TE Vfgh Erkenntnis 1985/9/26 B240/85

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Veröffentlicht am 26.09.1985
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Index

44 Zivildienst
44/01 Zivildienst

Norm

B-VG Art83 Abs2
ZivildienstG §6 Abs3
ZivildienstG §47 Abs4
ZivildienstG §48

Leitsatz

ZivildienstG; keine Verletzung im durch §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung - kein gravierender Verstoß, insbesondere auch nicht im Bereich der freien Würdigung des Bescheinigungsmaterials; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch - gesetzmäßige - Nichtteilnahme der Vertrauensperson an der Beschlußfassung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid der Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 11. Juli 1984, wurde der von E K - unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz, BGBl. 187/1974, idF der Nov. BGBl. 496/1980, (ZDG) - gestellte Antrag auf Befreiung von der Wehrpflicht - nach durchgeführter mündlicher Verhandlung - gemäß §2 Abs1 iVm. §6 Abs1 ZDG abgewiesen.

Der dagegen von E K erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) vom 14. November 1984 - gleichfalls nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - gemäß §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des E K an den VfGH. Der Bf. behauptet, durch den Bescheid in dem durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht und in jenem auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Rechter verletzt worden zu sein. Er begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

II. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

1. Die Verfassungsbestimmung des §2 Abs1 ZDG besagt, daß Wehrpflichtige iS des Wehrgesetzes 1978, BGBl. 150, auf ihren Antrag von der Wehrpflicht zu befreien sind, wenn sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig. Der VfGH vertritt in seiner mit VfSlg. 8033/1977 eingeleiteten Rechtsprechung die Auffassung, daß diese Vorschrift das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung beinhaltet (s. auch VfSlg. 9391/1983, 10249/1984; VfGH 12. März 1982 B561/81, 24. November 1983 B304/83).

Eine Verletzung dieses Grundrechtes liegt nach der ständigen Judikatur des VfGH nicht bloß dann vor, wenn die Behörde die im §2 Abs1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt; sie ist - da sich der Schutzumfang des Grundrechtes auf die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) miterstreckt - auch dann gegeben, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit nimmt, das Zutreffen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen (vgl. zB VfSlg. 8787/1980), woran sich auch durch die ZDG-Nov. BGBl. 496/1980 nichts änderte (vgl. zB VfSlg. 9549/1982, 9573/1982, 10249/1984; VfGH 26. November 1982 B667/81).

Wie der VfGH in diesem Zusammenhang schon wiederholt aussprach (VfSlg. 8268/1978, 8391/1978 ua.), zählen zu den hier wahrzunehmenden Verstößen auf verfahrensrechtlichem Gebiet auch wesentliche Fehler bei der Beweiswürdigung einschließlich der Würdigung der Parteiaussage als Bescheinigungsmittel.

2. Die bel. Beh. geht zutreffend davon aus, daß der Antragsteller, zieht man alle seine Einlassungen im Administrativverfahren gebührend in Betracht, deutlich genug behauptete, infolge seiner - allgemeinen und vorbehaltlosen - Ablehnung der Anwendung von Waffengewalt in schwere Gewissensnot zu geraten, wenn er Wehrdienst leisten müßte:

Eine derartige (an sich taugliche) Behauptung muß aber, sollen die Voraussetzungen für die Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung erfüllt sein, nicht nur aufgestellt, sondern kraft §6 Abs2 ZDG auch glaubhaft gemacht werden (vgl. zB VfSlg. 9573/1982).

Die ZDOK legte der Sache nach ausführlich dar, weshalb sie der Ansicht anhänge, daß hier schwerwiegende Gewissensgründe iS des ZDG nicht glaubhaft seien.

3. Entgegen der in der Beschwerdeschrift der Sache nach hauptsächlich in Form einer bloßen appellatorischen Kritik verfochtenen Auffassung unterliefen der bel. Beh. dabei weder materielle noch gravierende prozessuale Rechtsverletzungen, und zwar auch nicht im Bereich der freien Würdigung des Bescheinigungsmaterials.

Der VfGH kann der ZDOK nach Lage des Falles nicht entgegentreten, wenn sie in Prüfung und Würdigung der wesentlichen Verfahrensergebnisse, und zwar unter Bedachtnahme auf das bisherige Verhalten des Antragstellers (§6 Abs2 ZDG) sowie aufgrund seiner Argumentation im Administrativverfahren und des von ihm persönlichen gewonnenen Eindrucks, in freier Beweiswürdigung zur Ansicht gelangte, daß Gewissensgründe nicht (iS des §6 Abs2 ZDG) glaubhaft gemacht wurden (vgl. hiezu die Judikatur des OGH, wonach (grundsätzlich) keine Verpflichtung besteht, die aufgrund unmittelbaren Eindruckes gebildete Überzeugung vom Beweiswert der Angaben einer Person (näher) zu begründen; zB aus jüngerer Zeit: OGH 23. März 1982, 9 Os 38/82; 27. Juli 1982, 10 Os 86/82; s. dazu auch VfSlg. 9573/1982, 9785/1983).

Abschließend folgt daraus, daß keine Verletzung des im §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung vorliegt.

4. Der Bf. erblickt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter darin, daß der entscheidende Senat nicht rechtmäßig zusammengesetzt gewesen sei; die vom Bf. nominierte Vertrauensperson sei nämlich nicht "als Senatsmitglied behandelt" worden. Offenbar meint der Bf. damit, daß die Vertrauensperson (§6 Abs3 ZDG) nicht an der Beschlußfassung teilnahm. Dies aber entsprach dem Gesetz: §48 Abs1 letzter Satz schließt das Stimmrecht des "nicht ständigen Senatsmitgliedes" (das ist die Vertrauensperson - §47 Abs4 ZDG) aus.

Der Bf. ist sohin auch nicht im zuletzt erwähnten Recht verletzt worden.

5. Angesichts des Umstandes, daß schließlich auch keine Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm hervorkam, mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

6. Da einesteils die hier maßgebenden Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung des VfGH bereits genügend klargestellt sind, andernteils ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht offenkundig nicht verletzt wurde, konnte diese Entscheidung gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Zivildienst, Zivildienstkommission

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B240.1985

Dokumentnummer

JFT_10149074_85B00240_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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