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98 WohnbauNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
WohnungsverbesserungsG; Vorschreibung einer Rechtsgebühr an Kreditinstitut für Verträge "auf Zurverfügungstellung von einmal ausnützbaren Krediten"; Verletzung im Gleichheits- und im Eigentumsrecht durch gleichheitswidrige bzw. denkunmögliche Auslegung des Darlehensbegriffes in §14Spruch
Das bf. Kreditinstitut ist durch die angefochtenen Bescheide in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die im Instanzenzug ergangenen Bescheide fordern vom bf. Kreditinstitut für Verträge "auf Zurverfügungstellung von einmal ausnützbaren Krediten" (meist auf Kontokorrentbasis) gemäß §33 TP19 GebührenG eine Rechtsgebühr in Höhe von 0,8 vH der Kreditsumme. Entgegen der Annahme des Kreditinstitutes könne die Befreiungsbestimmung des §14 WohnungsverbesserungsG für Kreditverträge nicht in Anspruch genommen werden, da sie nur von Darlehen spreche, das GebührenG aber zwischen Darlehen und Kreditverträgen unterscheide. Angesichts des klaren Wortlautes sei - iS der Rechtsprechung des VwGH, wonach die grammatikalische Auslegung der logischen bzw. teleologischen vorgehe - auch kein Raum für eine Auslegung. Eine Ausdehnung der Befreiung auf Kreditverträge im Wege der Analogie verbiete das gesetzesstaatliche Prinzip.
In den dagegen erhobenen Beschwerden wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und die Rechtsverletzung durch Anwendung eines gleichheitswidrigen Gesetzes gerügt. Wie der VfGH im Erk. VfSlg. 8806/1980 dargelegt habe, wiesen Darlehens- und Kreditverträge bei weitgehender wirtschaftlicher Gleichartigkeit eine so große rechtliche Affinität auf, daß sie im Hinblick auf die Befreiungsbestimmungen einem Vergleich zu unterziehen seien, soweit diese an wirtschaftliche Gegebenheiten anknüpften. Für eine unterschiedliche Behandlung von Darlehen und Einmalkrediten sei aber unter dem Blickwinkel des Zweckes der Gebührenbefreiung des §14 WohnungsverbesserungsG keine Rechtfertigung zu finden.
In ihrer Gegenschrift zieht die bel. Beh. aus dem Umstand, daß vor Einführung der Gebührenpflicht für Kreditverträge (und der Z5 des §20 durch die Nov. BGBl. 668/1976) Sicherungsgeschäfte zu gebührenpflichtigen Hauptgeschäften (zwischen denselben Parteien) gebührenfrei waren (§19 Abs2 GebG), zunächst den Schluß, daß Pfandbestellungen zu (damals nicht gebührenpflichtigen) Kreditverträgen der Gebührenpflicht unterlegen seien, und leitet daraus dann die These ab, der Gesetzgeber habe nur Darlehen im strengen Sinn (samt Sicherungsgeschäften) von der Gebühr befreien wollen: anderenfalls hätte er auch Pfandbestellungen für Kreditverträge ausnehmen müssen, gleichwie er die Einführung der Möglichkeit der Besicherung durch Bürgschaftsübernahme zum Anlaß einer Ergänzung des §14 genommen und damit auch dieses Sicherungsgeschäft - freilich gleichfalls nur für Darlehen - von der Gebührenpflicht befreit habe.
II. Die Beschwerden sind begründet.
1. Nach dem BG über die Förderung der Verbesserung von Klein- und Mittelwohnungen (Wohnungsverbesserungsgesetz), BGBl. 426/1969, haben die Länder Verbesserungen an verbesserungswürdigen Wohnhäusern und in Klein- und Mittelwohnungen zu fördern (§1). Zu diesem Zweck bestimmt §6 unter der Rubrik "Annuitätenzuschüsse":
"(1) Für die Leistung des Annuitätendienstes von Darlehen der Kreditunternehmungen und Bausparkassen, die zur Finanzierung der Verbesserungen (§1) erforderlich sind ..., kann die Landesregierung für die Dauer der Laufzeit, ..., jährliche Annuitätenzuschüsse, ..., gewähren.
(2) Eine Förderung darf nur gewährt werden, ..."
Nach ähnlichen Regeln kann die Landesregierung die Bürgschaft für Darlehen übernehmen (§6a). Unter der Rubrik "Gebührenbefreiung" bestimmt sodann der hier maßgebliche §14:
"(1) Die durch dieses Bundesgesetz unmittelbar veranlaßten Schriften, die zur Förderung der Verbesserung nach §6 Abs1 dieses Bundesgesetzes erforderlichen Darlehen und die nach §6a Abs1 abgeschlossenen Bürgschaftsverträge sind von den Stempel- und Rechtsgebühren befreit ...
(2) Die gerichtlichen Eingaben und die grundbücherlichen Eintragungen zur pfandrechtlichen Sicherstellung von Darlehen, die zur Finanzierung der nach diesem Bundesgesetz geförderten Verbesserungen aufgenommen werden, sind von den Gerichtsgebühren befreit."
Die Auffassung der bel. Beh., der eindeutige Wortlaut des Gesetzes
verbiete die Frage nach dem Sinn der anzuwendenden Vorschrift, ist im
Ansatz verfehlt. Ausnahmslos jede Norm bedarf der Auslegung. In dem
hier in Rede stehenden Bereich gilt das im besonderen Maße. Wie
nämlich der VfGH schon in Erk. VfSlg. 8806/1980 (S 302 f.) aufgezeigt
hat, wird zwischen Darlehen und Kreditvertrag oft nicht streng
unterschieden. Der im ABGB geregelte Typus der Kreditgewährung ist
allein das Darlehen, das allerdings "von der wenig entwickelten
wirtschaftl(ichen) Verhältnissen genügenden Form ... durch Zuzählung
von Geld oder sonstigen vertretbaren Sachen" ausgeht und "den
komplizierteren Bedingungen der modernen Wirtschaft mit ihren
vielfältigen Formen der Kreditgewährung ... nicht gerecht" wird,
sodaß "in der Praxis, insb(esondere) der Kreditinstitute, ... sich
auf dem Boden der Vertragsfreiheit der sog(enannte) Kreditvertrag" entwickelt hat (Schubert in Rummel, ABGB, Rdz. 1 vor §983); gelegentlich wird allerdings auch von Krediteröffnungsvertrag gesprochen. Ob mit dem Ausdruck "Darlehen" nur der im Gesetz geregelte Realvertrag oder - pars pro toto - auch der in der Praxis entwickelte Konsensualvertrag ("Kreditvertrag", "Krediteröffnungsvertrag") gemeint ist, kann erst dem jeweiligen Zusammenhang entnommen werden.
Nach der unwidersprochen gebliebenen Behauptung des bf. Kreditinstituts unterscheiden die Landesregierungen bei ihren Förderungsmaßnahmen nach dem WohnungsverbesserungsG nicht zwischen Darlehen und Kreditverträgen. Auch der VfGH kann keine Gründe finden, warum die Förderung der Wohnungsverbesserung an die nur durch unwesentliche zivilrechtliche Details von sonstigen Kreditverträgen unterscheidbare Form des eigentlichen Darlehens gebunden sein sollte. Das kurz vor dem WohnungsverbesserungsG erlassene WohnbauförderungsG 1968 meint mit dem Ausdruck "Darlehen" - wie der VfGH an der von der Beschwerde zutreffend hervorgehobenen Stelle des erwähnten Erkenntnisses betont - ganz offenkundig Kreditverträge überhaupt. Läßt man wiederkehrend ausnutzbare (sogenannte revolvierende) Kredite als hier nicht einschlägig außer Betracht, wäre es geradezu unsachlich, wenn der Gesetzgeber über die im Gesetz (insbesondere §6 Abs2) aufgestellten näheren Bedingungen hinaus nur eine ganz bestimmte Form der Kreditgewährung fördern würde.
Das Gebührenrecht selbst unterscheidet wohl zwischen Darlehen und Kreditverträgen. Zu Unrecht legt aber die bel. Beh. dem §14 WohnungsverbesserungsG die Terminologie des Gebührengesetzes zugrunde. Es handelt sich dabei um eine Bestimmung, die auf den §§6 und 6a WohnungsverbesserungsG aufbaut und die dort genannten Vorgänge im Auge hat. Gebührenfrei sollen offenkundig jene Rechtsgeschäfte sein, die von den §§6 und 6a erfaßt werden. Von "Darlehen" ist in §14 WohnungsverbesserungsG also nicht in Anknüpfung an das GebührenG, sondern iS der §§6 und 6a WohnungsverbesserungsG die Rede. Diesen Vorschriften fehlt aber jeder gebührenrechtliche Bezug. Der Ausdruck "Darlehen" ist folglich auch im WohnungsverbesserungsG unspezifisch und von der Regelung und Terminologie des Gebührenrechtes unabhängig verwendet.
Am Gebührenrecht orientierte Überlegungen über die mutmaßliche Rechtslage vor Einführung der Gebührenpflicht für Kreditverträge übertragen die falsche Prämisse nur auf die frühere Rechtslage. Auch die Befreiungsbestimmung für Bürgschaften wurde nur erforderlich, weil die Befreiung des Hauptgeschäftes die als neuer Förderungstypus eingeführten Bürgschaften nicht erfaßt hätte. Wenn frührer Liegenschaftskredite meist in Darlehensform gewährt worden sein sollten, so spräche das eher gegen als für die Schlußfolgerungen der Behörde (vgl. dazu auch VfSlg. 9568/1982). Es ist nichts ersichtlich, was es auch nur nahelegen würde, für Zwecke der Förderung der Wohnungsverbesserung zwischen Darlehen und Einmalkrediten zu unterscheiden. Eine Auslegung, die gebührenrechtlich ungeachtet des Förderungszwecks nach der zufälligen zivilrechtlichen Konstruktion unterscheiden würde, verstieße ebenso gegen den Gleichheitssatz wie eine solche Unterscheidung im Rahmen der §§6 und 6a WohnungsverbesserungsG.
Die bel. Beh. hat dem Gesetz also fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und aufgrund verfassungswidriger - und das heißt iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH: denkunmöglicher - Auslegung in das Eigentum des Zahlungspflichtigen eingegriffen. Die angefochtenen Bescheide verletzen das bf. Kreditinstitut in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und Unversehrtheit des Eigentums. Sie sind daher aufzuheben.
Schlagworte
Zivilrecht, Darlehensvertrag, Kreditvertrag, Wohnungsverbesserung, Auslegung, Gebühr (GebG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B37.1984Dokumentnummer
JFT_10148991_84B00037_00