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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
B-VG Art139 Abs1 und Art89 Abs2; VerfGG 1953 §60 Abs1; Antrag auf Aufhebung der Z2 des eine Anlage zur Stmk. TierkörperverwertungsV bildenden Tarifs als gesetzwidrig; dem antragstellenden Gericht ist es nicht verwehrt, in derselben Rechtssache einen zweiten Verordnungsprüfungsantrag zu stellen, soferne über diese Bedenken nicht bereits mit Rechtskraftwirkung entschieden wurde Stmk. TierkörperverwertungsV; Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der V, weil bei der Tarifgestaltung nicht die gesamte iZm. der Verwertung der ablieferungspflichtigen Gegenstände stehende Gebarung berücksichtigt worden sei, unzutreffendSpruch
Den Anträgen wird keine Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Zur Rechtslage:
1. Die im folgenden genannten ordentliche Gerichte fechten mit Anträgen gemäß Art139 Abs1 B-VG die Z2 des eine Anlage zur Stmk. TierkörperverwertungsV LGBl. 90/1979, (TKVV) bildenden Tarifes als gesetzwidrig an (s. unter II).
Die TKVV stützt sich ihrem Einleitungssatz zufolge auf die §§14 und 61 des Tierseuchengesetzes, RGBl. 177/1909, zuletzt geändert durch das BG BGBl. 220/1978, sowie auf die §§1 bis 5 und §6 Abs3 und 4 der - auf der Stufe eines (einfachen) BG stehenden (vgl. zB VfSlg. 9897/1983) - Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Volksernährung vom 19. April 1919, StGBl. 241, idF des BG BGBl. 660/1977 ("Vollzugsanweisung").
2. Die Vollzugsanweisung lautet:
"§1.
(1) Tierkörperverwertungsanstalten im Sinne dieser Vollzugsanweisung sind Anstalten, in welchen die unschädliche Verwertung von Tierkörpern, deren Teilen oder sonstigen Gegenständen animalischer Herkunft, insbesondere aber die Vernichtung aller Seuchenkeime gemäß §14 Tierseuchengesetz gewährleistet ist.
(2) Solche Anstalten müssen unter ständiger amtstierärztlicher Überwachung stehen; die sanitäre Kontrolle obliegt dem Amtsarzte der politischen Behörde.
(3) Auf solche Anstalten finden, wenn sie gewerbsmäßig betrieben werden, auch die Bestimmungen der Gewerbeordnung Anwendung; desgleichen müssen sie im Sinne der Ministerialverordnung vom 30. August 1916, R.G.Bl. Nr. 277, die staatliche Ermächtigung einholen.
§2.
Die Tierkörperverwertungsanstalten sind verpflichtet, die einlaufenden Gegenstände auf Futter und Fett zu verarbeiten und diese Verarbeitung in rationellster Weise durchzuführen.
§3.
(1) Die Landesregierung" (nun: Landeshauptmann - vgl. VfSlg. 7670 (1975) "kann anordnen, daß aus einem bestimmten Umkreise folgende Gegenstände an eine solche Anstalt abzuführen sind:
a) Alle Körper und Körperteile verendeter oder zum Zwecke der Beseitigung getöteter Tiere.
b) Die nach der Schlachtung zum menschlichen Genusse für untauglich befundenen ganzen Tiere oder Tierteile sowie die Schlachtungsabfälle.
Als Schlachtungsabfälle gelten zum menschlichen Genusse nicht verwertbare Abfälle im Schlachtbetriebe, soweit sie nicht direkt anderweitig für industrielle Zwecke oder als Dünger Verwendung finden.
c) Verdorbene Waren animalischer Herkunft.
(2) Die Bezirksbehörde kann in einzelnen Fällen aus triftigen Gründen nach eingeholten amtsärztlichen und amtstierärztlichen Gutachten Ausnahmen bewilligen.
§4.
(1) Der Besitzer von Gegenständen, die dem Ablieferungszwange nach §3 unterliegen, sowie derjenige, der solche Gegenstände in Obhut oder Verwahrung hat (Hirt, Schaffer, Verwalter, Begleiter von Tiertransporten und andere), ist verpflichtet, der Gemeindevorstehung unverzüglich im kürzesten Wege auf eigene Kosten anzuzeigen, daß ablieferungspflichtige Gegenstände abzuholen sind.
(2) Die Landesregierung" (nun: Der Landeshauptmann - vgl. VfSlg. 7670/1975) "ist ermächtigt, andere Stellen zu bezeichnen, an welche die Anzeige zu erstatten ist.
§5.
(1) Die Gemeindevorstehung hat die eingelaufene Anzeige unverzüglich im kürzesten Wege an die Tierkörperverwertungsanstalt weiterzuleiten; sie ist zur Überwachung der rechtzeitigen Abholung der Gegenstände berufen.
(2) Sie hat weiters über die aus ihrem Bereiche an die Tierkörperverwertungsanstalt abgegebenen Gegenstände Vormerkungen zu führen.
(3) Ebenso haben die Fleischbeschauer und Schlachthaustierärzte Vormerkungen über die abgelieferten Gegenstände zu führen.
§6.
(1) Die Landesregierung" (nun: Der Landeshauptmann - VfSlg. 7670/1975) "hat nähere Bestimmungen über die Anzeige, Verwahrung und Zufuhr der abzuliefernden Gegenstände zu treffen."
(Der VfGH hat mit Erk. VfSlg. 7936/1976 dargetan, daß der ursprünglich im §6 Abs1 enthaltene zweite Halbsatz nicht Eingang in die vom B-VG beherrschte Rechtsordnung gefunden hat).
"(2) Zur Zufuhr, Zerlegung der Tierkörper, allenfalls auch zu anderen Leistungen in der Anstalt, sind etwa vorhandene befugte Wasenmeister heranzuziehen.
(3) Der Landeshauptmann hat das Entgelt für die Einsammlung, die Abfuhr und die Beseitigung der abzuliefernden Gegenstände in einem kostendeckend begrenzten Entgelttarif durch Verordnung festzulegen. Bei der Berechnung des Tarifs sind die voraussichtlichen durchschnittlichen Kosten der Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung sowie Rücklagen für die Erhaltung und Verbesserung der hiefür bestimmten Einrichtungen und für deren Amortisierung zu berücksichtigen.
(4) Die auf Grund des Entgelttarifes nach Abs3 zu entrichtenden Entgelte sind von den Besitzern von Gegenständen, die dem Ablieferungszwang nach §3 unterliegen, zu leisten.
§7.
Durch vorstehende Bestimmungen werden die Anordnungen der Tierseuchengesetze nicht berührt.
§8.
..." (Strafbestimmungen)
"§9.
Diese Vollzugsanweisung tritt mit dem Tage ihrer Kundmachung in Kraft."
3. Die TKVV lautet auszugsweise:
"§1
(1) Die in der Steiermark anfallenden, dem Ablieferungszwang unterliegenden Gegenstände (§2) sind unter Einhaltung veterinär- und gesundheitspolizeilicher Vorschriften an die 'Steirische Tierkörperverwertungs-Ges.m.b.H.' mit dem Sitz in Landscha an der Mur (im folgenden kurz 'Tierkörperverwertungsanstalt' genannt) zur Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung und Verwertung abzuliefern.
(2) Die Tierkörperverwertungsanstalt hat auf Grund dieser Verordnung und der mit dem Land Steiermark eingegangenen vertraglichen Verpflichtung die anfallenden Gegenstände einzusammeln, abzuführen, zu beseitigen oder zu verwerten.
§2
(1) Folgende Gegenstände unterliegen dem Ablieferungszwang, und zwar:
1. Alle Körper verendeter oder totgeborener oder zum Zweck der Beseitigung getöteter Tiere,
2. alle nach der Schlachtung zum menschlichen Genuß für untauglich befundenen Tierkörper sowie die Schlachtabfälle,
3. verdorbene Waren animalischer Herkunft.
(2) Unter Tierkörper sind auch einzelne Tierkörperteile zu verstehen; dazu zählen auch Blut, Haut, Klauen, Federn, Borsten und andere Abfallprodukte." (Der folgende zweite Satz wurde mit dem Erk. des VfGH vom 12. Juni 1984, V14, 15/81 aufgehoben; s. BGBl. 376/1984).
"§3
(1) Ausnahmen von der Einsammlung, Abfuhr, Beseitigung oder Verwertung in der Tierkörperverwertungsanstalt sind von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bewilligen, wenn diese Maßnahmen aus wirtschaftlichen und technischen Gründen unzumutbar sind. In solchen Fällen hat die Beseitigung nach §14 des Tierseuchengesetzes zu erfolgen. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat den Landeshauptmann von dieser Bewilligung zu verständigen.
(2) Die Verfütterung von Schlachtabfällen von gesunden geschlachteten Tieren ist nur in gekochtem Zustand zulässig. Der Verkauf oder die sonstige Abgabe dieser Gegenstände als Futtermittel, Fleisch oder Dünger bedarf der Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde, die zu versagen ist, wenn gesundheits- oder veterinärpolizeiliche Bedenken bestehen.
...
§10
(1) Für die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung der nach §2 abzuliefernden Gegenstände sind kostendeckende Entgelte zu entrichten. Die Höhe dieser Entgelte ist in der einen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Anlage festgelegt (Tarif).
(2) Die Entgelte nach Z1 des Tarifs sind von den Gemeinden, die Entgelte nach Z2 des Tarifs von den jeweiligen Betriebsinhabern an die Tierkörperverwertungsanstalt zu leisten. Die Gemeinden sind berechtigt, einen Teil des auf sie entfallenden Kostenanteiles auf die Zucht- und Nutztierhalter zu überwälzen.
(3) Die auf die Gemeinden jährlich entfallenden Kosten der Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung sind von der Tierkörperverwertungsanstalt gemäß Z1 des Tarifs auf Grund der letzten amtlichen Viehzählung oder Schätzung zu berechnen und den Gemeinden bis spätestens Ende März eines jeden Jahres bekanntzugeben.
(4) Die auf Fleischhauereien, Schlachtstätten, Schlachthöfe, sonstige Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetriebe jährlich entfallenden Kosten der Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung sind von der Tierkörperverwertungsanstalt gemäß Z2 des Tarifs an Hand der Schlachtziffern und Mengen an zugekauftem Fleisch des Vorjahres zu berechnen und den Betriebsinhabern bis spätestens Ende März eines jeden Jahres bekanntzugeben.
(5) Die Gemeinden und Betriebsinhaber haben auf die für das gesamte laufende Kalenderjahr entfallenden Entgelte Vorauszahlungen in 6 gleichen Teilbeträgen jeweils bis spätestens Ende der Monate Jänner, März, Mai, Juli, September und November an die Tierkörperverwertungsanstalt zu leisten. Die Tierkörperverwertungsanstalt hat die Gesamtabrechnung bis spätestens Ende März eines jeden Jahres durchzuführen und den Betriebsinhabern bzw. Gemeinden bekanntzugeben.
(6) Die nach Abs3 und 4 errechneten Kosten sind vom Landeshauptmann zu überprüfen, wobei der Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark, der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Steiermark, dem Steiermärkischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund ein Anhörungsrecht zusteht.
§11
(1) Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 1980 in Kraft.
(2) Gleichzeitig tritt die Tierkörperverwertungsverordnung, LGBl. Nr. 128/1961, außer Kraft.
Anlage
Tarif
Für die Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung der abfuhrpflichtigen Gegenstände sind an die Tierkörperverwertungsanstalt folgende Entgelte zu entrichten:
1. von den Gemeinden
...
2. von den Fleischhauereien, Schlachtstätten, Schlachthöfen und
sonstigen Schlachtbetrieben auf Grund der Schlachtziffern je
geschlachtetes Tier
a) für Pferde ............................. je Tier S 16,12
b) für Rinder ............................. je Tier S 19,75
c) für Kälber ............................. je Tier S 2,44
d) für Schweine ........................... je Tier S 2,39
e) für Schafe ............................. je Tier S 2,28
f) für Ziegen ............................. je Tier S 2,28
g) für Geflügel ........................... je Stück S 0,068."
II. Zum Sachverhalt:
1. a) aa) Beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz war ein Rechtsstreit zwischen der Steirischen Tierkörperverwertungs-Gesellschaft m.b.H. (TKVA) als Klägerin und einem Fleischhauer als beklagte Partei anhängig gemacht worden. Die Klägerin hatte die Leistung eines bestimmten Betrages als Entgelt-Vorauszahlung gemäß §10 Abs5 der Stmk.
Tierkörperverwertungsverordnung, LGBl. 90/1979, (TKVV) für das laufende Kalenderjahr 1980 begehrt. Der Betrag war anhand der Zahl der vorgenommenen Schlachtungen, die die beklagte Partei angeblich im Vorjahr (1979) durchgeführt hatte, berechnet worden. Das BG für ZRS Graz gab als Erstgericht dem Klagebegehren statt. Dagegen erhob die beklagte Partei Berufung, in der angeregt wird, beim VfGH die Aufhebung bestimmter Stellen der TKVV zu beantragen.
bb) Das Landesgericht für Zivilrechtssachen (LGfZRS) Graz stellte mit Besch. vom 21. April 1981 aus Anlaß dieser bei ihm anhängigen Berufung beim VfGH zu dessen Zahl V15/81 den Antrag, §1 sowie §10 Abs4 und 5 TKVV als gesetzwidrig aufzuheben.
Ua. aufgrund dieses Antrages hob der VfGH mit Erk. vom 12. Juni 1984, V14, 15/81, gemäß Art139 B-VG den zweiten Satz des §2 Abs2 der TKVV als gesetzwidrig auf.
cc) Aus Anlaß desselben Rechtsstreites stellt nunmehr das LGfZRS Graz mit Beschl. vom 24. September 1984, Z 1 R 350/84, (1b R 51/81) zu hg.
Z V29/84 den Antrag, gemäß Art139 Abs1 B-VG die Z2 des eine Anlage zur TKVV bildenden Tarifes aufzuheben. Das Gericht begründete diesen Antrag damit, daß nach dem zitierten hg. Erk. vom 12. Juni 1984 weniger Gegenstände als ursprünglich angeordnet ablieferungspflichtig seien und daher schon deshab angenommen werden müsse, daß sich die Kosten gesenkt hätten, weshalb der festgesetzte Tarif überhöht sei.
Mit Schreiben vom 8. August 1985 stellte das Gericht den Antrag dahin klar, daß ganz allgemein das Bedenken bestehe, die Z2 des Tarifes widerstreite dem §6 Abs3 der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Volksernährung vom 19. April 1919, StGBl. 241, idF des BG BGBl. 660/1977 ("Vollzugsanweisung") deshalb, weil damit Entgelte vorgeschrieben würden, die mehr als kostendeckend seien, "weil auch die sich aus der Verwertung der eingesammelten Gegenstände ergebenden Einnahmen und Ausgaben bei der Berechnung des Tarifes nicht berücksichtigt worden sind."
b) aa) Beim BG Gleisdorf sind zu Z C 32/84 und C 316/84 Zivilrechtsstreite zwischen der TKVA als Klägerin und einem Fleischhauer als beklagte Partei anhängig. Die Klägerin begehrt die Leistung eines bestimmten Betrages als Entgelt-Vorauszahlung für das Kalenderjahr 1980, berechnet anhand der Schlachtziffern des Jahres 1979 (C 316/84) sowie eines bestimmten Betrages als Endabrechnung für das Jahr 1980 und als Entgelt-Vorauszahlung für das Jahr 1981 anhand der Schlachtziffern für das Jahr 1979 und 1980 (C 32/84).
bb) Das BG Gleisdorf stellt mit Beschlüssen vom 21. Jänner 1984, C 32/84, und vom 22. Jänner 1984, C 316/84, zu den hg. Z V9/85 und V36/85 gemäß Art139 Abs1 B-VG den Antrag, die Z2 des eine Anlage zur TKVV bildenden Tarifes als nicht mit §6 Abs3 der Vollzugsanweisung in Einklang stehend und daher als gesetzwidrig aufzuheben. Die Antragsbegründung stimmt mit jener des LGfZRS Graz überein. Das BG ergänzte seine Begründung mit Schreiben vom 20. August 1985 gleich wie das Landesgericht in dessen Schreiben vom 8. August 1985.
2. a) Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz teilt mit, daß er zur Berechnung der im Tarif festgelegten Beträge keine Stellungnahme abgeben könne, da ihm die Berechnungsgrundlagen nicht zur Verfügung stünden. Er beantragt jedoch, den Begehren der Gerichte keine Folge zu geben.
b) Der Landeshauptmann von Stmk. verteidigt in seinen Äußerungen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Tarifbestimmung:
"Der §6 Abs3 der Vollzugsanweisung i.d.F. des Gesetzes BGBl. Nr. 660/1977 gibt - im Gegensatz zum Tierseuchengesetz - relativ detaillierte Bestimmungen vor, unter Berücksichtigung welcher Faktoren die Tarifentgelte zu berechnen sind. Danach darf es sich nur um einen kostendeckend begrenzten Entgelttarif (Höchsttarif) handeln, d. h. die Entgelte werden durch jene voraussichtlichen Kosten nach oben hin begrenzt, die insgesamt durch die Kostenbereiche Einsammlung, Abfuhr und Beseitigung verursacht werden. Durch die taxative Vorgabe der Kostenbereiche werden alle Kostenarten derselben impliziert, die bei ordnungsgemäßer Vollziehung des Gesetzesauftrages zwangsläufig anfallen. Infolge des Umstandes, daß auch die Rückfragen für die Erhaltung und Verbesserung der notwendigen Einrichtungen zu berücksichtigen sind, d.h. die Substanzerhaltung unter Anpassung an den technischen Fortschritt gewährleistet sein soll, sind über die aufwandsgleichen Kosten hinaus auch die kalkulatorischen Zusatzkosten zu erfassen. Kostenbasis für die Tarifentgelte können daher nur die voraussichtlichen kalkulatorischen Selbstkosten nach den Grundsätzen der Kostenrechnung sein.
Tritt nach der Einsammlung und der Abfuhr an die Stelle der Beseitigung die Verwertung, so sind die Kosten der Beseitigung nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung automatisch gleich Null, ohne daß vice versa die Verwertungskosten anzusetzen sind."
Nach entsprechenden Erhebungen und Einholung von Gutachten seien - ausgehend von dieser Rechtsansicht - die voraussichtlichen Abfuhrkosten ermittelt und dem Tarif zugrundegelegt worden.
Durch die Aufhebung des zweiten Satzes des §2 Abs2 TKVV durch das zitierte Erk. vom 12. Juni 1984 (wodurch der Ablieferungszwang für bestimmte Schlachtungsabfälle beseitigt wurde) habe der Umfang der abzuliefernden Gegenstände praktisch keine Veränderung erfahren, da derzeit keine Möglichkeit der direkten industriellen Verwendung dieser Schlachtungsabfälle bestehe.
Der Landeshauptmann begehrt, den Verordnungsprüfungsanträgen keine Folge zu geben.
III. Zu den Prozeßvoraussetzungen:
1. Der VfGH ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung die antragstellenden Gerichte an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Gerichte in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 8136/1977, 8318/1978, 8871/1980, 9284/1981, 9811/1983, 10296/1984).
Davon kann aber hier in allen Fällen keine Rede sein.
2. In der mündlichen Verhandlung vor dem VfGH erhob die beteiligte Partei, die TKVA, gegen die Zulässigkeit des vom LGfZRS Graz eingebrachten Antrages (II.1.a.cc) den Einwand, daß §60 Abs1 VerfGG das antragstellende Gericht dazu verhalten hätte, nach Zustellung des im ersten Verordnungsprüfungsverfahren ergangenen hg. Erk. VfSlg. 10038/1984, (II.1.a.bb) das Verfahren sofort weiterzuführen, und zwar - wie die mitbeteiligte Partei offenbar meint - in der Sache selbst; dem LGfZRS Graz sei es daher verwehrt gewesen, in derselben Rechtssache einen zweiten Verordnungsprüfungsantrag zu stellen.
Diese Ansicht ist unzutreffend: Das VerfGG verpflichtet das antragstellende Gericht dazu, daß Anlaßverfahren (grundsätzlich) bis zur Entscheidung des VfGH im Verordnungsprüfungsverfahren zu unterbrechen (§57 Abs3) und nach dessen Abschluß fortzusetzen (§60 Abs1 erster Satz). Die zuletzt zitierte Bestimmung ist vor dem Hintergrund des Art89 B-VG zu verstehen. Dem Abs2 dieser Verfassungsvorschrift zufolge ist das Gericht verpflichtet, beim VfGH den Antrag auf Aufhebung einer V zu stellen, wenn es gegen deren Gesetzmäßigkeit Bedenken hat. Keine Bestimmung schränkt diese Verpflichtung für den Fall ein, daß das Gericht aus Anlaß einer bestimmten, bei ihm anhängigen Rechtssache bereits einmal einen Verordnungsprüfungsantrag gestellt hat, es sei denn, über die Bedenken wurde bereits mit Rechtskraftwirkung entschieden (vgl. zB VfSlg. 6391/1971).
3. Alle drei Verordnungsprüfungsanträge sind - da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen - zulässig.
IV. Zur Sache:
1. a) Fest steht, daß der Landeshauptmann von Stmk. bei Berechnung des Tarifes zur TKVV (so auch der Z2, die die Entgelte festlegt, die von den Fleischhauereien, Schlachtstätten, Schlachthöfen und sonstigen Schlachtbetrieben zu entrichten sind) nur die Kosten für die Einsammlung und Abfuhr, nicht aber "Kosten für die Beseitigung" der abzuliefernden Gegenstände iS des §6 Abs3 der Vollzugsanweisung berücksichtigt hat. Rücklagen mit Auswirkungen auf den Tarif wurden nicht gebildet. Fest steht weiters, daß die dem Ablieferungszwang unterliegenden Gegenstände (§2 TKVV) von der TKVA (§1 TKVV) verwertet wurden und werden.
Der Landeshauptmann von Stmk. vertritt den Standpunkt, daß nach dem klaren Wortlaut des §6 Abs3 der Vollzugsanweisung bei der Tarifgestaltung nur die in dieser Gesetzesbestimmung taxativ aufgezählten Faktoren zu berücksichtigen seien; da dort außer den Kosten für die Einsammlung und die Abfuhr nur jene für die Beseitigung angeführt seien, nicht aber auch Einnahmen und Ausgaben, die sich iZm. einer Verwertung der ablieferungspflichtigen Gegenstände ergeben, seien diese Posten bei der Kalkulation des Tarifes außer acht zu lassen.
b) Hiezu hat der VfGH erwogen:
§6 Abs3 der Vollzugsanweisung nennt jene Faktoren, die für die Tarifgestaltung maßgebend sind, abschließend. Der Verordnungsgeber ist verhalten, alle diese Faktoren zu berücksichtigen, sofern sie einnahmen- und ausgabenrelevant sind. Der Landeshauptmann meint nun, daß der Faktor "Beseitigung" von vornherein ausscheide, wenn die einlaufenden Gegenstände "verwertet" werden.
Schon der Wortlaut des Gesetzes spricht gegen diese Ansicht. Unter einer "Beseitigung" der Abfälle kann nämlich nach dem Wortsinn nicht bloß das Vergraben der Gegenstände, sondern jene Methoden verstanden werden, die dasselbe Ziel (wie es sich aus §1 Abs1 der Vollzugsanweisung ergibt) erreicht, also auch die Verwendung der Abfälle als Rohstoff (oder als einer der Rohstoffe) für die Produktion von Gütern, die (allgemein) wirtschaftlichen Wert besitzen.
Eine am Zweck und am Zusammenhang der Norm orientierte Interpretation aber beseitigt jeden Zweifel, daß die ablieferungspflichtigen Gegenstände auch dann iS des §6 Abs3 zweiter Satz der Vollzugsanweisung "beseitigt" werden, wenn sie als eine Art Rohstoff in einem Prozeß zur Erzeugung (wirtschaftlich verwertbarer) Produkte verwendet werden, wenn also der Übergang in einen (Mit-)Verarbeitungsprozeß erfolgt. Dies ergibt sich schon aus einer Zusammenschau des §6 Abs3 mit §1 Abs1 der Vollzugsanweisung (wo von "Tierkörperverwertungsanstalten" die Rede ist) und mit §2 (wonach die einlaufenden Gegenstände zu verarbeiten sind).
Im Falle der "Beseitigung" im Wege einer Verarbeitung ist bei Gestaltung des Tarifes außer der Kosten für das Einsammeln und für die Abfuhr im Wert der Abfälle in Anrechnung zu bringen. Auch wenn die eigentliche Verarbeitung (gegebenenfalls - wie die TKVA unbestritten behauptet - von ihr unter Zukauf von relativ viel anderem Rohmaterial) im selben Unternehmen besorgt wird, darf für die Tarifgestaltung nur der auf die "Beseitigung" der ablieferungspflichtigen Gegenstände entfallende Faktor berücksichtigt werden, also nur der Wert des Abfalles bei dessen Einbringen in den Produktionsprozeß. Nicht jedoch darf auf weitere Posten, die sich aus der (Mit-)Verarbeitung dieser Gegenstände und aus dem Verkauf des Endproduktes ergeben, Bedacht genommen werden, also nicht auf die gesamten Erträge und Aufwendungen aus der Verwertung.
Der zu beachtende Wert des Abfalls kann im Falle einer (Mit-)Verarbeitung der ablieferungspflichtigen Gegenstände ein Aktivposten oder ein Passivposten sein, je nachdem, ob diese Abfälle (in unsortiertem Zustand) für einen fiktiven anderen Unternehmer, der sie zur unschädlichen Verarbeitung übernimmt, einen wirtschaftlichen Wert darstellten, oder aber, ob diesem für die Übernahme etwas zu zahlen wäre.
c) Die antragstellenden Gerichte gehen von der Ansicht aus, alle sich aus der Verwertung der ablieferungspflichtigen Gegenstände ergebenden Einnahmen und Ausgaben seien bei der Berechnung des Tarifes zu berücksichtigen.
Diese Meinung ist - wie dargetan - verfehlt; es ist im gegebenen Zusammenhang nur der Wert der Abfälle (für eine folgende Verwertung) anzurechnen. Dieser "Wert" kann ein Aktivposten oder ein Passivposten sein.
Läge der zweite Fall vor (die mitbeteiligte TKVA behauptet, tatsächlich sei dieser gegeben), so könnte dieser Passivposten den Tarif belasten, also zu einer Erhöhung, nicht aber zu einer Reduzierung der Tarifsätze führen; dann aber würde die Nichtberücksichtigung der Position "Beseitigung" keinesfalls eine Gesetzwidrigkeit des Tarifes bewirken.
Nur wenn die Abfälle für sich allein betrachtet einen wirtschaftlichen Wert haben, könnte dies dazu führen, daß die bekämpften Tarifsätze überhöht (mehr als kostendeckend) und daher gesetzwidrig sind.
Daß dem so ist, macht das Gericht - ausgehend von einer verfehlten Rechtsansicht - nicht konkret geltend. Der VfGH hat sich im Verordnungsprüfungsverfahren auf die Erörterung der (konkret) aufgeworfenen Bedenken zu beschränken, er hat daher nicht darauf einzugehen, ob die V aus anderen als den geltend gemachten Gründen gesetzwidrig ist (vgl. zu Gesetzesprüfungsverfahren VfSlg. 9911/1983; zu Verordnungsprüfungen VfSlg. 9089/1981).
Das von den Gerichten erhobene Bedenken, die TKVV sei deshalb gesetzwidrig, weil bei der Tarifgestaltung nicht die (gesamte) iZm. der Verwertung der ablieferungspflichtigen Gegenstände stehende Gebarung berücksichtigt worden sei, trifft nicht zu.
2. a) Die antragstellenden Gerichte tragen als weiteres Bedenken noch vor, durch die Verringerung des Kreises der der Ablieferungspflicht unterliegenden Gegenstände hätten sich die Kosten verringert; daher sei der Tarif höher als kostendeckend kalkuliert.
b) Diese Bedenken treffen schon aufgrund der folgenden Überlegungen nicht zu:
Mit hg. Erk. vom 12. Juni 1984, V14, 15/81, wurde der zweite Satz des §2 Abs2 der TKVV als gesetzwidrig aufgehoben und damit der Umfang der dem Ablieferungszwang unterworfenen Gegenstände verringert. Selbst wenn dadurch per Saldo eine Kostenverringerung eingetreten sein sollte (die beteiligte TKVA bestreitet dies), so könnte sich diese frühestens für das Jahr 1984 auswirken, keinesfalls aber für die Jahre 1979 und 1980, die für die bei den antragstellenden Zivilgerichten anhängigen Anlaßverfahren maßgebend sind.
3. Insgesamt treffen mithin die vorgebrachten Bedenken nicht zu.
Den Anträgen war also keine Folge zu geben.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Veterinärwesen, Tierkörperverwertung, Auslegung, VfGH / PrüfungsumfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:V29.1984Dokumentnummer
JFT_10148983_84V00029_00