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27 RechtspflegeNorm
EMRK Art7, Art10Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Mitwirkung an einem nichtigen Schenkungsvertrag und wegen Verfassung eines - unzulässigen Druck ausübenden - Rundschreibens im Zuge eines BaubewilligungsverfahrensSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 13. Dezember 2004 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe:
"1. zu D 49/01 von Teilnehmern an einem Glücksspiel einbezahlte Beträge von schlussendlich zusammen ATS 152.000,-- durch einen Zeitraum von 11.7.2001 bis 7.11.2001 nicht bearbeitet bzw. nicht verrechnet
2. zu D 60/02 am 12.6.2001 bei der Erstellung eines Schenkungsvertrages zwischen M M und deren Neffen E R mitgewirkt, mit welchem eine der M M eigentümliche Liegenschaft ihrem Neffen E R geschenkt wurde, wobei zum damaligen Zeitpunkt die Schenkungsgeberin Empfängerin von Unterstützungen nach den Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes war, welche im Falle des Ablebens des Empfängers bei Vorhandensein von Verlassaktiva an die auszahlende Stelle, das Magistrat Graz, Sozialamt, zurückzuzahlen wären, weshalb diese Forderung durch die Übertragung des Eigentumsrechtes der M M an der schenkungsvertragsgegenständlichen Liegenschaft an E R nicht einbringlich gemacht werden hätte können, wobei dem DB [Disziplinarbeschuldigten] der Umstand, dass Frau M M die genannte Unterstützung bezieht, zum Zeitpunkt der Errichtung des Schenkungsvertrages bereits bekannt war und er damit an einem nichtigen Rechtsgeschäft mitgewirkt sowie
3. zu D 9/04 und D 15/04 am 27.10.2003 ein Rundschreiben an sämtliche Personen verfasst, die in dem von seinem Mandanten, Herrn Ing. P R, bei der Gemeinde M B - F angestrengten Baubewilligungsverfahren betreffend die Errichtung eines Schweinestalles samt Güllelager Einwendungen erhoben haben, mit welchem diesen nahegelegt wird, ihre Einsprüche zurückzuziehen, da sie ansonsten schadenersatzpflichtig werden könnten und sie so mit ihrem Vermögen für allfällige Schäden seines Mandanten haften würden, wobei dem Schreiben ein vorbereitetes Schriftstück angeschlossen war, mit welchem die Adressaten die bei der Bauverhandlung erhobenen Einsprüche zurückziehen sollten und damit auf diese unzulässigen Druck ausgeübt.
Der Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer unterstellte Faktum 1 dem §11 Abs1 RAO in Verbindung mit §43 Abs2 RL-BA, die Fakten 2 und 3 jeweils dem §9 RAO in Verbindung mit §1 DSt.
Der DB [Disziplinarbeschuldigte] wurde wegen der Vergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes hinsichtlich sämtlicher Fakten zu einer Geldbuße von € 2.000,-- und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt."
Von weiteren gegen ihn erhobenen Vorwürfen wurde der Beschwerdeführer freigesprochen.
1.2. Die dagegen erhobenen Nichtigkeitsberufungen des nunmehrigen Beschwerdeführers wurden mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im Folgenden: OBDK) vom 17. Oktober 2005 ua. deshalb zurückgewiesen, weil gemäß §281 Abs1 Z5 StPO nicht der Urteilsspruch, sondern nur die Entscheidungsgründe angefochten werden können. Mängel im Urteilsspruch wären gemäß §281 Abs1 Z3 StPO geltend zu machen gewesen.
Der Berufung wegen Schuld zu D 49/01 wurde teilweise Folge gegeben und der Beschwerdeführer von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe von Teilnehmern an einem Glücksspiel einbezahlte Beträge von ATS 152.000,- nicht bearbeitet bzw. verrechnet, freigesprochen. Im Übrigen wurde den Berufungen wegen Schuld keine Folge gegeben.
Im Hinblick auf den Freispruch zu D 49/01 wurde das Erkenntnis des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 13. Dezember 2004 im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass unter Berücksichtigung des Disziplinarerkenntnisses der OBDK vom 20. Juni 2005, Zl. 12 Bkd 3/05, über den Beschwerdeführer eine zusätzliche Geldbuße von € 1.500,-
verhängt wurde.
2. Gegen dieses als Bescheid zu wertende Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsausübung und auf Meinungsfreiheit geltend gemacht wird. Weiters behauptet der Beschwerdeführer die "Verletzung von Verfahrensvorschriften" sowie die Verletzung des Klarheitsgebotes und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides.
3. Die OBDK legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Ausführungen in der Beschwerde entgegentritt und deren Abweisung, allenfalls deren Zurückweisung beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften werden in der Beschwerde nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2.1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Begründend führt er ua. aus, dass es sich bei dem Schenkungsvertrag zwischen M M und deren Neffen E R um kein nichtiges Rechtsgeschäft gehandelt habe. Zum Zeitpunkt der Berufungserhebung habe der Beschwerdeführer weder gewusst, welche Vermögenswerte die Geschenkgeberin hatte noch habe er vorhergesehen, dass diese Berufung keinen Erfolg haben werde.
In den Verfahren zu D 9/04 und D 15/04 habe die belangte Behörde nur Bruchstücke des vom Beschwerdeführer verfassten Rundschreibens herangezogen und sei deshalb zu dem Schluss gelangt, dass diese Formulierungen beinhalten, die geeignet seien, beim Empfänger des Schreibens begründete Besorgnis zu erwecken.
2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
Die belangte Behörde hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sich dabei mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Es kann ihr nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass schon der Umstand, dass der Geschenknehmer aufgrund des vom Beschwerdeführer errichteten Schenkungsvertrages wegen Vollstreckungsvereitelung strafrechtlich verurteilt wurde, den Beschwerdeführer disziplinarrechtlich verantwortlich macht. Der Beschwerdeführer verkennt, dass nicht der Vorwurf der Erhebung einer aussichtslosen Berufung Gegenstand des Disziplinarverfahrens war. Das standeswidrige Verhalten wurde vielmehr darin erblickt, dass er einen Schenkungsvertrag über eine Liegenschaft errichtete, obwohl er wusste, dass gegen die Geschenkgeberin ein Rückersatzanspruch von bezogenen Sozialleistungen geltend gemacht und für den Fall der Nichtzahlung die grundbücherliche Sicherstellung der Forderung auf dieser Liegenschaft verfügt wurde.
Der Verfassungsgerichtshof kann auch keine willkürliche Vorgangsweise darin erblicken, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertritt, dass die im Rundschreiben des Beschwerdeführers vom 27. Oktober 2003 gewählten Formulierungen geeignet waren, zumindest bei einzelnen Adressaten derart begründete Besorgnis wegen allfälliger Schadenersatzansprüche hervorzurufen, dass sie tatsächlich die erhobenen Einwendungen im Baubewilligungsverfahren zurückzuziehen bereit gewesen wären.
Im Übrigen rügt der Beschwerdeführer nur Fragen der Beweiswürdigung, spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.
3.1. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung in seinen "Verteidigungsrechten", weil im Verfahren vor dem Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer die Vernehmung von Zeugen unterblieben und Beweisanträge abgewiesen worden seien.
3.2. Im Verfahren vor dem Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer wurden mehrere Zeugen einvernommen. Der belangten Behörde kann aus verfassungsrechtlicher Sicht somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass es zur Erhebung des relevanten Sachverhaltes nicht auch noch der Einvernahme des vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen bedurfte.
Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
4.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG verletzt, weil ihm vorgeworfen werde, eine aussichtslose Berufung erhoben und das einzige Exekutionsobjekt der Geschenkgeberin dem Zugriff der Gläubiger entzogen zu haben. Dadurch werde er in seinem Fortkommen beeinträchtigt.
4.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes durch einen Bescheid verletzt, wenn dieser einem Staatsbürger den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt, ohne dass ein Gesetz die Behörde zu einem solchen die Erwerbstätigkeit einschränkenden Bescheid ermächtigt, oder wenn die Rechtsvorschrift, auf die sich der Bescheid stützt, verfassungswidrig oder gesetzwidrig ist, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein verfassungsmäßiges Gesetz oder eine gesetzmäßige Verordnung in denkunmöglicher Weise angewendet hat (zB VfSlg. 10.413/1985, 14.470/1997, 15.449/1999, 15.431/1999).
Dem Beschwerdeführer wurde weder der Antritt noch die Ausübung einer Erwerbsbetätigung untersagt. Die Erhebung einer aussichtslosen Berufung war nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens (vgl. Punkt II.2.2.). Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verletzen repressive Maßnahmen, etwa die disziplinäre Behandlung wegen Verletzung von Standespflichten, nicht das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art6 StGG (vgl. VfSlg. 7910/1976; VfGH 28.2.2006, B831/05). Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung ist dem Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar.
Der Beschwerdeführer wurde daher nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung verletzt.
5.1. Unter dem Titel des Art10 EMRK bzw. Art13 StGG behauptet der Beschwerdeführer im Wesentlichen, das von ihm verfasste Rundschreiben sei sachlich und basiere auf den geltenden Gesetzen. Es stehe jedem Anwalt frei, einen "Schädiger" darauf hinzuweisen, dass er schadenersatzpflichtig werde. Auch dürfe er Nachbarn seines Klienten empfehlen, Einwendungen im Sinne einer "guten Nachbarschaft" zurückzuziehen.
5.2. Nach Art10 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfasst. Art10 Abs2 EMRK sieht allerdings im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind.
Ein verfassungsrechtlich zulässiger Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung muss sohin, wie auch der EGMR ausgesprochen hat (s. zB EGMR 26.4.1979, Fall Sunday Times, EuGRZ 1979, 390; 25.3.1985, Fall Barthold, EuGRZ 1985, 173), gesetzlich vorgesehen sein, einen oder mehrere der in Art10 Abs2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und zur Erreichung dieses Zweckes oder dieser Zwecke "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein (vgl. VfSlg. 12.886/1991, 14.218/1995, 14.899/1997, 16.267/2001 und 16.555/2002).
Standesrechtlich vorgesehene Disziplinarmaßnahmen sind zum Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer in einer demokratischen Gesellschaft notwendig (vgl. VfSlg. 17.565/2005). Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertritt, dass der Beschwerdeführer mit dem inkriminierten Rundschreiben den Zweck verfolgte, die Adressaten zur Rückziehung ihrer Einwendungen zu veranlassen und sie die gewählten Formulierungen als über das iSd. §9 Rechtsanwaltsordnung (im Folgenden: RAO) bzw. §2 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und für die Ausbildung der Rechtsanwaltsanwärter zulässige Maß hinausgehend ansieht, zumal der Rechtsanwalt im Hinblick auf sein rechtliches Fachwissen und die Verpflichtung, die Gesetze zu beobachten und übernommene Vertretung dem Gesetz gemäß zu führen, eine besondere Vertrauensstellung in der Öffentlichkeit genießt.
Der Beschwerdeführer wurde daher auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gemäß Art10 EMRK bzw. Art13 StGG verletzt.
6.1. Unter dem Titel des Art7 EMRK behauptet der Beschwerdeführer schließlich, die belangte Behörde habe sich bei der Beurteilung des Sachverhaltes als Berufspflichtenverletzung und Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nicht im Rahmen dessen gehalten, was für den Beschwerdeführer erkennbar sein hätte müssen. Dass er sich durch die Erhebung einer Berufung und die Errichtung des Schenkungsvertrages dem Risiko einer Bestrafung aussetze, sei ihm nicht erkennbar gewesen.
6.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 11.776/1988 darlegte, muss sich eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen Ehre und Ansehen des Standes auf gesetzliche Regelungen oder auf verfestigte Standesauffassungen - wofür Richtlinien oder die bisherige (Standes-)Judikatur von Bedeutung sind - stützen, die in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit feststehen. Dem aus Art7 EMRK erfließenden Gebot entspricht die Behörde dann nicht, wenn sie sich - statt zu benennen, gegen welche konkrete Standespflicht ein inkriminiertes Verhalten verstößt - nur mit Rechtsprechungshinweisen begnügt.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Verurteilung des Beschwerdeführers stützt sich auf §9 RAO iVm. §1 Disziplinarstatut 1990. Die belangte Behörde hat sich bei der Beurteilung des Sachverhaltes im Rahmen dessen gehalten, was bei vernünftiger Interpretation der Begriffe "Ehre und Ansehen des Standes" für den Beschwerdeführer erkennbar sein musste, nämlich, dass er sich einer Bestrafung aussetzt, indem er einen Schenkungsvertrag hinsichtlich einer Liegenschaft errichtete, obwohl er wusste, dass gegen die Geschenkgeberin ein Rückersatzanspruch in Höhe von ATS 237.772,20 geltend gemacht und im Falle der Nichtzahlung die grundbücherliche Sicherstellung der Forderung auf dieser Liegenschaft verfügt wurde.
Der angefochtene Bescheid steht daher im Lichte der zitierten Rechtsprechung mit dem aus Art7 EMRK erfließenden Klarheitsgebot im Einklang.
7. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 10.659/1985, 12.915/1991, 14.408/1996, 16.570/2002 und 16.795/2003).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht, Meinungsäußerungsfreiheit, fair trial, KlarheitsgebotEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:B508.2006Dokumentnummer
JFT_09939074_06B00508_00