TE Vfgh Beschluss 1985/6/19 V1/85

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Veröffentlicht am 19.06.1985
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art144 Abs3
Nö ProstitutionsG §5 Abs1
Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl vom 03.10.84 betreffend das Verbot der Anbahnung und Ausübung der Prostitution in der Steinabrückler Straße und den angrenzenden Gebäuden

Leitsatz

Art139 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der V des Bürgermeisters der Gemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl vom 3. Oktober 1984 betreffend das Verbot der Anbahnung und Ausübung der Prostitution in der Steinabrückler Straße und den angrenzenden Gebäuden; keine Legitimation der Antragstellerin als Verfügungsberechtigter über ein Haus; lediglich wirtschaftliche Auswirkungen der Norm - kein Eingriff in die Rechtssphäre

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der auf Abtretung an den VwGH gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Bürgermeister der Gemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl hat mit der auf §5 Abs1 des Nö. Prostitutionsgesetzes, LGBl. 4005-0, gestützten V vom 3. Oktober 1984 "die Anbahnung und Ausübung der Prostitution in der Steinabrücklerstraße und in den angrenzenden Gebäuden verboten".

Diese V wurde durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel vom 4. bis 18. Oktober 1984 kundgemacht und ist am 19. Oktober 1984 in Kraft getreten.

2. Gegen diese V wendet sich der vorliegende, auf Art139 B-VG gestützte (unrichtig als "Beschwerde" bezeichnete) Antrag. Die Einschreiterin begehrt, die V ihrem ganzen Inhalt nach als gesetzwidrig aufzuheben, in eventu "die Beschwerde an den VwGH abzutreten".

3. Die Nö. Landesregierung und der Bürgermeister der Gemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl haben Äußerungen erstattet, in denen sie die Gesetzmäßigkeit der bekämpften V verteidigen. Die Nö. Landesregierung begehrt primär, den Antrag mangels Legitimation zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Der Bürgermeister begehrt die "Ablehnung" des Antrages.

II. Der VfGH hat zur Frage der Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Ein Antrag nach Art139 Abs1 letzter Satz B-VG auf Aufhebung einer

V wegen Gesetzwidrigkeit ist nur zulässig, wenn die V für die Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

2. a) Die Antragstellerin bringt zur Begründung der Legitimation lediglich vor, daß sie "Verfügungsberechtigte über das Haus Steinabrückler Straße ..." in Wöllersdorf sei; in diesem Haus werde bereits seit längerer Zeit die Prostitution gewerbsmäßig ausgeübt. Die bekämpfte V sei ohne gerichtliche Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides ergangen.

b) Bei Entscheidung der Frage, ob der Antrag zulässig ist, war nur auf die von der Antragstellerin ins Treffen geführten Auswirkungen der V einzugehen und zu untersuchen, ob sie solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG vorsieht (vgl. zB VfSlg. 9254/1981).

Die Antragstellerin macht der Sache nach ausschließlich geltend, durch die angefochtene ProstitutionsV in ihrer Eigenschaft als "Verfügungsberechtigte" des Hauses Steinabrückler Straße ... beeinträchtigt zu werden.

Nun wird der Antragstellerin aber durch die V nicht verboten, das Haus, über das sie verfügungsberechtigt ist, überhaupt oder an bestimmte Personen zu vermieten. Ebensowenig wird durch die V ein bestehender Vertrag (etwa ein bestehender Mietvertrag) geändert.

Wenn Bewohnerinnen des Hauses, die der Prostitution nachgehen, wegen des mit der angefochtenen V verfügten Verbotes, dort die Prostitution auszuüben, allenfalls bestehende Verträge mit der Antragstellerin lösen oder nicht verlängern, handelt es sich um wirtschaftliche Auswirkungen der Norm; derartige Reflexwirkungen stellen aber keinen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin dar.

Der Antragstellerin fehlt sohin die Legitimation zur Anfechtung der V. Ihr Antrag war daher zurückzuweisen (vgl. die ähnliche Fälle betreffenden hg. Beschl. VfSlg. 9042/1981 und 9254/1981).

3. Der hilfsweise gestellte Antrag, die Eingabe dem VwGH abzutreten, war zurückzuweisen, da eine solche Abtretung nur im Falle einer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde, nicht aber dann vorgesehen ist, wenn ein auf Art139 Abs1 B-VG gegründeter Verordnungsprüfungsantrag vom VfGH negativ erledigt wird.

Schlagworte

Prostitution, VfGH / Individualantrag, VfGH / Abtretung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:V1.1985

Dokumentnummer

JFT_10149381_85V00001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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