TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/17 V10/84, V11/84, V12/84, V13/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.1985
beobachten
merken

Index

55 Wirtschaftslenkung
55/01 Wirtschaftslenkung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
StGG Art5
Beschlüsse von Organen des Milchwirtschaftsfonds betreffend Preisausgleichsbeiträge für Haltbar- und Sterilmilch
MOG 1967 §3, §4, §5, §6, §10

Leitsatz

MarktordnungsG 1967 §§4 bis 6; keine Bedenken gegen die V des Milchwirtschaftsfonds a) vom 1. Juli 1966 betreffend Zuschüsse und Abschöpfungen, b) vom 18. Oktober 1978, c) vom 30. Dezember 1976 und vom 27. Jänner 1977, d) vom 28. Juni 1977, alle drei betreffend Preisausgleichsbeiträge - hinreichende Bestimmtheit des Gesetzes iS des Art18 Abs2 B-VG; Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maß erkennbar (Hinweis auf VfSlg. 10313/1984); aufgrund des Preisausgleichssystems iS der §§4 bis 6 MOG ist Einhebung von Ausgleichsbeiträgen für die Erzeugung von Haltbarmilch ohne Gewährung von Zuschüssen in diesem Bereich nicht unsachlich; Geldleistungen an die öffentliche Hand keine Enteignung

Spruch

Dem Antrag wird keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Landesgericht Linz stellt nachstehenden Antrag auf Aufhebung folgender V gemäß Art89 Abs2 B-VG:

"a) Beschluß des geschäftsführenden Ausschusses bzw. der Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds vom 1. Juli 1966 betreffend Zuschüsse und Abschöpfungen, kundgemacht im amtlichen Teil der Zeitung 'Die österreichische Milchwirtschaft', 21. Jahrgang, Beil./8 (zu Heft 14) vom 21. Juli 1966;

b) den analogen Beschluß vom 18. Oktober 1978, kundgemacht analog wie oben in der Beilage 19 (zu Heft 22), 33. Jahrgang, vom 21. November 1978;

c) Beschluß der Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds vom 30. Dezember 1976 und 27. 1. 1977 betreffend die Entrichtung bestimmter Preisausgleichsbeiträge ab 17. Jänner 1977 für in Verkehr gesetzte Haltbarmilch und Sterilmilch (Beil./4 zu Heft 5 der österreichischen Milchwirtschaft vom 7. März 1977, Nummer 21);

d) Beschluß der Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds vom 28. Juni 1977 betreffend die Erhöhung des Preisausgleichsbeitrages für Haltbarmilch und Sterilmilch ab 1. Juni 1977, für bestimmte Fälle rückwirkend ab 1. April 1977 (Beil. 10 zu Heft 14 der österreichischen Milchwirtschaft vom 21. Juli 1977, Nummer 55)."

Der Antrag wird wie folgt begründet:

"In einem beim gefertigten Gericht anhängigen Strafverfahren hängt die Sachentscheidung wesentlich von der Beurteilung der Frage ab, ob die Zentralmolkerei F & R Ges.m.b.H & Co. KG verpflichtet war, bestimmte Preisausgleichsbeiträge an den Milchwirtschaftsfonds zu entrichten und Aufzeichnungen über die verkauften Milchmengen vorzulegen.

Denn es stellt sich die Frage, ob dann, wenn ein leistungsgerechter Gewinn höher als das Beihilfenlimit ist, kein Zuschuß gewährt wird, sondern sich dann eine Abschöpfung in der Höhe der Differenz zwischen dem leistungsgerechten Gewinn und dem Beihilfenlimit ergibt. Dieser Grundsatz stützt sich auf Verordnungen des Milchwirtschaftsfonds, die aufgrund der Ermächtigung des §50 Abs1 MOG erlassen wurden.

Die Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds hat am 30. Dezember 1976 und am 27. Jänner 1977 beschlossen, daß Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe einschließlich Dauermilchbetriebe ab 17. Jänner 1977 für in Verkehr gesetzte Haltbarmilch und Sterilmilch bestimmte Preisausgleichsbeiträge zu entrichten haben (144,20 g pro Liter, das sind 140 g pro Kilogramm). Mit Beschluß der Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds vom 28. Juni 1977 wurde dieser Preisausgleichsbeitrag für Haltbarmilch und Sterilmilch ab 1. Juni 1977 erhöht (183,52 g pro Liter, das sind 178,17 g pro Kilogramm); für bestimmte Fälle rückwirkend ab 1. April 1977.

Das Gericht hat die genannten Verordnungen im konkreten Fall anzuwenden, da den angeklagten Geschäftsführern der Zentralmolkerei F & R Ges.m.b.H & Co. KG, J B und H H, vorgeworfen wird, Haltbarmilchverkäufe nicht gemeldet, daher auch keinen Preisausgleichsbeitrag gezahlt und damit den Milchwirtschaftsfonds geschädigt zu haben.

Gegen die Gesetzmäßigkeit dieser ordnungsgemäß kundgemachten Verordnungen bestehen Bedenken.

Die Bestimmung des §4 MOG betrifft die Entrichtung von Preisausgleichsbeiträgen. Die Verpflichtung zur Entrichtung von Preisausgleichsbeiträgen trifft Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe für veräußerte Erzeugnisse aus Milch bis zu einem bestimmten Höchstbetrag je Kilogramm.

Nach §5 Abs1 MOG hat der Milchwirtschaftsfonds die Preisausgleichsbeiträge unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des §50 MOG innerhalb der im §4 Abs2 MOG genannten Höchstbeträge nach Maßgabe der Bestimmungen der Abs2 bis 5 festzusetzen. §5 Abs2 MOG regelt die Frage des Ausmaßes der Preisausgleichsbeiträge, nicht aber die Frage, für welche Waren und unter welchen Voraussetzungen Preisausgleichsbeiträge überhaupt zu bezahlen sind; besondere Regelungen dafür nennt §10 Abs1 MOG.

§6 MOG regelt die Verwendung der Preisausgleichsbeiträge, betrifft also lediglich Verarbeitungszuschüsse und Preisausgleichszuschüsse, enthält aber keine Gesetzesbestimmung, die die Möglichkeit gibt, daß der Milchwirtschaftsfonds von den Molkereien Beiträge einhebt, also Abschöpfungen durchführt.

Nach ständiger Judikatur des VfGH müssen Verwaltungsakte durch ein Gesetz so weit bestimmt sein, daß sie die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts auf Übereinstimmung mit dem Gesetz prüfen können, um damit dem Legalitätsprinzip des Artikel 18 BVG zu genügen. Es ist fraglich, wie die gesetzliche Deckung der Anordnung geprüft werden soll, daß ab 17. Jänner 1977 für Verkehr gesetzte Haltbarmilch 1,44 S je Liter zu bezahlen sind. Es ist unklar, wie man prüfen soll, ob sich das Ausmaß der Preisausgleichsbeiträge tatsächlich nach der Art der Verwendung und Verwertung der Milch und der Erzeugnisse aus Milch unter Berücksichtigung der Preise, die dem Lieferanten gezahlt werden, der Verkaufserlöse und der mit der Bearbeitung, Verarbeitung und Verteilung verbundenen Kosten richtet.

Nach dem vorliegenden, auf den eingangs erwähnten Fondsbestimmungen beruhenden System haben Dauermilchwerke für Haltbarmilch Preisausgleichsbeiträge zu bezahlen, sie erhalten aber für Haltbarmilch keine Zuschüsse. Es erhebt sich somit die Frage, ob eine solche Regelung mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist, da das Auferlegen von Geldzahlungen nichts anders ist als ein Eigentumseingriff.

Dazu ist es notwendig, die Rechtsnatur der Ausgleichsbeiträge nach dem MOG zu klären. Hengstschläger weist nach, daß Ausgleichsabgaben nach MOG weder Gebühren noch Beiträge noch Steuern noch überhaupt Abgaben im Sinne der Finanzverfassung sind. Es handelt sich vielmehr um eine spezifische wirtschaftsverwaltungsrechtliche Geldleistungspflicht, die auf dem sie tragenden gemeinsamen Grundgedanken der Verknüpfung von Abgaben mit den aus dem Aufkommen gespeisten Ausgleichszuwendungen beruhen (Ausgleichsabgaben als spezifisches Instrument der Wirtschaftslenkung, ÖZW 1974/3, 68 ff.).

Dieses Ausgleichsprinzip ist gekennzeichnet durch die untrennbare Wechselbeziehung zwischen Belastung - Pflicht zur Entrichtung von Ausgleichsabgaben - und Begünstigung - Anspruch auf den Empfang von Ausgleichsvergütungen.

Es liegt nicht im Wesen eines Ausgleichssystems, daß für jedes Produkt, für das Abgaben eingehoben werden, gleichzeitig auch analoge Stützungen gewährt werden. Der Gleichheitssatz ist jedoch dann verletzt, wenn die Ausgleichsabgabenregelung so beschaffen ist, daß etwa ein Erzeuger von Haltbarmilch schon vom System her nur Abgaben bezahlt, jedoch keine Zuschüsse bekommt. Wenn jemand daher lediglich Haltbarmilch erzeugt, dann betreibt er ein Dauermilchwerk und schafft die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Zahlung von Preisausgleichsbeiträgen, kommt aber niemals in den Genuß von Stützungen. Das widerspricht nicht bloß der Regelung des §10 Abs1 MOG, sondern verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Es liegt somit ein Eingriff in das Eigentum, also eine Enteignung vor. Eine Enteignung darf jedoch nur dann angeordnet werden, wenn sie zum allgemeinen Besten ist, wobei der VfGH sehr strenge Maßstäbe setzt. Es muß ein konkreter Bedarf bestehen, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt, das Objekt geeignet sein, den Bedarf unmittelbar zu decken, und es muß unmöglich sein, den Bedarf anders als durch Enteignung zu decken.

Gemäß §16 MOG sind Aufzeichnungen und Meldungen an den Milchwirtschaftsfonds nur für die Errechnung der Bemessungsgrundlagen für die Preisausgleichsbeiträge und die Gewährung von Zuschüssen nötig. Auch daraus ergibt sich keineswegs die Grundlage, daß der Milchwirtschaftsfonds berechtigt ist, Abschöpfungen vorzunehmen. Daher dürfen auch keine Unterlagen verlangt werden, aus denen sich die Höhe der Abschöpfungsbeiträge ergibt.

Der VfGH hat in seinen Erkenntnissen Verfassungssammlung 1693/1948 und 5506/1967 ausgesprochen, daß Artikel 89 BVG jedem Gericht die Verpflichtung auferlegt, bei Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit einer anzuwendenden Verordnung das anhängige Verfahren zu unterbrechen und den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim VfGH zu stellen. Die Aufhebung eines solchen Beschlusses aufgrund eines hiegegen eingebrachten Rekurses wäre verfassungswidrig, weil dem antragstellenden Gericht gemäß Artikel 89 Abs2 BVG sowohl das Recht als auch die Pflicht zur unmittelbaren Anrufung des VfGH zukommt."

2. Der Milchwirtschaftsfonds hat unter Vorlage der Verwaltungsakten in einer Äußerung - auf die im folgenden gegebenenfalls im einzelnen zurückzukommen sein wird - die Gesetzmäßigkeit der bekämpften V verteidigt.

II. Der VfGH hat zur Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gegenstand der Anfechtung sind folgende - als V iS des Art139 B-VG zu qualifizierende (s. VfSlg. 7789/1976 und 7886/1976) - Beschl. von Organen des Milchwirtschaftsfonds:

a) Der geschäftsführende Ausschuß und die Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds haben in ihren Sitzungen vom 1. Juli 1966 ein neues Abrechnungssystem betreffend die Zuschußgewährung nach §6 des Marktordnungsgesetzes 1967 (MOG) beschlossen, welches im amtlichen Teil der "Österreichischen Milchwirtschaft" vom 21. Juli 1966, Beilage 8 (zu Heft 14), S 41 ff., kundgemacht wurde. Die insgesamt sechs Paragraphen dieses Beschl. (auf die hier nicht des näheren eingegangen zu werden braucht) enthalten ausführliche Regelungen über die Modalitäten der Abrechnung, deren Ergebnis zur Gewährung von Zuschüssen nach §6 MOG oder zur Festsetzung von Preisausgleichsbeiträgen nach den §§4 und 5 MOG führen kann.

b) Die Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds hat am 18. Oktober 1978 beschlossen, daß Bearbeitungs- und Verarbeitungsbetriebe, deren leistungsgerechter Gewinn (iS des §5 des zu a genannten Beschl. vom 1. Juli 1966) in einem Geschäftsjahr höher ist als das Beihilfenlimit und die Investitionszuwendung (neuerlich Hinweis auf §5 des Beschl. vom 1. Juli 1966), für dieses Geschäftsjahr einen Preisausgleichsbeitrag in der Höhe der Differenz zwischen dem leistungsgerechten Gewinn einerseits und dem Beihilfenlimit sowie der Investitionszuwendung andererseits zu entrichten haben, gemäß §4 Abs2 Z1 MOG jedoch höchstens bis zur Höhe des jeweiligen Peises der angelieferten Fetteinheiten.

Dieser Beschl. wurde im amtlichen Teil der "Österreichischen Milchwirtschaft" vom 21. November 1978, Beilage 19 (zu Heft 22), S 192, kundgemacht.

c) Die Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds hat am 30. Dezember 1976 und am 27. Jänner 1977 beschlossen, gemäß §§4 Abs2 und 7 Abs1 MOG ab 17. Jänner 1977 die Preisausgleichsbeiträge für in Verkehr gesetzte Haltbarmilch und Sterilmilch mit 144,2 g pro Liter, das sind 140 g pro Kilogramm, festzusetzen.

Dieser Beschluß wurde im amtlichen Teil der "Österreichischen Milchwirtschaft" vom 7. März 1977, Beilage 4 (zu Heft 5), S 60, kundgemacht.

d) Die Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds hat am 28. Juni 1977 beschlossen, den Preisausgleichsbeitrag für in Verkehr gesetzte Haltbarmilch und Sterilmilch ab 1. Juni 1977 mit 183,52 g pro Liter, das sind 178,17 g pro Kilogramm, festzusetzen. Gleichzeitig legte die Verwaltungskommission fest, daß dieser Ausgleichsbeitrag rückwirkend ab 1. April 1977 gilt, sofern für Haltbarmilch und Sterilmilch kein Betrag gemäß §9 MOG entrichtet wurde.

Dieser Beschl. wurde im amtlichen Teil der "Österreichischen Milchwirtschaft" vom 21. Juli 1977, Beilage 10 (zu Heft 14), S 124, kundgemacht.

2. Das Landesgericht Linz wird nach seiner Darstellung aufgrund der wegen des Verbrechens des schweren Betruges erhobenen Anklage ua. zu entscheiden haben, ob durch Täuschung über Tatsachen zur Geltendmachung von Preisausgleichsbeiträgen (vor allem durch Nichtmeldung von Haltbarmilch-Verkäufen) eine Schädigung des Milchwirtschaftsfonds im Betrag von 28684361,96 S eingetreten ist.

Der VfGH kann im Rahmen seiner ständigen Rechtsprechung zur Präjudizialität bei Anträgen von Gerichten iS der Art139 und 140 B-VG (s. zuletzt VfSlg. 10296/1984 und die dort angeführte (Vorjudikatur) dem Landesgericht Linz nicht entgegentreten, wenn es - offenbar ausgehend von der Auffassung, daß eine Schädigung des Milchwirtschaftsfonds nur dann eingetreten sein könnte, wenn eine auf den angefochtenen V beruhende Leistungspflicht bestanden hat - diese V anwenden zu müssen vermeint. Dies gilt auch für die gesamte, umfangreiche V vom 1. Juli 1966, weil mit dieser V zwar nicht die Entrichtung von Ausgleichsbeiträgen geregelt wird, sich aber - wie auch der Milchwirtschaftsfonds in seiner Äußerung hervorhebt - aus den Berechnungsmodalitäten der genannten V die Höhe der Preisausgleichsbeiträge und damit die Höhe des strafrechtlich relevanten Schadens ergibt.

3. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

III. Der VfGH hat in der Sache erwogen:

1. a) In §4 Abs1 MOG ist festgelegt, daß zur Erzielung eines möglichst einheitlichen Erzeugerpreises und zum Ausgleich von Preisunterschieden, die sich durch die Verwertung der Milch als Frischmilch oder durch ihre Verwertung nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung ergeben, Preisausgleichsbeiträge zu entrichten sind.

Nach Abs2 des §4 trifft die Verpflichtung zur Entrichtung von Preisausgleichsbeiträgen die in den Z1 bis 3 näher bezeichneten Betriebe und Erzeuger für veräußerte Milch und für veräußerte Erzeugnisse aus Milch bis zu jeweils angeführten Höchstbeträgen.

§5 Abs1 MOG ermächtigt den Milchwirtschaftsfonds zur Festsetzung der Preisausgleichsbeiträge innerhalb der in §4 Abs2 genannten Höchstbeträge nach Maßgabe der Bestimmungen der Abs2 bis 5.

Nach Abs2 des §5 richtet sich das Ausmaß der Preisausgleichsbeiträge nach der Art der Verwendung und Verwertung der Milch und der Erzeugnisse aus Milch unter Berücksichtigung der Preise, die den Lieferanten gezahlt werden, der Verkaufserlöse und der mit der Bearbeitung, Verarbeitung und Verteilung verbundenen Kosten.

In §6 MOG wird die Verwendung der Preisausgleichsbeiträge durch den Milchwirtschaftsfonds als Verarbeitungszuschüsse und Preisausgleichszuschüsse geregelt.

b) Der VfGH hat in seinem Erk. VfSlg. 7789/1976 betreffend die genannte V vom 1. Juli 1966 folgendes ausgeführt:

"Das als Verordnung zu qualifizierende 'Neue Abrechnungssystem', auf das der angefochtene Bescheid unmittelbar gestützt ist, wurde aufgrund des §6 MOG erlassen.

§6 Abs4 MOG ermächtigt die zuständigen Organe des Milchwirtschaftsfonds, unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des §50 (der Vorschriften über die Kundmachung enthält) aufgrund der Abs1 bis 3 die Bedingungen näher zu regeln, unter denen Zuschüsse gemäß Abs1 (dazu zählen Zuschüsse für die Verarbeitung von Milch zu Käse) gewährt werden. §6 Abs2 regelt, an wen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß die Zuschüsse zu gewähren sind. Hiebei sind die im §3 Abs1 MOG festgelegten Ziele des Milchwirtschaftsfonds zu beachten.

Das MOG bestimmt also hier das Verhalten der Verwaltung in der Weise voraus, daß es der Verwaltung Ziele vorgibt und die Mittel bezeichnet, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Diese Dirimierungsmethode (richtig offenbar: Determinierungsmethode) widerspricht dann nicht dem Art18 B-VG, wenn die Ziele und die Mittel derart präzise umschrieben sind, daß die Möglichkeit besteht, die inhaltliche Gesetzmäßigkeit der durch individuelle und generelle Norm getroffenen Regelung nachzuprüfen.

§3 MOG legt mit ausreichender Bestimmtheit die Ziele dar, die ua. durch die Gewährung von Verarbeitungszuschüssen für Milch, die zu Käse verarbeitet wird, anzustreben sind. Es ist Aufgabe der Organe des Milchwirtschaftsfonds, der jeweiligen Lage auf dem Sektor der Milchwirtschaft entsprechend die jeweils zur Zielerreichung gebotenen Verarbeitungszuschüsse individuell zu gewähren, erforderlichenfalls hiefür in Form von Rechtsverordnungen generell-abstrakte Richtlinien zu erlassen. Das Gesetz leitet hiebei Organe der Verwaltung in ausreichender Weise (vgl. Slg. 7338/1974)."

c) Im Erk. VfSlg. 7886/1976 hat der VfGH zu einer aufgrund des §4 Abs2 Z3 MOG erlassenen AusgleichsbeitragsV der Verwaltungskommission des Milchwirtschaftsfonds ausgeführt, der Inhalt derartiger PreisausgleichsbeitragsV sei durch §4 und durch §3 MOG in einer dem Gebot des Art18 Abs2 B-VG entsprechenden Weise hinreichend vorausbestimmt.

d) Der VfGH sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung, die sich auch auf die gesetzlichen Grundlagen der hier angefochtenen V bezieht, abzugehen und ein amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. Die bekämpften Verordnungsregelungen können iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH zur Grenzziehung zwischen einer noch ausreichenden Bestimmtheit des Gesetzes und einer formalgesetzlichen Delegation (s. zB VfSlg. 10296/1984 und die dort angeführte Vorjudikatur) auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit durchaus überprüft werden (s. die Ausführungen unten unter Punkt. 2. c).

2. Die Bedenken des Landesgerichtes Linz (auf welche sich der VfGH bei seiner Verordnungsprüfung zu beschränken hat, s. zB VfSlg. 9089/1981) gegen die angefochtenen V sind folgende:

a) §5 Abs2 MOG regle die Frage des Ausmaßes der Preisausgleichsbeiträge, nicht aber die Frage, für welche Waren und unter welchen Voraussetzungen Preisausgleichsbeiträge überhaupt zu bezahlen sind.

Dieses Vorbringen erledigt sich mit dem Hinweis, daß in §4 Abs2 Z1 bis 3 MOG ausdrücklich festgelegt ist, wer für welche Waren (veräußerte Milch und veräußerte Erzeugnisse aus Milch) Preisausgleichsbeiträge zu entrichten hat (wobei im Abs3 des §4 noch drei Formen der Milchlieferung angeführt sind, bei denen keine derartige Beitragspflicht entsteht).

b) Das MOG enthalte - führt das anfechtende Gericht aus - keine Bestimmungen, wonach der Milchwirtschaftsfonds von den Molkereien Beiträge einheben, "also Abschöpfungen" durchführen könne.

Hier übersieht das Landesgericht Linz, daß der Begriff "Abschöpfung" im gegebenen Zusammenhang weder im MOG noch in den angefochtenen V vorkommt. Der Umstand, daß die Preisausgleichsbeiträge einer Art Abschöpfung gleichkommen, kann aber nicht dazu führen, daß die - Preisausgleichsbeiträge betreffenden - V keine gesetzliche Deckung haben, wie das Landesgericht Linz offenbar vermeint. Wiederholend sei darauf hingewiesen, daß die §§4 und 5 MOG zur Einhebung von Preisausgleichsbeiträgen ermächtigen, was auch vom antragstellenden Gericht an sich nicht in Zweifel gezogen wird.

c) Das Landesgericht Linz hält es nach dem Legalitätsprinzip für "fraglich", wie die gesetzliche Deckung der Anordnung geprüft werden solle, daß ab 17. Jänner 1977 für in Verkehr gesetzte Haltbarmilch 144 g je Liter zu bezahlen sei. Es sei unklar, wie man prüfen solle, ob sich das Ausmaß der Preisausgleichsbeiträge tatsächlich nach der Art der Verwendung und Verwertung der Milch und der Erzeugnisse aus Milch unter Berücksichtigung der Preise, die dem Lieferanten gezahlt werden, der Verkaufserlöse und der mit der Bearbeitung, Verarbeitung und Verteilung verbundenen Kosten richte.

Es trifft sicherlich zu, daß die für das Ausmaß der Preisausgleichsbeiträge maßgebenden Determinanten nicht nur eine einzige, allein "richtige" Höhe des Beitrages zulassen, sondern - wie bei Festsetzung von Preisen aufgrund der im Preisgesetz aufgestellten Kriterien - durch die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe dem Verordnungsgeber einen gewissen Gestaltungsspielraum einräumen; der Verordnungsgeber hat sich hiebei - ausgehend von der Kostensituation in einem branchentypisch rationell geführten Betrieb (s. VwGH 16. Juni 1981, Z 11/1407/80) - innerhalb des Rahmens zu bewegen, der von den im Gesetz aufgestellten Kriterien abgesteckt wird (zum Preisrecht vgl. in diesem Zusammenhang Mayer-Maly in Klang, Kommentar zum ABGB, 1978, IV/22, S 284; Korinek, Das System der Preisregulierung in Österreich, Wpol. Bl. 1975, H 4, S 86 ff.; Oberndorfer, Strompreisbestimmung aus rechtlicher Sicht, 1979, S 32 ff.). Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 10313/1984, seine mit dem Erk. VfSlg. 8280/1978 begonnene Rechtsprechung für die Prüfung von V, deren Inhalt ihrer Art entsprechend im Gesetz nur im Hinblick auf ein bestimmtes zu erreichendes Ziel determiniert werden kann, fortgesetzt und hat (unter Hinweis auf seine Erk. VfSlg. 9582/1982 und 9823/1983) ausgesprochen, daß die in dieser Judikatur entwickelten Grundsätze auch im Preisrecht (für die Festsetzung eines Preises, dessen Höhe dem Ziel einer bestmöglichen Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Erzeuger und der Verbraucher dient) von Bedeutung sind. Diese Erwägungen haben auch im vorliegenden Fall betreffend die Höhe der Preisausgleichsbeiträge Gültigkeit.

Anhand des in der genannten Rechtsprechung des VfGH entwickelten Prüfungsmaßstabes, ob die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sind, ist auf das Vorbringen des Landesgerichtes Linz folgendes zu erwidern:

Die in §5 Abs2 MOG als Determinante herangezogene Art der Verwendung und Verwertung der Milch ist ebenso wie der Preis und der Verkaufserlös ein feststehendes Faktum; auch die mit der Bearbeitung, Verarbeitung und Verteilung verbundenen Kosten sind - selbst wenn über ihre Höhe manchmal im einzelnen Meinungsverschiedenheiten auftreten mögen - objektiv bestimmbar. Es ist aufgrund dessen an sich nachvollziehbar, wie der Verordnungsgeber zu seiner Entscheidung gelangt ist und was er hiebei berücksichtigt hat. Die mit den bekämpften V erfolgten Festsetzungen von Preisausgleichsbeiträgen wären daher nur dann gesetzwidrig, wenn Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers entweder überhaupt nicht vorhanden oder nicht in ausreichendem Maße erkennbar wären oder wenn aus den Entscheidungsgrundlagen hervorginge, daß der Milchwirtschaftsfonds die nach dem MOG hiebei zu beachtenden Kriterien nicht hinreichend berücksichtigt hätte (der nach der Rechtsprechung des VfGH ebenfalls relevante Fall, daß der Verordnungsgeber die im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehene Vorgangsweise nicht eingehalten hat, spielt hier keine Rolle).

Der Milchwirtschaftsfonds hat die den angefochtenen Beitragsfestsetzungen seinerzeit zugrunde gelegten Kalkulationsunterlagen, Aktenvorgänge und Sitzungsprotokolle vorgelegt und in seiner Äußerung im verfassungsgerichtlichen Verfahren das Zustandekommen der Beitragshöhe ergänzend erläutert. Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich nichts, was auf eine Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Preisausgleichsbeiträge schließen ließe. Es ist im gegebenen Zusammenhang nicht erforderlich, auf Einzelheiten der bekämpften Beitragsfestsetzungen einzugehen, zumal das antragstellende Gericht nicht behauptet hat, daß die Beitragshöhe sich nicht innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens bewegt, sondern (nur) vorgebracht hat, die Übereinstimmung der Beiträge mit den Kriterien des MOG sei nicht überprüfbar (was, wie bereits ausgeführt, nicht zutrifft).

d) Schließlich meint das Landesgericht Linz (wie bereits unter Punkt. I.1. im einzelnen wiedergegeben), es liege zwar nicht im Wesen eines Ausgleichssystems, daß für jedes Produkt, für das Abgaben eingehoben werden, gleichzeitig auch analoge Stützungen gewährt werden; der Gleichheitssatz sei jedoch dann verletzt, wenn die Regelung so beschaffen sei, daß etwa ein Erzeuger von Haltbarmilch schon vom System her nur Abgaben bezahle, jedoch keine Zuschüsse bekomme.

Es trifft zu, daß es dem Wesen des in den §§4 bis 6 MOG geregelten Preisausgleichssystems entspricht, daß die mit Preisausgleichsbeiträgen belasteten und die mit Zuschüssen geförderten Produkte nicht identisch sind und daß auch §10 Abs1 MOG eine solche Identität nicht erfordert. Dies erklärt sich aus den - sachlichen - Zwecken der Erzielung eines möglichst einheitlichen Erzeugerpreises sowie des Ausgleichs von Preisunterschieden, die sich durch verschiedenartige Verwertungen von Milch ergeben. Es ist aufgrund dessen nicht unsachlich, für die Erzeugung von Haltbarmilch Ausgleichsbeiträge einzuheben, ohne in diesem Bereich auch Zuschüsse zu gewähren, zumal die Beiträge offenkundig (auch) Wettbewerbsverzerrungen ausgleichen sollen, die sich aus der obrigkeitlichen Steuerung des Wirtschaftsablaufs auf dem Agrar- und Ernährungssektor ergeben (vgl. Hengstschläger, Ausgleichsabgaben als spezifisches Instrument der Wirtschaftslenkung, ÖZW 1974/3, S 68 ff., insbesondere S 77).

Der behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liegt somit nicht vor.

e) Das Landesgericht Linz qualifiziert die Preisausgleichsbeiträge als Eingriff in das Eigentum, "also eine Enteignung". Die Voraussetzungen für eine Enteignung seien hier jedoch nicht gegeben.

Die Auffassung des antragstellenden Gerichts trifft nicht zu. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH sind unter dem historisch auszulegenden Enteignungsbegriff (s. VfSlg. 2934/1955, S 499) niemals Geldleistungen an die öffentliche Hand, wie Steuern, öffentlich-rechtliche Mitgliedsbeiträge und Sozialversicherungsbeiträge verstanden worden und demnach auch nicht als Enteignung zu verstehen (s. VfSlg. 4086/1961, S 587, und 5858/1968, S 844).

Es kommt daher nicht ausschließlich darauf an, ob die Preisausgleichsbeiträge Abgaben iS des Finanzverfassungsgesetzes darstellen; sie fließen jedenfalls der öffentlichen Hand zu. Die in der genannten Rechtsprechung enthaltenen Erwägungen, wonach Geldleistungen an die öffentliche Hand nicht unter jene Kautelen fallen, die nach der Rechtsprechung des VfGH zum Begriff der Enteignung gehören, haben jedenfalls auch für die Preisausgleichsbeiträge Gültigkeit, und zwar auch dann, wenn man sie als "spezifische wirtschaftsverwaltungsrechtliche Geldleistungspflicht" (s. Hengstschläger, Ausgleichsabgaben als spezifisches Instrument der Wirtschaftlenkung, ÖZW 1974/3, S 68 ff.) qualifiziert.

3. Aus den obigen Erwägungen ergibt sich insgesamt, daß weder - soweit sich die Bedenken des antragstellenden Gerichtes in Wahrheit gegen Bestimmungen des MOG richten - ein amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten war, noch die bekämpften V wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben waren.

Dem Antrag ist somit keine Folge zu geben.

Von einer mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil die Schriftsätze der Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und die dem VfGH vorgelegten Akten erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt (§19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 idF BGBl. 297/1984).

Schlagworte

Verordnungsbegriff, VfGH / Präjudizialität, Marktordnung, Rechtsbegriffe unbestimmte, Enteignungsbegriff, Milchwirtschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:V10.1984

Dokumentnummer

JFT_10149383_84V00010_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten