TE Vfgh Erkenntnis 1985/10/3 G172/84

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Veröffentlicht am 03.10.1985
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Index

80 Land-und Forstwirtschaft
80/04 Wettbewerbsrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
FuttermittelG §15 Abs2

Beachte

Kundmachung am 11. Feber 1986, BGBl. 70/1986; Anlaßfall VfSlg. 10678/1985

Leitsatz

FuttermittelG; strafrechtlicher Charakter der Verfallsbestimmung in §15 Abs2; keine Relation zum Grad des Verschuldens, zur Höhe des Wertes der den Gegenstand einer strafbaren Handlung bildenden Ware sowie zum verursachten Schaden; Verstoß gegen das Gleichheitsgebot

Spruch

Die Worte "auf den Verfall der den Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Waren," im §15 Abs2 des Futtermittelgesetzes, BGBl. 97/1952, idF des BG BGBl. 180/1970, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. September 1986 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim VfGH ist zu B544/80 eine Beschwerde gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ anhängig, mit dem über den Bf. wegen der Verwaltungsübertretung nach §7 Abs2 lita iVm. §15 Abs1 des Futtermittelgesetzes, BGBl. 97/1952 (in der Stammfassung), in fünf Fällen eine Geldstrafe (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe) verhängt und gemäß §15 Abs2 Futtermittelgesetz, BGBl. 97/1952, idF BGBl. 180/1970 (im folgende FMG) auf den Verfall näher umschriebener Mengen der einzelnen Arten der von der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesversuchsanstalt Linz sichergestellten Futtermittel erkannt worden war.

2. Der (mit "Strafbestimmungen" überschriebene) §15 FMG lautet:

"(1) Wer den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt, wird, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geld bis zu 30.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen bestraft. Wird die Übertretung im Betriebe eines Gewerbes begangen, so kann nach vorheriger zweimaliger Bestrafung überdies von der Bezirksverwaltungsbehörde auf den Entzug der Gewerbeberechtigung zur Erzeugung von Futtermitteln oder zum Handel mit solchen auf bestimmte Zeit oder für immer erkannt werden.

(2) Bei Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen kann auf den Verfall der den Gegenstand der strafbaren Handlung bilden den Waren, auf Beseitigung oder Änderung der unzulässigen Bezeichnung, erforderlichenfalls der diese Bezeichnung tragenden Umhüllungen oder Verpackungen oder, wenn auch dies nicht möglich ist, auf Verfall der die unzulässige Bezeichnung tragenden Gegenstände (§7 Abs2 litb) erkannt werden. Kann eine Ware, die für verfallen erklärt werden soll, nicht erfaßt werden, so ist auf den Verfall ihres Wertes zu erkennen."

3. Der VfGH hat aus Anlaß des unter Punkt 1 erwähnten Beschwerdeverfahrens beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der (in der Textwiedergabe hervorgehobenen) Worte "auf den Verfall der den Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Waren," im §15 Abs2 FMG einzuleiten.

Der VfGH nahm vorläufig an, daß er die angeführten Worte im Anlaßbeschwerdeverfahren anzuwenden habe. Er hatte gegen diese Vorschrift das Bedenken, daß sie dem auch den Gesetzgeber bindenden - sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden - Sachlichkeitsgebot widerspreche.

Er hat seine Bedenken wie folgt begründet:

"Der VfGH hat mit dem Erkenntnis vom 14. Dezember 1983, G34/83, die Bestimmung des §17 Abs2 lita des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, BGBl. 129/1958, idF der Finanzstrafgesetznovelle 1975, BGBl. 335/1975, als verfassungswidrig aufgehoben. Diese Bestimmung hatte gelautet:

'(2) Dem Verfall unterliegen:

a) die Sachen, hinsichtlich derer das Finanzvergehen begangen wurde, samt Umschließungen;'

Der VfGH hatte das Bedenken, daß die angeführte Bestimmung dem auch den Gesetzgeber bindenen - sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden - Sachlichkeitsgebot widerspreche. Im Einleitungsbeschluß hatte der VfGH seine Bedenken im wesentlichen damit begründet, daß der Verfall - worauf schon die Überschrift zu §17 FinStrG hinweise - anscheinend eine Strafe darstelle. Zumindest dürfte der Strafcharakter des Verfalles andere allenfalls im Einzelfall auch verfolgte Zwecke überwiegen.

Daraus scheine sich zu ergeben, daß die Strafe des Verfalles in einem angemessenen Verhältnis zur Schuld und zur Höhe des Verkürzungsbetrages zu stehen habe.

Die Höhe der - obligatorisch zu verhängenden - Strafe des Verfalles sei offenbar vom Gesetz absolut vorgeschrieben; es scheine keinen flexiblen Strafrahmen zu geben; vielmehr sei, wenn die Voraussetzungen für den Verfall vorlägen, die gesamte 'Sache, hinsichtlich derer das Finanzvergehen begangen wurde' (der gesamte Tatgegenstand), für verfallen zu erklären.

Obgleich einzusehen sei, daß in den Fällen, in denen nach dem Gesetz auf den Verfall erkannt werden könne, in der Regel schon aus Gründen der General- und Spezialprävention sehr strenge, das Eigentum belastende Strafen vorgesehen würden, sei jedoch anzunehmen, daß die Höhe von Strafen des Verfalles auch in diesen Fällen nicht außer jeder Relation zur Höhe des Verkürzungsbetrages stehen dürfe.

Zu einer derartigen Unverhältnismäßigkeit könne aber die Bestimmung des §17 Abs2 lita FinStrG offenbar führen.

Es scheint, daß die Bedenken, die den VfGH veranlaßt haben, die Verfassungsmäßigkeit der angeführten Bestimmung des FinStrG zu prüfen, auch auf die in §15 Abs2 des Futtermittelgesetzes enthaltene Regelung des Verfalles - nur diese Regelung scheint präjudiziell zu sein - zutreffen.

Sowohl nach der Überschrift zu §15 als auch nach dem Wortlaut des §15 Abs2 des Futtermittelgesetzes scheint der Verfall eine Strafe darzustellen; zumindest dürfte der Strafcharakter des Verfalles andere allenfalls im Einzelfall auch verfolgte Zwecke überwiegen.

Daraus scheint sich im Sinne des angeführten Erkenntnisses vom 14. Dezember 1983, G34/83, zu ergeben, daß die Strafe des Verfalles in einem angemessenen Verhältnis zur Schuld und zur Höhe des Wertes der den Gegenstand einer strafbaren Handlung bildenden Waren zu stehen hat. Dem entgegen scheint es, daß dann, wenn die Voraussetzungen für den Verfall vorliegen, die 'gesamte Ware, die den Gegenstand einer strafbaren Handlung bildet' (der gesamte Tatgegenstand), für verfallen zu erkären ist. Im Gegensatz zur Verhängung der Geld-(Arrest-)Strafe nach §15 Abs1 des Futtermittelgesetzes scheint es für die Höhe der Strafe des Verfalles keinen flexiblen Strafrahmen zu geben.

Demnach scheint die Regelung offenbar zu der Unverhältnismäßigkeit zwischen der Höhe der Strafe des Verfalles und dem Wert einer den Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Ware zu führen, die den VfGH zur Aufhebung der angeführten Bestimmung des FinStrG wegen eines Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot veranlaßt hat.

Darüber hinaus besteht das Bedenken, daß die Regelung des Verfalles in §15 Abs2 des Futtermittelgesetzes auch deshalb mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch steht, weil der Verfall in den verschiedensten Situationen, somit von Zufällen abhängig, auf ganz unterschiedliche Weise und ohne Rücksicht auf die strafbare Handlung ausgesprochen werden kann."

4. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den Antrag stellt, die in Prüfung gezogenen Worte nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Sie hat nach der Wiedergabe des Wortlautes der Bestimmung des §15 Abs2 FMG und nach dem Hinweis auf die im Einleitungsbeschluß geltend gemachten Bedenken (Punkt. I der Äußerung) ihren Antrag wie folgt begründet:

"II.

Zur Vergleichbarkeit der in Prüfung gezogenen Verfallsregelung mit §17 Abs2 lita FinStrG

Der mit Erk. vom 14. Dezember 1983, G34/83, aufgehobene §17 Abs2 lita FinStrG hatte (nicht bloß überwiegend, sondern) ausschließlich die Funktion einer Strafbestimmung. Dieser Umstand war maßgeblich für jene Erwägungen des VfGH, die zur Aufhebung der genannten Bestimmung wegen Gleichheitswidrigkeit führten. Nur für Regelungen mit spezifisch strafrechtlichen Zielsetzungen kommt nämlich die vom VfGH aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitete besondere Anforderung, die Strafe des Verfalles habe vom Grundkonzept der Regelung aus in einem angemessenen Verhältnis zur Schuld und zur Höhe des Verkürzungsbetrages zu stehen (vgl. VfGH Erk. 14. 12. 1983, G34/83-10, Seite 6), in Betracht.

Die verfahrensgegenständliche Wortfolge in §15 Abs2 erster Satz FMG unterscheidet sich nun gerade in diesem Punkt ganz wesentlich vom aufgehobenen §17 Abs2 lita FinStrG: Zwar deutet ihre systematische Position gleichfalls auf einen strafrechtlichen Aspekt der in Prüfung gezogenen Wortfolge hin, doch ergibt sich aus der Gesamtkonzeption des Gesetzes neben dieser strafrechtlichen Funktion eine zweite, für eine Verwirklichung der Gesetzesziele wesentlich bedeutungsvollere Funktion der prüfungsgegenständlichen Wortfolge. Weitaus überwiegend - gegenüber bloß strafrechtlichen Zielsetzungen - sind im Rahmen der vorliegenden Regelung nämlich sachnormspezifische Schutzüberlegungen. Denn es darf nicht übersehen werden, daß in §15 Abs2 FMG weit weniger eine strafrechtliche, als vielmehr eine im weiteren Sinne verwaltungspolizeiliche, sachnormspezifische Sicherungs- und Schutzfunktion zum Tragen kommt.

Wie auf Seite 7 der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage eines Futtermittelgesetzes, 443 BlgNR VI. GP, ausgeführt wird, ist der primäre Zweck des Futtermittelgesetzes der Schutz vor unlauterem Wettbewerb im Bereich des Futtermittelwesens. Im Zusammenhang mit der Futtermittelerzeugung und mit dem Verkehr mit Futtermitteln sollen einheitliche qualitätssichernde Vorschriften den redlichen Marktanbieter vor unlauterer Konkurrenz, den Käufer vor Übervorteilung und Irreführung schützen. Hinzu tritt aber noch eine weitere Komponente: Die Herauslösung des Futtermittelgesetzes aus dem Kreis der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen bzw. gewerberechtlichen Bestimmungen ist auch darin begründet, daß dem Futtermittelwesen eine besondere wirtschafts-, veterinär- und letztlich auch gesundheitspolitische Bedeutung zukommt. Im Zusammenhang mit der entscheidenden Bedeutung des Futtermittelmarktes für den gesamten Bereich der landwirtschaftlichen Viehhaltung darf vor allem die veterinärpolizeiliche Funktion des Futtermittelgesetzes nicht übersehen werden, da seine Genehmigungs- und Standardisierungsvorschriften auch der Sicherstellung des Tiergesundheitsschutzes vor den Gefahren qualitativ minderwertiger Nahrung dienen. Durch die Wahrnehmung dieser veterinärpolizeilichen Funktion wird indirekt die Inlandsproduktion im Bereich der Fleischvieh- und Milchvieh- sowie der Geflügelhaltung auch vor lebensmittelrechtlich und damit gesundheitspolizeilich unerwünschten Auswirkungen auf den Verbrauchermarkt geschützt und eine hygienisch einwandfreie Fleisch- und Milchviehernährung als Voraussetzung einer einwandfreien Lebensmittelerzeugung gewährleistet.

Zu der bereits erwähnten wettbewerbsrechtlichen Zweckkomponente tritt somit insbesondere eine bedeutende veterinärpolizeiliche Schutzfunktion des Futtermittelgesetzes.

Diesen gewichtigen Zwecküberlegungen gegenüber tritt eine allfällige Straffunktion der verfahrensgegenständlichen Wortfolge in den Hintergrund.

Die gegenständliche Regelung ist also, auch wenn sie an das Vorliegen eines gemäß §15 Abs1 FMG strafbaren Tatbestandes anknüpft, keinesfalls überwiegend als Strafbestimmung anzusehen. Für den Fall des Vorliegens einer Verletzung gesetzlicher (bzw. verordnungsrechtlicher) Vorschriften im Sinne des §15 Abs2 erster Satz FMG ist somit keineswegs nur das angemessene Verhältnis von Schuld und Strafausmaß entscheidend: Hinzu müssen vielmehr Erwägungen sachnormspezifischer Gefahrenabwehr treten, aus denen sich - auch bei geringfügiger Schuld - die Notwendigkeit eines Verfalles der Ware ergeben kann.

Gerade was das vom VfGH geäußerte Bedenken, es scheine 'für die Höhe der Strafe des Verfalles keinen flexiblen Strafrahmen zu geben', anlangt, ist auf die wichtige verwaltungs-, insbesondere veterinärpolizeiliche Schutzfunktion des Futtermittelgesetzes und somit auch der in Prüfung gezogenen Verfallsregelung hinzuweisen:

Wenn im Falle einer strafbaren Handlung schon allein der Verbleib der ihren Gegenstand bildenden Waren im Eigentum des Täters eine Gefährdung der einschlägigen gesetzlichen Schutzzwecke - etwa durch ein Inverkehrsetzen der Waren - mit sich bringt, so erscheint es (ganz unabhängig von der Frage einer Teilbarkeit des Verfallsgegenstandes) sachfremd, für die Höhe des Verfalles einen flexiblen Strafrahmen festzulegen. Im Hinblick auf die spezifischen Schutzzwecke des Futtermittelgesetzes kann daher in Anwendung der in Prüfung gezogenen Verfallsregelung nur entweder auf den Verfall der deliktsgegenständlichen Waren erkannt oder nicht erkannt werden. Auch in dieser Hinsicht unterscheidet sich die in Prüfung gezogene Wortfolge in §15 Abs2 FMG von der - überwiegend von den bloß strafrechtlichen Gedanken der Spezial- und Generalprävention determinierten (vgl. dazu VfSlg. 6366/1971 und 6896/1972) - Bestimmung des als verfassungswidrig aufgehobenen §17 Abs2 lita FinStrG.

III.

Zur Frage der Zufallsabhängigkeit des Verfalls gem. §15 Abs2 FMG.

Die in Prüfung gezogene Verfallsregelung bezieht sich ihrem Inhalt nach und entsprechend der Systematik des Futtermittelgesetzes auf die Tatbestände der §§4, 5, 6a und - teilweise, insoweit es sich nicht um Bezeichnungsvorschriften handelt - 9 FMG (bzw. entsprechender Verordnungsbestimmungen). Die in §15 Abs2 erster Satz FMG im Anschluß an die in Prüfung gezogene Verfallsregelung angeführten Sanktionen (Beseitigung oder Änderung von Bezeichnungen, Umhüllungen oder Verpackungen oder subsidiärer Verfall unzulässig bezeichneter Gegenstände) beziehen sich hingegen auf Verstöße gegen die Bezeichnungspflichten gemäß den §§7, 8 und - teilweise, insoweit er Bezeichnungsvorschriften enthält - 9 FMG (bzw. entsprechender Verordnungsbestimmungen).

Vor diesem Hintergrund erachtet die Bundesregierung das Bedenken des VfGH, 'daß die Regelung des Verfalles in §15 Abs2 des Futtermittelgesetzes auch deshalb mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch steht, weil der Verfall in den verschiedensten Situationen, somit von Zufällen abhängig, auf ganz unterschiedliche Weise und ohne Rücksicht auf die strafbare Handlung ausgesprochen werden kann', aus folgenden Überlegungen für nicht begründet:

Wenn der VfGH auf Seite 9 seines oz. Unterbrechungsbeschlusses mit der 'Regelung des Verfalles in §15 Abs2 des Futtermittelgesetzes' ausschließlich die im Anlaßverfahren gemäß Art144 B-VG präjudizielle und daher in Prüfung gezogene Verfallsregelung, nicht jedoch auch die beiden übrigen Verfallstatbestände des §15 Abs2 FMG, also die Regelung des Verfalles durch diese gesetzliche Bestimmung insgesamt, meinen sollte und sich somit der Vorwurf einer im Lichte des Gleichheitsgebotes bedenklichen 'Zufälligkeit' des Verfalles ausschließlich darauf bezieht, so ist er nach Ansicht der Bundesregierung deshalb nicht gerechtfertigt, weil auf den Verfall als Strafmittel gemäß der in Prüfung gezogenen Wortfolge nur in ganz bestimmten, gesetzlich (bzw. verordnungsmäßig) determinierten Fällen erkannt werden darf: nämlich bei Verstößen gegen Anzeige- und Genehmigungspflichten (§§4 und 5 FMG), bei gesetzwidrigen Einfuhren von Futtermitteln (§6a FMG) sowie bei Verstößen gegen sonstige Verkehrsvorschriften, soweit es sich dabei nicht um die Verletzung von Bezeichnungspflichten handelt (§9 FMG). In all diesen Fällen bildet die Ware als solche den 'Gegenstand der strafbaren Handlung'.

Sollte der VfGH jedoch seine Bedenken auf die Annahme einer undeterminierten Wahlmöglichkeit zwischen den verschiedenen in §15 Abs2 FMG genannten Rechtsfolgen stützen, so erschiene diese Auffassung im Hinblick auf die einleitenden Ausführungen zu diesem Punkt nicht stichhaltig."

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Der VfGH wird daher über sie in der Sache zu entscheiden haben.

Der im angefochtenen Bescheid enthaltene Ausspruch über den Verfall von Waren stützt sich auf die in Prüfung gezogenen, in §15 Abs2 FMG enthaltenen Worte. Auch der VfGH hat bei der Entscheidung über die Beschwerde diese Vorschrift anzuwenden. Sie ist präjudiziell in der Bedeutung des Art140 Abs1 B-VG.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. Die in Prüfung gezogene Regelung über den Verfall einer den Gegenstand einer strafbaren Handlung iS des §15 Abs1 FMG bildenden Ware ist nach dem äußeren Erscheinungsbild systematisch in Bestimmungen eingebaut, die als verwaltungsstrafrechtliche Normen zu qualifizieren sind.

Diese Regelung steht auch im unmittelbaren Zusammenhang mit der Regelung des letzten Satzes des §15 Abs2 FMG. Danach ist auf den Verfall des Wertes einer Ware, die für verfallen erklärt werden soll, zu erkennen, wenn sie nicht erfaßt werden kann. Daß diese Regelung des Verfalls des Wertes einer Ware allein schon nach ihrer Wirkung ausschließlich strafrechtlichen Charakter hat und keine verwaltungspolizeiliche Maßnahme sein kann, bedarf keiner näheren Erörterung und zeigt, daß der Verfall insgesamt eine strafrechtliche Maßnahme ist. Die Schaffung einer Regelung des Verfalles zu verwaltungspolizeilichen Schutz- und Sicherungsfunktionen (etwa aus sanitäts- und veterinärpolizeilichen Gründen) hätte nicht der vom Gesetzgeber vorgenommenen Verknüpfung der Regelung des Verfalles mit der Regelung über den Verfall des Wertes einer Ware bedurft.

Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die Regelung des Verfalles aus wettbewerbspolizeilichen Gründen geschaffen worden sei.

Der VfGH vermag nicht zu erkennen, wie weit einem Ausspruch des Verfalles einer Ware aus Gründen der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes eine andere als eine strafrechtliche Bedeutung zukommen könnte. Den Anlaß für diesen Ausspruch des Verfalles bildet nicht eine durch eine Eigenschaft der Ware bewirkte Gefährdung verwaltungspolizeilich zu schützender Interessen, sondern ein zu ahndender Verstoß gegen die Regeln des Wettbewerbs. Überdies ist es nicht ausgeschlossen, aus Gründen des unlauteren Wettbewerbs allenfalls beschlagnahmte Waren nach ihrer Freigabe wieder zu solchen Zwecken zu verwenden.

Es handelt sich somit bei der in Prüfung gezogenen Regelung über den Verfall um die Regelung einer Maßnahme, bei der der strafrechtliche Charakter andere allenfalls damit sonst verfolgte Zwecke überwiegt. An diese Regelung ist iS des Erk. des VfGH VfSlg. 9901/1983 aus dem Gebote des Gleichheitssatzes die Forderung zu stellen, daß die Strafe des Verfalles in einem angemessenen Verhältnis zur Schuld und zur Höhe des Wertes der den Gegenstand einer strafbaren Handlung bildenden Ware zu stehen hat.

Nach der in Prüfung gezogenen Regelung kann auf den Verfall der den Gegenstand einer strafbaren Handlung bildenden Ware unabhängig vom Grade des Verschuldens, von der Höhe ihres Wertes und vom verursachten Schaden erkannt werden.

Insbesondere ist dann, wenn eine Ware, die für verfallen zu erklären wäre, nicht erfaßt werden kann, auf den Verfall des Wertes der gesamten Ware zu erkennen. Demnach ist es nach dem System dieser Regelung ausgeschlossen, eine Verfallserklärung flexibel nach dem Verhältnis zu gestalten, nach dem iS des §15 Abs1 FMG die Höhe der Strafe im Verhältnis zur Schuld gestaltet werden kann. Ebenso ist es ausgeschlossen, beim Ausspruch des Verfalles das Verhältnis zwischen dem Wert des verfallenen Gegenstandes und der Schadenshöhe, somit eine bestehende Diskrepanz zwischen dieser und dem Wert des verfallenen Gegenstandes zu berücksichtigen. Diese Unterschiedlichkeit kann - wie der VfGH im zitierten Erk. VfSlg. 9901/1983 ausgeführt hat - nicht mit dem Hinweis darauf gerechtfertigt werden, sie trete nur in seltenen Härtefällen auf.

Da die in Prüfung gezogene Regelung - wie im Einleitungsbeschluß angenommen - offenbar ein exzessives Mißverhältnis zwischen der Höhe der Strafe des Verfalles und dem Wert einer den Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Ware nach ihrem System in sich schließt, war sie wegen eines Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot als verfassungswidrig aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis brauchte nicht geprüft zu werden, ob die Regelung auch wegen des weiteren im Einleitungsbeschluß geltend gemachten Bedenkens aufzuheben gewesen wäre, daß die Regelung des Verfalles in §15 Abs2 FMG auch deshalb mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch steht, weil der Verfall in den verschiedensten Situationen, somit von Zufällen abhängig, auf ganz unterschiedliche Weise und ohne Rücksicht auf die strafbare Handlung ausgesprochen werden kann.

Schlagworte

VfGH / Präjudizialität, Futtermittel, Verwaltungsstrafrecht, Verfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:G172.1984

Dokumentnummer

JFT_10148997_84G00172_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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