Index
10 VerfassungsrechtNorm
StGG Art8Leitsatz
Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Festnahme und anschließende Anhaltung zur Verbüßung einer Ersatzarreststrafe iS des §53 VStG ohne vorherige Aufforderung zum Antritt der (Ersatz-)FreiheitsstrafeSpruch
Der Bf. ist dadurch, daß er von Organen des Gendarmeriepostenkommandos Zemendorf am 28. Jänner 1985 nachmittags festgenommen und anschließend bis 18.15 Uhr dieses Tages im Polizeigefangenenhaus Eisenstadt in Verwaltungsstrafhaft angehalten wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) und das Land Bgld. sind schuldig, dem Bf. zuhanden seines Vertreters die mit 11000 S bestimmten Verfahrenskosten je zur Hälfte binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. C R begehrte in seiner auf Art144 Abs1 B-VG gegründeten Beschwerde an den VfGH - sinngemäß - die kostenpflichtige Feststellung, daß er durch seine von der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg am 28. Jänner 1985 verfügte Vorführung und anschließende Anhaltung in Verwaltungsstrafhaft (im Polizeigefangenenhaus Eisenstadt) zur Verbüßung der mit dem - rechtskräftigen - Straferk. der Bundespolizeidirektion Wien vom 4. Feber 1982, Z Pst 1168/F/82, verhängten Ersatzarreststrafen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Person (Art8 StGG, Art5 MRK) verletzt worden sei.
1.1.2. Die Bezirkshauptmannschaft Mattersburg als bel. Beh. erstattete unter Vorlage der Administrativakten eine Gegenschrift und begehrte darin die Abweisung der Beschwerde.
1.2. Aus den Verwaltungsakten geht folgender Sachverhalt hervor:
Mit dem - infolge sofortigen Rechtsmittelverzichtes rechtskräftig gewordenen - Straferk. der Bundespolizeidirektion Wien vom 4. Feber 1982, Z Pst 1168/F/82, wurden über C R wegen der Verwaltungsübertretungen nach ArtVIII 1. und 2. Fall sowie ArtIX Abs1 Z1 EGVG 1950 gemäß ArtVIII und IX EGVG 1950 Geldstrafen von je 300 S, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzarreststrafen von je drei Tagen verhängt. Da Aufforderungen der Bundespolizeidirektion Wien vom 24. August und 6. September 1984, Pst 1168/82, zum Erlag der Geldstrafe nicht zugestellt werden konnten bzw. erfolglos blieben, nahm die Bundespolizeidirektion Wien - nach weiteren ergebnislosen (Aufenthalts-)Erhebungen vom 4. und 12. Dezember 1984 - die Uneinbringlichkeit der Geldstrafen als gegeben an. Eine Aufforderung zum Antritt der Ersatzarreststrafen gemäß §53 Abs1 VStG 1950 (Schreiben vom 7. Jänner 1985, Pst 1168/F/82) konnte C R an der angegebenen Adresse E-Gasse, Wien, nicht zugestellt werden, weil er - wie der Bericht des Zustellorganes vom 8. Jänner 1985 zeigt - dort nicht mehr wohnte. Eine anschließende Zentralmeldeamtsanfrage ergab, daß der Bf. (überdies) in S, H-Straße, als wohnhaft gemeldet war.
Daraufhin wurde am 18. Jänner 1985 von der Bundespolizeidirektion Wien die Durchführung des (weiteren) Strafvollzuges der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg gemäß §29a VStG 1950 übertragen.
Die bel. Beh. erließ in weiterer Folge am 24. Jänner 1985 unter der Z III-R-14-1985 an das Gendarmeriepostenkommando Zemendorf einen Erhebungsauftrag sowie - ohne Aufforderung des Bf. zum Antritt der Ersatzarreststrafe - am 28. Jänner 1985 einen Vorführungsbefehl. C R wurde im Anschluß daran von Organen des Gendarmeriepostenkommandos Zemendorf am 28. Jänner 1985 nachmittags zur Verbüßung der Ersatzarreststrafen festgenommen, in das Polizeigefangenenhaus Eisenstadt überstellt und nach Bezahlung der ausständigen Geldstrafen in der Höhe von 875 S um 18.15 Uhr desselben Tages aus der Haft entlassen.
2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:
2.1. Nach §4 des Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. 87, zum Schutze der persönlichen Freiheit, das gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, dürfen die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen. Hiezu zählt auch die Bestimmung des §53 VStG 1950 über die Strafvollstreckung: Der Bf. wurde daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit (Art8 StGG) verletzt, wenn seine Anhaltung in Verwaltungsstrafhaft in der Vorschrift des §53 VStG 1950 keine Deckung fand.
2.2.1. Die Gesetzmäßigkeit des Vollzuges einer Freiheitsstrafe ist zunächst davon abhängig, daß die betreffende Strafe rechtskräftig verhängt wurde. Dies war hier unbestritten der Fall.
2.2.2. Eine weitere Voraussetzung hiefür bildet die in §53 Abs1 VStG 1950 zwingend vorgeschriebene Aufforderung zum Antritt der (Ersatz-)Freiheitsstrafe (vgl. auch VfSlg. 8642/1979, 8770/1980). Da - wie auch den Verwaltungsakten zu entnehmen ist (s. Punkt 1.2.) - feststeht, daß dem Bf. eine solche Aufforderung nicht zuging, war seine Festnahme und anschließende Anhaltung im Polizeigefangenenhaus Eisenstadt schon deshalb rechtswidrig, sodaß auf das Beschwerdevorbringen nicht weiter einzugehen war.
2.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der Bf., wie er zutreffend geltend macht, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit (Art8 StGG) verletzt wurde.
Es mußte somit spruchgemäß entschieden werden.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. Dabei war zu beachten, daß die Organe der bel. Beh. bei der Vollziehung der Verwaltungsstrafen sowohl für das Land wie auch für den Bund einschritten (vgl. dazu VfSlg. 8770/1980 und 10112/1984; ebenso bereits: VfSlg. 9784/1983). Im zuerkannten Kostenbetrag sind 1000 S Umsatzsteuer enthalten.
Schlagworte
Verwaltungsstrafrecht, Vollzug Strafe, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B175.1985Dokumentnummer
JFT_10149073_85B00175_00