TE Vfgh Erkenntnis 2006/9/26 B500/05

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Veröffentlicht am 26.09.2006
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
Tir GVG 1996 §6 Abs1 litb, litc

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kauf- und Tauschvertrages mangels Selbstbewirtschaftung des von der beteiligten Partei erworbenen Grundstücks und wegen mangelnder fachlicher Befähigung des Erwerbers; verfassungswidrig erkannte Bestimmung über die Voraussetzung der Selbstbewirtschaftung bis zu ihrem Außerkrafttreten unangreifbar und von der Behörde anzuwenden; Aufhebung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Versagung der Genehmigung eines weiteren Kaufvertrages wegen Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter mangels Zuständigkeit der Berufungsbehörde zur Fällung einer Sachentscheidung; Berufungsgegenstand bloß Frage des Vorliegens von "res iudicata"

Spruch

1. Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides wendet, abgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer ist durch Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seiner Rechtsvertreter die mit € 1.260,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

3. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.      1. Der Beschwerdeführer D. erwarb mit Kauf- und Tauschvertrag

vom 10.11.2003 das Gst ... in EZ ... und das Gst ... in EZ ...,

GB ..., und die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof

beteiligte Partei A. erwarb mit diesem Kauf- und Tauschvertrag das

Gst ..., in EZ .... Ferner erwarb der Beschwerdeführer mit

Kaufvertrag vom 5.11.2003 das Gst ... in EZ ..., ebenso GB ...

2. Mit Bescheid der Bezirks-Grundverkehrskommission Scharnitz als Grundverkehrsbehörde I. Instanz vom 5.2.2004 wurde dem Kauf- und Tauschvertrag vom 10.11.2003 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung im Wesentlichen mit der Begründung versagt, dass den Voraussetzungen nach §6 Abs1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl. Nr. 61 (im Folgenden: TGVG 1996), mangels einer Hofstelle in Scharnitz nicht entsprochen werde. Darüber hinaus verfüge der Beschwerdeführer nicht über eine fachliche Befähigung im Sinne einer Facharbeiterprüfung oder sonstigen landwirtschaftlichen Ausbildung. Mit diesem Bescheid wurde ferner die Anzeige des Kaufvertrags vom 5.11.2003 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, weil dazu bereits der in Rechtskraft erwachsene Bescheid vom 23.5.2002, Zl. 60-16349/47/1-2001, ergangen sei und sich seither die Sach- und Rechtslage nicht geändert habe.

3. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 17.3.2005 hinsichtlich der Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Kauf- und Tauschvertrags vom 10.11.2003 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 1). Weiters wurde ausgesprochen, dass dem Kaufvertrag vom 5.11.2003 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung nach §4 Abs1 lita iVm. §6 Abs1 und §25 Abs1 TGVG 1996 versagt wird (Spruchpunkt 2). Dieser Bescheid wurde zusammengefasst wie folgt begründet:

Zu Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides wurde festgehalten, dass sich im Zuge des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ergeben habe, dass die beteiligte Partei A. ihr mit Kauf- und Tauschvertrag vom 10.11.2003 erworbenes Gst ..., in EZ ..., im Ausmaß von 2.224 m² nicht selbst bewirtschafte; es werde derzeit von einem Nebenerwerbslandwirt gemäht. Zudem sei keine Landwirtschaft vorhanden. Weiters ging die belangte Behörde davon aus, dass mit diesem Kauf- und Tauschvertrag bloß die Bereinigung des durch Erbteilung entstandenen Miteigentums beabsichtigt worden sei. Eine ausreichende und verlässliche Prognose iSd. §6 Abs1 litb TGVG 1996 könne vor allem deshalb nicht erfolgen, weil weder die beteiligte Partei A. noch ihr Sohn einen Landwirtschaftsbetrieb besitzen würden. Es seien sohin letztlich keine Umstände hervorgekommen, die dafür sprechen würden, dass das näher bezeichnete Grundstück selbst auf Betriebsbasis bewirtschaftet werden soll.

Zu Spruchpunkt 2 des bekämpften Bescheides führte die Landes-Grundverkehrskommission aus, dass sich die, für den bereits in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 23.5.2005, Zl. 60-16349/47/1-2001, maßgebende Sach- und Rechtslage geändert habe.

"Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwSlg. 9315 A) hat die Berufungsbehörde im Allgemeinen Änderungen der Sach- und Rechtslage von Amts wegen wahrzunehmen, wie es sich schon aus den Grundsätzen der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheitserforschung ergibt. Weiters ist die Berufungsbehörde grundsätzlich verpflichtet, nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetretene Änderungen der Sach- und Beweislage in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen (VwGH 27.5.1986, 86/07/0051).

Die erkennende Behörde vertritt nun die Auffassung, dass sich durch die Vorlage der Unterlagen hinsichtlich der fachlichen Kenntnisse des Berufungswerbers eine Änderung der Sach- und Rechtslage ergibt. Hinsichtlich der Behebung des angefochtenen Bescheides wegen entschiedener Sache war somit antragsgemäß zu entscheiden. (...)"

Nach Ansicht der belangten Behörde sei die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Kaufvertrags vom 5.11.2003 dennoch zu versagen, weil die grundverkehrsrechtlichen Voraussetzungen nach §6 Abs1 TGVG 1996 angesichts des nicht genehmigten Kauf- und Tauschvertrags vom 10.11.2003 nicht vorlägen; der Beschwerdeführer verfüge nämlich über keine ausreichende Betriebsbasis, sodass weder von einer Erhaltung oder einer Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch von der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes im Sinne des TGVG 1996 gesprochen werden könne.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsausübung sowie auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs behauptet, die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides und für den Fall der Abweisung oder Ablehnung der Beschwerde ihre Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des TGVG 1996, LGBl. Nr. 61 in der Fassung LGBl. Nr. 75/1999, lauten:

"§2

Begriffsbestimmungen

...

(2) Ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb (Voll-, Zu- oder Nebenerwerbsbetrieb) ist jede selbständige wirtschaftliche Einheit, die vom Eigentümer, Pächter oder Fruchtnießer selbst oder zusammen mit Familienangehörigen oder mit den darüber hinaus allenfalls erforderlichen land- und forstwirtschaftlichen Dienstnehmern bewirtschaftet wird und die geeignet ist, zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters bzw. seiner Familie beizutragen.

...

2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder

forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

...

§6

Genehmigungsvoraussetzungen

(1) Die Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

b) gewährleistet ist, daß die erworbenen land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden,

c) der Erwerber über die für die Selbstbewirtschaftung erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt und

d) der Erwerber erklärt, dass durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll.

..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

a) Zum Kauf- und Tauschvertrag vom 10.11.2003 (Spruchpunkt 1):

1.1. Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein und verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 23.9.2003 in der Rechtssache Ospelt (C-452/01), aus dem sich ergebe, dass die Kapitalverkehrsfreiheit sowie die Wohnsitz- und Niederlassungsfreiheit aller Bürger im Europäischen Wirtschaftsraum auf unzulässige Weise eingeschränkt werde, wenn eine Regelung vorsähe, dass der Erwerber eines landwirtschaftlichen Grundstückes dieses selbst zu bewirtschaften habe. Nach diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofes sei es nämlich nur erforderlich, dass die landwirtschaftlichen Grundstücke tatsächlich bewirtschaftet werden; dies träfe zu, da sämtliche verfahrensgegenständlichen Liegenschaften gemäht würden.

1.2. Ferner verkenne die belangte Behörde die Rechtslage, wenn sie vermeine, dass die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu versagen sei, wenn ein Dritter - der bereits Eigentümer landwirtschaftlicher Grundstücke sei - nicht die Voraussetzungen für die Selbstbewirtschaftung erfülle. Zudem erfülle der Beschwerdeführer die gesetzlich geforderten Voraussetzungen nach dem TGVG 1996. Auch die belangte Behörde habe festgestellt, dass er über ausreichende fachliche Kenntnisse zur Führung einer Landwirtschaft verfüge.

1.3. Die belangte Behörde habe auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs gemäß Art6 StGG verletzt. Dazu führte der Beschwerdeführer Folgendes aus:

"(...) Insbesondere ist festzuhalten, dass durch die Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes offensichtlich nur Landwirte landwirtschaftliche Grundstücke erwerben können. Darüber hinaus begrenzen die Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken auch dahingehend, dass offensichtlich Voraussetzung ist, dass ein Landwirt nur dann landwirtschaftliche Grundstücke erwerben kann, wenn er eine entsprechende Hofstelle besitzt. (...)"

2.1. Soweit in der Beschwerde im Zusammenhang mit der angewendeten Bestimmung des §6 Abs1 litb TGVG 1996 die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 23.9.2003 in der Rechtssache Ospelt (C-452/01) ins Treffen geführt wird, ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg. 17.422/2004 §6 Abs1 litb und c, die Wortfolge "im Sinne des Abs1 litb" im §6 Abs2 sowie die Abs3 und 7 in §6 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996, LGBl. Nr. 61 idF LGBl. Nr. 75/1999, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen hat, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31.12.2005 in Kraft tritt. Diese Aussprüche wurden am 13.1.2005 im LGBl. Tirol Nr. 9/2005 kundgemacht. Daraus folgt, dass der hier maßgebliche §6 Abs1 litb und c TGVG 1996 in der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannten Fassung LGBl. Nr. 75/1999 bis zum 31.12.2005 - unangreifbar - dem Rechtsbestand angehört hat; er war somit auch von der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides am 22.3.2005 anzuwenden.

2.2. Im Hinblick auf das soeben Gesagte und angesichts des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die belangte Behörde den angewendeten Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Das ist der belangten Behörde nicht vorzuwerfen:

Die belangte Behörde hat ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und auch einen Lokalaugenschein vornehmen lassen, auf Basis dessen sie in nachvollziehbarer Weise zum Schluss gelangt ist, dass das Gst ... in EZ ..., welches ebenso Gegenstand des Kauf- und Tauschvertrags vom 10.11.2003 ist und somit vom gegenständlichen grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsverfahren erfasst ist, weder von der beteiligten Partei A. respektive von ihrem Sohn selbst bewirtschaftet wird, zumal sie keinen landwirtschaftlichen Betrieb besitzen.

2.3. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbsausübung verletzt worden zu sein. Dazu ist auszuführen, dass eine Verletzung dann vorliegt, wenn die Behörde den Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbstätigkeit gesetzlos (in denkunmöglicher Anwendung eines Gesetzes) oder aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes untersagt. Art6 StGG gewährt jedoch keinen Schutz gegen Amtshandlungen, die die Erwerbstätigkeit nicht unmittelbar betreffen, mögen auch die Nebenwirkungen mittelbar die Erwerbstätigkeit verhindern; die Erwerbsfreiheit wird sohin nicht verletzt, wenn der Verwaltungsakt die Realisierung einer bestimmten Erwerbsbetätigung lediglich faktisch verhindert (vgl. etwa VfSlg. 13.856/1994).

Die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zum Rechtserwerb greift nicht unmittelbar in die Erwerbsbetätigung des Beschwerdeführers ein; dies wird in der Beschwerde auch gar nicht behauptet. Der Beschwerdeführer ist daher auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbsausübung verletzt worden.

2.4. Ohne nähere Begründung wirft der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs vor. Im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist nichts hervorgekommen, das auf eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts hindeutet.

b) Zum Kaufvertrag vom 5.11.2003 (Spruchpunkt 2):

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes insbesondere dann verletzt, wenn die Berufungsbehörde in einer Angelegenheit entscheidet, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war (vgl. VfSlg. 7641/1975, VfSlg. 8176/1977).

2. Ein solches Vorgehen ist der belangten Behörde vorzuwerfen:

Der erstinstanzliche Bescheid bezog sich seinem Inhalt nach ausschließlich darauf, dass der Kaufvertrag vom 5.11.2003 jenem Kaufvertrag aus dem Jahr 2001 gleiche, der bereits Gegenstand eines grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsverfahrens gewesen sei, welches mit negativem rechtskräftigen Bescheid vom 23.5.2002, Zl. 60-16349/47/1-2001, abgeschlossen worden sei. Da sich seither die Sach- und Rechtslage nicht geändert habe, erkannte die Behörde erster Instanz, dass "res iudicata" vorliege und die Anzeige des nunmehr angezeigten Kaufvertrags somit zurückzuweisen sei.

Demgegenüber kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass sich seit dem zitierten Bescheid aus dem Jahr 2002 die Sach- und Rechtslage insofern geändert habe, als die nunmehr vorgelegten Unterlagen ergeben haben, dass der Beschwerdeführer ausreichende fachliche Kenntnisse zur Führung einer Landwirtschaft aufweise. Darüber hinaus wurde ausgesprochen, dass die grundverkehrsbehördliche Genehmigung (neuerlich) zu versagen sei, weil die grundverkehrsbehördlichen Voraussetzungen nach §6 Abs1 TGVG 1996 nicht vorlägen.

Wie bereits dargetan, führte die belangte Behörde dazu noch aus, dass sie nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen Änderungen der Sach- und Rechtslage von Amts wegen wahrzunehmen habe. Ferner sei sie grundsätzlich verpflichtet, nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetretene Änderungen der Sach- und Beweislage in ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.

3. Dabei übersieht die belangte Behörde, dass sich der Gegenstand der Berufung nicht durch - etwa im Rahmen des Ermittlungsverfahrens - nachträglich hervorgekommene Beweise ändern kann. Die Verpflichtung der belangten Behörde, Änderungen der Sach- und Rechtslage bei ihrer Entscheidung berücksichtigen zu müssen, bedeutet nämlich nicht, dass sie gleichzeitig ermächtigt wird, den Gegenstand der Berufung abzuändern; die Berufungsbehörde ist und bleibt nur ermächtigt, eine Sachentscheidung in Fragen zu treffen, die Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz waren.

4. Die Behörde war daher auf dem Boden ihrer Rechtsauffassung darauf beschränkt, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben und der Behörde erster Instanz eine Sachentscheidung aufzutragen. Demgegenüber ist sie im Spruchpunkt 2 ihrer Entscheidung über diesen Rahmen hinausgegangen und hat in der Sache selbst entschieden und dadurch den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher insoweit als verfassungswidrig aufzuheben, als er nicht die Abweisung der Berufung nach Spruchpunkt 1 zum Gegenstand hat.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. Da der Beschwerdeführer nur in einem Punkt (von den hier zwei behandelten Punkten) durchgedrungen ist, war nur die Hälfte der Kosten zuzusprechen; in den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr iHv € 180,-- und Umsatzsteuer iHv € 180,-- enthalten.

c) Zum Abtretungsantrag:

Die vom Beschwerdeführer für den Fall der Abweisung oder Ablehnung seiner Beschwerde beantragte Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof kommt nicht in Betracht. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung ist gemäß §28 Abs7 TGVG 1996 als Kollegialbehörde gemäß Art133 Z4 B-VG eingerichtet; die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Abtretungsantrag war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Anwendbarkeit, VfGH / Aufhebung Wirkung, Erwerbsausübungsfreiheit, Rechtskraft, res iudicata, Behördenzuständigkeit, Verwaltungsverfahren, Berufung, Kassation und Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B500.2005

Dokumentnummer

JFT_09939074_05B00500_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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