TE Vfgh Erkenntnis 1985/9/27 B211/80

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Veröffentlicht am 27.09.1985
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht

Norm

B-VG Art7 Abs1
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
AsylG

Leitsatz

BG über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen BGBl. 126/1968; Nichtanerkennung als Flüchtling; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ sprach mit Bescheid vom 18. Oktober 1979 aus, daß beim Bf. die "Voraussetzungen des Artikels 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, aus denen sich gemäß §7 Abs1 des Bundesgesetzes Nr. 126/1968, in der Fassung des BG vom 27. 11. 1974, BGBl. Nr. 796, die Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet ableitet", nicht zutreffen. Die dagegen erhobene Berufung wies der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 21. Jänner 1980 ab. Diese Rechtsmittelentscheidung wurde im wesentlichen folgendermaßen begründet:

"Das Bundesministerium für Inneres ist als Berufungsbehörde zur Ansicht gelangt, daß das Vorbringen des Berufungswerbers keinen Hinweis auf eine Verfolgung aus einem der in der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge angeführten Gründe erkennen lasse. Der Berufungswerber hat in der Berufung angeführt, daß er Albanien verlassen habe, weil er wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt gewesen sei. Außer dieser Behauptung hat er keine Angaben über eine angebliche Verfolgung aus diesem Grunde gemacht. Was die Behauptung des Berufungswerbers, er sei aus politischen Gründen verfolgt gewesen, anlangt, so muß zu seinen diesbezüglichen Angaben gesagt werden, daß die behaupteten, von seinem Vater erduldeten Verfolgungen schon lange Jahre zurückliegen, und darüber hinaus den Berufungswerber nicht direkt betroffen haben. Maßgebend, ob eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorlag, können aber nur die Verhältnisse unmittelbar vor der Ausreise aus Albanien sein, da bei lange Zeit zurückliegenden Ereignissen angenommen werden kann, daß der Betroffene seither nicht mehr verfolgt war. Der Berufungswerber hat, was die politischen Verfolgungen seiner Person anlangt, angegeben, er sei, als Folge der politischen Einstellung seines Vaters, zeitlebens in einem Dorf interniert gewesen und habe dieses nicht verlassen können. Zutreffendenfalls erscheint es der Berufungsbehörde aber unerklärlich, wie es der Berufungswerber, der angeblich nur albanisch spricht, innerhalb einer Woche ab behauptetem Überschreiten der albanisch-jugoslawischen Grenze, geschafft hat, zielbewußt in das Flüchtlingslager Traiskirchen zu gelangen. Darüber hinaus ist es in Staaten mit totalitären Regimen nicht unüblich, daß das Verlassen des Heimatortes nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Es kann unter diesem Gesichtspunkt im Falle des Berufungswerbers also keinesfalls von einer Verfolgungsmaßnahme gesprochen werden. Was die vom Berufungswerber behaupteten Folterungen anlangt, so liegen diese Ereignisse ebenfalls lange Jahre vor dem behaupteten Verlassen Albaniens und können daher aus den oben angeführten Gründen nicht als Verfolgungshandlungen angesehen werden. Die Verweigerung des Besuches einer anderen als der Grundschule kann jedoch nach Ansicht der Berufungsbehörde nur dann als Verfolgung angesehen werden, wenn dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung des davon Betroffenen, sowohl in geistiger als auch in wirtschaftlicher Hinsicht, geführt hat. Dies liegt im Fall des Berufungswerbers aber nach Ansicht der Berufungsbehörde nicht vor, da der Berufungswerber diesbezüglich überhaupt keine Angaben gemacht hat, sondern sich auf das bloße Vorbringen dieser Behauptung beschränkt hat. Andererseits hat er insbesondere in seiner ersten Einvernahme überhaupt nichts von derartigen Benachteiligungen erwähnt, auch nicht, daß sein Vater wegen seiner politischen Einstellung lange Jahre eingesperrt gewesen ist und schließlich die ganze Familie des Berufungswerbers darunter zu leiden gehabt hat. Es erscheint der Berufungsbehörde unverständlich, warum diese gravierenden Angaben nicht sofort bei der ersten sich dazu bietenden Gelegenheit vorgebracht worden sind. Da Asylwerber aber erfahrungsgemäß gerade bei der ersten Einvernahme Angaben machen, die der Wahrheit am nächsten kommen, konnte dem Vorbringen des Berufungswerbers keine Glaubwürdigkeit geschenkt werden. Dies umso mehr, als der Berufungswerber in keinem Stadium des Asylverfahrens behauptet hat, er habe nicht ausreichend die Möglichkeit gehabt, Angaben zur Sache zu machen. Erfahrungsgemäß ist es ferner nur Personen, die einschlägig beraten worden sind, möglich, derart zielstrebig wie im Falle des Berufungswerbers in das Flüchtlingslager Traiskirchen zu gelangen.

Dies erscheint jedoch kaum möglich, da der Berufungswerber nach seinen Angaben nur albanisch spricht und daher eine Verständigung außerhalb Albaniens, insbesondere über seinen Wunsch, aus politischen Gründen Asyl haben zu wollen, als ausgesprochen schwierig angesehen werden muß. Die Berufungsbehörde ist daher zu der Ansicht gelangt, daß der Berufungswerber Angehöriger der in Jugoslawien lebenden albanischen Volksgruppe ist und nicht, wie er behauptet hat, aus Albanien geflüchtet ist. Die Staatsangehörigkeit konnte vom Berufungswerber nicht nachgewiesen, ja nicht einmal glaubhaft gemacht werden, zumal er seinen Angaben zufolge keine Personaldokumente und Ausweise, aus welchen seine Staatsangehörigkeit ersichtlich gewesen wäre, besitzt. Es kann aber im Hinblick auf die Existenz einer großen albanischen Volksgruppe in Jugoslawien nicht zwingend geschlossen werden, daß ein Angehöriger der albanischen Volksgruppe auch albanischer Staatsangehöriger ist.

Der Berufungswerber hat ferner behauptet, es gäbe in Albanien keine Meinungsfreiheit und er sei wegen seiner Kritik an den politischen Verhältnissen in diesem Lande mehrmals eingesperrt worden.

Auch diese Behauptung hat der Berufungswerber nicht glaubhaft zu machen vermocht, sodaß für die Berufungsbehörde insbesondere auf das vorstehend Gesagte keine Veranlassung bestand, dem Vorbringen des Berufungswerbers zu glauben. Auch die Angaben des vom Berufungswerber angeführten I S waren so allgemein, daß sie der Berufungsbehörde nicht ausreichend und nicht geeignet erschienen, die Glaubwürdigkeit der Angaben des Berufungswerbers zu stützen."

2. Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Inneres richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde, mit der die Aufhebung des Bescheides begehrt wird. Der Bf. behauptet eine Verletzung des ihm nach der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge zustehenden Asylrechtes. Er wendet sich gegen die Argumentation der bel. Beh. in bezug auf seinen "Zwangsaufenthalt in Pogradez", kritisiert, daß die beantragte Vernehmung des Zeugen I S unterlassen wurde und leitet daraus einen Verstoß gegen die der Behörde obliegende Begründungspflicht ab, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen müssen.

II. Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Wenn der Bf. eine Rechtsverletzung aufgrund der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge geltend macht, so genügt der Hinweis, daß die Konvention keinen Verfassungsrang hat (vgl. VfSlg. 4233/1962). Auch sonst kommt eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nicht in Betracht. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt nicht vor, denn es haben die im Instanzenzug sachlich zuständigen Behörden über den Antrag des Bf. meritorisch entschieden. Der angefochtene Bescheid berührt auch weder das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums noch das Gleichheitsrecht, weil einerseits private subjektive Vermögensrechte nicht betroffen werden und andererseits der Bf. nicht österreichischer Staatsbürger ist. Der VfGH ist sohin nicht in der Lage, sich mit den vom Bf. gerügten Rechtsverletzungen inhaltlich auseinanderzusetzen; über deren Vorliegen hätte vielmehr ausschließlich der VwGH zu befinden.

Da überdies kein Anhaltspunkt für die Annahme besteht, daß der bekämpfte Bescheid auf rechtswidrigen generellen Normen beruht, war die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

Asylrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B211.1980

Dokumentnummer

JFT_10149073_80B00211_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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