TE Vfgh Erkenntnis 1985/6/28 A8/82

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Veröffentlicht am 28.06.1985
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / Zinsen
B-VG Art137 / sonstige Klagen
VStG §31 Abs3
VwGG §63 Abs1

Leitsatz

Art137 B-VG; Klage auf Rückerstattung einer wegenVerwaltungsübertretungen nach dem Hausgehilfen- und HausangestelltenGverhängten und bereits bezahlten Geldstrafe und auf Verzugszinsennach Aufhebung des Strafbescheides durch den VwGH; Verzugszinsen -Annex dieses Anspruches; Vollstreckungsverjährung des (bestätigenden)Ersatzbescheides

Spruch

Der Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 11000 S samt 4 vH Zinsen aus 14300 S vom 12. März bis 3. Juli 1981 und aus 11000 S ab 4. Juli 1981 sowie Kosten im Betrage von 4199,50 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. In der unter Berufung auf Art137 B-VG erhobenen Klage bringt die Klägerin im wesentlichen vor, daß das Bezirksverwaltungsamt des Magistrates Linz mit Bescheid vom 13. Juni 1980 über sie wegen mehrerer in der Zeit vom 28. Dezember 1977 bis 4. Mai 1978 iZm. der Beschäftigung einer Hausgehilfin begangener Verwaltungsübertretungen nach §§2, 5, und 6 Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, BGBl. 235/1962, Geldstrafen von insgesamt 13000 S verhängt und ihr Verfahrenskostenbeiträge von zusammen 1300 S auferlegt habe. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 25. August 1980 wegen Verspätung zurückgewiesen. Sie habe die Geldstrafen und die Kostenbeiträge im Zuge eines gegen sie eingeleiteten Vollstreckungsverfahrens am 12. Dezember 1980 bezahlen müssen.

Obwohl der VwGH mit Erk. vom 10. Feber 1981, Z 80/11/3173, 3174, den Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 25. August 1980 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben habe, werde die Rückzahlung der bei ihr eingehobenen Beträge verweigert, sodaß sie zur Klage gezwungen sei. Da sie als Pensionistin gezwungen gewesen sei, zur Liquidierung der gegen sie gerichteten Forderungen einen Bankkredit in Anspruch zu nehmen, begehre sie auch den Rückersatz des Zinsendienstes, den sie in der Höhe von 12 vH pa. zahlen habe müssen.

Sie begehre daher den Zuspruch eines Betrages von 14300 S samt 12 vH Zinsen seit 12. Dezember 1980 und den Ersatz der Verfahrenskosten.

2. Die beklagte Partei hat die Verwaltungsakten mit einer Stellungnahme der Landeshauptstadt Linz zum Klagebegehren vorgelegt; in dieser wird ausgeführt:

2.1. Nachdem der VwGH mit Erk. vom 10. Feber 1981 den Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 25. August 1980 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben habe, sei mit einem am 28. April 1981 erlassenen Ersatzbescheid des Landeshauptmannes von OÖ der Berufung der Klägerin teilweise Folge gegeben und das angefochtene Straferk. insoweit abgeändert worden, als sie für schuldig erkannt wurde, in der Zeit vom 28. Dezember 1977 bis 4. Mai 1978 Verwaltungsübertretungen nach §§2 Abs1, 5 Abs1 und 3 sowie 6 Abs1 des Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetzes, BGBl. 235/1962, begangen zu haben, wofür über sie Geldstrafen im Betrage von insgesamt 10000 S verhängt wurden, eine ursprünglich weiters ausgesprochene Bestrafung gemäß §5 Abs4 leg. cit wurde fallengelassen und der verhängte Kostenersatz auf 1000 S ermäßigt.

2.2. Am 19. Juni 1981 sei die Rückzahlung eines Teilbetrages in Höhe von 3300 S (das ist die Differenz zwischen den ursprünglich auferlegten Beträgen und der sich aus dem Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 28. April 1981 ergebenden Zahlungspflicht der Klägerin) verfügt worden; dieser Betrag sei der Klägerin am 3. Juli 1981 zugekommen.

3. Bei der Verhandlung über die Klage wurde diesem Vorbringen nicht entgegengetreten. Die Klägerin schränkte das Klagebegehren im Hinblick auf die geleistete Teilzahlung auf 11000 S sowie das Kostenbegehren auf 4 vH gestaffelte Zinsen ein. Sie behauptete weiters, daß ihr der (Ersatz-)Bescheid vom 28. April 1981 nie zugestellt worden sei.

Die beklagte Partei beantragte die kostenpflichtige Abweisung des Klagebegehrens; der Ersatzbescheid sei - wie sich aus den Verwaltungsakten ergebe - zugestellt worden.

4. Aus den Verwaltungsakten ergeben sich folgende weitere Feststellungen:

4.1. Mit Schreiben vom 12. März 1981, also unmittelbar nach Ergehen des aufhebenden Erk. des VwGH vom 10. Feber 1981, begehrte die Klägerin die Rückzahlung der von ihr am 12. Dezember 1980 bezahlten Beträge.

4.2. Auf ein Schreiben vom 12. August 1982, mit dem die Klägerin neuerlich Rückzahlung begehrte, wurde ihr mit Schreiben vom 22. Oktober 1982 mitgeteilt, daß ihre Forderung abgelehnt werde, da ein rechtskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren vorliege, weshalb keine Veranlassung zur Rückerstattung bestehe.

4.3. Hinsichtlich des (Ersatz-)Bescheides vom 28. April 1981 findet sich ein erster Zustellversuch durch Hinterlegung vom 4. Mai 1981, der jedoch keine rechtswirksame Zustellung bewirkte, da die Klägerin verreist war. Nachdem telefonisch ermittelt worden war, daß die Klägerin in der Woche vom 18. bis 23. Mai zu erreichen sei, wurde ein neuerlicher Zustellversuch unternommen, der jedoch wieder zu einer Hinterlegung am 22. Mai 1981 führte. In der Folge bestritt die Klägerin neuerlich, daß die Zustellung rechtswirksam erfolgt sei und stellte am 26. Mai 1981 einen Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens wegen eingetretener Vollstreckungsverjährung. Die beklagte Partei stellte diesen Antrag jedoch am 19. Juni 1981 mit der Begründung zurück, daß die Zustellung am 22. Mai 1981 rechtswirksam bewirkt worden sei, da die Klägerin am selben Tag die Vollmacht für diesen Antrag bei ihrem Linzer Rechtsvertreter unterschrieben habe, was erweise, daß sie sich entgegen ihren Behauptungen am Zustellungsort aufgehalten habe.

5. Der VfGH hat erwogen:

5.1. In ständiger Rechtsprechung hat der VfGH seine Zuständigkeit nach Art137 B-VG in Ansehung von Ansprüchen auf Erstattung des Strafbetrages samt Verfahrenskosten nach Aufhebung des Strafbescheides durch den VwGH bejaht (vgl. VfSlg. 5001 und 5079/1965, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen, 8812/1980, 8954/1980, 9498/1982). Er hält an dieser Ansicht fest, die entsprechend auch auf das hier gestellte Begehren auf Verzugszinsen zutrifft, da diese Annex eines mit Klage nach Art137 B-VG geltend zu machenden vermögensrechtlichen Anspruches sind (vgl. VfSlg. 9498/1982 mit Bezugnahme auf Vorjudikatur).

Die Klage ist daher zulässig.

5.2. In der Sache selbst ist davon auszugehen, daß §63 Abs1 VerwGG 1965 der Behörde die Rückerstattung des aufgrund eines rechtskräftigen, jedoch später wieder aufgehobenen Straferk. eingezahlten Strafbetrages an die Partei unmittelbar gebietet. Die Verpflichtung zur Rückerstattung trifft jene Gebietskörperschaft, in deren Vollzugsbereich die Behörde tätig gewesen ist (VfSlg. 5079/1965).

Dieser Verpflichtung ist die Behörde hinsichtlich eines Teilbetrages von 3300 S am 3. Juli 1981 auch tatsächlich nachgekommen.

5.3. Da die Klägerin jedoch bereits am 12. März 1981 die Rückforderung begehrt hatte, steht ihr ab diesem Zeitpunkt (vgl. VfSlg. 9498/1982) bis zum Eingang des genannten Betrages bei der Klägerin, somit also für die Zeit vom 12. März bis 3. Juli 1981 der eingeklagte Zinsendienst zu.

5.4. Auszugehen ist weiters davon, daß auch der Mehrbetrag von 11000 S, der von der Klägerin am 12. Dezember 1980 aufgrund der gegen sie geführten Exekution entrichtet wurde, ab 12. März 1981, dem Tage der Zustellung des Erk. des VwGH, mit dem der Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 25. August 1980 aufgehoben wurde, gesetzlos zurückbehalten wurde. Die bel. Beh. hält dem am 12. März 1981 erhobenen Rückzahlungsbegehren jedoch - und zwar erstmals mit Schreiben vom 22. Oktober 1982 - entgegen, daß die Klägerin mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 28. April 1981 (neuerlich) zu einer Geldstrafe von 10000 S und zum Ersatz von Kosten in Höhe von 1000 S verhalten worden sei. Dieser Einwand ist jedoch aus folgendem Grunde nicht zielführend:

Nach §31 Abs3 VStG 1950 darf eine verhängte Verwaltungsstrafe nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit dem Zeitpunkt, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat, 3 Jahre verstrichen sind.

Vollstreckungsverjährung ist somit hinsichtlich der mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 28. April 1981 verhängten Geldstrafen (Gegenstand war eine Tatzeit vom 28. Dezember 1977 bis 4. Mai 1978) am 4. Mai 1981 eingetreten. Die Zustellung des Bescheides vom 28. April 1981 ist jedoch - wenn überhaupt - erst am 22. Mai 1981 erfolgt. In diesem Zeitpunkt lag jedoch bereits Vollstreckungsverjährung vor. Mit der Vollstreckungsverjährung ist jedoch jeglicher Strafanspruch des Staates erloschen. Demnach bildet die mit Bescheid vom 28. April 1981 erfolgte Bestätigung des erstinstanzlichen Strafausspruches keine taugliche Rechtsgrundlage für das (Wieder-)Entstehen einer Forderung, die das Erlöschen des Rückforderungsanspruches nach sich ziehen konnte. Eine Forderung auf Zahlung einer Geldstrafe - die die beklagte Partei aus dem erstinstanzlichen Bescheid herleitet - konnte durch den zitierten Bescheid ja schon deshalb nicht bestätigt werden, weil dieser Anspruch in dem Zeitpunkte, in dem der Bescheid vom 28. April 1981 - frühestens - Eintritt in die Rechtsordnung fand (22. Mai 1981), zufolge Vollstreckungsverjährung nicht mehr existent war. Damit erübrigt sich zu untersuchen, ob der Rückforderungsanspruch durch eine nachfolgende Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides erloschen wäre, wenn der (Ersatz-)Bescheid in einem Zeitpunkte zugestellt worden wäre, in dem Vollstreckungsverjährung noch nicht vorlag. Unbeachtlich ist daher auch, ob die Zustellung des Bescheides am 22. Mai 1981 rechtsgültig vorgenommen wurde.

Bei diesem Ergebnis findet die Verweigerung der Rückzahlung des Betrages von 11000 S im Gesetz keine Deckung; demzufolge ist die beklagte Partei aber auch insofern schuldig, Zinsen ab 12. März 1981, dem Zeitpunkte der Erhebung der Rückzahlungsforderung, an die Klägerin zu leisten (vgl. hiezu neuerlich VfSlg. 5001/1965).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §41 VerfGG iVm. §43 Abs2 ZPO; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 356,70 S auf Umsatzsteuer.

Schlagworte

Verwaltungsstrafrecht, Verjährung, Vollstreckungsverjährung,VfGH / Klagen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:A8.1982

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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