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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Nö. FischereiG; die in §27 Abs1 lite (Verweigerung der Fischerkarte) enthaltene Einschränkung auf Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen bezieht sich bei verfassungskonformer Interpretation auch auf Vorsatzdelikte; kein Verstoß gegen den GleichheitsgrundsatzSpruch
Die im §27 Abs1 lite des Nö. Fischereigesetzes, LGBl. 6550-1, enthaltene Wortfolge "wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung überhaupt, oder" wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der mit "Entzug der Fischerkarte und der Fischergastkarte" überschriebene §28 des Nö. Fischereigesetzes, LGBl. 6550-1, ordnet in seinem Abs1 (ua.) an, daß die Bezirksverwaltungsbehörde die Fischerkarte für ungültig zu erklären und einzuziehen hat, wenn einer der im §27 angeführten Ausschließungsgründe erst nach Ausstellung der Fischerkarte eintritt oder bekannt wird. §27 dieses Gesetzes regelt die "Verweigerung der Fischerkarte" und umschreibt in Abs1 den davon betroffenen Personenkreis, darunter
"e) Personen, die wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung überhaupt, oder wegen fahrlässiger Gefährdung durch Verunreinigung der Gewässer oder der Luft, oder wegen fahrlässiger Gefährdung des Tier- und Pflanzenbestandes zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder öfter als zweimal zu geringeren Strafen rechtskräftig verurteilt worden sind, ferner Personen, die öfter als zweimal wegen einer im Zustand der Trunkenheit begangenen strafbaren Handlung bestraft worden sind, solange die Verurteilungen nicht getilgt sind. Hat das Gericht bei Verurteilungen wegen der vorgenannten strafbaren Handlungen den Vollzug der verhängten Strafen nachgesehen, so ist die Ausstellung der Fischerkarte für längstens fünf Jahre ab Rechtskraft des Urteils zu verweigern."
2. Das Landesgericht für Strafsachen Wien erkannte den Bf. des Verfahrens B508/82 mit Urteil vom 24. Mai 1977 des Vergehens der Körperverletzung nach §83 Abs1 StGB schuldig und verhängte über ihn eine Geldstrafe sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe. Diese Verurteilung nahm die Nö. Landesregierung zum Anlaß, mit dem im Instanzenzug erlassenen, auf §§27 und 28 Nö. Fischereigesetz gestützten Bescheid vom 1. September 1982 die für die Jahre 1981 bis 1983 ausgestellte Fischerkarte für ungültig zu erklären, sie einzuziehen und eine Neuausstellung bis zur Tilgung dieser Verurteilung zu verweigern.
II. Anläßlich des Verfahrens über die Beschwerde, welche gegen den Bescheid der Nö. Landesregierung erhoben wurde, leitete der VfGH gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der in §27 Abs1 lite des Nö. Fischereigesetzes enthaltene Wortfolge "wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung überhaupt, oder" ein. Der Gerichtshof nahm vorläufig an, daß er die wiedergegebene Wendung bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides anzuwenden hätte, da der Bescheid in meritorischer Hinsicht auf dieser Wortfolge - iVm. dem den Entzug der Fischerkarte betreffenden §28 leg. cit. - beruht, und legte die verfassungsrechtlichen Bedenken wie folgt dar:
"2. Der VfGH hegt das Bedenken, daß die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle dann aus den unter 3. angeführten Gründen dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgebot widerspricht, wenn man sie folgendermaßen versteht:
Das in der erwähnten Wendung enthaltene Wort 'überhaupt' bringt anscheinend zum Ausdruck, daß schon die Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung als solche, also ohne Rücksicht auf Art und Höhe der verhängten Strafe, einen Ausschließungsgrund bildet; wenn nämlich im ersten Satz der lite des §27 Abs1 davon die Rede ist, daß die betreffenden Personen 'zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder öfter als zweimal zu geringeren Strafen rechtskräftig verurteilt worden sind', so bezieht sich dies wohl ausschließlich auf die voranstehend umschriebenen Fahrlässigkeitsdelikte. Für diese - offenbar auch in der Verwaltungspraxis herrschende - Auslegung der bezogenen Gesetzesvorschrift spricht weiters der Vergleich mit der Stammfassung des Nö. Fischereigesetzes (LGBl. 6550-0); auch nach ihr (lite im §27 Abs1) war Anspruchswerbern allein wegen bestimmter gerichtlich strafbarer Handlungen ohne Rücksicht auf den Strafausspruch die Ausstellung der Fischerkarte zu verweigern, nämlich 'Personen, die wegen Übertretung des Diebstahles von Fischen aus Fischwässern, Teichen oder Fischzuchtanlagen oder der Teilnehmung daran verurteilt worden sind'.
Ob dieses Verständnis der lite im §27 Abs1 allerdings zutrifft, wird im Gesetzesprüfungsverfahren zu untersuchen sein. Für eine gegenteilige Auslegung dieser Vorschrift könnte einmal das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung sprechen: Erwiesen sich die unter 3. dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken an sich als begründet, so könnte gerade daraus eine andere Interpretation des §27 Abs1 lite folgen, nämlich dahin, daß sich die hier umschriebene (Mindest-)Strafe ('zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen ...') auch auf die Vorsatztaten bezieht. Für diese Auslegung könnte zum anderen auch die Entstehungsgeschichte der lite ins Treffen geführt werden, deren Fassung auf einer im Landwirtschafts-Ausschuß des Nö. Landtages vorgenommene Änderung der in der Regierungsvorlage wie folgt lautenden Bestimmung zurückgeht:
'e) Personen, die wegen eines unter Anwendung oder Androhung von Gewalt vorgenommenen vorsätzlichen Angriffes gegen Leib und Leben, Freiheit, fremdes Vermögen oder Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher gemeingefährlicher strafbarer Handlungen, wegen Hochverrates oder anderer Angriffe gegen den Staat, wegen Angriffes auf oberste Staatsorgane, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, wegen vorsätzlicher strafbarer Handlungen gegen den öffentlichen Frieden oder wegen Völkermordes zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder öfter als zweimal zu geringeren Strafen rechtskräftig verurteilt worden sind ...'.
3. Im Erk. VfSlg. 8934/1980 hatte sich der Gerichtshof aus der Sicht des Gleichheitsgebotes mit einer Bestimmung im Vorarlberger Jagdgesetz zu befassen, die den Entzug der Jagdkarte wegen einer erlittenen strafgerichtlichen Verurteilung anordnete. Er nahm den Standpunkt ein, daß der Landesgesetzgeber für seinen Zuständigkeitsbereich befugt ist, sowohl (bereits) von Gesetzes wegen als auch (erst) aufgrund eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens eintretende Rechtsfolgen an eine strafgerichtliche Verurteilung zu knüpfen; maßgebend sei - was das Gleichheitsgebot anlange - nur, ob die Regelung bei zusammenschauender Betrachtung des der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde gelegten Verhaltens und der vom Landesgesetzgeber vorgesehenen Rechtsfolge sachlich begründbar ist. Geht man davon aus, daß grundsätzlich das gleiche für den Entzug einer Fischerkarte infolge einer strafgerichtlichen Verurteilung gilt, so läßt sich (wie der Gerichtshof entsprechend den obigen Ausführungen vorläufig annimmt) das vorbehaltlose, nicht differenzierende Anknüpfen des Landesgesetzgebers an jedwede Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung wohl nicht rechtfertigen. Denn einerseits erstreckt sich die Regelung auch auf Delikte, deren Begehung im Hinblick auf Tatbild und geschütztes Rechtsgut von vornherein kein Indiz für solche persönlichen Eigenschaften des Täters liefern kann, welche gegen die Erfüllung der typischen Pflichten eines Fischerkartenbesitzers (zB als Pächter eines Fischereireviers (vgl. §16 Abs1 lita) oder bei der Ausübung des Fischfangs (vgl. §25 Abs1 lita)) sprechen. Andererseits kann nach der Lage des Einzelfalles aber auch aus einer solchen gerichtlich strafbaren Handlung, die im gegebenen Zusammenhang an sich in Betracht zu ziehen wäre, dann kein Indiz der erwähnten Art abgeleitet werden, wenn dem in der Person des Täters gelegene besondere Umstände (wie zB, daß seine Schuld gering ist, daß er die Tat aus achtenswerten Beweggründen oder nur aus Unbesonnenheit begangen hat) entgegenstehen."
III. Die Nö. Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Verfassungsmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Vorschrift verteidigte und beantragte, sie nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Im einzelnen führte sie folgendes aus:
"Nach §27 Abs1 lite des Nö. Fischereigesetzes, LGBl. 6550-1, ist die Ausstellung einer Fischerkarte Personen, die
-
wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung überhaupt, oder
-
wegen fahrlässiger Gefährdung
-
der Gewässer oder
-
der Luft, oder
-
wegen fahrlässiger Gefärdung des Tier- und Pflanzenbestandes
-
zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder
-
zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder
-
öfter als zweimal zu geringeren Strafen
rechtskräftig verurteilt worden sind.
Nach den gültigen Interpretationsregeln des §6 ABGB (VfSlg. 2175, 2250, 3332) ist bei der Auslegung des Inhaltes von Rechtsvorschriften 'nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang' sowie 'nach der klaren Absicht des Gesetzgebers' vorzugehen (siehe Walter - Mayer, Grundriß des Österreichischen Bundesverfassungsrechtes, V. Auflage, Wien 1985, S. 46 f.). Allein durch die Verwendung des Wortes 'überhaupt' kann nicht eindeutig abgeleitet werden, daß der Landesgesetzgeber vorsätzlich begangene, gerichtlich strafbare Handlungen als einen Ausschließungsgrund ohne Rücksicht auf das dabei verhängte Strafausmaß normieren wollte. Das Erfordernis der rechtskräftigen Verurteilung wegen dieses Deliktes findet sich erst am Ende des Relativsatzes, sodaß dieser Relativsatz als Einheit zu beurteilen ist. Die Bedingungen für die Rechtsfolge der Verweigerung der Ausstellung einer Fischerkarte sind alternativ formuliert, sodaß Vorsatzdelikte generell neben zwei Gruppen spezieller Fahrlässigkeitsdelikte treten und zu allen drei Deliktstypen als weitere Bedingung eine über die angeführten Rahmen hinausgehende rechtskräftige Verhängung von Strafen vorliegen muß, um die Rechtsfolge zu eröffnen.
Ebenso könnte der Inhalt dieses Satzes nach der grammatikalischen Interpretation so ausgelegt werden, daß eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung ohne Rücksicht auf die verhängte Strafe als Ausschließungsgrund anzusehen ist, während das verhängte Strafausmaß nur bei Fahrlässigkeitsdelikten mit zu berücksichtigen ist. Die Verbalinterpretation und die grammatikalische Interpretation vermögen hier kein eindeutiges Ergebnis zu liefern.
Anders verhält es sich bei der historischen Interpretation nach dem Willen des Gesetzgebers. Die in Prüfung gezogene Bestimmung wurde mit der ersten Novelle, LGBl. 6550-1, in das Nö. Fischereigesetz eingefügt. In der Stammfassung hatten die entsprechenden Bestimmungen (§27 Abs1 lite und f leg. cit., LGBl. 6550-0), folgenden Wortlaut:
'e) Personen, die wegen Übertretung des Diebstahles von Fischen aus Fischereiwässern, Teichen oder Fischzuchtanlagen oder der Teilnehmung daran verurteilt worden sind, für längstens drei Jahre, gerechnet von dem Tage, an dem die Strafe verbüßt oder nachgesehen worden ist oder als verbüßt oder als erlassen gilt;
f) Personen, die wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens gegen die Sicherheit des Eigentums oder wegen eines Verbrechens gegen die Sicherheit von Personen verurteilt worden sind, für die Dauer von längstens vier Jahren, gerechnet von dem Tage, an dem die Strafe verbüßt oder nachgesehen worden ist oder als verbüßt oder erlassen gilt.'
Die Regierungsvorlage für die erste Novelle zum Nö. Fischereigesetz sah für §27 Abs1 lite folgenden Wortlaut vor:
'e) Personen, die wegen eines unter Anwendung oder Androhung von Gewalt vorgenommenen vorsätzlichen Angriffes gegen Leib und Leben, Freiheit, fremdes Vermögen oder Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher gemeingefährlicher strafbarer Handlungen, wegen Hochverrates oder anderen Angriffe gegen den Staat, wegen Angriffes auf oberste Staatsorgane, wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, wegen vorsätzlicher strafbarer Handlungen gegen den öffentlichen Frieden oder wegen Völkermordes zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder öfter als zweimal zu geringeren Strafen rechtskräftig verurteilt worden sind; ferner ...'
Dazu fällt auf, daß zum Unterschied von der Stammfassung nunmehr neben der Tatsache der Verurteilung wegen bestimmter Delikte an sich auch noch die Verhängung einer die angeführten Mindestausmaße übersteigenden Strafe bzw. eine mehrfache Bestrafung für den Ausschluß erforderlich sein sollte.
In den Beratungen des Landwirtschaftsausschusses erhielt §27 Abs1 lite den daraufhin vom Landtag beschlossenen und nunmehr in Prüfung gezogenen Wortlaut. Zur Begründung führte der Landwirtschaftsausschuß (Ltg-78-1974) aus:
'Da durch die Regierungsvorlage nicht alle jene gerichtlich strafbaren Tatbestände erfaßt erschienen, deretwegen eine Person wegen mangelnder Vertrauenswürdigkeit von der Bestätigung und Beeidigung für den Fischereiaufsichtsdienst auszunehmen ist, war die vorliegende Änderung vorzunehmen.' Diese Begründung, die sich primär nur auf die Änderung des §22 Abs3 leg. cit. bezieht, gilt auch sinngemäß für die Änderung des §27 Abs1 lite, der den Ausschluß von der Ausstellung einer Fischerkarte regelt. Der Landwirtschaftsausschuß wollte nur die taxative Aufzählung der einen Ausschließungsgrund bildenden Delikte durch eine generelle Anknüpfung an Vorsatzdelikte ersetzen, ohne aber gleichzeitig von dem weiteren Erfordernis, nämlich einer die angeführten Ausmaße übersteigende Bestrafung abgehen. Die Einbeziehung sämtlicher Vorsatzdelikte sollte durch das Wort 'überhaupt' verdeutlicht und verstärkt werden, was auch dem Inhalt dieses Begriffes im Sprachgebrauch entspricht. Es sollte also keine Trennung in vorsätzliche strafbare Handlungen ohne Rücksicht auf die verhängte Strafe und in fahrlässig begangene strafbare Handlungen unter Berücksichtigung der verhängten Strafe vorgenommen werden.
Die Regierungsvorlage für die Novelle zum Nö. Fischereigesetz sah eindeutig auch Vorsatzdelikte nur dann als Ausschließungsgrund an, wenn eine über die angeführten Strafhöhen hinausgehende Strafe rechtskräftig verhängt wird bzw. eine wiederholte Begehung vorliegt. Als Ziel der 1. Novelle wird im Motivenbericht die Anpassung der fischereirechtlichen Bestimmungen an das in Kraft getretene Strafgesetzbuch genannt, ohne näher auf die hier problematische Abgrenzung einzugehen. Nach dem Willen des Landwirtschaftsausschusses erfolgte die Änderung der Regierungsvorlage nur zu dem Zweck, um die nicht vollständige Erfassung aller jener gerichtlich strafbaren Tatbestände, die auf eine mangelnde Vertrauenswürdigkeit schließen lassen, zu ergänzen. Auf eine Beseitigung der Erfordernisse der Berücksichtigung der Strafhöhe bei Vorsatzdelikten enthält der Ausschußbericht hingegen keine Hinweise. Vielmehr wollte der Landwirtschaftsausschuß nur die Aufzählung der einzelnen Tatbestände, die einen Ausschlußgrund bilden, durch eine generelle Heranziehung aller Vorsatztaten ('überhaupt') ersetzen, sodaß nach dem Willen des Gesetzgebers die verhängte Strafhöhe auch bei den Vorsatzdelikten eine weitere Bedingung für den Ausschluß bildet.
3. Ist ein Gesetzestext in verschiedener Weise interpretierbar, so engt sich die Wahl auf jene Auslegungsvariante ein, die das Gesetz verfassungskonform erscheinen läßt (Walter - Mayer, aaO, S 48). Aus dieser Interpretationsmaxime ergibt sich letztlich, daß einer Bestimmung nur verfassungskonforme Interpretationsvarianten bei mehreren Interpretationsmöglichkeiten zugrunde gelegt werden dürfen. Unter Anwendung dieser Maxime erhält die vorliegende Bestimmung einen eindeutigen Inhalt, der die aufgezeigten Bedenken gegen ihre Verfassungswidrigkeit zerstreut.
4. Ausgehend von den im Erk. VfSlg. 8934/1980 enthaltenen Beschränkungen für den Landesgesetzgeber beim Anknüpfen an strafgerichtlichen Verurteilungen ist weiterhin zu prüfen, ob ein undifferenzierendes Anknüpfen an jedwede Verurteilung wegen eines Vorsatzdeliktes sachlich zu rechtfertigen wäre.
Durch §27 Abs1 lite leg. cit. sollen Personen, bei denen die Erfüllung der einen Fischerkartenbesitzer treffenden Pflichten nicht angenommen werden kann, aufgrund dieser mangelnden Vertrauenswürdigkeit von der Fischerei ausgeschlossen werden. Neben den anderen in dieser Bestimmung enthaltenen Umstände sieht der Landesgesetzgeber auch die Verurteilung wegen gerichtlich strafbarer Taten als ein Indiz für eine mangelnde Vertrauenswürdigkeit an. Die im Strafgesetzbuch getroffene Unterscheidung zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten ist auch für die Anknüpfung durch den Landesgesetzgeber von Bedeutung. Der Begehung eines Vorsatzdeliktes kommt wegen der dieser Schuldform immanenten Willensbildung des Täters ein ganz anderer Indizcharakter für eine Bereitschaft zur Übertretung von Rechtsvorschriften zu, als dies bei Fahrlässigkeitsdelikten der Fall ist, sodaß auch bei einer Anknüpfung dieser qualitative Unterschied berücksichtigt werden muß: Wenn eine Person gar die unter höherer Strafdrohung stehenden Vorsatztaten des StGB begeht, so kann der Landesgesetzgeber zu Recht aus diesem Indiz auch eine Bereitschaft zur Übertretung der unter wesentlich geringeren Strafdrohungen stehenden fischereirechtlichen Bestimmungen annehmen. Gerade die Form der Ausübung der Fischerei, die im wesentlichen alleine und unbeaufsichtigt erfolgt, verlangt eine besondere Vertrauenswürdigkeit. Bei der Ausübung der Fischerei sind zahlreiche Vorschriften, wie zB über Brittelmaße, Schonzeiten, Fangarten und Fangmittel einzuhalten, wobei die Überwachung deren Einhaltung kaum oder nur stichprobenweise möglich ist. Auch die Begehung von Vorsatzdelikten gegen Leib, Leben und Eigentum gibt zu berechtigten Zweifeln Anlaß, ob der Täter den Anordnungen der Fischereiaufsichtsorgane nachkommen wird und den Fischereiaufsichtsorganen eine gefahrlose Ausübung ihrer Aufsichtstätigkeit gestatten wird. Somit kommt dem §27 Abs1 lite leg. cit. auch für den Schutz der Fischereiaufsichtsorgane Bedeutung zu, als dadurch Personen, die vorsätzlich die durch das Strafgesetzbuch geschützten Rechtsgüter verletzt haben, von den zwangsläufig gegebenen, fischereiausübungsbedingten Kontakten mit den Aufsichtsorganen ferngehalten werden sollen.
Wesentlich verstärkt wird die Indizwirkung einer strafgerichtlichen Verurteilung durch die Einbeziehung der verhängten Strafe. Damit wird auf die im 4. Abschnitt des Strafgesetzbuches enthaltenen Grundsätze über die Strafbemessung Bedacht genommen und erst bei der Verhängung einer die in §27 Abs1 lite leg. cit. normierten Mindestgrenzen übersteigenden Strafe der Ausschluß von der Fischereiausübung wirksam, sodaß die Sachgerechtigkeit zwischen Anknüpfungstatbestand und Rechtsfolge gegeben ist. Dazu kommt noch, daß durch die in §27 Abs2 leg. cit enthaltene Regelung über die Bemessung der Dauer des Ausschlusses der Indizcharakter der strafgerichtlichen Verurteilung relativiert wird, als hiebei ebenfalls die näheren Umstände der Tat einzufließen haben.
5. Die Nö. Landesregierung vertritt daher die Ansicht, daß der in Prüfung gezogene Wortlaut des §27 Abs1 lite leg. cit. nicht verfassungswidrig ist, als auch bei Vorsatzdelikten durch die Berücksichtigung der Strafgrenzen nur schwere Rechtsverletzungen einen Ausschluß von der Ausstellung einer Fischerkarte zulassen. Sollte der VfGH diese Ansicht nicht teilen und aus der in Prüfung gezogenen Bestimmungen ein undifferenzierendes Anknüpfen an Vorsatzdelikte ableiten, würde auch wegen der sachlich zu Recht erfolgten Differenzierung zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten eine Verfassungswidrigkeit nicht vorliegen."
IV. Der VfGH hat erwogen:
1. Es ist offenkundig und wird auch von der Nö. Landesregierung nicht in Zweifel gezogen, daß der VfGH die in Prüfung gezogenen Gesetzesstelle bei seiner Entscheidung in der Beschwerdesache anzuwenden hätte. Das eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren ist, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.
2. Die Bedenken des VfGH erweisen sich jedoch als nicht gerechtfertigt.
Der Gerichtshof kann der Landesregierung zwar nicht in der von ihr ohne Vorbehalt vertretenen Meinung folgen, daß der Landesgesetzgeber bei einer Person, welche die unter höherer Strafandrohung stehenden Vorsatztaten des Strafgesetzbuches begeht, zu Recht "aus diesem Indiz" eine Bereitschaft zur Übertretung der unter wesentlich geringeren Strafdrohungen stehenden fischereirechtlichen Bestimmungen annehmen kann. Eine derartige, bloß auf einem Vergleich angedrohter Strafen beruhende Verallgemeinerung verbietet sich schon deshalb, weil in nicht wenigen Fällen Tatbild und geschütztes Rechtsgut einen solchen Schluß von vornherein nicht zulassen; es genügt hier zB auf strafbare Handlungen gegen die Ehre hinzuweisen. Der VfGH bleibt sohin auf dem im Einleitungsbeschluß eingenommenen Standpunkt, daß ein nicht differenziertes Anknüpfen des Landesgesetzgebers an jedwede Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung ohne Rücksicht auf Strafart und -höhe unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes nicht zu rechtfertigen wäre.
Unter dieser verfassungsrechtlichen Prämisse kann der VfGH jedoch der von der Landesregierung vertretenen Ansicht beipflichten. Es trifft jedoch zu, daß das Wort "überhaupt" im gegebenen Zusammenhang unterschiedlich verstanden werden kann, einerseits nämlich dahin, daß jedwede Verurteilung wegen einer vorsätzlich begangenen, gerichtlich strafbaren Handlung ohne Rücksicht auf die verhängte Strafe einen Ausschließungsgrund bildet, andererseits aber, daß es - im Gegensatz zur Umschreibung der Fahrlässigkeitsdelikte nach bestimmten Deliktsgruppen - lediglich zum Ausdruck bringt, Vorsatztaten führten ohne eine solche Einschränkung zur Ausschließung. Es trifft auch zu, daß die in der Äußerung der Landesregierung richtig dargestellte Entstehungsgeschichte der Fischereigesetz-Nov. für die letztere Auslegung spricht. In einer derartigen Auslegungssituation, in der keine Variante als zwingend angesehen werden kann, kommt aber dem Grundsatz der verfassungskonformen Gesetzesauslegung die ausschlaggebende Bedeutung zu, nach dem einer Gesetzesstelle im Zweifel kein Inhalt unterstellt werden darf, der sie als verfassungswidrig erscheinen ließe (s. zB VfSlg. 8944/1980 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Die in Prüfung stehende Gesetzesstelle ist demnach so aufzufassen, daß sich die Einschränkung auf Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder zu einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen auch auf die Vorsatzdelikte bezieht.
Es war sohin auszusprechen, daß die Gesetzesvorschrift nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
Schlagworte
Fischerei, Strafrecht, Strafprozeßrecht, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:G41.1985Dokumentnummer
JFT_10149372_85G00041_00