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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art133 Z4Leitsatz
Art140 Abs3 B-VG; Abhängigkeit prozessualer Folgen hinsichtlich des Prüfungsumfanges vom weiteren Ergebnis des Prüfungsverfahrens Tir. GVG 1983 §13 Abs4; Bestimmungen über die Zusammensetzung der Tir. Landesgrundverkehrsbehörde nicht verfassungswidrig; kein Widerspruch der Bestimmungen zu Art6 Abs1 MRK, selbst wenn infolge der Geschäftseinteilung des Amtes der Tir. Landesregierung eine Verfassungswidrigkeit im Vollzugsbereich (dienstliche Unterordnung eines Mitgliedes der Grundverkehrsbehörde zu einer Partei des Verfahrens) nicht verhindert werden kann; keine Grundlegung einer solchen Verfassungswidrigkeit im Gesetz; keine Verpflichtung des einfachen Gesetzgebers, alle aus Art6 Abs1 MRK erfließenden verfassungsrechtlichen Anordnungen zu wiederholenSpruch
Die lita, c, d, e und f in der Z1 sowie die lita und der Buchstabe "c" in der litb der Z2 des §13 Abs4 des Grundverkehrsgesetzes 1983 (GVG 1983), Anlage zur Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. 69/1983, werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Beim VfGH sind in 39 Fällen Beschwerden gegen Bescheide der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung in der Zusammensetzung nach §13 Abs4 Z1 des Grundverkehrsgesetzes 1983 (GVG 1983), Anlage zur Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. 69/1983, anhängig. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Fälle beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der lita, c, d, e und f der genannten Gesetzesstelle von Amts wegen zu prüfen. Es handelt sich hiebei - geordnet nach den Geschäftszahlen der eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren - um folgende Fälle:
Gesetzesprüfungs- Anlaßfall Datum und Geschäftszahl des
verfahren angefochtenen Bescheides
---------------------------------------------------------------
G68/85 B489/82 3. 8. 1982 LGv-545/4
G70/85 B32/83 10. 12. 1982 LGv-538/7-81
G71/85 B67/84 2. 12. 1983 LGv-750/8
G73/85 B166/83 4. 2. 1983 LGv-444/6-81
G74/85 B135/83 4. 2. 1983 LGv-682/5-82
G75/85 B21/84 2. 12. 1983 LGv-422/21-81
G76/85 B182/84 20. 1. 1984 LGv-320/11-81
G77/85 B794/83 2. 12. 1983 LGv-780/9-82
G78/85 B795/83 2. 12. 1983 LGv-607/8-82
G79/85 B668/83 30. 8. 1983 LGv-708/8-82
G95/85 B197/83 4. 2. 1983 LGv-663/6-82
G96 B195/83 11. 2. 1983 LGv-767/2
G97/85 B680/84 6. 7. 1984 LGv-942/4-83
G98/85 B291/83 25. 3. 1983 LGv-695/2-82
G99/85 B199/83 4. 2. 1983 LGv-680/4-82
G199/85 B198/83 4. 2. 1983 LGv-637/5-82
G101/85 B387/84 9. 3. 1984 LGv-33/14-80
G103/85 B518/82 3. 8. 1982 LGv-538/4-81
G104/85 B170/83 4. 2. 1983 LGv-587/9-82
G105/85 B377/84 9. 3. 1984 LGv-648/8-82
G106/85 B755/84 21. 8. 1984 LGv-980/4
G107/85 B551/84 11. 5. 1984 LGv-975/2
G108/85 B235/84 16. 2. 1984 LGv-367/15-81
G114/85 B162/84 20. 1. 1984 LGv-295/14-81
G115/85 B780/84 21. 8. 1984 LGv-977/5
G116/85 B382/84 9. 3. 1984 LGv-105/11-80
G117/85 B196/83 4. 2. 1983 LGv-711/2-82
G118/85 B237/84 16. 2. 1984 LGv-381/16-81
G119/85 B550/84 11. 5. 1984 LGv-1014/2
G151/85 B319/83 22. 4. 1982 LGv-717/4-82
G152/85 B183/85 22. 1. 1985 LGv-1081/2
G155/85 B194/85 8. 2. 1985 LGv-1069/5-84
G156/85 B212/85 8. 2. 1985 LGv-919/6-83
G157/85 B218/85 1. 3. 1985 LGv-996/7-84
G196/85 B499/85 21. 6. 1985 LGv-1103/6-84
G197/85 B418/85 3. 5. 1985 LGv-1146/5-84
LGv-1119/5-84
G198/85 B208/85 8. 2. 1985 LGv-1037/4-84
G199/85 B607/85 4. 7. 1985 LGv-1147/6-84
G200/85 B556/85 21. 6. 1985 LGv-1097/4-84
1.2. Beim VfGH sind weiters in 18 Fällen Beschwerden gegen Bescheide der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tir. Landesregierung in der Zusammensetzung nach §13 Abs4 Z2 GVG 1983 anhängig. Der VfGH hat aus Anlaß dieser Fälle beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der lita sowie des Buchstaben "c" in der litb dieser Gesetzesstelle von Amts wegen zu prüfen. Hiebei handelt es sich - geordnet nach den Geschäftszahlen der eingeleiteten Gesetzesprüfungsverfahren - um folgende weitere Fälle:
Gesetzesprüfungs- Anlaßfall Datum und Geschäftszahl des
verfahren angefochtenen Bescheides
---------------------------------------------------------------
G69/85 B502/82 3. 8. 1982 LGv-521/2-81
G80/85 B63/84 2. 12. 1983 LGv-261/10-80
G81/85 B218/84 20. 5. 1983 LGv-770/3
G82/85 B657/84 19. 6. 1984 LGv-894/4-83
G83/85 B296/83 25. 3. 1983 LGv-724/3-82
G84/85 B384/84 9. 3. 1984 LGv-873/3-83
G86/85 B667/83 30. 8. 1983 LGv-692/2-82
G87/85 B261/84 9. 3. 1984 LGv-40/11-80
G88/85 B107/84 16. 12. 1983 LGv-841/3
G89/85 B851/84 5. 10. 1984 LGv-1004/3
G90/85 B843/84 6. 9. 1984 LGv-940/2-83
G91/85 B385/84 9. 3. 1984 LGv-885/2-83
G92/85 B521/82 3. 8. 1982 LGv-612/2
G93/85 B202/83 4. 2. 1983 LGv-671/4-82
G94/85 B292/83 25. 3. 1983 LGv-729/2-82
G166/85 B47/84 2. 12. 1983 LGv-288/8-81
G201/85 B606/85 4. 7. 1985 LGv-951/7-83
G202/85 B444/85 3. 5. 1985 LGv-1137/3-83
2.1. Die Tir. Landesregierung hat sich in allen Verfahren inhaltlich übereinstimmend geäußert und die Einstellung der Gesetzesprüfungsverfahren begehrt. Für den Fall, daß diesem Antrage nicht stattgegeben werden sollte, stellt sie den Antrag, die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen nicht als verfassungswidrig aufzuheben, in eventu vom Ausspruch der rückwirkenden Geltung einer allfälligen Aufhebung abzusehen und für das Außerkrafttreten aufgehobener Bestimmungen eine Frist von einem Jahr zu bestimmen, damit rechtzeitig Vorsorge für eine gesetzliche Neuregelung getroffen werden könne.
2.2. Die Bf. der Rechtssache B385/84, die Anlaßfall für das Gesetzesprüfungsverfahren G91/85 ist, haben eine Stellungnahme abgegeben, in der sie sich den im Einleitungsbeschluß dargelegten Bedenken anschließen.
3. Der VfGH hat sämtliche Verfahren gemäß §§187, 404 ZPO (§35 VerfGG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
4.1. Mit Kundmachung der Tir. Landesregierung vom 18. Oktober 1983, LGBl. 69/1983, wurde aufgrund des Landes-Wiederverlautbarungsgesetzes, LGBl. 33/1982, das Grundverkehrsgesetz 1970, LGBl. 4/1971, unter Brücksichtigung der durch die Gesetze LGBl. 6/1974 und 57/1983 bewirkten Änderungen neu verlautbart und die wiederverlautbarte Rechtsvorschrift als Grundverkehrsgesetz 1983 (GVG 1983) bezeichnet.
4.2. §13 Abs4 GVG 1983, welcher der gleich bezeichneten Regelung des GVG 1970 idF LGBl. 6/1974 entspricht, hat folgenden Wortlaut, wobei die in Prüfung gezogenen Bestimmungen hervorgehoben sind:
"(4) In zweiter und oberster Instanz entscheidet die Landesgrundverkehrsbehörde. Diese wird beim Amt der Landesregierung eingerichtet. Ihr gehören als stimmberechtigte Mitglieder an:
1. bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z1:
a) eine mit den Angelegenheiten des Grundverkehrs vertraute Persönlichkeit als Vorsitzender,
b) ein Mitglied aus dem Richterstand,
c) ein in den Angelegenheiten des Grundverkehrs geschulter rechtskundiger Beamter des Amtes der Landesregierung als Berichterstatter,
d) ein Beamter des höheren technischen Agrardienstes des Amtes der Landesregierung,
e) ein Beamter des höheren forsttechnischen Dienstes,
f) ein landwirtschaftlicher Sachverständiger,
g) ein Rechtsanwalt oder ein Notar;
2. bei Grundstücken nach §1 Abs1 Z2:
a) das Mitglied nach Z1 lita als Vorsitzender,
b) die Mitglieder nach Z1 litb, c und g,
c) je ein von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol, der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol und der Landeslandwirtschaftskammer für Tirol vorzuschlagendes Mitglied."
5. Der VfGH hat zur Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens erwogen:
5.1. Der VfGH ist in den Einleitungsbeschluß davon ausgegangen, daß er bei Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Zusammensetzung der jeweils maßgeblichen bel. Beh. die in Prüfung gezogenen Bestimmungen anzuwenden hat und daß auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sodaß die Gesetzesprüfungsverfahren zulässig sind.
5.2. Die Tir. Landesregierung beantragte die Einstellung der Gesetzesprüfungsverfahren und hält den Einleitungsbeschluß entgegen:
"I.
1. ...
2. Daß der VfGH ein Gesetz in einer anhängigen Rechtssache anzuwenden hätte, daß dieses Gesetz also für seine Entscheidung präjudiziell ist, ist nicht nur Voraussetzung für die Prüfung dieses Gesetzes durch den VfGH von Amts wegen, die Präjudizialität begrenzt auch den Umfang der Aufhebung eines Gesetzes (vgl. Haller, Die Prüfung von Gesetzen, 1979, S. 158).
Selbst wenn man nun die Bedenken des VfGH teilen wollte, ... käme
man ... zu dem Ergebnis, daß die Prüfung durch den VfGH sich auf den
gesamten Umfang des §13 Abs4 Z1 bzw. Z2) zu erstrecken hätte und (hinsichtlich der Z1) die litb und g (hinsichtlich der Z2 die Buchstaben b und g in der litb sowie die litc) dieser Vorschrift nicht ausklammern dürfte.
... Die Grenzen der Aufhebung müssen ... jedenfalls so gezogen werden, daß der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt (VfSlg. 8155/1977, 8461/1978). Gerade das aber wäre hier der Fall, wenn der VfGH die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des §13 Abs4 Z1 (bzw. Z2) des Grundverkehrsgesetzes 1983 aufhebt. Die Landesgrundverkehrsbehörde wiese dann eine im Vergleich zur geltenden Rechtslage ganz verschiedene Zusammensetzung auf. Der VfGH hätte damit 'dem Gesetz einen völlig veränderten Inhalt gegeben, damit seine rechtspolitische Entscheidung an (die) Stelle der rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers gesetzt und so eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm von der Verfassung her nicht zukommt' (VfSlg. 8806/1980, S. 315)."
5.3. Mit diesen Ausführungen erkennt die Tir. Landesregierung richtig, daß sich für den VfGH schon bei der Einleitung der vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren die Aufgabe stellte, den Umfang einer allfälligen Aufhebung so abzugrenzen, daß nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als notwendig ist, um die angenommene Verfassungswidrigkeit zu beseitigen, aber auch soweit wie möglich zu vermeiden, daß der verbleibende Gesetzestext eine Änderung seiner Bedeutung erfährt. Da beide Ziele nicht gleichzeitig erreichbar sind, war es für den VfGH unvermeidbar, im Wege einer Abwägung zu bestimmen, welchem der beiden Ziele der Vorrang einzuräumen ist. Die Tir. Landesregierung vermeint, daß der VfGH hiebei falsch vorgegangenen wäre; da nur Teile der Z1 und 2 in Prüfung gezogen worden seien, würde eine allfällige Aufhebung dieser Gesetzesstellen eine Veränderung des Inhaltes der Z1 und 2 in einem Maße bewirken, wie sie als Ergebnis einer Gesetzesprüfung nicht herbeigeführt werden dürfe und nur dem Gesetzgeber selbst vorbehalten sei.
Selbst wenn man die Richtigkeit der Einwendungen der Tir. Landesregierung unterstellt, hängt es erst vom weiteren Ergebnis des Prüfungsverfahrens ab, nämlich ua. davon, ob bei einer allfälligen Verfassungswidrigkeit alle in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen oder nur eine oder die andere aufzuheben wären, welche prozessualen Folgen für die Gesetzesprüfungsverfahren zu ziehen wären (allenfalls zB eine Erweiterung der Prüfungsbeschlüsse). Daher ist vorerst zu klären, inwieweit, bzw. ob überhaupt die im Einleitungsbeschluß geäußerten Bedenken zutreffen.
Zu bejahen ist schließlich in den Anlaßfällen die Rechtzeitigkeit der Beschwerden und die Zulässigkeit der Verfahren; da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist in die Prüfung der Berechtigung der Bedenken einzutreten.
6. Der VfGH hat somit in der Sache selbst erwogen:
6.1. Auszugehen ist - wie schon im Einleitungsbeschluß angenommen - davon, daß Grundverkehrsbehörden über zivilrechtliche Ansprüche iS des Art6 Abs1 MRK zu entscheiden haben; durch die Regelung des §13 Abs4 Z1 und 2 sowie Abs9 GVG 1983 ist die Landesgrundverkehrsbehörde für Tir. als Kollegialbehörde iS des Art133 Z4 B-VG eingerichtet, gegen deren Entscheidungen die Anrufung des VwGH nicht möglich ist. Demnach hat die Zusammensetzung der Landesgrundverkehrsbehörde Art6 Abs1 MRK zu entsprechen (vgl. VfSlg. 7284/1974).
Der VfGH hat die Tribunalqualität der Landesgrundverkehrsbehörde auch schon (ua.) in VfSlg. 8501/1979 anerkannt und darauf verwiesen, daß die Mitglieder der Landesgrundverkehrsbehörde bei Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden sind und das sie während ihrer dreijährigen Amtszeit nur des Amtes enthoben werden können, wenn Umstände eintreten, welche die Bestellbarkeit ausgeschlossen hätten oder wenn die ordnungsgemäße Ausübung des Amtes dauernd unmöglich wird.
6.2. Aber auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (künftig: EuGMR) hat in dem am 22. Oktober 1984, Z 5/1983/61/95 = EuGRZ 1985, 336 ff., im Rechtsfall Sramek (es handelt sich um dieselbe Rechtssache, die Gegenstand des Verfahrens VfSlg. 8501/1979 vor dem VfGH war) ergangenen Urteil ausgeführt, daß die Landesgrundverkehrsbehörde hinsichtlich der Amtszeit der Mitglieder sowie der - beschränkten - Möglichkeit sie abzuberufen den Erfordernissen des Art6 Abs1 MRK entspricht; auch untersage das Gesetz der Behörde, den Mitgliedern der Grundverkehrsbehörde Weisungen zu erteilen. Mit der Konvention sei weiters grundsätzlich vereinbar, daß drei Beamte der Landesregierung Mitglieder der Landesgrundverkehrsbehörde sind. Der EuGMR führt jedoch weiters (wörtlich laut nichtamtlicher deutscher Übersetzung der Kanzlei des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte) aus:
"41. ...
Allerdings unterscheidet sich der gegenwärtige Fall vom Ringeisen-Fall darin, daß der Landesregierung, vertreten durch den Landesgrundverkehrsreferenten, die Stellung einer Partei zukam, als sie gegen den erstinstanzlichen, zugunsten von Frau Sramek entschiedenen Bescheid Berufung an die Landesgrundverkehrsbehörde erhob, und darin, daß einer der betreffenden drei Beamten den Landesgrundverkehrsreferenten zum Vorgesetzten hatte (s. oben, Abschnitt 12). Dieser Beamte hatte in der Landesgrundverkehrsbehörde eine Schlüsselstellung inne: als Berichterstatter hatte er die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens darzulegen und zu erörtern und danacht Anträge zu stellen; seine Dienststelle, nämlich die Abteilung III b. 3, besorgte die Kanzleigeschäfte (s. oben, Abschnitte 13 a.E., 14 und 28 a.E.).
Wie die Regierung betont, konnte der Landesgrundverkehrsreferent seine Vorgesetztenstellung nicht dahingehend ausnützen, daß er dem Berichterstatter für die Behandlung von Fällen bindende Weisungen erteilte (s. oben, Abschnitt 26), und es deutet auch nichts darauf hin, daß dies im vorliegenden Fall geschehen sei.
42. Nichtsdestoweniger darf sich der Gerichtshof nicht darauf beschränken, nur jene Auswirkungen ins Auge zu fassen, die die untergeordnete Stellung des Berichterstatters im Verhältnis zum Landesgrundverkehrsreferenten tatsächlich gehabt haben kann. Um zu entscheiden, ob ein Gericht entsprechend der Forderung des Art6 als unabhängig angesehen werden kann, ist auch der äußere Anschein von Bedeutung (s., mutatis mutandis, das oben erwähnte Campbell und Fell-Urteil, Serie A Nr. 80, S. 39/40, Abschnitt 78, und das Piersack-Urteil vom 1. Oktober 1982, Serie A Nr. 53, S. 14 - 15, Abschnitt 30).
Wenn, wie im gegenständlichen Fall, zu den Mitgliedern eines 'Gerichts' eine Person gehört, die sich sowohl im Hinblick auf ihre Pflichten als auch auf die Organisation ihres Amts im Verhältnis zu einer der Parteien in untergeordneter Stellung befindet, können die Parteien berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit jener Person hegen. Eine derartige Situation beeinträchtigt ernstlich das Vertrauen, das die Gerichte in einer demokratischen Gesellschaft erwecken müssen (s., mutatis mutandis, das oben erwähnte Piersack-Urteil, Serie A Nr. 53, S. 14 - 15, Abschitt 30).
Dementsprechend liegt eine Verletzung von Art6 Abs1 vor."
6.3. Hieran anknüpfend führte der VfGH in den Einleitungsbeschl. seine Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Bestimmungen wie folgt aus:
"Auch dem VfGH scheint es mit Art6 MRK unvereinbar, daß ein Gericht (Tribunal) jemanden zu seinen Mitgliedern zählt, der sich gegenüber einer Partei des Verfahrens in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befindet, da andernfalls die der Gerichtsbarkeit Unterworfenen legitimer Weise an der Unabhängigkeit jenes Mitgliedes Zweifel hegen könnten. Eine solche Situation würde das Vertrauen, das Gerichte in einer demokratischen Gesellschaft verbreiten müssen, belasten. Diese - mit Art6 MRK nicht vereinbare - Situation dürfte in der Tat dann vorliegen, wenn der Landesgrundverkehrsreferent, der im Grundverkehrsverfahren berufungsberechtigt ist, nach der bestehenden Gesetzeslage auch funktioneller oder dienstlicher Vorgesetzter eines Mitgliedes der Landesgrundverkehrsbehörde sein kann. Gerade dies scheinen die Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes tatsächlich zu ermöglichen.
§14 Abs1 GVG ordnet nun an, daß die Landesregierung zwecks Ausübung näher bestimmter Befugnisse eine mit den Angelegenheiten des Grundverkehrs vertraute Person zum Landesgrundverkehrsreferenten und zu seinem Stellvertreter zu bestellen hat. Als solcher kann offensichtlich auch ein Landesbeamter in Frage kommen, was derzeit auch tatsächlich der Fall ist.
Aus den in Prüfung gezogenen Regelungen scheint zusätzlich hervorzugehen, daß der Landesgrundverkehrsbehörde Personen als Mitglieder anzugehören haben, die als Beamte in ganz bestimmten engen Sachbereichen (die zum Grundverkehr in einem gewissen Konnex stehen) tätig zu sein haben.
§13 Abs6 GVG legt für die Bestellung von Mitgliedern der Landesgrundverkehrsbehörde eine Altersgrenze fest, und bestimmt ansonsten lediglich, daß vom Amt eines Mitgliedes (Ersatzmitgliedes) ausgeschlossen ist, wer wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung zum Geschwornen- und Schöffenamt unfähig ist. Eine darüber hinausgehende Ausschlußregelung scheint aus dem GVG nicht hervorzugehen. Es dürfte sich aber auch sonst keine gesetzliche Bestimmung finden, die ausschließt, daß ein Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde an einer Entscheidung mitwirkt, obwohl ihm eine Verfahrenspartei funktionell oder dienstlich hierarchisch übergeordnet ist. Gerade dies scheint hier vorzuliegen, da das Gesetz es erlaubt, daß ein Landesbeamter als Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde an der Entscheidung über eine Berufung mitwirkt, die von einer Amtspartei erhoben wurde, obwohl mit dieser Stellung ein anderer Landesbeamter betraut ist, der den Mitgliedern der Landesgrundverkehrsbehörde dienstlich übergeordnet ist.
Daß es zu einer solchen Situation an sich kommen kann, dürfte sich aus der in Prüfung gezogenen Regelung ergeben, wonach als Mitglieder der Landesgrundverkehrsbehörde Personen vorgesehen sind, die nach ihrer sonstigen beruflichen Tätigkeit als Beamte in ein dienstliches Verhältnis der Über- und Unterordnung eingebunden sind, oder (im Falle der lita und f leg. cit.) sein können, zumal es sich um einen verhältnismäßig engen Personenkreis handelt.
Der VfGH geht bei den obengenannten Überlegungen davon aus, daß den Bestimmungen, die die Zusammensetzung eines Gerichts (Tribunal) allgemein festlegen, die Funktion der Regel und den Bestimmungen, die für den Einzelfall festlegen, wann ein Mitglied von der Mitwirkung an einem Rechtsfall ausgeschlossen ist, die Funktion der Ausnahme zukommen dürfte, wobei das Fehlen einer gebotenen Ausnahmebestimmung zu einer Bedenklichkeit der Regel selbst führt, wenn nur auf diesem Wege die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann. Dies scheint bei der in Prüfung gezogenen Regelung der Fall zu sein.
Im Gesetzesprüfungsverfahren wird schließlich auch zu prüfen sein, ob ein im Sinne der Konvention feststellbarer Mangel - wie er in diesem Beschluß vorläufig angenommen wird - im Vollzug liegen kann."
6.4. Die Tir. Landesregierung hält diesen Bedenken des VfGH entgegen:
"II.
1. ...
Der Grund, aus dem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung des Art6 Abs1 MRK ... als gegeben erachtete, lag allein darin, daß der Landesregierung, vertreten durch den Landesgrundverkehrsreferenten, im gegenständlichen Verfahren die Stellung einer Partei zukam, daß einer der drei der Landesgrundverkehrsbehörde angehörenden Beamten - der Berichterstatter - den Landesgrundverkehrsreferenten zum Vorgesetzten hatte und daß, wenngleich der Landesgrundverkehrsreferent seine Stellung als Vorgesetzter durch Erteilung von Weisungen an den Berichterstatter weder (rechtlich) ausnützen konnte noch tatsächlich ausgenützt hat, der mit der 'untergeordneten Stellung' ('subordinate position') des Berichterstatters gegenüber dem Landesgrundverkehrsreferenten als einer Verfahrenspartei gegebene 'äußere Anschein' ('appearances') bewirkt, daß die Parteien 'berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit dieser Person' - nämlich des Berichterstatters - haben können.
Art6 Abs1 MRK gebietet mithin jedenfalls in der Auslegung, die ihm die Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in dem zitierten Urteil gegeben hat (siehe allerdings die gegenteilige Auffassung in der 'abweichenden Meinung' der Richter Sir Vincent Evans und J. Gersing), daß keines der Mitglieder der Landesgrundverkehrsbehörde sich gegenüber dem Landesgrundverkehrsreferenten in einem - wie es der VfGH ausgedrückt hat - 'Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung' befindet.
2. ...
Die nach der Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Art6 Abs1 MRK enthaltene Anordnung, daß sich ein Mitglied eines 'Tribunals' im Sinne dieser Vorschrift weder im Hinblick auf seine Pflichten noch auch auf die Organisation seines Amtes im Verhältnis zu einer der Parteien in untergeordneter Stellung befinden darf, ist somit Inhalt einer Norm des Bundesverfassungsrechtes. Diese Anordnung bindet jedenfalls den einfachen (Bundes- und Landes-)Gesetzgeber. Der einfache Gesetzgeber hat dieses Verfassungsgebot zu beachten, er ist jedoch verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, es zu wiederholen. Das bedeutet: Ein einfaches Gesetz steht - unter dem hier in Rede stehenden Gesichtspunkt betrachtet - mit Art6 Abs1 MRK schon dann im Einklang, wenn es dem in dieser Verfassungsnorm enthaltenen, hier zur Erörterung stehenden Gebot nicht widerspricht. Es ist für die Verfassungsmäßigkeit der einfach-gesetzlichen Regelung jedoch keineswegs erforderlich, daß sie dieses Gebot wiederholt.
Die vom VfGH in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes 1983 stehen nun mit Art6 Abs1 MRK keineswegs in einem inhaltlichen Widerspruch. Derartiges wird auch im Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht behauptet. Dieses Urteil gibt überhaupt nicht ausdrücklich an, durch welche Rechtsnorm die angenommene Verletzung des Art6 Abs1 MRK bewirkt wurde.
Die nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte konventionswidrige innerstaatliche Rechtslage wurde in der Tat keineswegs durch die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Grundverkehrsgesetztes 1983, sondern durch die Verordnung des Landeshauptmannes vom 14. November 1978, LGBl. Nr. 21/1979, über die Geschäftseinteilung des Amtes der Landesregierung und in der Folge durch die an ihre Stelle getretene Verordnung des Landeshauptmannes vom 28. Juni 1983, LGBl. Nr. 70, über die Geschäftseinteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung herbeigeführt. Nach diesen Vorschriften unterstand die Abteilung des Amtes der Landesregierung (IIIb3), die unter anderem die Kanzleigeschäfte der Landesgrundverkehrsbehörden zu besorgen hat und der das als Berichterstatter fungierende Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde angehört, der Gruppe III, deren Vorstand zugleich die Funktion des Landesgrundverkehrsreferenten ausübt. Der 'im Sinne der Konvention feststellbare Mangel' lag somit tatsächlich, wie der VfGH im vorletzten Absatz der Begründung seines Beschlusses vom 1. März 1985, B489/82-10, angedeutet hat, 'im Vollzug'. Dieser verfassungswidrige Rechtszustand wurde, um der Rechtsanschauung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Rechnung zu tragen, unverzüglich nach dem Bekanntwerden seiner Entscheidung geändert. Durch die Verordnung des Landeshauptmannes vom 21. November 1984, LGBl. Nr. 58, mit der die Verordnung über die Geschäftseinteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung geändert wird, wurde die Abteilung IIIb3 des Amtes der Tiroler Landesregierung aus der Gruppe III herausgelöst. Damit wurde das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als im Widerspruch zu Art6 Abs1 MRK stehend gerügte Verhältnis der Unterordnung des als Berichterstatter der Landesgrundverkehrsbehörde tätigen, der Abteilung IIIb3 des Amtes der Tiroler Landesregierung angehördenden Beamten unter den Landesgrundverkehrsreferenten (in seiner Eigenschaft als Vorstand der Gruppe III des Amtes der Tiroler Landesregierung) geseitigt und solchermaßen der der Rechtsanschauung des Europäischen Gerichtshofes entsprechende Rechtszustand hergestellt.
3. Letztlich folgt aus Art6 Abs1 MRK in der Auslegung, die ihm der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nunmehr gegeben hat, für das Verhältnis eines 'Tribunals' im Sinne dieser Konventionsnorm zur Exekutive das bereits von Pernthaler (Pernthaler, Die Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag, Schriftenreihe des Instituts für Föderalismusforschung, Bd. 4, S. 74) herausgestellte Prinzip der 'organisatorischen Gewaltentrennung', aus dem sich nach Pernthaler ergibt: 'Über die konkreten Anlaßfälle hinaus müßte der VfGH demnach - ebenso wie die europäischen Instanzen - den Grundsatz der Unabhängigkeit auch dahingehend als Prüfungsmaßstab heranziehen, ob ungeachtet der formalen Gesetzeslage im Einzelfall eine Verletzung dieses Grundsatzes und damit eine Verfassungswidrigkeit des Rechtsaktes vorliegt.' Die Verfassungswidrigkeit liegt mithin (arg. 'ungeachtet der formalen Gesetzeslage') nicht im (einfachen) Gesetz, sie fällt der Vollziehung zur Last. Im gegebenen Fall hätte der gerügte Widerspruch zu der durch Art6 Abs1 MRK geschaffenen (Verfassungs-)Rechtslage nicht nur durch eine entsprechende inhaltliche Gestaltung der Verordnung des Landeshauptmannes über die Geschäftseinteilung des Amtes der Landesregierung, sondern auch durch andere Maßnahmen der Vollziehung verhindert werden können, etwa dadurch, daß zum Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde nach §13 Abs4 Z1 litc des Grundverkehrsgesetzes 1983 ein Beamter des Amtes der Landesregierung bestellt worden wäre, der sich zum Landesgrundverkehrsreferenten nicht 'in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung' befindet, oder aber auch dadurch, daß zum Landesgrundverkehrsreferenten im Sinne des §14 Abs1 des Grundverkehrsgesetzes 1983 eine 'Persönlichkeit' bestellt worden wäre, die sich zu dem eben erwähnten Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde nicht 'in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher' Überordnung befindet. Daß im vorliegenden Fall zunächst, nämlich bis zur Erlassung der Verordnung LGBl. Nr. 58/1984, nichts dergleichen geschehen ist, bewirkte im Sinne Pernthalers 'eine Verfassungswidrigkeit des Rechtsaktes' - die Verletzung eines verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes durch den angefochtenen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde wegen nicht verfassungskonformer Zusammensetzung dieses Kollegialorgans - keineswegs aber, wie dargelegt, die Verfassungswidrigkeit der in Prüfung gezogenen Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes 1983.
4. ... Der VfGH begründet die von ihm vorläufig angenommene
Verfassungwidrigkeit der in Rede stehenden Bestimmungen des
Grundverkehrsgesetzes 1983 ... damit, daß der Landesgesetzgeber es
unterlassen habe, in das Grundverkehrsgesetz 1983 eine Vorschrift aufzunehmen, die es ausschließt, zum Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde einen Beamten des Amtes der Landesregierung zu bestellen, der dem Landesgrundverkehrsreferenten funktionell oder dienstlich unterstellt ist.
Diese Unterlassung bedeutet jedoch nach Ansicht der Tiroler Landesregierung, wie bereits oben betont wurde, durchaus nicht, daß die vom VfGH in Prüfung gezogenen (oder andere) Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes 1983 dem Art6 Abs1 MRK widersprechen und daher verfassungswidrig sind. Davon könnte nur dann gesprochen werden, wenn das Grundverkehrsgesetz 1983 eine solche Unterstellung vorgesehen hätte. Das aber ist nicht einmal nach Ansicht des VfGH der Fall. Eine solche Unterstellung ausdrücklich auszuschließen aber war der Landesgesetzgeber, um eine verfassungskonforme Regelung zu treffen, keineswegs gehalten. Der Ausschluß einer solchen Unterstellung folgt ja, wie dargetan, bereits unmittelbar aus Art6 Abs1 MRK."
6.5.1. Der VfGH vertritt ebenso wie der EuGMR die Auffassung, daß das Tätigwerden eines Mitgliedes der Tir. Landesgrundverkehrsbehörde, das in seiner Eigenschaft als Beamter des Amtes der Tir. Landesregierung dem beamteten Grundverkehrsreferenten und damit einer Partei des Verfahrens dienstlich untersteht, unter besonderen Umständen, wie sie im Fall Sramek vorlagen, in der Beschwerdesache VfSlg. 8501/1979 jedoch vor dem VfGH noch nicht zur Erörterung standen, mit der Verfassungsbestimmung des Art6 MRK unvereinbar ist.
Zu klären bleibt lediglich, ob dieser Verfassungsverstoß dem Vollzug anzulasten ist - wie dies die Tir. Landesregierung vermeint - oder zufolge der im Einleitungsbeschl. aufgeworfenen Bedenken das Gesetz trifft.
6.5.2. Der VfGH hält hiezu zunächst fest, daß sich das Urteil des EuGMR im Fall Sramek nur mit einem Konventionsverstoß des Vollzuges befaßt, was sich schon daraus ergibt, daß der EuGMR "mutatis mutandis" dem Urteil im Fall Piersack folgt (aaO Z42). Im "Piersack-Urteil" erklärte der EuGMR jedoch ausdrücklich (aaO Z33), daß die Frage, ob die vom Beschwerdeführer bekämpfte Entscheidung von einem "auf Gesetz beruhenden Gericht" gefällt wurde, nicht zu prüfen war.
6.5.3.1. Die Tir. Landesregierung hält dem VfGH letztlich entgegen, daß die Anordnungen, die aus Art6 Abs1 MRK erfließen, dem einfachen Gesetzgeber nur eine widersprechende Normsetzung untersagen, ihn aber keineswegs verpflichen, verfassungsrechtliche Anordnungen zu wiederholen. Das GVG 1983 stehe mit Art6 Abs. MRK schon dann im Einklang, wenn es den in dieser Verfassungsnorm enthaltenen Geboten nicht widerspreche. Daß ein solcher Widerspruch bestehe, werde auch im Urteil des EuGMR nicht behauptet. Im Sramek-Fall hätte der gerügte Verstoß gegen Art6 Abs1 MRK nicht nur durch die Änderung der Geschäftseinteilung, sondern auch durch andere Maßnahmen der Vollziehung verhindert werden können, etwa dadurch, daß zum Mitglied der Landesgrundverkehrsbehörde nach §13 Abs4 Z Z1 litc GVG 1983 ein Beamter des Amtes der Landesregierung bestellt worden sei, der sich zum Landesgrundverkehrsreferenten nicht in einem Verhältnis funktioneller oder dienstlicher Unterordnung befand. Die in Frage stehende dienstliche Unterordnung außerhalb der Kommissionstätigkeit im GVG selbst auszuschließen sei der Landesgesetzgeber keineswegs gehalten gewesen. Der Ausschluß einer solchen Unterordnung folge ja bereits unmittelbar aus Art6 Abs1 MRK.
6.5.3.2. Der VfGH muß diesen Ausführungen der Tir. Landesregierung beipflichten. Die Geschäftseinteilung des Amtes der Tir. Landesregierung beruht nicht auf den in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen; das Gesetz hat auch keinen Inhalt, der zu einem Verstoß gegen Art6 MRK, wie er im Fall Sramek vom EuGMR festgestellt wurde, führt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß §13 Abs6 GVG 1983, wonach nur wegen einer strafgerichtlichen Verurteilung zum Geschwornen- und Schöffenamt unfähige Personen nicht zum Mitglied der Tir. Landesgrundverkehrsbehörde bestellt werden dürfen, eine Verfassungswidrigkeit, wie sie im Fall Sramek festgestellt wurde, nicht zu verhindern vermag. Hiebei handelt es sich nämlich, wie die Tir. Landesregierung richtig erkennt, nicht um einen Verfassungsverstoß, der in den Bestimmungen über die Zusammensetzung der Tir. Landesgrundverkehrsbehörde seine Grundlegung findet. Diese Normen legen ein solches Vorgehen auch keineswegs nahe. Der VfGH teilt ferner auch die Ansicht der Tir. Landesregierung, daß der einfache Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, alle verfassungsrechtlichen Anordnungen, die aus Art6 Abs1 MRK erfließen, zu wiederholen. Nur insoweit, als die Verfassungsanordnung einfach-gesetzlicher Bestimmungen bedarf, um der Verfassung Geltung zu verschaffen, ist die Erlassung solcher Bestimmungen geboten. Derartiges trifft aber hier nicht zu. Die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen sind demnach mit den aufgeworfenen Bedenken nicht belastet.
7. Die Gesetzesprüfungsverfahren haben somit nicht ergeben, daß die in Prüfung gezogenen Bestimmungen dem Art6 MRK widersprechen. Damit erübrigte es sich, auf die im Punkt 5.3. offengebliebenen Fragen weiter einzugehen. Es war vielmehr spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang, Behördenzusammensetzung, GrundverkehrsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:G68.1985Dokumentnummer
JFT_10148983_85G00068_00