TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/17 B620/82

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Veröffentlicht am 17.06.1985
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Nö GVG 1973 §8 Abs1
Nö GVG 1973 §8 Abs2 litd
Nö GVG 1973 §8 Abs6
Nö GVG 1973 §8 Abs8

Leitsatz

Nö. GVG 1973; keine Bedenken gegen §8 Abs1 und 2 litd; keine denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Erwerb von drei Grundstücken gemäß §8 Abs1 und 2 litd; keine Verletzung im Gleichheitsrecht

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 21. Juli 1981 haben die Bf. die Grundstücke .../1 Wald, .../2 Wald, .../7 Weide der KG Lonitzberg im Ausmaß von 2,8458 ha um den Kaufpreis von 700000 S erworben.

Dem Rechtsgeschäft hat die Grundverkehrs-Bezirkskommission für den Wirkungsbereich der Bezirksbauernkammer Scheibbs am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs mit Bescheid vom 21. Dezember 1981 gemäß §8 Abs1 und 2 lita und h des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. 6800-2, (im folgenden GVG) die Zustimmung insbesondere mit dem Hinweis darauf versagt, daß die Erwerber keine Landwirte und im Hinblick auf ihren Gewerbebetrieb nicht in der Lage seien, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen; es seien zwei hauptberufliche Landwirte als Interessenten aufgetreten und hätten sich bereit erklärt, die Grundstücke unter den im Kaufvertrag vorgesehenen Bedingungen zu übernehmen.

Die gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Bezirkskommission erhobene Berufung der Bf. hat die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 15. Oktober 1982 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §§8 Abs1 und 8 Abs2 litd GVG als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen den Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission vom 15. Oktober 1982 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Es wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die bel. Beh. hat bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides insbesondere folgende Bestimmungen des GVG angewendet:

"§8

(1) Die Grundverkehrskommission hat ihre Zustimmung nicht zu erteilen, wenn das Rechtsgeschäft dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauernstandes und, soweit ein solches nicht in Frage kommt, dem Interesse an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren oder kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes oder an dem Bestand eines rationell bewirtschafteten, für die Versorgung der Bevölkerung mit Bodenerzeugnissen wichtigen Großbesitzes widerstreitet.

(2) Ein Rechtsgeschäft widerstreitet jedenfalls dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung eines leistungsfähigen Bauerstandes, wenn

...

d) das Interesse an der Stärkung oder Schaffung eines oder mehrerer bäuerlicher Betriebe, sofern ein solches nicht in Frage kommt, das Interesse an der Stärkung eines oder mehrerer Nebenerwerbsbetriebe das Interesse an der Verwendung aufgrund des vorliegenden Vertrages überwiegt, sofern die Interessenten bereit sind, den ortsüblichen Verkehrswert oder Pachtzins zu bezahlen;

...

(5) Als Landwirt im Sinne dieses Gesetzes ist anzusehen, wer aus seiner Arbeit in der Land- oder Forstwirtschaft seinen und seiner Familie Lebensunterhalt vorwiegend bestreitet oder nach dem Erwerb der Liegenschaft bestreiten will, sofern er auf Grund praktischer Tätigkeit oder fachlicher Ausbildung die dazu erforderlichen Fähigkeiten besitzt und Grund zur Annahme besteht, daß er diese selbständige Arbeit nach dem Erwerb der Liegenschaft ausüben wird (Voll- oder Nebenerwerbslandwirt).

(6) Als Nebenerwerbslandwirt im Sinne dieses Gesetzes ist anzusehen, wer Eigentümer oder Pächter von Liegenschaften gemäß §1 Abs2 ist, durch deren persönliche Bewirtschaftung zu seinem oder seiner Familie Lebensunterhalt beiträgt und außerhalb seines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes einer beruflichen Tätigkeit nachgeht, die mehr als die Hälfte seiner gesamten Arbeitszeit in Anspruch nimmt.

(7) Ein bäuerlicher Betrieb im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn der Eigentümer oder Pächter vorwiegend in diesem Betrieb arbeitet, aus dessen Ertrag seinen und seiner Familie Lebensunterhalt vorwiegend bestreitet und wenn das Fünffache des zur angemessenen Erhaltung einer bäuerlichen Familie von fünf erwachsenen Personen notwendigen Durchschnittsertrages nicht überschritten wird (Voll- oder Nebenerwerbsbetrieb).

(8) Ein Nebenerwerbsbetrieb im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn der Eigentümer oder Pächter im Sinne des Abs6 persönlich diesen Betrieb bewirtschaftet und aus dessen Ertrag zu seinem oder seiner Familie Lebensunterhalt beiträgt.

(9) Als Interessent nach Abs2 lita, b, c und d ist anzusehen, wer glaubhaft zu machen vermag, daß die Bezahlung des ortsüblichen Verkehrswertes oder Pachtzinses oder die Erfüllung sonstiger ortsüblicher und für den Verkäufer lebensnotwendiger Vertragsbedingungen gewährleistet ist."

In der Beschwerde wird zwar der Antrag gestellt, der VfGH "wolle bezüglich des Nö. Grundverkehrsgesetzes ein Gesetzesprüfungsverfahren einleiten". Diesen Antrag, der Ausführungen zur Begründung einer Verfassungswidrigkeit des GVG nicht enthält, wertet der VfGH als Anregung, für den Fall, daß Bedenken gegen die bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Bestimmungen des GVG bestehen sollten, von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten. Hiezu sieht sich aber der VfGH im Hinblick auf die in seiner bisherigen Rechtsprechung zum Ausdruck gebrachten Auffassung über die Unbedenklichkeit des GVG nicht veranlaßt (vgl. VfSlg. 9131/1981, 9004/1981).

2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die von den Bf. behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes nur vorliegen, wenn die Behörde dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte (vgl. VfSlg. 9186/1981).

Die bel. Beh. hat vor Fällung ihrer Entscheidung das Gutachten eines forstwirtschaftlichen und eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen eingeholt.

Nach diesen Gutachten bilden die drei Grundstücke .../1, .../2 und .../7 einen geschlossenen Komplex, der sich in der Natur zur Gänze als Wald darstellt. Der Großteil der Fläche ist ein Stangenholz im Alter von zirka 20 Jahren mit eingesprengten älteren Fichten und einigen Buchenhorsten. Die Entfernung des Grundstückskomplexes vom Wohnort der Käufer beträgt etwa 6 km.

Aufgrund der weiteren Feststellungen des Amtssachverständigen wird in der Begründung des Bescheides nach dem Hinweis auf die Bestimmungen des §8 Abs2 litd und insbesondere auf die Erk. des VfGH VfSlg. 9004/1981 und 9131/1981 folgendes ausgeführt:

"Nach den Feststellungen der Amtssachverständigen ist der Käufer R H Inhaber einer Kfz-Mechaniker-Werkstätte mit Tankstelle und Autohandel mit 16 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von zirka 24 Millionen Schilling. Seine Gattin A ist im Betrieb ihres Mannes als Angestellte tätig. Die Käufer besitzen eine Wiese (in der Natur größtenteils Böschung bzw. Steilhang) im Ausmaß von 0,6443 ha in Steinakirchen, zirka 2 km von der Wohnung entfernt, die sie selbst bewirtschaften und wo sie künftig Schafe halten wollen, und drei kleine Gartengrundstücke im Ortsbereich von Steinakirchen, sodaß sich insgesamt ca. 8000 Quadratmeter Nutzfläche ergeben. An Maschinen und Geräten sind ein Motormäher, eine Motorsäge sowie diverse forstliche Kleinwerkzeuge vorhanden. Die Berufungsbehörde gelangte aufgrund der obigen Feststellungen zu der Auffassung, daß die Käufer nicht überwiegend aus der Arbeit in der Landwirtschaft den Lebensunterhalt bestreiten bzw. im Hinblick auf die Fläche und die Geländeform auch nicht bestreiten könnten und daher nicht als Landwirte im Sinne des §8 Abs5 leg. cit. und als Inhaber eines bäuerlichen Betriebes im Sinne des §8 Abs7 GVG anzusehen sind. Der Umstand allein, daß sie Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke sind, rechtfertigt nicht die Annahme, daß die Voraussetzungen der beiden genannten Bestimmungen vorliegen.

Bei der gegebenen Art der Bewirtschaftung und der Beschaffenheit der 0,6443 ha großen Wiese muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß der Lebensunterhalt fast ausschließlich aus nicht landwirtschaftlicher Tätigkeit (Gewerbebetrieb) bestritten wird. Die Käufer können nach Ansicht der Grundverkehrs-Landeskommission bestenfalls als Nebenerwerbslandwirte im Sinne des §8 Abs6 und als Inhaber eines Nebenerwerbsbetriebes im Sinne des §8 Abs8 angesehen werden.

Die Interessenten ... hingegen sind nach den Feststellungen des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen Vollerwerbslandwirte, wobei deren Betriebe aufgrund der Größen und Einheitswerte als stärkungsbedürftig zu bezeichnen sind. Wie aus §8 Abs1 GVG zu entnehmen ist, besteht ein vorrangiges öffentliches Interesse an der Erhaltung, Stärkung oder Schaffung bäuerlicher Betriebe. Die Stärkung der Betriebe der Interessenten erscheint weit mehr im öffentlichen Interesse gelegen als der Erwerb der gegenständlichen Waldfläche durch A und R H:

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes gelangte die Berufungsbehörde zu der Auffassung, daß der Versagungsgrund nach §8 Abs2 litd Nö. GVG gegeben ist."

3. In der Beschwerde wird im wesentlichen vorgebracht, daß eine Differenzierung zwischen Vollerwerbslandwirten und Nebenerwerbslandwirten im vorliegenden Fall unzulässig wäre. Die Ausführungen des Gutachtens der Sachverständigen, aus denen die bel. Beh. die Schlußfolgerung gezogen hat, daß die Bf. auch unter Berücksichtigung des Zukaufes bestenfalls als Nebenerwerbslandwirte iS des §8 Abs6 und als Inhaber eines Nebenerwerbsbetriebes iS des §8 Abs8 anzusehen sein würden, werden in der Beschwerde ebensowenig widerlegt wie die Ausführungen, daß Interessenten vorhanden sind, die Inhaber aufstockungsbedürftiger bäuerlicher Betriebe sind. Zu der Annahme, daß der Kaufpreis der Höhe des ortsüblichen Verkehrswertes nicht entspricht, besteht keine Veranlassung.

Wenn die bel. Beh. unter diesen Umständen nach dem Hinweis auf die Judikatur des VfGH (vgl. die zitierten Erk. 9004/1981 und 9131/1981) die grundverkehrsbehördliche Genehmigung für das vorliegende Rechtsgeschäft versagt hat, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, den Versagungsgrund des §8 Abs2 litd GVG denkunmöglich angewendet zu haben.

Damit scheidet eine allfällige denkunmögliche Gesetzesanwendung als Indiz für ein willkürliches Vorgehen der bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides aus.

Ein anderer Umstand, aus dem geschlossen werden könnte, daß von der bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Gesetz fälschlich ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden wäre oder daß sie Willkür geübt hätte, ist im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.

Die Bf. sind daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Auslegung eines Antrages, Sachverständige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B620.1982

Dokumentnummer

JFT_10149383_82B00620_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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