TE Vfgh Erkenntnis 1985/10/2 B559/80

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Veröffentlicht am 02.10.1985
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
ErbStG 1955 §3 Abs1 Z2

Leitsatz

ErbStG; Vorschreibung von Schenkungssteuer für einen Erbschaftskauf nach Erkenntnis des VwGH, gemäß dem ein der Erbschaftssteuer unterliegender Erwerb durch Erbanfall nicht vorlag; keine Willkür; keine willkürliche Vornahme einer zur Unterbrechung der Verjährung geeigneten Amtshandlung; Annahme der subjektiven Bereicherungsabsicht der Zuwendungen iS des §3 Abs1 Z2; kein Indiz für Willkür; keine denkunmögliche Annahme objektiv vorliegender Bereicherung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der VfGH verweist - um Wiederholungen zu vermeiden - auf sein aufgrund einer Beschwerde derselben Bf. gefälltes Erk. B266/74 vom 2. Oktober 1976 (VfSlg. 7880/1976). Nach Abtretung dieser Beschwerde an den VwGH hob dieser mit dem Erk. Z 2751/76 vom 14. November 1978 den damals angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf. Auch auf die Entscheidungsgründe dieses Erk. wird hingewiesen, in denen der VwGH darlegte, weshalb im Beschwerdefall ein der Erbschaftssteuer unterliegender Erbanfall nicht vorlag.

2. Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 15. September 1980 schrieb die Finanzlandesdirektion für Stmk. der Bf. für den Erwerbsvorgang Schenkungssteuer in Höhe von 3153138 S vor. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende VfGH-Beschwerde mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Zunächst hält der Gerichtshof fest, daß aus der Sicht dieser Beschwerdesache verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nicht entstanden; auch von der Bf. wurden solche nicht geäußert. Eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm liegt somit ebensowenig vor wie eine aus einer derartigen Rechtswidrigkeit abzuleitende Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes.

2. Die Bf. behauptet einerseits, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt zu sein, und wirft der bel. Beh. andererseits nicht in die Verfassungssphäre reichende Rechtswidrigkeiten vor, nämlich daß "die angefochtene Entscheidung sowohl dem Inhalte nach als auch wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig (ist), weil der Sachverhalt von der belangten Behörde in wesentlichen Punkten aktenwidrig angenommen wurde und weil der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig ist". Im Hinblick auf diese Differenzierung der Beschwerdevorwürfe nimmt der Gerichtshof an, daß die bloß dem Nachweis der inhaltlichen Rechtswidrigkeit oder des Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften gewidmeten Beschwerdeausführungen auf den Fall bezogen sind, daß die Beschwerde an den VwGH abgetreten wird, und geht daher auf sie nicht weiter ein.

Was die geltend gemachte Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte anlangt, läge gemäß der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verletzung des Gleichheitsrechtes vor, wenn die Behörde Willkür geübt hätte, eine solche des Eigentumsrechtes, wenn sie eine Rechtsvorschrift in denkunmöglicher Weise angewendet hätte (zB VfSlg. 9474/1982 bzw. 9720/1983). Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde insbesondere dann vorgeworfen werden, wenn sie eine Verfahrenspartei aus unsachlichen Gründen benachteiligt oder wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 9726/1983); eine denkunmögliche Gesetzesanwendung läge hingegen dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 9708/1983). Nichts davon trifft aber, wie die folgenden Ausführungen zeigen, in der vorliegenden Beschwerdesache zu.

3. Als einen Willkürakt rechnet es die Bf. der bel. Beh. an, daß überhaupt ein sie mit Schenkungssteuer belastender Abgabenbescheid (im Instanzenzug) erlassen wurde. Die Abgabenbehörden versuchten, aus dem Erbschaftskauf vom 12. Mai 1969 Erbschaftssteuertatbestände zu konstruieren, die dem Gesetz widersprechen, und Bewertungen der Leistungen und Gegenleistungen vorzunehmen, die nicht gerechtfertigt seien. Es habe nicht weniger als achtmal der VwGH angerufen werden müssen, der sieben Abgabenbescheide der bel. Beh. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben habe, während in einem Fall das Bundesministerium für Finanzen die Bf. klaglosgestellt habe. Die Schenkungssteuer sei auch vorgeschrieben worden, obwohl eine Rechtsgeschäftsgebühr wegen desselben Tatbestandes bereits vorgeschrieben gewesen sein.

Diesen Vorwürfen ist entgegenzuhalten, daß die Bf. selbst nur ein einziges Mal in der Angelegenheit Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ergriff, welche mit den eingangs angeführten Erk. des VfGH und des VwGH erledigt wurde. Wenn die Abgabenbehörde nach der Fällung des Erk. des VwGH Z 2751/76, gemäß dem ein der Erbschaftssteuer unterliegender Erwerb durch Erbanfall nicht vorlag, prüfte, ob ein schenkungssteuerpflichtiger Tatbestand verwirklicht wurde, so war dies keineswegs willkürlich, vielmehr geradezu eine Konsequenz des Umstandes, daß die Rechtslage durch den VwGH ausschließlich unter dem Aspekt der Erbschaftssteuerpflicht geklärt wurde. Der weitere Hinweis, daß eine Rechtsgeschäftsgebühr vorgeschrieben gewesen sei, ist schon deshalb nicht stichhältig, weil diese Gebührenvorschreibung mit dem Wirksamwerden des angefochtenen Bescheides (infolge des Bescheides des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Graz vom 29. September 1980) aus dem Rechtsbestand ausschied; entgegen der Meinung der Bf. kommt es nicht auf die Datierung der maßgeblichen Bescheide, sondern auf deren Zustellung an (§97 Abs1 lita BAO), die gleichzeitig erfolgte.

4. Die Bf. nimmt Eintritt von Bemessungsverjährung an, weil sie die vom Finanzamt im Dezember 1974 durch die Übersendung des Formulars "Abgabenerklärung S" vorgenommene Amtshandlung als unwirksam ansieht. Ihrer Meinung nach war dieses "prophylaktische" Vorgehen willkürlich, weil der Erbschaftskauf bereits mit der Berufungsentscheidung der bel. Beh. vom 20. Juni 1974 der Erbschaftssteuer unterzogen worden war.

Diese Beschwerdebehauptung zeigt eine willkürliche Gesetzeshandhabung durch die belangte Finanzlandesdirektion schon deswegen nicht auf, weil keine Rechtsvorschrift besteht, derzufolge einer zur Unterbrechung der Verjährung an sich geeigneten Amtshandlung in der von der Bf. gedachten Weise die Wirkung genommen würde.

5. Die Verwirklichung des materiellen Abgabentatbestandes, nämlich des §3 Abs1 Z2 ErbStG, negiert die Bf. sowohl bezüglich der subjektiven Bereicherungsabsicht der Zuwendenden als auch hinsichtlich des objektiven Vorliegens einer Bereicherung.

a) Die belangte Finanzlandesdirektion begründete - auf die Berufungseinwände der Bf. erwidernd - das Vorliegen der Bereicherungsabsicht auf seiten der Zuwendenden folgendermaßen:

"Das Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung war bereits zum Abschluß des Erbschaftskaufvertrages in einem derartigen Maße gegeben, daß für die Rentenkäufer immer nur ein Verlust, hingegen für die Erbschaftskäuferin immer nur ein Gewinn eintreten konnte. Sohin mußte jedoch der aleatorische Charakter dem Erbschaftskaufvertrag genommen sein und eine gemischte Schenkung vorliegen. Es darf hiezu auf das Erkenntnis des VwGH vom 3. 1. 1971, Zl. 1055/70 verwiesen werden. Das Besondere in dieser Berufungssache ist, daß die Erbschaftsverkäufer bereits am 8. 2. 1969 mit M H einen Treuhandvertrag, in dem eine Aufzählung der Vermögenswerte erfolgte, abgeschlossen hatten. Ebenso wurden in der am 3. 2. 1969 mit dem Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigten der drei Erben aufgenommenen Todfallsaufnahme die Vermögenswerte offengelegt. Daß Prokurist K H von der Erblasserin T N als Testamentsvollstrecker und Bevollmächtigter eingesetzt wurde, zeugt ja bereits davon, daß die in der Tschechoslowakei lebenden drei tschechischen Erben auf diese Art und Weise bestens beraten und betreut werden sollten. M H verfügte in ihrem Testament vom 16. 11. 1967 in Pkt. 4): 'Ich bestimme Herrn Prokurist K H, W, als Testamentsvollstrecker und ersuche ihn, auch als bevollmächtigter Vertreter meiner Erben die Interessen derselben mit bestem Wissen und Gewissen wahrzunehmen'. Prokurist K H war seit dem Jahre 1941 mit Unterbrechung während des Krieges bis 31. 10. 1969 bei der Firma V, zuletzt als Prokurist, beschäftigt.

Im wesentlichen oblag ihm die Leitung des Rechnungswesens der Firma. Er war in dieser Funktion in allen Handlungen gem. §48 ff. Handelsgesetz berechtigt. Es liegt daher nahe, daß die drei Erbschaftsverkäufer auf Grund dieser Vertretung über das vorhandene Vermögen genauestens informiert wurden. Wenn nunmehr drei Monate nach Abschluß des Treuhandvertrages dieser rückwirkend aufgehoben und ein Erbschaftskaufvertrag abgeschlossen wurde, so war den drei Erbschaftsverkäufern die rechtliche Tragweite dieser Vorgangsweise sicherlich bewußt gewesen. Daß die drei Erbschaftsverkäufer wußten, daß die auf Grund des Notariatsaktes vom 12. 5. 1969 von M H an sie zu bezahlenden Renten in keinem Verhältnis zu dem von ihnen hingegebenen Vermögen standen, geht ja bereits daraus hervor, daß im Notariatsakt vom 12. 5. 1969 sich die Erbschaftskäuferin verpflichten mußte, über deren Wunsch jederzeit Fräulein H K, V V und M V zu adoptieren. Dieser Verpflichtung wurde auch mit Notariatsakt vom 14. 7. 1969 entsprochen. Aus welchen Überlegungen letztlich die drei testamentarisch berufenen Erben es vorzogen, die für sie günstigere Rentenzahlung einzugehen, ist für die rechtliche Beurteilung dieses Berufungsfalles unmaßgeblich. Für die Bereicherungsabsicht reicht es jedoch bereits aus, daß den Erbschaftsverkäufern das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bekannt war, wobei auch ausreichen würde, wenn sie letztlich eine Bereicherung nur in Kauf genommen hätten. Dem Einwand, daß die Erbschaftsverkäufer und die Erbschaftskäuferin nicht verwandt gewesen seien und daher auch keine Veranlassung zu einer freigebigen Zuwendung bestanden habe, ist insofern entgegenzutreten, als der Erbschaftskaufvertrag und die Adoption der Kinder der Erbschaftsverkäufer in einem Kausalzusammenhang stehen. Wenn die drei Erbschaftsverkäufer derzeit aus politischen Motiven nur eine Rente konsumieren können, so wurde doch durch den Abschluß des Erbschaftskaufvertrages und der damit verbundenen Adoption ein Großteil des Vermögens für ihre Kinder gesichert. Daraus ist aber ersichtlich, daß die Erbschaftsverkäufer sich über den Umfang des Vermögens im klaren waren und die Bereicherungsabsicht schlüssig unterstellt werden kann.

Da somit der gegenständliche Erbschaftskaufvertrag nach dem Gesamtbild nicht als Glücksvertrag, sondern als gemischte Schenkung zu beurteilen war, ..."

Die Bf. hält dieser Ansicht der bel. Beh im wesentlichen entgegen, daß sie sich keineswegs "verpflichten mußte", die Kinder der Verkäufer zu adoptieren, sie sei vielmehr den Erbschaftsverkäufern entgegengekommen. Es gehe nicht an, die Sachkenntnisse eines Dritten, nämlich ihres Ehegatten, für die Schlußfolgerung heranzuziehen, daß die Erbschaftsverkäufer über das vorhandene Vermögen genau informiert gewesen seien; ihr Ehegatte hätte "hellseherische Gaben" besitzen müssen, um zu wissen, welchen Wert das Nachlaßvermögen tatsächlich habe; die Erbschaftskäufer hätten die Sicherheit der Renten vorgezogen.

Diese Gegenüberstellung von Gründen und Gegengründen zeigt nach Ansicht des VfGH deutlich, daß die Meinungsverschiedenheit zwischen den Streitteilen ausschließlich Fragen der richtigen Gesetzesauslegung betrifft. Die Abgabenbehörde zog den Schluß, daß Bereicherungsabsicht vorliege, aus verschiedenen objektiven Umständen, die - wenn man sie zusammenschauend wertet - durchaus in die von der bel. Beh. eingeschlagene Richtung weisen. Von einer gravierenden, mit Gesetzeslosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehlerhaftigkeit (die ein Indiz für Willkür geben könnte) kann hier nicht die Rede sein.

b) Grundsätzlich das gleiche trifft für den Beschwerdevorwurf zu, daß objektiv keine Bereicherung vorliege.

Die bel. Beh. ermittelte nach umfangreichen Erhebungen (insbesondere unter Heranziehung der für Land- und Forstwirtschaft zuständigen Abteilung der Finanzlandesdirektion) den Verkehrswert der Vermögensobjekte, welche der Bf. zukamen, mit rund 28000000 S und den der Gegenleistung mit rund 6000000 S. Hiezu meint die Bf., es lägen unrichtige Schätzungen der bel. Beh. vor, für die keinerlei Schätzgutachten existierten; es werde lediglich retrospektiv unterstellt, wie die Verhältnisse bei Abschluß des Erbschaftskaufvertrages gewesen seien. Im einzelnen kritisiert sie die Zurechnung bestimmter Gewinnanteile von rund 1,5 Mio. S sowie die versicherungsmathematische Berechnung des Wertes der Leibrenten.

Der VfGH kann jedoch nicht finden, daß die Annahme der bel. Beh. vom krassen Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung derart verfehlt wäre, daß man sie als denkunmöglich qualifizieren müßte. Selbst wenn man der Bf. folgen und gewisse Unrichtigkeiten bei der Ermittlung des Verkehrswertes als erwiesen annehmen wollte, bliebe dennoch eine Wertdiskrepanz, welche die Annahme der belangten Finanzlandesdirektion, es liege objektiv eine Bereicherung vor, zumindest nicht als grob fehlerhaft erscheinen läßt.

6. Zusammenfassend ergibt sich, daß weder eine Verletzung der von der Bf. geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte noch die anderer derartiger Rechte stattfand, wobei nochmals darauf hingewiesen sei, daß eine Prüfung des angefochtenen Bescheides aus dem Gesichtswinkel seiner einfachgesetzlichen Rechtmäßigkeit dem VwGH vorbehalten ist.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.

Schlagworte

Erbschafts- und Schenkungssteuer, Zivilrecht, Schuldrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B559.1980

Dokumentnummer

JFT_10148998_80B00559_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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