Index
10 VerfassungsrechtNorm
StGG Art12 / VersammlungsrechtLeitsatz
Keine Verletzung der Versammlungsfreiheit durch Untersagung einer uagegen Militarismus gerichteten Kundgebung am Nationalfeiertag 2007 amHeldenplatz in Wien; vertretbare Annahme einer Sicherheitsgefährdungdurch Konfrontationen mit Besuchern der gleichzeitig stattfindendenLeistungsschau des BundesheeresSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Eingabe vom 23. Oktober 2006 - ergänzt am 8. Oktoberrömisch eins. 1. Mit Eingabe vom 23. Oktober 2006 - ergänzt am 8. Oktober
2007 - zeigte der beschwerdeführende Verein "Arbeitsgemeinschaft für Wehrdienstverweigerung, Gewaltfreiheit und Flüchtlingsbetreuung", vertreten durch den Obfrau-Stellvertreter und den geschäftsführenden Bundessekretär, der Bundespolizeidirektion Wien die beabsichtigte Abhaltung einer Versammlung zum Thema "Beiträge und Diskussion über Wehrdienstverweigerung, Antimilitarismus, Frieden, Europäische Sicherheitspolitik, Eurofighter" an. Die Versammlungsanzeige lautet auszugsweise wie folgt:
"Die Arge für Wehrdienstverweigerung, Gewaltfreiheit
und Flüchtlingsbetreuung ... zeigt eine Versammlung
gemäß §2 Versammlungsgesetz an.
Zeit: 26. Oktober 2007, 10.00 Uhr
Voraussichtliches Ende der Kundgebung 14.00 Uhr
Ort: 1010 Wien, Heldenplatz
Erwartete TeilnehmerInnen: 150
Zweck: Beiträge und Diskussion über
Wehrdienstverweigerung, Antimilitarismus, Frieden
Ergänzung zur Anzeige vom 23. Oktober 2006:
Europäische Sicherheitspolitik, Eurofighter
Mitgeführte Hilfsmittel zur Erreichung des Versammlungszweckes:
Transparente, Flugblätter, bewegliche Schauobjekte, Tonanlage, 1 KFZ für den Transport und die Aufbewahrung der Hilfsmittel
..."
2. Im Zuge einer Besprechung am 22. Oktober 2007 teilte die Bundespolizeidirektion Wien dem beschwerdeführenden Verein mit, dass am 26. Oktober 2007 auf dem Heldenplatz die bescheidmäßig bewilligte Leistungspräsentation des Bundesheeres veranstaltet wird. Es sei zu erwarten, dass tausende Besucher die Leistungspräsentation mitverfolgen und für eine Versammlung von 150 Personen kein Platz bleibe. Nach Ansicht der Behörde sei zu befürchten, dass es aufgrund der kontroversen Themen zu Vorfällen zwischen den Besuchern der Leistungsschau und den Versammlungsteilnehmern kommen könnte. Durch die Abhaltung der Versammlung wären demnach das öffentliche Wohl und die öffentliche Sicherheit gefährdet.
Zu dem von der Behörde als Kompromiss vorgeschlagenen Versammlungsort auf dem Maria-Theresien-Platz (zwischen dem Naturhistorischen Museum und dem Kunsthistorischen Museum - dieser Platz schließt gegenüber vom Ring an den Heldenplatz an und bildet einen Hauptzugang zum Heldenplatz) hat sich der beschwerdeführende Verein nicht geäußert.
3. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 23. Oktober 2007 wurde die vom beschwerdeführenden Verein für den 26. Oktober 2007 geplante Kundgebung gemäß §6 Versammlungsgesetz 1953 (im Folgenden: VersG) iVm Art11 EMRK untersagt und gemäß §64 Abs2 AVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen. 3. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 23. Oktober 2007 wurde die vom beschwerdeführenden Verein für den 26. Oktober 2007 geplante Kundgebung gemäß §6 Versammlungsgesetz 1953 (im Folgenden: VersG) in Verbindung mit Art11 EMRK untersagt und gemäß §64 Abs2 AVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.
4. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien mit Bescheid vom 21. März 2008 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.
Die belangte Behörde führt dazu im Wesentlichen Folgendes aus:
"... Am 26.10.2007 veranstaltete das österreichische
Bundesheer im gesamten Bereich des Heldenplatzes neben den protokollarischen Feiern zum Nationalfeiertag eine Leistungspräsentation, bei welcher unter anderem Panzerfahrzeuge und Hubschrauber zur Schau gestellt wurden. Bei der bescheidmäßig bewilligten Veranstaltung wurde auf dem gesamten Heldenplatz eine Vielzahl von Aufbauten, Zelten, Containern und militärischen Schauobjekten aufgestellt. Wie die Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt haben, war das Zuschauerinteresse in den letzten Jahren immer sehr groß und der Zustrom zu der Leistungsschau des Bundesheeres enorm, besuchten doch jedes Mal zehntausende Menschen diese Veranstaltung. Es kann der Erstbehörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf das zu erwartende große Gedränge auf dem Heldenplatz die Auffassung vertrat, dass die Durchführung einer Versammlung mit etwa 150 Teilnehmern, die kontroversielle Themen wie Antimilitarismus, Frieden, Europäische Sicherheitspolitik, Eurofighter, etc. artikulieren, dazu führen könnte, dass im Zuge von verbalen bzw. körperlichen Auseinandersetzungen Zuschauer, vor allem Kinder, zu Schaden kommen könnten.
Davor hatte die Erstbehörde versucht, der ARGE für Wehrdienstverweigerung, Gewaltfreiheit und Flüchtlingsbetreuung die Abhaltung der Versammlung in unmittelbarer Nähe zum Heldenplatz zu ermöglichen und den Maria Theresien Platz zwischen dem Kunsthistorischen und dem Naturhistorischen Museum als Kompromissörtlichkeit angeboten. Dies wurde vom Veranstalter abgelehnt. Wenn dieser in diesem Zusammenhang vorbringt, mit der Untersagung sollten nicht Gefahren abgewendet, sondern das Recht auf freie Meinungsäußerung unterbunden werden, so ist dem entgegenzuhalten, dass der Ort der Versammlung in der Anzeige bloß allgemein mit 'Heldenplatz' umschrieben war und daher bei einer unwidersprochenen Versammlungsanzeige die Versammlung an jedem Teil des Heldenplatzes oder auch am gesamten Heldenplatz hätte stattfinden dürfen, andererseits es aber auf der Hand liegt, dass an ein und derselben Örtlichkeit nicht zugleich zwei Veranstaltungen stattfinden hätten können. Aus diesem Grund wurde von der Erstbehörde - wie bereits dargelegt - eben versucht, den Veranstaltern eine Alternativörtlichkeit anzubieten. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, wann die Versammlung angezeigt wurde oder wann die Behörde dem Anmelder ihre Bedenken mitteilt.
Zutreffend ist die Erstbehörde zu dem Schluss gekommen, dass der Schutz der Art11 Abs2 EMRK genannten Rechtsgüter die Untersagung der Kundgebung notwendig gemacht hat. Auch die erkennende Behörde vertritt die Auffassung, dass die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung gegenüber den hoch zu veranschlagenden, öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles in den Hintergrund zu treten hatten."
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Versammlungsfreiheit, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein faires Verfahren behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Begründend wird insbesondere Folgendes vorgebracht:
"Die Argumentation der belangten Behörde zum 'öffentlichen Interesse' stützt sich im Wesentlichen darauf, dass der Schutz der Leistungsschau des Bundesheeres auf dem Heldenplatz das Recht des Beschwerdeführers auf Demonstrationsfreiheit so weit überwiegen würde, dass die angezeigte Versammlung untersagt werden musste.
...
Dazu ist klar festzuhalten, dass sich das Bundesheer bewusst nicht auf die Traditionspflege (beispielsweise auf dem Kasernengelände) beschränkt, sondern Ziel der 'Leistungsschau' die Öffentlichkeit ist.
Die bundesdeutsche Judikatur hat dazu zutreffend festgestellt, dass sich das Militär (mit einer vergleichbaren Veranstaltung) bewusst 'in die Öffentlichkeit und den dort geführten politischen Meinungskampf hineinbegeben' hat (vgl Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.1.1990 - 7 C 88.88 (zitiert nach DVBl, 1990/S704 ff). Die bundesdeutsche Judikatur hat dazu zutreffend festgestellt, dass sich das Militär (mit einer vergleichbaren Veranstaltung) bewusst 'in die Öffentlichkeit und den dort geführten politischen Meinungskampf hineinbegeben' hat vergleiche Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.1.1990 - 7 C 88.88 (zitiert nach DVBl, 1990/S704 ff).
Im Sinne dieser Judikatur hat daher auch die Leistungsschau des österreichischen Bundesheeres 'kritische Äußerungen der Zuschauer so lange zu ertragen, als hiedurch nicht der Ablauf der Veranstaltung konkret beeinträchtigt wird'.
Das deutsche Bundesverwaltungsgericht zieht zutreffend die Grenze im Sinne des Art11 Abs2 EMRK so weit, dass die Veranstaltung dann als nicht beeinträchtigt angesehen wurde, wenn 'auch die von ihr angestrebte Würde und Feierlichkeit der Veranstaltung unter solchen Äußerungen leiden und ein ihrer Vorstellung entsprechender Ablauf nicht mehr gewährleistet' wäre.
...
Das österreichische Bundesheer hält mit seiner Leistungsschau eine Veranstaltung ab, die sich ausdrücklich an die Öffentlichkeit wendet mit dem legitimen Ziel, die Öffentlichkeit von den Leistungen des österreichischen Bundesheeres zu überzeugen.
In diesem - wie es die oben zitierte Judikatur nennt - 'politischen Meinungskampf' wird der politisch prominenteste Platz in Österreich, der Heldenplatz zur Schaffung einer Öffentlichkeit gezielt genutzt.
Vor diesem Hintergrund muss das österreichische Bundesheer damit rechnen, dass Kritiker dieser 'Selbstdarstellung' ebenfalls öffentlich ihre Stimme erheben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Zulässigkeit dieser Kritik insbesondere damit begründet, dass der öffentliche Straßenraum das Forum aller ist, die ihn in befugter Weise benutzen, wobei es dem Militär freistehen würde, seine eigenen Ordnungsvorstellungen ohne Abstriche zu verwirklichen, wenn es seine Leistungsschau beispielsweise auf einem Kasernengelände durchgeführt hätte (Bundesverwaltungsgericht aaO).
Im Sinne der oben genannten Judikatur besteht daher geradezu ein öffentliches Interesse daran, dass im 'Meinungskampf' an der Öffentlichkeit zur Frage der Landesverteidigung nicht nur der große Verband des österreichischen Bundesheeres mit seiner beeindruckenden Leistungsschau zu Wort kommt, sondern auch Einzelne wie der Beschwerdeführer durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit politischen Einfluss nehmen kann, andernfalls ein 'Bewusstsein politischer Ohnmacht' (im Sinne der oben zitierten Judikatur) zu entstehen droht.
Dieses zentrale öffentliche Interesse einer Demokratie an politischer Diskussion hat die belangte Behörde außer Acht gelassen, wenn sie der politischen Informationsveranstaltung 'Leistungsschau des Bundesheeres' ohne weitere Begründung ein öffentliches Interesse zuordnet, das das demokratische Recht des Beschwerdeführers auf Demonstrationsfreiheit ausschalten würde.
...
Im Sinne der Judikatur hätte die Behörde dem Veranstalter eine Änderung der Versammlungsanzeige nahe legen müssen.
Dies ist jedoch nicht im Sinne einer Präzisierung des Veranstaltungsortes am 'Heldenplatz' geschehen, sondern ausschließlich im Sinne des Hinweises, dass die Veranstaltung am Heldenplatz nicht stattfinden könne, sodass alternativ ein außerhalb gelegener Platz angeboten wurde.
Wie bereits oben dargelegt, ist die Behörde damit rechtsirrig davon ausgegangen, dass gleichzeitig mit der Leistungsschau keine weitere politische Kundgebung am selben Platz stattfinden dürfte.
Ziel des 'Kompromissangebotes' der Behörde war es daher nicht, ein gleichzeitiges Stattfinden beider politischen Veranstaltungen zu ermöglichen, sondern die Versammlung des Beschwerdeführers nicht am Ort der Leistungsschau stattfinden zu lassen.
...
Der Gerichtshof [EGMR] hat in einem vergleichbaren Fall (Öllinger gegen Österreich, Urteil vom 29.6.2006, Kammer I, BeschwerdeNr 76.900/01) festgestellt, dass es eine taugliche Alternative gewesen wäre, eine Gegendemonstration bei entsprechenden vorbeugenden Maßnahmen wie der Anwesenheit von Polizei zuzulassen, sodass das Recht auf Versammlungsfreiheit gewahrt und gleichzeitig ausreichender Schutz gewährt wäre. Der Gerichtshof [EGMR] hat in einem vergleichbaren Fall (Öllinger gegen Österreich, Urteil vom 29.6.2006, Kammer römisch eins, BeschwerdeNr 76.900/01) festgestellt, dass es eine taugliche Alternative gewesen wäre, eine Gegendemonstration bei entsprechenden vorbeugenden Maßnahmen wie der Anwesenheit von Polizei zuzulassen, sodass das Recht auf Versammlungsfreiheit gewahrt und gleichzeitig ausreichender Schutz gewährt wäre.
...
Auch im vorliegenden Fall treffen die vom Gerichtshof angeführten Kriterien zu:
Zu erwartende Zahl der Teilnehmer: gemessen an den für die Leistungsschau erwarteten 'zehntausenden' Teilnehmern sind die vom Beschwerdeführer (optimistisch) erwarteten hundertfünfzig Teilnehmer jedenfalls keine Zahl, die die Abhaltung der Leistungsschau des Bundesheeres gefährden würde.
Friedliche und stille Art und Weise der Demonstration: Der Beschwerdeführer hat - nicht zuletzt in seiner Stellungnahme - ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sein zentrales Anliegen die 'Gewaltfreiheit' ist - und in allen bisherigen Demonstrationen der Grundsatz der Friedlichkeit selbstverständlich gewahrt wurde.
...
Allein die Behauptung, dass bei zehntausenden Zuschauern auf dem Heldenplatz für hundertfünfzig weitere Personen kein Platz wäre, spricht - gerade angesichts der Größe des Heldenplatzes - für sich.
Tatsächlich geht es der Behörde offenbar nicht um Fragen der Sicherheit, sondern um den - bereits oben behandelten - Anspruch, dass am 26.10. ausschließlich das Bundesheer und sonst niemand Versammlungen auf dem Heldenplatz abzuführen hat.
Die angeführten Sicherheitsbedenken sind in keiner Weise begründet.
Lediglich am Rande wird darauf hingewiesen, dass sich die Behörde mit der Tatsache, dass der Beschwerdeführer gerade die Gewaltfreiheit zu seinem zentralen politischen Ziel gemacht hat, nicht auseinander gesetzt hat. Auch mit dem Hinweis, dass 'gerade Veranstaltungen in der Vergangenheit' des Beschwerdeführers zu keiner Gefährdung der öffentlichen Sicherheit geführt haben, wurde von der belangten Behörde weder behandelt und auch nicht den Überlegungen zu Grunde gelegt."
6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 12.257/1990 und die dort zitierte Vorjudikatur, 15.170/1998) ist jede Verletzung des Versammlungsgesetzes, die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechtes betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten. So verletzt etwa jeder Bescheid, mit dem österreichischen Staatsbürgern gegenüber die Abhaltung einer Versammlung untersagt wird, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit schon dann, wenn das - im Einklang mit Art11 Abs2 EMRK auszulegende (VfSlg. 12.155/1989, 15.362/1998 und 17.259/2004) - Gesetz unrichtig angewendet wurde. Dies gilt auch für Vereine (vgl. etwa VfSlg. 6095/1969, 6305/1970, 6530/1971). 1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 12.257/1990 und die dort zitierte Vorjudikatur, 15.170/1998) ist jede Verletzung des Versammlungsgesetzes, die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechtes betrifft und damit in die Versammlungsfreiheit eingreift, als Verletzung des durch Art12 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu werten. So verletzt etwa jeder Bescheid, mit dem österreichischen Staatsbürgern gegenüber die Abhaltung einer Versammlung untersagt wird, das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Versammlungsfreiheit schon dann, wenn das - im Einklang mit Art11 Abs2 EMRK auszulegende (VfSlg. 12.155/1989, 15.362/1998 und 17.259/2004) - Gesetz unrichtig angewendet wurde. Dies gilt auch für Vereine vergleiche etwa VfSlg. 6095/1969, 6305/1970, 6530/1971).
1.2. Die belangte Behörde hat den Bescheid, mit dem sie die angezeigte Versammlung untersagte, auf §6 VersG gestützt. Diese Bestimmung lautet:
"§6. Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen."
Die Bestimmung ist angesichts des materiellen Gesetzesvorbehalts in Art11 Abs2 EMRK im Einklang mit dieser Verfassungsnorm zu interpretieren. Die Behörde ist daher zur Untersagung nur dann ermächtigt, wenn dies aus einem der in Art11 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig ist (vgl. dazu etwa VfSlg. 10.443/1985, 12.155/1989, 12.257/1990). Die Bestimmung ist angesichts des materiellen Gesetzesvorbehalts in Art11 Abs2 EMRK im Einklang mit dieser Verfassungsnorm zu interpretieren. Die Behörde ist daher zur Untersagung nur dann ermächtigt, wenn dies aus einem der in Art11 Abs2 EMRK genannten Gründe notwendig ist vergleiche dazu etwa VfSlg. 10.443/1985, 12.155/1989, 12.257/1990).
Bei ihrer Entscheidung hat die Behörde die Interessen des Veranstalters an der Abhaltung der Versammlung in der geplanten Form gegen die in Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Interessen am Unterbleiben der Versammlung abzuwägen. Diese Entscheidung ist von der Behörde auf Grundlage der von ihr festzustellenden, objektiv erfassbaren Umstände in sorgfältiger Abwägung zwischen dem Schutz der Versammlungsfreiheit und den von der Behörde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen zu treffen.
2.1. Die Behörde war nicht berechtigt, von sich aus die Versammlungsanzeige zu ändern oder zu modifizieren. Sie hatte die Versammlung - in der Art, wie sie angezeigt wurde - entweder zu untersagen oder nicht zu untersagen. Sieht sich die Behörde veranlasst, nur wegen eines einzelnen bestimmten Umstandes die Untersagung auszusprechen, so hat sie zuvor den Veranstalter darauf aufmerksam zu machen und ihm die Änderung der Versammlungsanzeige nahe zu legen bzw. mit ihm in Verhandlungen zu treten (VfSlg. 9103/1981, 15.362/1998). Wenn die Behörde meinte, auch nur eine der Modalitäten der beabsichtigten Versammlung (etwa der Kundgebungsort) sei derart, dass eines der in Art11 Abs2 EMRK aufgezählten Schutzgüter gefährdet würde, hatte sie die Versammlung zu untersagen; hätte sie die Untersagung unterlassen, so wäre die Versammlung in der angezeigten Form erlaubt gewesen (VfSlg. 15.362/1998).
Dieser Vorgangsweise wurde von der Versammlungsbehörde erster Instanz entsprochen: Der beschwerdeführende Verein wurde im Zuge der Besprechung am 22. Oktober 2007 darüber informiert, dass am 26. Oktober 2007 auf dem Heldenplatz die bescheidmäßig bewilligte Leistungspräsentation des österreichischen Bundesheeres veranstaltet wird. Deshalb wurde angeregt, die Versammlungsanzeige dahingehend zu ändern, dass die Kundgebung nicht am ursprünglich geplanten Versammlungsort, sondern am Maria-Theresien-Platz abgehalten wird. Dieser Vorschlag wurde vom beschwerdeführenden Verein, dem die Entscheidung über den Versammlungsort oblag, allerdings nicht aufgegriffen; es wurde auch kein anderer Versammlungsort in Aussicht genommen oder der ursprünglich geplante Versammlungsort präzisiert. Die Behörde hatte also über die Versammlung in der angezeigten Form - dh. über die beabsichtigte Beanspruchung des gesamten Heldenplatzes - zu entscheiden.
Auch aus dem Umstand, dass die Versammlung über ein Jahr vor ihrer beabsichtigten Abhaltung angezeigt wurde, lässt sich für den beschwerdeführenden Verein nichts gewinnen, da die Entscheidung der Behörde über die allfällige Untersagung einer Versammlung - bedenkt man ihre Verpflichtung, eine Prognose hinsichtlich der potentiellen Gefährdung öffentlicher Interessen zu stellen - stets nur im zeitlichen Nahebereich zum geplanten Kundgebungstermin erfolgen kann.
2.2. Im vorliegenden Fall wurde die Untersagung im Wesentlichen damit begründet, dass die vom beschwerdeführenden Verein angezeigte Versammlung mit der Leistungspräsentation des österreichischen Bundesheeres am Nationalfeiertag zeitlich und örtlich kollidiert hätte. Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 2. Oktober 2007 wurde dem Militärkommando Wien nach §82 Abs1 StVO die Bewilligung erteilt, den Privatgrund und den darüber befindlichen Luftraum des Heldenplatzes anlässlich der Repräsentationsveranstaltung des Bundesheeres - durch Aufstellung von militärischen und zivilen Geräten, Fahrzeugen, Zelten, Containern, Festzelten, Tribünen, pratermäßige Volksvergnügungen und Versorgungsstationen - zu benützen.
Die Behörde gelangte im Hinblick auf das "zu erwartende große Gedränge auf dem Heldenplatz" zur Auffassung, bei einem derart kontroversiellen Thema sei es nicht auszuschließen, dass es zu gegenseitigen Übergriffen von Versammlungsteilnehmern und Besuchern der Leistungsschau käme, zumal das Zuschauerinteresse in der Vergangenheit stets sehr groß gewesen sei, besuchten doch jedes Jahr zehntausende Menschen die in Rede stehende Veranstaltung des Bundesheeres.
2.3. Nun ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine bloß allgemeine Befürchtung, es werde im Falle der gleichzeitigen Abhaltung der angezeigten Versammlung und der Veranstaltung des Bundesheeres möglicherweise zu handgreiflichen Auseinandersetzungen und Übergriffen zwischen Versammlungsteilnehmern und Besuchern der Leistungspräsentation kommen, für sich alleine betrachtet noch nicht ausreicht, um die Untersagung jedweder Versammlung zu rechtfertigen.
Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 15.170/1998 festgehalten hat, darf die Einschränkung der Versammlungsfreiheit nicht durch gänzliche Untersagung der Versammlung erfolgen, ohne dass sich die Behörde mit den dem konkreten Versammlungsort inhärenten Sicherheitsrisiken ausreichend auseinandersetzt.
2.4. Vorauszuschicken ist, dass der Heldenplatz der einzige Platz entsprechender Größe im Zentrum von Wien ist, der mit Blick auf die Art der Veranstaltung und den Besucherzustrom zu ihr für die Abhaltung der öffentlichen Leistungspräsentation des Bundesheeres geeignet ist. Daher ist es nachvollziehbar, dass dem Militärkommando Wien die Bewilligung dergestalt erteilt wurde, den Heldenplatz anlässlich dieser Veranstaltung am Nationalfeiertag zur Gänze zu benützen.
Im vorliegenden Fall hat die Behörde ihrer Prognose die Erfahrungswerte im Zusammenhang mit bisher durchgeführten Veranstaltungen des Bundesheeres am Nationalfeiertag zugrunde gelegt:
Im Rahmen dieser Leistungspräsentationen, die jedes Jahr - wie dargestellt - zehntausende Menschen besuchen, werden auf dem gesamten Heldenplatz zahlreiche Tribünen, Zelte, Container, Fahrzeuge und militärische Schauobjekte (Panzer, Aufklärer, Artillerie, Jägertruppe etc.) aufgestellt. Diesbezüglich enthält der Verwaltungsakt auch einen Plan des Heldenplatzes, auf dem die für Oktober 2007 in Aussicht genommene Aufstellung verzeichnet ist. Mit Blick auf die gänzliche Inanspruchnahme des Platzes durch die Repräsentationsveranstaltung des Bundesheeres und die zu erwartende hohe Besucherzahl, gelangte die Behörde zur Auffassung, dass die Interessen des beschwerdeführenden Vereins an der Abhaltung der Versammlung gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles in den Hintergrund zu treten hatten.
2.5. Der Annahme der Behörde, es sei aufgrund derselben Zeit und desselben Ortes der vom beschwerdeführenden Verein geplanten Versammlung in Zusammenhalt mit deren Thema sowie der in der Versammlungsanzeige angeführten Hilfsmittel zur Erreichung des Versammlungszwecks nicht auszuschließen gewesen, dass eine Konfrontation zwischen den Besuchern der Leistungsschau und der vom Verein angezeigten Versammlung dergestalt hätte entstehen können, dass die Sicherheit der Anwesenden - insbesondere aufgrund der zu erwartenden Personenanzahl auf dem Heldenplatz - nicht hätte gewährleistet werden können, ist nicht entgegenzutreten; die belangte Behörde kam somit nachvollziehbar zum Ergebnis, dass im Fall der Nichtuntersagung mit Grund eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles zu befürchten gewesen wäre (vgl. auch VfSlg. 15.362/1998 sowie EGMR 25.8.1993, Fall Chorherr, Appl. 13.308/87, Rz 32). Die befürchtete Gefährdung wäre anders auch nicht zu vermeiden gewesen, da der beschwerdeführende Verein - ungeachtet der Möglichkeit, die Kundgebung in unmittelbarer Nähe zum Heldenplatz abzuhalten oder auf einen Teil des Heldenplatzes zu beschränken - weder der von der Behörde vorgeschlagenen Änderung des Versammlungsortes zugestimmt noch eine Präzisierung des geplanten Versammlungsortes vorgenommen hat. 2.5. Der Annahme der Behörde, es sei aufgrund derselben Zeit und desselben Ortes der vom beschwerdeführenden Verein geplanten Versammlung in Zusammenhalt mit deren Thema sowie der in der Versammlungsanzeige angeführten Hilfsmittel zur Erreichung des Versammlungszwecks nicht auszuschließen gewesen, dass eine Konfrontation zwischen den Besuchern der Leistungsschau und der vom Verein angezeigten Versammlung dergestalt hätte entstehen können, dass die Sicherheit der Anwesenden - insbesondere aufgrund der zu erwartenden Personenanzahl auf dem Heldenplatz - nicht hätte gewährleistet werden können, ist nicht entgegenzutreten; die belangte Behörde kam somit nachvollziehbar zum Ergebnis, dass im Fall der Nichtuntersagung mit Grund eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des öffentlichen Wohles zu befürchten gewesen wäre vergleiche auch VfSlg. 15.362/1998 sowie EGMR 25.8.1993, Fall Chorherr, Appl. 13.308/87, Rz 32). Die befürchtete Gefährdung wäre anders auch nicht zu vermeiden gewesen, da der beschwerdeführende Verein - ungeachtet der Möglichkeit, die Kundgebung in unmittelbarer Nähe zum Heldenplatz abzuhalten oder auf einen Teil des Heldenplatzes zu beschränken - weder der von der Behörde vorgeschlagenen Änderung des Versammlungsortes zugestimmt noch eine Präzisierung des geplanten Versammlungsortes vorgenommen hat.
Die Behörde hat die angezeigte Versammlung somit zu Recht untersagt. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Versammlungsrechtes ist daher nicht erfolgt.
3. Im Hinblick darauf, dass die Behörde rechtsrichtig entschieden hat und dass gegen die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, ist es ausgeschlossen, dass die beschwerdeführende Partei durch den bekämpften Bescheid in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VersammlungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2008:B972.2008Zuletzt aktualisiert am
19.08.2010