TE Vfgh Erkenntnis 1985/9/30 V66/83

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Veröffentlicht am 30.09.1985
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Index

96 Straßenbau
96/01 Bundesstraßengesetz 1971

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
AVG §7
BStG 1971 §4 Abs3, §4 Abs5

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag eines Grundeigentümers auf Aufhebung des 2. Satzes der Bestimmung des Straßenverlaufes in der V BGBl. 508/1981 (A 10 Tauern Autobahn); Rechtskraft in bezug auf die in VfSlg. 9823/1983 behandelten Bedenken; diesbezüglich Unzulässigkeit des Antrages; Zulässigkeit des Antrages, insoweit er sich auf neue Bedenken stützt; Verwaltungsrechtsweg nicht zumutbar BundesstraßenG 1971; von den Gemeinden vorgenommene Sammlung der Äußerungen der Betroffenen und Weiterleitung an den BMBT im Wege der Bundesstraßenverwaltung beim Amt der Ktn. Landesregierung trägt dem Erfordernis des §4 Abs5 Rechnung; keine Stellungnahme der Gemeinden zu diesen Äußerungen - keine Rechtswidrigkeit des Verfahrens; im BundesstraßenG kein Ansatzpunkt für Annahme, daß der BM verpflichtet sei, die Trassenfestlegung von wasserrechtlichen Gesichtspunkten abhängig zu machen

Spruch

1. Der Antrag auf Aufhebung des 2. Satzes der Bestimmung des Straßenverlaufes in der V des Bundesministers für Bauten und Technik, BGBl. 508/1981, wird, soweit er bereits im Verfahren zu V8/82 behandelte Bedenken betrifft, zurückgewiesen.

2. Soweit neue Bedenken vorgebracht werden, wird dem Antrag keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke ... KG

Gratschach und ... KG St. Ruprecht, wobei das Grundstück in der KG

Gratschach im Flächenwidmungsplan als Bauland-Wohngebiet, das andere als Gründland-Landwirtschaft ausgewiesen ist. Er beantragt die Aufhebung des zweiten Satzes der Bestimmung des Straßenverlaufes in der V des Bundesministers für Bauten und Technik vom 10. November 1981, BGBl. 508/1981, betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der A 10 Tauern Autobahn im Bereich der Gemeinden Stockenboi, Paternion, Weißenstein, Villach und Treffen, welcher lautet:

"Die Trasse umfährt in der Folge die Stadt Villach im Norden durch den Oswaldiberg Tunnel, überquert nördlich von St. Ruprecht bei Villach die B 94 Ossiacher Straße und die Bahnlinie der ÖBB Amstetten-Tarvis, unterfährt sodann die Ossiachersee Südufer Landesstraße Nr. 49 und endet östlich der Ortschaft Landskron bei Plan-km 181, 420 = km 2,1 der Spur 100 des mit Verordnung vom 20. Dezember 1974, BGBl. Nr. 598, im Zuge der A 2 Süd Autobahn festgelegten Knoten Villach (A 2/A 10/A 11)."

b) Der Antragsteller bringt vor, daß durch diese V unmittelbar "ohne Fällung eines gerichtlichen Urteiles, ohne Erlassung eines Bescheides und ohne Schadloshaltung" in seine Rechtssphäre eingegriffen würde. Da §15 Abs1 BStrG nunmehr für seine Grundstücke zur Anwendung komme, könne er im Hinblick auf bauliche Maßnahmen nur mehr mit Zustimmung der Bundesstraßenverwaltung darüber verfügen. Der Verfahrensumweg gemäß §14 Abs2 iVm. §15 Abs1 BStrG sei für Bauten, die den Straßenbau erheblich erschweren oder wesentlich verteuern, von vornherein aussichtslos und daher nicht zumutbar. Außerdem verweist der Antragsteller auf das Erk. des VfGH Slg. 9823/1983, in dem der Gerichtshof ausgesprochen hat, daß es bei der spezifischen Situation den TrassenV nach dem BStrG dem Antragsteller nicht zumutbar ist, die Verzögerung jener Verfahrensumwege, die der Gerichtshof früher für zumutbar erachtete (vgl. VfSlg. 8058/1977, 8059/1977), auf sich nehmen, um zu einer Überprüfung der ihn rechtlich belastenden TrassenfestlegungsV auf ihre Gesetzmäßigkeit zu gelangen.

c) Die Trassenführung erachtet der Antragsteller deshalb für gesetzwidrig, weil das im §4 Abs5 BStrG vorgesehene Verfahren nicht eingehalten wurde und weil der verantwortliche Prüfer der Einwendungen der Betroffenen in der Bundesstraßenverwaltungsabteilung des Amtes der Landesregierung "gleichzeitig der Chef der Detailplanung und der maßgebende Projektant" der letztlich beschlossenen Trasse, also befangen iS §7 Abs1 Z1 und 4 AVG gewesen sei. Inhaltlich gesetzwidrig sei die V, weil das in §7 Abs2 iVm. §4 Abs1 BStrG verankerte Gebot der Wirtschaftlichkeit nicht berücksichtigt worden sei. Die Schutzmaßnahme für die Gemeinde Wollanig, nämlich die verlängerte Tunnelführung, ginge weit über jenes Ausmaß hinaus, das nach dem Gesetz selbst (§7 Abs2 BStrG) und nach Dienstanweisungen des Bundesministers für Bauten und Technik erforderlich sei, um die Lärmbelastung auf ein zumutbares Ausmaß zu reduzieren, und verursache durch die lange Tunnelführung erhebliche Mehrkosten. Auf die Auswirkungen der Trasse auf die Bewohner der Gemeinden Treffen und Landskron habe der Bundesminister für Bauten und Technik bei Verordnungserlassung überhaupt keine Rücksicht genommen, wie auch auf die Auswirkungen auf das Grundwassereinzugsgebiet "Gegendtal" der Urlakenquelle und das berührte Wasserschongebiet.

2. Der Bundesminister für Bauten und Technik hat eine Äußerung erstattet und unter Berufung auf die Ausführungen des VfGH im Erk. Slg. 9823/1983 beantragt, dem Antrag keine Folge zu geben.

II. Der VfGH hat zu den Prozeßvoraussetzungen erwogen:

1. Soweit der Antragsteller Bedenken vorbringt, die wie die Nichtberücksichtigung des Kriteriums der Wirtschaftlichkeit mit erneuertem Hinweis auf die Ergebnisse des schon seinerzeit herangezogenen Gutachtens von Univ.-Prof. Dr. K, die Bervorzugung der Interessen der Gemeinde Wollanig und die Benachteiligung der Gemeinden Villach/Landskron/Treffen, schon Gegenstand jenes Verordnungsprüfungsverfahrens waren, das zum Erk. VfSlg. 9823/1983 geführt hat, ist Rechtskraft in bezug auf diese Bedenken eingetreten (vgl. VfSlg. 5872/1968, 6391/1971, 7329/1974, 9186/1981, 9216, 9217/1981 und zuletzt VfSlg. 10311/1984). Der Antrag ist insoweit wegen entschiedener Sache gemäß §19 Abs3 Z2 litd VerfGG zurückzuweisen.

2. Soweit der Antragsteller neue Bedenken vorträgt, ist zunächst die Zulässigkeit des Individualantrages zu prüfen.

a) Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzmäßigkeit von V auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung - in der er die für die Zulässigkeit von Individualanträgen auf Gesetzesprüfung seit VfSlg. 8009/1977 angestellten Erwägungen auf Verordnungsprüfungsanträge übertragen hat - ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die V in die Rechtssphäre der betreffenden Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der VfGH vom Antragsvorbringen auszugehen und zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980).

Der Antragsteller bringt vor, daß die Trasse über seinen Liegenschaftsbesitz führe, die Einschränkungen des §15 Abs1 BStrG daher für diesen gelten und jede bauliche Maßnahme auf diesem der Zustimmung der Bundesstraßenverwaltung bedürfe. Die V greife daher unmittelbar und nachhaltig ohne Fällung eines gerichtlichen Urteils und ohne Erlassung eines Bescheides in seine Rechtssphäre ein.

Dies trifft zu. Die Grundstücke des Antragstellers liegen unbestrittenermaßen innerhalb jenes Gebietes, das durch die V, BGBl. 508/1981, zum Bundesstraßenbaugebiet erklärt wurde. Wie der VfGH in VfSlg. 9823/1983 ausgesprochen hat, bewirkt eine solche TrassenV - soweit sie sich auf die dem Antragsteller gehörigen Grundstücke bezieht - eine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechtssphäre des Grundstückseigentümers.

b) Der Individualantrag ist aber als subsidiärer Rechtsbehelf immer nur dann zulässig, um Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen zu gewähren, wenn ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 8890/1980). In seinem schon genannten Erk. VfSlg. 9823/1983 hat der VfGH ausgesprochen, daß es in Fällen wie diesem dem Antragsteller nicht zumutbar sei, ein Enteignungsverfahren abzuwarten oder ein Verfahren auf Ausnahmegenehmigung gemäß §14 Abs2 iVm. §15 Abs1 BStrG zu provozieren. Der Umstand, daß im vorliegenden Fall mittlerweile ein letztinstanzlicher Bescheid des Bundesministers für Bauten und Technik ergangen ist, mit dem dieser die Berufung des Antragstellers gegen den die Enteignung vorschreibenden und eine Entschädigung festsetzenden Bescheid des Landeshauptmannes von Ktn. zur Gänze zurückweist und gegen den der Antragsteller am 14. Mai 1985 eine Beschwerde beim VfGH erhoben hat, ist deshalb unbeachtlich, weil der VfGH bei der Prüfung dieses zurückweisenden Bescheides die in dem hier gegenständlichen Verordnungsprüfungsverfahren angefochtene V nicht anzuwenden hat.

3. Soweit sich die Trassenfestlegung auf die dem Antragsteller gehörenden Grundstücke bezieht, entfaltet sie für den Antragsteller die von ihm als beschwerend erachtete Wirkung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides. Infolge des untrennbaren Zusammenhangs des angefochtenen Satzes, der auch im Text der normativen Festlegung selbst zum Ausdruck kommt (vgl. VfSlg. 9823/1983), ist der Antrag jedoch insgesamt zulässig.

III. In der Sache hat der VfGH zu den vom Antragsteller neu vorgebrachten Bedenken erwogen:

1. Als neues Bedenken trägt der Antragsteller vor, daß gemäß §4 Abs5 BStrG die Gemeinden Villach und Treffen die eingegangenen Äußerungen der Betroffenen hätten prüfen und das Ergebnis der Prüfung dem Bundesminister für Bauten und Technik hätten übermitteln müssen. Unter Mißachtung dieser Vorschrift seien die Äußerungen nicht geprüft und nicht dem Bundesminister für Bauten und Technik übermittelt, sondern von der Gemeinde bloß der Abteilung für Bundesstraßenverwaltung beim Amt der Ktn. Landesregierung übergeben worden, die die Äußerungen ihrerseits beurteilt und das Ergebnis als Begründung für den Verordnungsantrag verwendet hat.

Aus dem Inhalt der von den beiden Gemeinden und vom Bundesminister für Bauten und Technik vorgelegten Akten geht hervor, daß die Gemeinden die Äußerungen gesammelt und im Wege der Bundesstraßenverwaltung beim Amt der Ktn. Landesregierung dem Bundesminister für Bauten und Technik übermittelt haben. Der VfGH hat keine Zweifel, daß mit dieser Form der Weiterleitung an den Bundesminister für Bauten und Technik dem Erfordernis des §4 Abs5 BStrG Rechnung getragen wurde. Aus der Tatsache, daß die Gemeinden sich nicht veranlaßt gesehen haben, über ihre ausführlichen Stellungnahmen gemäß §4 Abs3 BStrG hinaus Stellungnahmen zu den von ihnen gesammelten Äußerungen abzugeben allein, kann keine Rechtswidrigkeit des Verfahrens abgeleitet werden, da die Gemeinde jedenfalls dann nicht verpflichtet ist, Stellungnahmen zu den Äußerungen abzugeben, wenn sie die Abgabe solcher Stellungnahmen - etwa im Hinblick auf den Inhalt der weitergeleiteten Äußerungen oder ihrer eigenen Stellungnahme - für entbehrlich hält. Daß die Bundesstraßenverwaltung beim Amt der Ktn. Landesregierung dem Bundesminister bei der Weiterleitung der Akten ihre Auffassung mitgeteilt hat, kann die Rechtmäßigkeit des Verordnungserlassungsverfahrens überhaupt nicht berühren.

2. Dem Vorwurf, daß der Beamte der Bundesstraßenverwaltung beim Amt der Ktn. Landesregierung, der letztlich die Einwendungen geprüft hatte, befangen iS des §7 Abs1 Z1 und 4 AVG gewesen sei, ist zu entgegnen, daß §7 AVG nur im Beschwerdeverfahren Anwendung findet, sodaß über die Richtigkeit des Vorwurfs an sich nicht zu entscheiden ist. Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß der Bundesminister für Bauten und Technik allein das die angefochtene V erlassende Verwaltungsorgan war, wohingegen die Stellungnahme der Bundesstraßenverwaltung beim Amt der Ktn. Landesregierung nur eine der Entscheidungsgrundlagen für den Bundesminister für Bauten und Technik in einem solchen Verfahren darstellt.

3. In inhaltlicher Hinsicht erhebt der Antragsteller den Vorwurf, daß die Schutzmaßnahme für die Gemeinde Wollanig, nämlich die lange Tunnelführung, weit über das in Gesetz und Dienstanweisungen des Bundesministers für Bauten und Technik vorgeschriebene Maß hinausgingen, weil sie sich auch gegen zumutbare Beeinträchtigungen richtet. Soweit sich der Antragsteller damit auf die Nichteinhaltung von Dienstanweisungen des Bundesministers für Bauten und Technik beruft, ist ihm entgegenzuhalten, daß diese lediglich im Innenverhältnis zwischen Verwaltungsorganen wirken und keine den Bundesminister bei der Verordnungserlassung bindende Wirkung haben. Soweit der Antragsteller damit eine dem Gesetz nicht entsprechende, zu weitgehende Berücksichtigung der Aspekte des Lärmschutzes moniert, bringt er hingegen keine neuen Bedenken vor. Zu der bei der Erlassung der V vorgenommenen Ermessensausübung des Bundesministers für Bauten und Technik hat der VfGH nämlich schon im Erk. VfSlg. 9823/1983 ausgesprochen, daß nichts hervorgekommen ist, das darauf hinweisen würde, daß der Bundesminister den ihm eingeräumten Spielraum bei der Erlassung der angefochtenen V überschritten oder unsachlich genützt hätte. Insbesondere ist der Gerichtshof dabei auch auf die vorrangige Berücksichtigung der Auswirkungen der Trasse auf die Gemeinde Wollanig eingegangen.

4. Dem schon im Verfahren V8/82, das zur Entscheidung VfSlg. 9823/1983 geführt hat, in der mündlichen Verhandlung aufgeworfenen Argument der Nichtberücksichtigung der Beeinträchtigung des Quellgebietes Urlaken durch die verordnete Trasse, auf das der VfGH in seinem Erk. nicht ausdrücklich eingegangen ist und auf das sich der Antragsteller wiederum beruft, ist entgegenzuhalten, daß die im Bundesstraßengesetz für die Festlegung einer TrassenV vorgesehenen Kriterien (der Verkehrserfordernisse, der Verkehrssicherheit, der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges, der Vermeidung unzumutbarer Belästigungen der Nachbarn und der Wirtschaftlichkeit; vgl. VfSlg. 9823/1983, S 234 f.) keinen Ansatzpunkt dafür bieten, anzunehmen, der Bundesminister sei verpflichtet, die Trassenfestlegung von wasserrechtlichen Gesichtspunkten (zu deren Wahrnehmung eigene wasserrechtliche Verfahren vorgesehen sind) abhängig zu machen.

5. Soweit der Antrag Bedenken vorträgt, über die nicht bereits rechtskräftig in dem genannten Verordnungsprüfungsverfahren abgesprochen worden ist, haben sich also auch diese als nicht stichhältig erwiesen, weshalb dem Antrag insoweit keine Folge zu geben war.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, VfGH / Bedenken, Straßenverwaltung, Straßenverlaufsfestlegung, Trassierungsverordnung, Verordnungserlassung, Befangenheit, Weisung, Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:V66.1983

Dokumentnummer

JFT_10149070_83V00066_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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