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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Art140 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung bzw. Feststellung der Verfassungswidrigkeit der §§14, 15 und 52 PensionsO der Beamten der Stadt Wien; Legitimationsmangel, da anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der behaupteten Verfassungswidrigkeit zur Verfügung stand (Entscheidung des vom Bf. angerufenen VwGH bereits ergangen) - nicht ausschlaggebend, ob und inwieweit der VwGH der Kritik an der Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung beitrittSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. Mit Schriftsatz vom 22. Feber 1985 stellte der Einschreiter unter Berufung auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG den Antrag, "der VfGH möge die §§14, 15 und 52 der PensionsO der Beamten der Bundeshauptstadt Wien, Gesetz vom 18. 11. 1966, auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen und, sollte er ihre Verfassungswidrigkeit feststellen, als verfassungswidrig aufheben bzw., sollten diese Rechtsvorschriften bis zu der vom VfGH ergehenden Entscheidung bereits außer Kraft getreten sein, feststellen, daß sie verfassungswidrig waren".
2. Nach §14 Abs1 der Pensionsordnung 1966, LGBl. für Wien Nr. 19/1967, gebührt der Witwe eines Beamten ein monatlicher Witwenversorgungsgenuß, wenn der Beamte am Sterbetag Anspruch auf Ruhegenuß gehabt hat oder im Fall der mit Ablauf dieses Tages erfolgten Versetzung in den Ruhestand gehabt hätte. Die Abs2 und 3 enthalten Regelungen, nach denen ein Anspruch auf Witwenversorgungsgenuß nicht besteht.
Im §15 ist das Ausmaß des Witwenversorgungsgenusses geregelt.
Nach §52 Abs1 der Pensionsordnung 1966 kann dem Angehörigen, der keinen Anspruch auf Versorgungsgeld, dem Hinterbliebenen, der keinen Anspruch auf Versorgungsgenuß oder Unterhaltsbeitrag hat, sowie der Person, die, ohne Angehöriger zu sein, mit dem abgängigen Beamten im Zeitpunkt des Abgängigwerdens oder die, ohne Hinterbliebener zu sein, mit dem verstorbenen Beamten am Sterbetag im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und von ihm erhalten wurde, und einem Kind, das nach Vollendung des 18. Lebensjahres oder nach Ablauf des im §17 Abs2 genannten Zeitraumes infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig wurde, auf die Dauer der Bedürftigkeit eine monatliche Zuwendung gewährt werden.
3. Der Antragsteller bringt vor, daß seine Ehegattin, die er 1952 geheiratet habe, Beamtin der Stadt Wien gewesen sei. Sie sei am 1. Feber 1979 in den Ruhestand getreten und habe nach der Pensionsordnung der Beamten der Stadt Wien einen Ruhegenuß bezogen. Am 5. Feber 1980 sei sie gestorben.
Der Antragsteller habe in der Meinung, daß für einen Witwer der Anspruch auf einen Ruhegenuß in gleicher Weise bestehen müßte wie für die Witwe, beim Magistrat der Stadt Wien die Zuerkennung eines Witwenversorgungsgenusses durch analoge Anwendung der §§14 und 15 der Pensionsordnung der Stadt Wien beantragt. Er habe sich dabei auch auf §52 der Pensionsordnung der Beamten der Stadt Wien berufen, in dem eine Witwerpension nur in Fällen von Bedürftigkeit vorgesehen sei. Darüber hinaus habe er auf die Entscheidung des VfGH VfSlg. 8871/1980 verwiesen, mit der Bestimmung des ASVG, des GSPVG und des B-PVG wegen der ungleichen Behandlung von Witwen und Witwer hinsichtlich des Anspruches auf einen Versorgungsgenuß wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufgehoben wurden.
Da von den Behörden der Stadt Wien über seinen Antrag innerhalb der sechsmonatigen Frist des §73 AVG eine Entscheidung nicht gefällt worden sei, habe er beim VwGH den Antrag gestellt, gemäß Art132 B-VG zu entscheiden.
Mit dem Erk. vom 14. April 1982, Z 81/09/0115-5, habe der VwGH den Antrag auf Zuerkennung eines Witwerversorgungsgenusses nach der am 5. Feber 1980 verstorbenen Ehegattin des Antragstellers abgewiesen.
Nach der ablehnenden Entscheidung des VwGH habe sich der Antragsteller an die Europäische Kommission für Menschenrechte in Straßburg gewendet, doch sei seine Beschwerde für unzulässig erklärt worden, weil nach Ansicht der Kommission Art1 des Zusatzprotokolles zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf das Pensionssystem für Beamte, wie es in Österreich existere, nicht anwendbar sei.
4. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG idF BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH "über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ...".
Der VfGH hat in wiederholten Entscheidungen (vgl. etwa VfSlg. 8890/1980) ausgeführt, daß dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von einem Gesetz Betroffenen Gelegenheit zur Anregung einer amtswegigen Antragstellung an den VfGH bietet, nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände der Partei das Recht zur Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages eingeräumt ist; anderenfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde.
Nun hat nach den eigenen Ausführungen des Antragstellers der VwGH zufolge einer Säumnis der zuständigen Behörden der Stadt Wien über einen Antrag auf Zuerkennung einer Witwenversorgung auf der Grundlage der Bestimmungen der Pensionsordnung der Beamten der Bundeshauptstadt Wien, deren Aufhebung von ihm im vorliegenden Antrag begehrt wird, entschieden. Der Bf. hatte in diesem Verfahren Gelegenheit, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der angeführten Bestimmungen der Pensionsordnung der Beamten der Bundeshauptstadt Wien bestehenden Bedenken geltend zu machen und hat von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht. Es stand ihm ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung der gegen die angeführten Bestimmungen bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken zu Verfügung. Damit ist iS der Rechtsprechung des VfGH die Legitimation zur Stellung eines Antrages iS des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG nicht gegeben; für das Vorliegen eines den Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen gewährenden, die Antragslegitimation ausschließenden zumutbaren Weges iS der Rechtsprechung des VfGH ist nicht ausschlaggebend, ob und inwieweit der von einer Partei angerufene VwGH der Kritik der Partei an der Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung beitritt (vgl. VfSlg. 9515/1982).
Aus diesen Erwägungen war - da das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände zu seiner Einbringung nicht dargetan wurde und vom VfGH nicht festgestellt werden konnte - der Antrag auf Aufhebung der §§14, 15 und 52 der Pensionsordnung der Beamten der Bundeshauptstadt Wien wegen der fehlenden Antragslegitimation zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 idF BGBl. 353/1981 ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Verwaltungsgerichtshof, Individualantrag, PensionsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:G22.1985Dokumentnummer
JFT_10148984_85G00022_00