TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/17 B223/82

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Veröffentlicht am 17.06.1985
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art15 Abs1
B-VG Art133 Z4
StGG Art5
Nö GVG 1973 §7 Abs8
Nö GVG 1973 §8, §9
Nö GVG 1973 §8 Abs2 lita
Nö GVG 1973 §8 Abs2 litd

Leitsatz

Nö. GVG 1973; keine Bedenken gegen §7 Abs8 und §8 Abs1 und Abs2 lita und d; keine denkunmögliche oder gleichheitswidrige Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbes durch eine Gesellschaft gemäß §8 Abs1 und Abs2 lita und d

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Firma "E" - Eigentumswohnungs-Bau- und BetriebsgesmbH Nfg. KG, Wien, hat mit Kaufvertrag vom 15. Dezember bzw. 30. Dezember 1977 die Liegenschaft EZ ..., KG Hennersdorf, bestehend aus dem Grundstück .../Acker im Ausmaß von 1,8192 ha um 1250000 S erworben.

Die Grundverkehrs-Bezirkskommission Mödling hat dem Kaufvertrag mit Bescheid vom 17. November 1980 gemäß §8 Abs2 lita des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. 6800-2 (im folgenden GVG) die Zustimmung versagt.

Der gegen diesen Bescheid von der bf. Gesellschaft erhobenen Berufung wurde mit dem Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung vom 19. Feber 1982 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §§1 Abs1, 6 Abs3 und 8 Abs1 und 2 lita und d GVG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

2. Gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission vom 19. Feber 1982 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.

Die bf. Gesellschaft behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, daß die Bestimmung des §7 Abs8 und des §8 Abs1 und 2 lita und d GVG verfassungswidrig seien.

Diese Bestimmungen lauten:

a) §7 Abs8:

"Eine Berufung gegen die Entscheidung der Grundverkehrs-Landeskommission ist nicht zulässig.

Die Entscheidung unterliegt nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege. Die Anrufung des VwGH ist nicht zulässig."

b) §8 Abs1 und Abs2 lita und d:

"(1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.

(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes, wenn

a) der Erwerber, Fruchtnießer oder Pächter eines oder mehrerer land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke kein Landwirt ist und in der Gemeinde, in der das Grundstück oder die Grundstücke liegen, oder in den umliegenden Gemeinden ein oder mehrere Landwirte, oder in Ermangelung solcher Interessenten ein oder mehrere Nebenerwerbslandwirte bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;

d) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe, sofern ein solches nicht in Frage kommt, das Interesse an der Stärkung eines oder mehrerer Nebenerwerbsbetriebe das Interesse an der Verwendung aufgrund des vorliegenden Vertrages überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen."

2. Zur Begründung der behaupteten Verfassungswidrigkeit der angeführten Bestimmungen wird zunächst vorgebracht, daß das GVG im Gegensatz zum Grundverkehrsgesetz 1937, BGBl. 251/1937, keine Bestimmung enthalte, wonach eine Veräußerung zuzulassen sei, wenn es sich um Grundstücke handle, die das Ausmaß eines Bauerngutes überschritten, wenn diese Veräußerung dem allgemeinen Interesse am Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Grundbesitzes nicht widerstreite.

Mangels der Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in das GVG sei "eine dem Sinne des 'Grundverkehrs' fremde zu weitgehende Restriktion vorgenommen" worden, wodurch der Landesgesetzgeber die ihm eingeräumte Kompetenz überschritten habe. Die Überschreitung dieser Kompetenz liege auch deshalb vor, weil es nach §8 Abs2 lita und d der Behörde ermöglicht werde, anstelle eines auftretenden Erwerbers von Grundstücken eine andere Person zu bestimmen, durch deren Erwerb eines Grundstückes Grundverkehrsinteressen besser entsprochen werde.

Zu diesem Vorbringen verweist der VfGH auf die Judikatur, aus der hervorgeht, daß das GVG Beschränkungen des Grundverkehrs enthält, zu deren Erlassung der Landesgesetzgeber zuständig ist (vgl. VfSlg. 9131/1981, 9004/1981, 8143/1977, 6877/1972). Es enthält im §8 nähere Regelungen über die Voraussetzungen, unter denen die Grundverkehrskommission ihre Zustimmung nicht zu erteilen hat. Das GVG bestimmt im §9, unter welchen Voraussetzungen die Zustimmung zu erteilen ist.

Die Nichtübernahme einer Regelung aus dem Grundverkehrsgesetz 1937 kann als solche keine Verfassungswidrigkeit des Gesetzes bewirken.

Der VfGH sieht keine Veranlassung, aufgrund des Beschwerdevorbringens von der in obigen Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachten Auffassung über die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit des GVG abzugehen.

Die Verfassungswidrigkeit des §7 Abs8 wird in der Beschwerde damit begründet, daß im GVG im Gegensatz zu Grundverkehrsgesetzen anderer Bundesländer die Anrufung des VwGH nicht vorgesehen sei.

Hiezu ist zu bemerken, daß es ausschließlich in der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers gelegen ist, Kollegialbehörden iS des Art133 Z4 B-VG einzurichten und zu bestimmen, ob die Entscheidungen dieser Behörden vor dem VwGH angefochten werden können oder nicht. Es liegt demnach eine Verfassungswidrigkeit des §7 Abs8 GVG nicht vor (vgl. VfSlg. 7630/1975).

Damit braucht auch auf die Behauptung der bf. Gesellschaft, wonach durch das "Abschneiden der Möglichkeit einer Korrektur von Bescheiden durch den VwGH" §7 Abs8 in mehrfacher Richtung der Verfassung widerspreche - es werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, es werde die Anrufung des "gesetzlichen Richters" ausgeschlossen, und schließlich werde in das Eigentum eingegriffen - nicht weiter eingegangen zu werden.

3. a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die von der bf. Gesellschaft behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur vorliegen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. VfSlg. 9047/1981).

Im Gleichheitsrecht könnte die bf. Gesellschaft nur verletzt worden sein, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte (vgl. VfSlg 9186/1981).

b) Die bel. Beh. hat im Berufungsverfahren ein Gutachten eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen eingeholt. In diesem Gutachten wurde festgestellt, daß sich das Kaufgrundstück in ebener ortsnaher Lage im gewidmeten Grünland befindet. Es ist von annähernd quadratischer Form, mittlerer Bonität und durch einen öffentlichen Weg erschlossen.

Der Kaufpreis entspricht dem ortsüblichen Verkehrswert.

Die bf. Gesellschaft, die ein Zweigbetrieb eines Bauunternehmens in Wien ist, ist auch Eigentümerin von landwirtschaftlichen Grundstücken (Acker) im Ausmaß von 2,841 ha und von Waldgrundstücken im Ausmaß von 13,7672 ha (Einheitswert 1764000 S). Vom Waldgrundstück (zirka 30- bis 40jährige Weiden, Eschen, Erlen, Akazien) ist eine Teilfläche von 5,5 ha als Fischteich verwendet, der Rest wird mit Hilfe eines ortsansässigen Landwirtes bewirtschaftet. Das Ackergrundstück war im Wege der Verpachtung bewirtschaftet worden.

Nach den Feststellungen des Sachverständigen liegt derzeit ein Nebenerwerbsbetrieb der bf. Gesellschaft iS des §8 Abs8 GVG nicht vor.

Die bf. Gesellschaft hatte ursprünglich geplant, das Kaufgrundstück in einer Arbeitsgemeinschaft mit einer anderen Baufirma als Betonwarenlagerplatz (Fertigteile) zu verwenden. In der Zwischenzeit hat sich aber dieser Plan zerschlagen und es ist beabsichtigt, das Grundstück als Tauschobjekt gegen Bau- oder Industrieland zu verwenden.

Im Sachverständigengutachten ist des weiteren ausgeführt, daß die Eigentümer zweier bäuerlicher Betriebe (Vollerwerbslandwirte) am Erwerb des Kaufgrundstückes interessiert und bereit wären, den vereinbarten Kaufpreis zu entrichten, wobei für jeden dieser bäuerlichen Betriebe die Hälfte des Kaufgrundstückes erworben werden sollte. Nach der Beschreibung der Betriebe der Interessenten wird festgestellt, daß sie als stärkungsbedürftig zu bezeichnen sind und daß die Zahlungsfähigkeit der Betriebsinhaber sichergestellt ist.

c) Die bel. Beh. hat aufgrund der Feststellungen des landwirtschaftlichen Sachverständigen nach Anführung der Bestimmung des §8 Abs2 lita und d GVG den Bescheid wie folgt begründet:

"Die Berufungswerberin vertritt die Auffassung, daß sie bereits deshalb als Landwirtin anzusehen wäre, weil sie Eigentümerin einer landwirtschaftlichen Liegenschaft ist. Als Landwirt ist nach §8 Abs5 leg. cit. anzusehen, wer aus seiner Arbeit in der Land- oder Forstwirtschaft seinen und seiner Familie Lebensunterhalt vorwiegend bestreitet oder nach dem Erwerb der Liegenschaft bestreiten will, sofern er aufgrund praktischer Tätigkeit oder fachlicher Ausbildung die dazu erforderlichen Fähigkeiten besitzt und Grund zur Annahme besteht, daß er diese selbständige Arbeit nach dem Erwerb der Liegenschaft ausüben wird (Voll- oder Nebenerwerbslandwirt). Nach den Feststellungen des landw. Amtssachverständigen ist von der im Eigentum der Berufungswerberin stehenden Grundfläche zirka die Hälfte verpachtet. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich, daß die Schaffung von Wohnungseigentum die Hauptaufgabe der Gesellschaft ist. Es kann daher angenommen werden, daß die Berufungswerberin überwiegend das Einkommen aus der gewerblichen Tätigkeit bezieht und nicht aus der Landwirtschaft.

K und T B sowie A und A S haben erklärt, daß sie in der Lage sind, das Grundstück um den ortsüblichen Kaufpreis zu erwerben. Nach den Ausführungen des Amtssachverständigen sind sie in der Lage, den Kaufpreis zu bezahlen. Die Ehegatten B und A S sind hauptberufliche Landwirte. Da der Berufungswerberin die Qualifikation als Landwirt nicht zukommt und Landwirte bereit sind, das Grundstück um den ortsüblichen Kaufpreis zu erwerben, ist der Versagungsgrund nach §8 Abs2 lita GVG gegeben.

Von der Berufungswerberin wird eingewendet, daß es sich hinsichtlich der Interessenten keinesfalls um die Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes handeln könne. Nach den Ausführungen des Amtssachverständigen sind die Betriebe der Interessenten aufgrund der Besitz- und Pachtverhältnisse als stärkungsbedürftig zu bezeichnen. Ziel des Grundverkehrsgesetzes ist es, bäuerliche Familienbetriebe mit ausreichend eigenem Grund auszustatten, um das allgemeine öffentliche Interesse, nämlich einen leistungsfähigen Bauernstand zu erreichen, verwirklichen zu können. Die Stärkung der bäuerlichen Betriebe der Interessenten liegt daher weit mehr im öffentlichen Interesse als das Hinzukommen des Grundstückes zum Gewerbebetrieb der Berufungswerberin.

Die Berufungswerberin wendet ein, die Absicht der Interessenten, das Grundstück teilen zu wollen, lasse erkennen, daß es sich um eine Kapitalsanlage handle. Eine spekulative Kapitalsanlage nach §8 Abs2 lith des Nö. GVG ist dann anzunehmen, wenn aus der Tatsache der beruflichen Tätigkeit des Erwerbers oder aus seiner Entfernung von der Liegenschaft zwingend geschlossen werden kann, daß er zur Selbstbewirtschaftung offenbar nicht in der Lage ist oder der Erwerb nur zum Zweck der Verpachtung erfolgt oder eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht zu erwarten ist. Allein aufgrund der Absicht, daß die Interessenten je einen Hälfteanteil des Grundstückes erwerben wollen, erscheint nach Ansicht der Berufungsbehörde ein Versagungsgrund im Sinne der genannten Bestimmung nicht gegeben.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes war daher festzustellen, daß der gegenständliche Erwerb dem in §8 Abs1 GVG angeführten Interesse widerspricht."

d) In der Beschwerde wird die behauptete Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte ausdrücklich nur mit der Verfassungswidrigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bestimmungen des GVG begründet. Den aufgrund der Feststellungen des Amtssachverständigen in der Begründung des angefochtenen Bescheides getroffenen Aussagen der bel. Beh. wird in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Wenn die bel. Beh. aufgrund der Feststellungen im Sachverständigengutachten zu den von ihr in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegten Schlußfolgerungen gekommen ist, kann ihr weder der Vorwurf gemacht werden, in denkunmöglicher Anwendung der Bestimmungen des §8 Abs1 und 2 lita und d GVG die grundverkehrsbehördliche Zustimmung versagt zu haben, noch kann ihr der Vorwurf gemacht werden, diesen Bestimmungen fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt zu haben.

Die bf. Gesellschaft ist daher weder im Gleichheitsrecht (vgl. zB VfSlg. 8823/1980) noch im Eigentumsrecht (vgl. zB VfSlg. 8266/1978) verletzt worden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die bf. Gesellschaft in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Kompetenz Bund - Länder Grundverkehr, Kompetenz Bund - Länder Verwaltungsorganisation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B223.1982

Dokumentnummer

JFT_10149383_82B00223_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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