TE Vfgh Erkenntnis 1985/10/2 V22/85, V23/85, V24/85, V25/85, V26/85

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Veröffentlicht am 02.10.1985
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Index

35 Zollrecht
35/05 Sonstiges

Norm

B-VG Art18 Abs2
GeflügelwirtschaftsG §4 Abs3
GeflügelwirtschaftsG §10 Abs4
Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 02.08.82 betreffend den Importausgleich für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft idF der Verordnung vom 22.12.82

Beachte

Kundmachung am 10. Dezember 1985, BGBl. 512/1985; Anlaßfall VfSlg. 10600/1985

Leitsatz

V des BMLF vom 22. Dezember 1982 über den Importausgleich für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft; keine nach §4 Abs3 GeflügelwirtschaftsG für die Erlassung der V vorgeschriebene Anhörung des Beirates als Kollegium - gesetzwidriges Zustandekommen der V

Spruch

Die Z4 der V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. August 1982, Z 37.011/03-III B6/82 (ABl. zur Wr. Zeitung Nr. 177 vom 3. August 1982), idF der V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Dezember 1982, Z 37.011/05-II B6/82 (ABl. zur Wr. Zeitung Nr. 297 vom 24. Dezember 1982) sowie ArtII der genannten V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Dezember 1982, werden als gesetzwidrig aufgehoben.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH sind zu B258/83, B321/83, B487/83, B93, 94/84 Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft anhängig, mit denen gemäß §4 des BG über die Erhebung eines Importausgleiches bei der Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft, BGBl. 135/1969, idF BGBl. 340/1978 iVm. den V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 8. Mai 1979 (ABl. zur Wr. Zeitung Nr. 110 vom 13. Mai 1979), idgF, bzw. vom 19. Juli 1982 (ABl. zur Wr. Zeitung Nr. 172 vom 28. Juli 1982), betreffend die Festsetzung von Schwellenpreisen für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft, ein Importausgleich aufgrund der V vom 22. Dezember 1982 (ABl. zur Wr. Zeitung Nr. 297 vom 24. Dezember 1982) vorgeschrieben worden war.

2. Bei den Beratungen über die Beschwerden sind Bedenken gegen das gesetzmäßige Zustandekommen der V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Dezember 1982 entstanden.

Der VfGH hat daher beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der genannten V einzuleiten (Beschl. B258/83 vom 28. Feber 1985 und B321/83, B487/83, B93, 94/84 vom 8. März 1985).

3. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat eine Äußerung erstattet, in der er die Gesetzmäßigkeit der V verteidigt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Das Geflügelwirtschaftsgesetz, BGBl. 135/1969, idF der Geflügelwirtschaftsgesetz-Nov. 1974, BGBl. 785/1974, und der Geflügelwirtschaftsgesetz-Nov. 1978, BGBl. 340/1978, bestimmt in seinem §1 Abs1, daß anläßlich der Einfuhr der in dieser Bestimmung angeführten Waren nach Maßgabe der Bestimmungen dieses BG ein Importausgleich einzuheben ist.

Nach §4 Abs1 des Geflügelwirtschaftsgesetzes hat der Importeur für die nach §1 eingeführten Waren die Differenz zwischen dem Zollwert und einem Schwellenpreis, der nach Maßgabe des §3 Abs1 des Geflügelwirtschaftsgesetzes auf Vorschlag des Beirates (§10 des genannten BG) festzusetzen ist, zu entrichten, wenn der Zollwert unter dem Schwellenpreis liegt.

Nach §4 Abs2 ist der Importausgleich mindestens in der Höhe des tarifmäßigen Zollsatzes zu entrichten. Dies gilt auch für Waren, für die kein Schwellenpreis festgesetzt ist.

§4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes lautet:

"(3) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft kann nach Anhörung des Beirates für Waren des §1 den Importausgleich nach Abs2 durch Verordnung gegenüber Staaten erhöhen, in denen für die Erzeugung, Herstellung oder Ausfuhr solcher Waren mittelbar oder unmittelbar eine Prämie oder Subvention gewährt wird. Diese Erhöhung kann, soweit es zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen erforderlich ist, bis zur Höhe der Prämie oder Subvention bemessen werden. Die Verordnungen nach dem ersten Satz sind im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' kundzumachen und treten, sofern nicht ein späterer Zeitpunkt festgesetzt ist, mit dem Beginn des auf den Tag ihres Erscheinens folgenden Tages in Kraft."

§10 leg. cit. lautet:

"(1) Beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft wird ein Beirat errichtet, dessen Mitglieder je drei Vertreter der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, des Österreichischen Arbeiterkammertages und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs sind.

(2) Für jedes Mitglied des Beirates ist ein Ersatzmann zu bestellen.

(3) Die Mitglieder (Ersatzmänner) des Beirates üben ihre Funktion ehrenamtlich aus.

(4) Gültige Beschlüsse des Beirates bedürfen - die ordnungsgemäße Einladung aller Mitglieder vorausgesetzt - einer Mehrheit von vier Fünfteln der abgegebenen Stimmen. Im übrigen wird die Tätigkeit des Beirates durch eine Geschäftsordnung geregelt, die vom Beirat zu beschließen ist und der Genehmigung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft bedarf.

(5) Die Mitglieder des Beirates und deren Ersatzmänner sowie allenfalls herangezogene Sachverständige dürfen ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder zugänglich geworden ist, während der Dauer ihrer Bestellung und auch nach Erlöschen ihrer Funktion nicht offenbaren oder verwerten. Sie sind vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten.

(6) ..."

b) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat mit der auf §4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes gestützten V vom 2. August 1982 (ABl. zur Wr. Zeitung Nr. 177 vom 3. August 1982) für die Einfuhren näher umschriebener Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft aus Ursprungsländern (§24 Handelsstatistisches Gesetz 1958, BGBl. 137), die Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sind, den Importausgleich (Überschrift der Rubriken: "Zolltarifnummer", "Warenbezeichnung", "Importausgleichschilling S/100 kg") festgesetzt (Z1 bis 3 der V).

c) Die zur Ergänzung der V vom 2. August 1982 erlassene V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Dezember 1982 lautet:

"Verordnung

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Dezember 1982 über den Importausgleich für bestimmte Erzeugnisse der Geflügelwirtschaft

Auf Grund des §4 Abs3 des Bundesgesetzes über die Erhebung eines Importausgleiches bei der Einfuhr von Erzeugnissen der Geflügelwirtschaft (Geflügelwirtschaftsgesetz), BGBl. Nr. 135/1969, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 133/1979 wird verordnet:

Die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. August 1982, Z 37.011/03-III B6/82 (verlautbart im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' Nr. 177 vom 3. August 1982) wird wie folgt geändert:

Artikel I

Im Artikel I ist die Ziffer 4 neu einzufügen:

'4. ex 02.02 B Tote Enten, gerupft, unzerteilt, mit oder ohne Kopf und Füße, geschlossen oder nur entdarmt oder ausgenommen, mit oder ohne Beifügung von Hals und Innereien, frisch, gekühlt oder gefroren ..................................... 480,-'

Artikel II

Dieser Verordnung unterliegen Einfuhren, bei denen der für die Anwendung der zolltarifarischen Bestimmungen maßgebende Zeitpunkt gemäß §6 Zollgesetz 1955, BGBl. Nr. 129, nach dem 27. Dezember 1982 liegt."

Der zeitliche Anwendungsbereich der V erstreckt sich bis zum 31. Juli 1983, weil für den Zeitraum ab 1. August 1983 der mit V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 26. Juli 1983 (ABl. zur Wr. Zeitung Nr. 174 vom 29. Juli 1983) festgesetzte Importausgleich einzuheben ist.

2. In den angefochtenen Bescheiden ist der Importausgleich aufgrund der V des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. Dezember 1982 festgesetzt worden. Die V ist bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide angewendet worden; sie ist auch vom VfGH bei der Entscheidung über die - zulässigen - Beschwerden anzuwenden und damit präjudiziell iS des Art139 B-VG.

Die Verordnungsprüfungsverfahren sind, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.

3. Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der V vom 22. Dezember 1982 hat der VfGH in den Einleitungsbeschlüssen wie folgt dargelegt:

"Es scheint, daß der Beirat vor Erlassung der Verordnung vom 22. Dezember 1982, mit der die Z4 in die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 2. August 1982 eingefügt wurde, nicht gehört wurde. Den vorlegten Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß der den Vorsitz führende Vertreter der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs nach telephonischer Rücksprache mit allen Beiratsmitgliedern dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die Anhebung des Importausgleichs vorgeschlagen hat.

In der Gegenschrift der belangten Behörde wird ausgeführt, daß eine Bindung an die Empfehlung des Beirates nicht bestehe, daß eine telephonische Befassung des Beirates weder im Geflügelwirtschaftsgesetz noch in der Geschäftsordnung des Beirates vorgesehen, allerdings auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen wäre. Der vorgesehenen Anhörung des Beirates wäre aber durch die 'Einstimmigkeit' der telephonischen Beschlußfassung Rechnung getragen worden.

Es scheint weiters, daß die auf Grund der Anhörungspflicht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom Beirat abzugebende Willensäußerung eines Beschlusses des Beirates im Sinne des §10 Abs4 des Gesetzes bedarf, der in einer Sitzung des Beirates zu fassen ist. Andernfalls wäre das in dieser Bestimmung für das Zustandekommen eines gültigen Beschlusses des Beirates normierte Erfordernis der ordnungsgemäßen Einladung aller Mitglieder unverständlich. Eine Sitzung scheint darüber hinaus für den Beirat erforderlich zu sein, um sich Kenntnis darüber zu verschaffen, ob die besonderen Umstände vorliegen, aus denen eine Erhöhung des Importausgleiches nach §4 Abs3 in Betracht kommen kann, und um auf Grund der Erörterung über das Vorliegen dieser Umstände dem Verordnungsgeber die Grundlagen für die Entscheidung erkennbar zu machen, ob die Erlassung einer Verordnung zur Erhöhung des Importausgleiches für die Erreichung der im Gesetz vorgegebenen Ziele erforderlich ist (vgl. VfSlg. 8280/1979, 9582/1982, vgl. insbesondere VfGH 12. 12. 1984 V46/82). Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß sich der Beirat in einer Sitzung mit der Frage, ob die Voraussetzungen für die Erhöhung des Importausgleiches gegeben sind, befaßt hätte.

Demnach scheint es, daß die vom Vorsitzenden des Beirates nach telephonischer Rücksprache mit allen übrigen Beiratsmitgliedern dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft erstattete Mitteilung eines Vorschlages auf Anhebung des Importausgleiches nicht als eine vor Erlassung einer Verordnung nach §4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes 1969 erforderliche Anhörung des Beirates gewertet werden kann.

Die Verordnung scheint wegen des Fehlens einer dem Gesetz entsprechenden Anhörung des Beirates gesetzwidrig zu sein."

4. In der Äußerung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft wird auf die besondere Stellung des Beirates nach §10 Geflügelwirtschaftsgesetz 1969 hingewiesen. Dieser Beirat unterscheide sich wesentlich von anderen Gremien (zB der Preiskommission), in denen Vertreter verschiedener Sozialpartner mitwirkten. Diesem Beirat gehörten "nur je drei Vertreter der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, des Österreichischen Arbeiterkammertages und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs an". Überdies sei lediglich vorgesehen, daß gültige Beschlüsse des Beirates - die ordnungsgemäße Einladung aller Mitglieder vorausgesetzt - einer 4/5-Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedürften. Im übrigen sei die Regelung der Tätigkeit des Beirates der Geschäftsordnung, die vom Beirat zu beschließen sei, überlassen.

Im Anlaßfall sei der Beirat initiativ geworden, ohne vom Verordnungsgeber vorher mit der Frage der Anhebung des Mindestimportausgleiches für Importenten aus den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft befaßt worden zu sein. Entgegen den im Anlaßbeschwerdeverfahren vorgebrachten Behauptungen, wonach ein Mitglied des Beirates vom Vorsitzenden nicht befragt worden sei und diesem gegenüber weder auf telephonischem noch auf sonstigem Wege eine Stellungnahme zur beabsichtigten Erhöhung des Importausgleiches abgegeben habe, heißt es in der Äußerung, es hätten sich alle Beiratsmitglieder telephonisch gegenüber dem Vorsitzenden für die Anhebung des Mindestimportausgleiches gemäß §4 Abs3 des Geflügelwirtschaftsgesetzes "in der Höhe von etwa S 3,40" mit der Begründung ausgesprochen, daß für die im Aufbau befindliche inländische Entenproduktion die Schwellenpreise angehoben und in der letzten Zeit erstmalig größere Mengen von geschlachteten Enten aus dem EG-Raum nach Österreich eingeführt worden seien, wodurch es zu einer deutlichen Wettbewerbsverzerrung komme.

Nach Ansicht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft ist der unter diesen Voraussetzungen vom Vorsitzenden des Beirates gestellte Antrag auf Anhebung des Importausgleiches inhaltlich einem Beschluß des Beirates gleichzusetzen.

Der Bundesminister sei bei Prüfung aller Umstände zur gleichen Ansicht gelangt wie der Beirat, worauf die angefochtene V erlassen worden sei. Wären nicht alle drei Sozialpartner der gleichen Ansicht gewesen oder hätten sie unterschiedliche Höhen für die Anhebung beantragt, wäre der Beirat aufgefordert worden, sich in einer Sitzung mit der Angelegenheit zu befassen. Da im konkreten Fall der Verordnungsgeber oder die Sachverständigen (die Beiratsmitglieder) eine völlige Meinungsübereinstimmung über die Anhebung des Importausgleiches erzielt hätten, sei eine rein formelle nochmalige Befassung der Mitglieder des Beirates als vom Gesetzgeber nicht gefordert angesehen worden. Eine nachfolgende Sitzung (mit der physischen Anwesenheit aller Personen in einem Raum) hätte kein anderes Ergebnis gebracht, als die telephonisch erfolgte einhellige Meinungsäußerung. Abschließend heißt es in der Äußerung:

"Da die ausschließlich grammatikalische Interpretation des §10 des Gesetzes als Ergebnis in reinem Formalismus geendet hätte, war nach dem Zweck und Ziel dieser Bestimmung im Gesetz zu fragen. Auf Grund der Mitteilung des Vorsitzenden des Beirates war sichergestellt, daß alle Sozialpartner ihre Meinung zu der Frage der Anhebung des Mindestimportausgleiches für Importenten aus der EG einbringen konnten und dieser einstimmige Vorschlag sich mit der Auffassung des Verordnungsgebers völlig deckte. Es kann dem Gesetzgeber nicht zugemutet werden, daß er einen solchen Formalismus bewußt gewollt hätte, der in diesem Falle eine nochmalige Befassung der Beiratsmitglieder in Form einer Sitzung erforderlich gemacht hätte."

5. Nach §4 Abs3 des Geflügelswirtschaftsgesetzes ist für die Erlassung einer V zur Erhöhung des Importausgleiches die Anhörung des Beirates vorgeschrieben. Eine ohne Anhörung des Beirates erlassene V wäre jedenfalls gesetzwidrig.

Der VfGH ist der Auffassung, daß dem Erfordernis der Anhörung des Beirates durch den Verordnungsgeber auch dann Rechnung getragen worden wäre, wenn der Beirat an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft als Verordnungsgeber den Antrag auf Erhöhung eines Importausgleiches gestellt und der Antrag auf einer dem Gesetz entsprechenden Willensbildung des Beirates als eines Kollegialorganes beruht hätte.

Ein Kollegialorgan kann seine Willen nur durch Beschluß bilden, der durch die Abgabe der Stimmen der Mitglieder zustandekommt (vgl. VfSlg. 7837/1976).

Im Gesetz ist zwar nicht bestimmt, daß die Beschlüsse des Beirates in Sitzungen, die in einer Zusammenkunft der Mitglieder an einem bestimmten Ort bestehen, zu fassen sind. Nach §10 Abs4 ist aber die Einladung aller Mitglieder Voraussetzung für das Zustandekommen eines gültigen Beschlusses. Der Wortlaut "ordnungsgemäße Einladung" läßt nur die Annahme zu, daß der Gesetzgeber mit dieser Regelung die Einladung zu einer Sitzung des Beirates zum Ausdruck bringen wollte, in der die Mitglieder durch Abgabe ihrer Stimme die Willensbildung des Beirates vorzunehmen haben. Dabei ist der Beirat, da im Gesetz über das Anwesenheitsquorum nichts anderes ausgesagt ist, nur bei Anwesenheit aller seiner Mitglieder fähig, einen Beschluß zu fassen (vgl. das zitierte Erk. VfSlg. 7837/1976). Der Beschluß bedarf einer Mehrheit von 4/5 der abgegebenen Stimmen (Abstimmungsquorum).

Auch aus Sinn und Zweck der Anhörung ist zu schließen, daß der Gesetzgeber von der Notwendigkeit einer Sitzung des Beirates ausgegangen ist. Nur in einer Sitzung kann sich der Beirat Kenntnis darüber verschaffen, ob die besonderen Umstände vorliegen, unter denen eine Erhöhung des Importausgleiches nach §4 Abs3 GeflügelwirtschaftsG in Betracht kommen kann. Sicherlich steht den einzelnen Mitgliedern des Beirates die Möglichkeit offen, sich Kenntnis über das Vorliegen dieser Umstände zu verschaffen. Der Verordnungsgeber hat aber nicht die einzelnen Mitglieder, sondern den Beirat als Kollegialorgan anzuhören; von und vor diesem sind daher die Umstände erkennbar zu machen, die dafür maßgebend sind, ob die Erlassung einer V zur Erhöhung des Importausgleiches für die Erreichung der im Gesetz vorgesehenen Ziele erforderlich ist; der Verordnungsgeber hat sich nicht an den Meinungen der einzelnen Mitglieder des Beirates, sondern an der vom Beirat als Kollegialorgan abgegebenen Stellungnahme zu orientieren.

Diese Stellungnahme kann jeweils nur das Ergebnis einer Beratung in einer Sitzung des Beirates als Kollegium sein, und zwar auch dann, wenn die für die abzugebende Stellungnahme maßgeblichen Umstände offenkundig und nach übereinstimmender Auffassung aller Mitglieder des Beirates vorliegen.

Es haben sich nach der vom Vorsitzenden des Beirates dem Bundesministerium gegebenen Mitteilung die einzelnen Mitglieder des Beirates durch telephonische Erklärung für die Erlassung der V vom 22. Dezember 1982 ausgesprochen. Eine Anhörung des Beirates als Kollegium hat aber nicht stattgefunden.

Die zwar im zeitlichen Anwendungsbereich bis zum 31. Juli 1983 beschränkte, aber noch dem Rechtsbestand angehörende V ist daher nicht gesetzmäßig zustandegekommen; sie ist als gesetzwidrig aufzuheben.

6. Die Verpflichtung zur Kundmachung der Aufhebung ergibt sich aus Art139 Abs5 B-VG.

Schlagworte

Geflügelwirtschaft, Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:V22.1985

Dokumentnummer

JFT_10148998_85V00022_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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