15, von Amts wegen ein Normenkontrollverfahren, und zwar zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "a) eine Wohnung auch nur zu bestimmten Zeiten des Jahres oder der Woche, jedoch immer wiederkehrend bewohnt wird," aus §4 des Gesetzes über die Landesbürgerschaft, Nö. LGBl. 0006-0, ein.

1.2. Da die Bf. M S ihre Beschwerde laut Schriftsatz vom 29. Jänner 1985 zurückzog, wurde das Beschwerdeverfahren B712/83 mit Beschl. des VfGH vom 7. Juni 1985 eingestellt.

2.1. Nach Art140 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über Verfassungswidrigkeit (ua.) eines Landesgesetzes, sofern er "ein solches Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, von Amts wegen". Entfällt die Präjudizialität noch vor der Entscheidung des VfGH, ist das Gesetzesprüfungsverfahren grundsätzlich einzustellen. Eine Ausnahme von dieser Regel der Präjudizialitätsbindung besteht - seit der B-VG-Nov. BGBl. 302/1975 - nur dann, wenn der VfGH das Normenkontrollverfahren aus Anlaß einer bei ihm anhängigen Rechtssache von Amts wegen einleitet und es noch vor der Entscheidung im Gesetzesprüfungsverfahren zur Klaglosstellung der Partei im Anlaßverfahren kommt (s. VfGH 28. September 1978 G66/78): Art140 Abs2 B-VG idF BGBl. 302/1975 sieht nämlich in Abkehr von der bis dahin bestandenen Verfassungsrechtslage (vgl. dazu: VfSlg. 5489/1967, 5880/1969) ausdrücklich vor, daß ein bereits eingeleitetes Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes fortzusetzen ist, wenn "in einer beim VfGH anhängigen Rechtssache, in der der VfGH ein Gesetz anzuwenden hat, die Partei klaglos gestellt" wird (Es soll ein von der Aufhebung bedrohtes Gesetz nicht durch das "Bauernopfer" einer Klaglosstellung "gerettet" werden können: Adamovich - Funk, Österreichisches Verfassungsrecht,

2. Auflage, 1984, 290; ein von Amts wegen eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren ist auch dann zu Ende zu führen, wenn der den Anlaß zur Gesetzesprüfung bildende Rechtsstreit deshalb gegenstandslos wurde, "weil die Behörde dem Begehren des Einschreiters nachträglich entsprochen hat": Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 1977, 462).

Wie der VfGH schon in seinem Erk. VfSlg. 10091/1984 aussprach, bringt Art140 Abs2 B-VG idF BGBl. 302/1975 den Grundgedanken zum Ausdruck, daß das Verwaltungsorgan in ein von Amts wegen eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren nicht prozeßhindernd eingreifen darf, weil einem derartigen Normenkontrollverfahren eine allgemeine Bedeutung für die Bereinigung der Rechtslage zukommen kann. Demgemäß wertete der VfGH die Klaglosstellung im Bereich des Beschwerdeverfahrens - im Blick auf den Regelungszweck - als Beispielsfall dafür, daß der Verwaltung ein Einfluß auf den Gang des eingeleiteten Prüfungsverfahrens verwehrt sein soll, dem andere, nach einer möglichen materiellen Einwirkung durch das Verwaltungsorgan zur Prozeßbeendigung führende Fälle gleichzustellen sind. Ein solcher als Klaglosstellung iS des Art140 Abs2 B-VG einzustufender Fall liegt hier aber nicht vor. Denn die Bf. im Anlaßbeschwerdeverfahren zog ihre Beschwerde zurück, ohne daß eine behördliche Einflußnahme welcher Art immer festzustellen wäre; daran ändert nichts, daß die Bf. - im Hinblick auf die Nov. zum Gesetz über die Landesbürgerschaft vom 6. Dezember 1984, LGBl. 0006-1 - möglicherweise hoffen und damit rechnen mag, sie werde in Hinkunft an Landtagswahlen im Bundesland NÖ teilnehmen dürfen.

2.2. Das Gesetzesprüfungsverfahren war daher in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z3 VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung einzustellen.

Schlagworte

VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Anlaßverfahren, VfGH / Zurücknahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:G153.1984

Dokumentnummer

JFT_10149385_84G00153_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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