TE Vfgh Beschluss 1985/6/19 B110/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1985
beobachten
merken

Index

22 Zivilprozeß, außerstreitiges Verfahren
22/02 Zivilprozeßordnung

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

ZPO §146 Abs1 idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983; keine Wiedereinsetzung bei Verabsäumen, sich einen Bescheid gegebenenfalls übersetzen zu lassen und sich über Rechtsschutzmöglichkeiten zu informieren - kein minderer Grad des Versehens

Spruch

1. Der Wiedereinsetzungsantrag wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. a) Der Bundesminister für Inneres hat mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 30. November 1984 (dem Einschreiter von einem Organ der Bundespolizeidirektion Wien persönlich ausgehändigt am 17. Dezember 1984) gemäß §1 des Asylgesetzes, BGBl. 126/1968, festgestellt, daß der Einschreiter - ein polnischer Staatsangehöriger - nicht Flüchtling iS dieses BG sei.

b) Dieser überreichte am 8. Feber 1985 beim VfGH einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung der Beschwerde gegen diesen Bescheid und zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages.

Nach Bewilligung der Verfahrenshilfe brachte der bestellte Verfahrenshelfer eine an den VfGH gerichtete Beschwerde, verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ein. In der Beschwerde wird beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben; hilfsweise wird begehrt, die Beschwerde gemäß Art144 Abs3 B-VG dem VwGH abzutreten.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht berechtigt:

a) Der Einschreiter behauptet im Antrag, er verstehe die deutsche Sprache nur mangelhaft. Anläßlich der Ausfolgung des angefochtenen Bescheides in der Bundespolizeidirektion Wien habe ihm der Beamte erklärt, "das Asylverfahren sei ein für allemal erledigt". Der Einschreiter habe daher den im angefochtenen Bescheid enthaltenen Hinweis, daß dagegen Beschwerde an den VfGH oder VwGH erhoben werden könne, nicht verstanden. Erst Anfang Feber 1985 habe ihn ein polnischer Landsmann auf diese Rechtsschutzmöglichkeit aufmerksam gemacht.

b) Das VerfGG 1953 regelt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst; demnach sind nach §35 leg. cit. die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumnis zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das ist dann der Fall, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983).

Die - wenngleich zunächst möglicherweise durch die mangelhafte Beherrschung der deutschen Sprache und durch allenfalls mißverständliche Äußerungen, die vom Behördenorgan anläßlich der Ausfolgung des angefochtenen Bescheides über die Anfechtbarkeit dieses Bescheides abgegeben wurden, verursachte - Unkenntnis der rechtlichen Möglichkeit, gegen einen letztinstanzlichen Bescheid Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu erheben, ist nun aber nicht als solcher Fehler einzustufen: Es ist für jeden sorgfältigen Menschen selbstverständlich, daß er sich einen an ihn ergehenden Bescheid, jedenfalls aber einen solchen, der ihn - wie hier - in ganz bedeutender Weise berührt, übersetzen läßt, wenn er seinen Inhalt nicht verstehen sollte. Es obliegt jedermann selbst, sich Kenntnis von allenfalls bestehenden außerordentlichen Rechtsschutzinstrumenten (wie der Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) zu verschaffen. Ganz besondere Umstände, aufgrund derer dies dem Einschreiter hier unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, wurden nicht geltend gemacht.

Der Einschreiter hat es also aus Gründen, die nicht bloß als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren sind, verabsäumt, sich über die Rechtslage, insbesondere über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu informieren.

Der Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen.

3. Die Beschwerde ist verspätet:

Der angefochtene Bescheid wurde dem Bf. am 17. Dezember 1984 zugestellt. Die im §82 Abs1 VerfGG 1953 vorgesehene sechswöchige Beschwerdefrist ist daher am 28. Jänner 1985 abgelaufen. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde erst am 8. Feber 1985 eingebracht.

Die Beschwerde war daher als verspätet zurückzuweisen.

4. Der Antrag, die Beschwerde dem VwGH abzutreten, war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur in den Fällen einer abweisenden Sachentscheidung des VfGH oder einer Ablehnung der Behandlung der Beschwerde in Betracht kommt; keiner dieser Fälle liegt hier vor.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B110.1985

Dokumentnummer

JFT_10149381_85B00110_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten