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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
ZPO §35; Tod des Bf.; Fortsetzung des Verfahrens mit dem Rechtsnachfolger Ktn. StraßenG 1978 §§36 - 38; Enteignung von Grundflächen für ein Straßenbauvorhaben; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; keine Willkür; keine Verletzung im Recht auf ErwerbsausübungsfreiheitSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Zum Zweck des Ausbaues des als Ortschaftsweg kategorisierten "Schattenbergweges" wurden über Antrag der Marktgemeinde Bad Bleiberg mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Villach vom 29. Dezember 1977 aus den Liegenschaften EZ ... und ..., KG Kreuth, des Bf. Grundstücke im Ausmaß von 247 Quadratmeter enteignet. Dieser Bescheid wurde über Berufung des Bf. von der Ktn. Landesregierung mit Bescheid vom 2. Mai 1978 aufgehoben, weil sie die Vornahme einer Detailplanung vor Durchführung des Enteignungsverfahrens für erforderlich hielt.
b) Nach erfolgter Neuplanung und Ausarbeitung eines Detailprojektes beantragte die Marktgemeinde Bad Bleiberg mit Eingabe vom 7. November 1978 beim Bezirkshauptmann von Villach neuerlich die Enteignung der für das Straßenbauvorhaben des Ausbaues des "Schattenbergweges" für die Herstellung der Fahrbahn und der Bankette erforderlichen Grundflächen in der KG Kreuth. Aufgrund dieses Antrages enteignete der Bezirkshauptmann von Villach mit Bescheid vom 22. Jänner 1979 nach §§36 - 38 Ktn. Straßengesetz 1978, LGBl. 33/1978, iVm. den Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes aufgrund des Ergebnisses der am 4. Dezember 1978 durchgeführten örtlichen mündlichen Straßenrechtsverhandlung aus den Liegenschaften EZ ... und ..., KG Kreuth, des Bf. Grundflächen im Ausmaß von 373 Quadratmeter.
Der Berufung des Bf. gegen diesen Bescheid gab die Ktn. Landesregierung mit Bescheid vom 20. März 1979 keine Folge.
2. Gegen diesen Bescheid der Ktn. Landesregierung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Unverletzlichkeit des Eigentums, der Erwerbsausübungsfreiheit und des Gleichheitsgrundsatzes gerügt und die Aufhebung des Bescheides begehrt wird.
Die Ktn. Landesregierung hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
3. Der Bf. ist nach Einbringung der Beschwerde am 20. August 1984 verstorben. Sein Nachlaß wurde mit Beschl. des BG Villach vom 24. Oktober 1984 dem Sohn des Bf. eingeantwortet. Die vom Enteignungsbescheid betroffenen Liegenschaften stehen nunmehr im Eigentum des Sohnes des Bf. Dieser hat dem Rechtsvertreter des verstorbenen Bf. Prozeßvollmacht erteilt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Beschwerde war im Zeitpunkt der Einbringung zulässig. Der Tod des Bf. bewirkt nicht, daß das mit ihm geführte Verfahren einzustellen wäre. Vielmehr ist das Verfahren mit dem Rechtsnachfolger des Bf. fortzusetzen (§35 ZPO iVm. §35 Abs1 VerfGG), weshalb der VfGH über die Beschwerde meritorisch zu entscheiden hat (vgl. VfSlg. 7676/1975).
2. Gemäß §36 Abs1 lita des Ktn. Straßengesetzes 1978, LGBl. 33/1978 (LStrG), kann das Eigentum an Liegenschaften im Wege der Enteignung von der Straßenverwaltung für die Herstellung und Erhaltung der öffentlichen Straßen in Anspruch genommen werden, wobei gemäß §3 Z5 leg. cit. Ortschaftswege als öffentliche Straßen gelten und gemäß §4 Abs1 leg. cit. ua. die Fahrbahnen und die Straßenbankette Bestandteile der öffentlichen Straßen sind. Gemäß §38 LStrG ist die Enteignung für Ortschaftswege von der Gemeinde bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu beantragen. Nach Abs2 dieser Bestimmung entscheidet die Bezirksverwaltungsbehörde über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes.
Dabei können, da das Ktn. Straßenrecht ein gesondertes Bewilligungsverfahren für die Trassenfestlegung unter Beiziehung der Anrainer nicht vorsieht, im Enteignungsverfahren - wie der VwGH mit Entscheidung vom 26. Juni 1980, Z 3269/78, zutreffend zu Recht erkannt hat - Einwendungen der Enteigneten hinsichtlich der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Straßenführung im Enteignungsverfahren geltend gemacht werden.
3. a) Der Bf. behauptet, daß ihn der angefochtene Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletze.
Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980, 9014/1981) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
b) Daß der angefochtene Bescheid auf einer verfassungswidrigen gesetzlichen Grundlage beruht oder einem verfassungsmäßigen Gesetz fälschlicherweise einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hätte, wird von der Beschwerde nicht behauptet. Auch der VfGH hat in dieser Richtung keine Bedenken. Die Beschwerde behauptet jedoch Fehler im Vollzugsbereich. Sie leugnet das öffentliche Interesse am Ausbau des Schattenbergwegs überhaupt, da dieser Ausbau letztlich nur einem Anrainer wirklich zugute komme; sie bringt vor, daß der Ausbau in der vorgesehenen Form verkehrstechnisch unzweckmäßig sei und Gefahren nicht ausschalte - insbesondere im Bereich zwischen den beiden Anwesen des Bf. bestünden bei der Realisierung des Straßenbauvorhabens große Gefahrenquellen; schließlich behauptet die Beschwerde auch Verfahrensmängel, da sich die Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheids mit den im ersten Rechtsgang diskutierten Varianten nicht mehr auseinandergesetzt habe und weil sie - ebenso wie der Sachverständige - die Gefahrenquellen nicht ausreichend gewürdigt habe.
Mit all diesen Vorwürfen vermag der Bf. jedoch nicht darzutun, daß die Behörde die angewendeten Rechtsgrundlagen nur zum Schein (denkunmöglich) herangezogen oder bei der Bescheiderlassung Willkür geübt hat. Die bel. Beh. ist schon im ersten Rechtsgang in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten davon ausgegangen, daß der Ausbau des Schattenbergweges an sich im öffentlichen Interesse gelegen sei und daß die - auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende - Variante 1 als die zweckmäßigste von drei Varianten anzusehen sei. Sie hat jedoch den erstinstanzlichen Bescheid aufgehoben, weil ihr die Detailplanung insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse der Verkehrssicherheit nicht ausreichend erschien. Im zweiten Rechtsgang hat die bel. Beh. ihre Entscheidung aufgrund einer umfassenden und genaueren Detailplanung, eines Lokalaugenscheins und nach Befassung eines Sachverständigen getroffen. Von einem so schweren Verfahrensfehler, daß dies in die Verfassungssphäre eingreifen würde, kann daher nicht die Rede sein. Auch ist es keineswegs ausgeschlossen, daß ein Straßenbauvorhaben auch dann im öffentlichen Interesse gelegen ist, wenn es letztlich nur für ein einzelnes Anwesen Vorteile bringt. Ob die Entscheidung der bel. Beh. für die Ausgestaltung des Schattenbergweges tatsächlich im öffentlichen Interesse gelegen ist, ob sie verkehrstechnisch und unter Gesichtspunkten der Verkehrssicherheit den Anforderungen entspricht und ob das Verfahren gesetzmäßig abgeführt wurde, sind Fragen der einfachgesetzlichen Rechtmäßigkeit des Bescheides, über die nicht der VfGH, sondern der VwGH zu entscheiden hat.
Es ist daher dem Beschwerdevorbringen, soweit es sich auf den Gleichheitsgrundsatz und das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Eigentums stützt, ein Erfolg versagt.
4. Der Bf. behauptet weiters, im Grundrecht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt zu sein. Eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts setzt aber voraus, daß einem Staatsbürger durch verwaltungsbehördlichen Bescheid der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit untersagt wird. Davon kann jedoch im vorliegenden Fall - selbst nach den Beschwerdeausführungen - nicht die Rede sein.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Straßenverwaltung, Enteignung, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B176.1979Dokumentnummer
JFT_10149374_79B00176_00