TE Vfgh Beschluss 2006/9/25 A9/06

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Veröffentlicht am 25.09.2006
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Index

19 Völkerrechtliche Verträge
19/10 Friedenssicherung

Norm

B-VG Art137 / Allg
EMRK Art6
BDG 1979 §124
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Art14
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Leitsatz

Zurückweisung einer Staatshaftungsklage betreffend Schadenersatzansprüche wegen legislativen Unrechts hinsichtlich des Disziplinarverfahrens gegen Beamte; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als offenbar aussichtslos

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. Mit Klage vom 16. März 2006 macht der Kläger Ansprüche gegen das Land Salzburg und den Bund aus dem Titel Staatshaftung geltend. Unter einem beantragt der Kläger die Bewilligung der Verfahrenshilfe.

Begründend wird in der vorliegenden Klage im Wesentlichen ausgeführt:

"Legislatives Unrecht:

Mit dem BGBl 1978/591 wurde der UN-Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte in Österreich in Geltung gesetzt. Die zweitbeklagte Partei als Vertragsstaat hat dadurch die Rechtsverbindlichkeit der darin normierten Menschenrechte für die Republik Österreich anerkannt, zumal der Pakt in den wesentlichen Bereichen ohnehin den im Verfassungsrang stehenden Bestimmungen der EMRK gleicht. Die zweitbeklagte Partei ist daher zur Einhaltung der Konvention verpflichtet und verletzt diese, wenn sie es verabsäumt, die erforderlichen Gesetze zur innerstaatlichen Gewährleistung der Rechte des Paktes zu erlassen, wenn jemanden in der Ausübung eines dieser Rechte diskriminiert oder wenn kein ausreichender Rechtsschutz gegen eine Verletzung eines dieser Rechte gewährt wird. Vorliegend ist der zweitbeklagten Partei eine solche Verletzung vorzuwerfen, da sie als Vertragsstaat der CCPR nach Art2 Absl alle Rechte des Paktes zu achten und sie ihren Rechtsunterworfenen ohne Diskriminierung zu gewährleisten hat. Dies bedeutet, dass die zweitbeklagte Partei Eingriffe jeglicher Art in die Ausübung dieser Rechte unterlassen muss und ist sie weiters auch zu positiven Leistungen verpflichtet, um den im Pakt anerkannten Rechten Wirksamkeit zu verleihen. So hat die zweitbeklagte Partei im Hinblick auf Art14 CCPR die Ausgestaltung der Gerichte (gegenständlich auch gültig für Disziplinarkommission) derart zu gewährleisten, dass die normierten Mindestgarantien eingehalten werden, insbesondere somit der Grundsatz, wonach ein Gericht sowohl von der Vollziehung als auch von der Gesetzgebung, vor allem aber von den Verfahrensparteien unabhängig sein muss.

Der UN-Menschenrechtssausschuss hat in seiner Entscheidung vom 20.08.2004 eindeutig die Verletzung der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der Senatsmitglieder festgestellt und liegt darin ein konventionswidriges Verhalten der beklagten Parteien begründet. Weiters hat der UN-Menschenrechtsausschuss die zweitbeklagte Partei dazu verpflichtet dem Kläger eine angemessene Entschädigung zu leisten, wobei dahingehende Zahlungen von den beklagten Parteien ohne nähere Begründung abgelehnt wurden. Der zweitbeklagten Partei ist daher vorzuwerfen, es unterlassen zu haben, für den Kläger eine Möglichkeit zur Durchsetzung einer Entscheidung, die die Verletzung wesentlicher Grundsätze nach CCPR feststellt, zu schaffen.

Dem gegenständlichen Disziplinarverfahren gegen den Kläger lagen das Salzburger GemeindebeamtenG 1968 sowie die Bestimmungen des BDG zu Grunde. Beide Gesetze enthalten Bestimmungen, welche die Grundrechte des Klägers verletzen, insbesondere sind diesbezüglich anzuführen der §12 Salzburger GemeindebeamtenG und §124 BDG.

Die Bestimmung des §12 Abs5 Salzburger GemeindebeamtenG besagt, dass jene Gemeinde, die Dienstgeberin des betroffenen Beamten ist, Mitglieder in die entscheidungsbefugte Disziplinarkommission zu entsenden hat, dies hat unweigerlich die Aufhebung der grundsätzlich geforderten exakten Trennung zwischen Ankläger und Richter zur Folge. Gegenständlich entsandte die Gemeinde Saalfelden - in deren Interesse es lag den Kläger im Wege des Disziplinarverfahrens aus fadenscheinigen Gründen zu entlassen - zwei Mitglieder in die Disziplinarkommission. Die Mitglieder einer Disziplinarkommission sollten aber in Ausübung ihres Amtes selbständig und unabhängig agieren. Ist jedoch ein Mitglied des Senates dem Ankläger zuzuordnen, nämlich der Dienstbehörde, welche das Disziplinarverfahren anstrebt, dann kann keine Unabhängigkeit dieses Mitgliedes mehr gegeben sein. Sohin zeigt sich, dass die Bestimmung nicht nur völkerrechtswidrig sondern auch absolut verfassungswidrig ist.

Die Bestimmung des §124 BDG normiert in Absatz 3, dass eine Disziplinarverhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattzufinden hat und verletzt dies eindeutig das Recht des Klägers auf eine öffentliche Verhandlung nach §14 CCPR sowie auch Art6 MRK."

II. Der Verfassungsgerichtshof ist zur Entscheidung über die Klage nicht zuständig.

Weder aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, noch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ist ein gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftungsanspruch als solcher unmittelbar abzuleiten (zur EMRK vgl. VfSlg. 17.002/2003).

Die Klage ist daher ohne weiteres Verfahren wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen (§19 Abs3 Z2 lita VfGG.

Der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe ist wegen offenkundiger Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Staatshaftung, EU-Recht, VfGH / Verfahrenshilfe, Dienstrecht, Disziplinarrecht, Schadenersatz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:A9.2006

Dokumentnummer

JFT_09939075_06A00009_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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