TE Vfgh Beschluss 1985/9/28 V12/85

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Veröffentlicht am 28.09.1985
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
SchulorganisationsG §2
SchulunterrichtsG §17 Abs1
SchulunterrichtsG §47 Abs1
SchulunterrichtsG §47 Abs3
Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 24.06.74 betreffend die Schulordnung, BGBl 373/1974

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag eines Lehrers auf Aufhebung des §8 der V des BMUK vom 24. Juni 1974 betreffend die Schulordnung, BGBl. 373/1974; Rechtsnormen, die nur die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, berühren die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter nicht; Unzulässigkeit des Antrages

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Antragsteller, Lehrer an der Bundeshandelsakademie und -handelsschule Braunau am Inn, begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des §8 der V des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 24. Juni 1974 betreffend die Schulordnung, BGBl. 373/1974. Dieser präzisiert den §47 Abs1 Schulunterrichtsgesetz, BGBl. 139/1974, dahingehend, daß bei positivem Verhalten des Schülers die Erziehungsmittel der Ermutigung, Anerkennung, des Lobes und Dankes anzuwenden sind, bei einem Fehlverhalten des Schülers hingegen die der Aufforderung, der Zurechtweisung, der Erteilung von Aufträgen zur nachträglichen Erfüllung versäumter Pflichten, des beratenden bzw. belehrenden Gespräches mit dem Schüler, allenfalls unter Beiziehung der Erziehungsberechtigten, sowie der Verwarnung. Durch diese, gegenüber §47 Schulunterrichtsgesetz, der nur von angemessenen persönlichkeits- und gemeinschaftsbildenden Erziehungsmitteln spricht, im Abs1 demonstrativ die Anerkennung, Aufforderung und Zurechtweisung nennt und im Abs3 körperliche Züchtigung, beleidigende Äußerung und Kollektivstrafen verbietet, erfolgte Katalogisierung der Erziehungsmittel erachtet sich der den Antrag stellende Lehrer in seinem aus §§17 und 47 Schulunterrichtsgesetz erfließenden Recht unmittelbar verletzt, "im Rahmen der Mitwirkung der Schule an der Erziehung in seiner Unterrichts- und Erziehungsarbeit als Lehrer eigenständig und verantwortlich geeignete Erziehungsmittel im Rahmen des §47 des Schulunterrichtsgesetzes anzuwenden". Dies deshalb, weil durch die taxative Aufzählung der Erziehungsmittel in §8 der angefochtenen V die Anwendung anderer, durch das Schulunterrichtsgesetz nicht ausdrücklich verbotener Erziehungsmittel, wie etwa das "Nachsitzen" oder "die Übertragung von Ordnungsaufgaben", vom Lehrer nicht mehr angewandt werden dürfen.

2. Der Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport begehrt in seiner Äußerung die Zurückweisung bzw. Abweisung des Antrages.

II. Der VfGH hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzmäßigkeit von V auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Vorraussetzung für die Antragslegitimation, daß die V in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der VfGH vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980).

2. Nach §17 Abs1 Schulunterrichtsgesetz hat der Lehrer in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Aufgabe der österreichischen Schule (§2 Schulorganisationsgesetz) zu erfüllen. Dabei hat er im Rahmen der Mitwirkung der Schule die der Erziehungssituation angemessenen persönlichkeits- und gemeinschaftsbildenden Erziehungsmittel anzuwenden (§47 Abs1 Schulunterrichtsgesetz). Diese können insbesondere die Anerkennung, Aufforderung oder Zurechtweisung sein. Verboten sind nach §47 Abs3 Schulunterrichtsgesetz die körperliche Züchtigung, beleidigende Äußerungen und Kollektivstrafen.

Der Antragsteller wird durch die in der V getroffene Regelung seiner Aufgaben als Lehrer nicht in seiner Rechtssphäre berührt. Der VfGH hat schon wiederholt ausgesprochen, daß Rechtsnormen, die nur die Ausübung staatlicher Funktionen zum Gegenstand haben, die Rechtssphäre der diese Funktion ausübenden Organwalter nicht berühren (vgl. VfSlg. 8385/1978 mit Hinweisen auf die frühere Rechtsprechung, ua. VfSlg. 5433/1966, in dem dargetan wurde, daß der Entzug einer behördlichen Beauftragung eines Tierarztes zu bestimmten Handlungen bloß dessen amtliche Stellung betrifft, sowie VfSlg. 8774/1980).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist aber zur Antragstellung gemäß Art139 Abs1 dritter Satz B-VG nur berechtigt, wer durch die angefochtene V in seiner Rechtssphäre berührt ist (VfSlg. 8156/1977 ua.). Daher ist es ausgeschlossen, daß durch eine V, die die anzuwendenden Erziehungsmittel gegenüber dem Gesetz, das solche demonstrativ nennt, in ausschließlicher Weise katalogisiert, die vom Antragsteller behauptete Rechtsverletzung statthaben kann. Der Antrag war daher zurückzuweisen.

Schlagworte

Schulen, Schulorganisation, Schulunterricht, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:V12.1985

Dokumentnummer

JFT_10149072_85V00012_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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