Index
32 SteuerrechtLeitsatz
UStG 1972; unterschiedliche steuerliche Begünstigung für Leistungen auf Campingplätzen und in eingerichteten Beherbergungsbetrieben nicht unsachlich - keine Bedenken gegen §10 Abs2 Z5 unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes; einheitliches Entgelt für umsatzsteuerlich unterschiedlich zu behandelnde Leistungen bewirkt keine Unvollziehbarkeit des Gesetzes - keine Bedenken gegen §10 Abs2 Z5 unter dem Gesichtspunkt des Art18 B-VG; Vorschreibung von Umsatzsteuer nach dem Normalsteuersatz und - in Anwendung des §10 Abs2 Z5 - nach dem ermäßigten Steuersatz von 8 vH an den Inhaber eines Campingplatzes; keine gleichheitswidrige und keine denkunmögliche GesetzesanwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bf. unterhält einen Campingplatz. In einem aufgrund einer Betriebsprüfung wiederaufgenommenen Verfahren berechnete das Finanzamt Spittal/Drau die Umsatzsteuer für die Jahre 1973, 1974 und 1975, indem es 35 vH der erzielten Entgelte dem Normalsteuersatz und 65 vH in Anwendung des §10 Abs2 Z5 UStG 1972 dem ermäßigten Steuersatz von 8 vH unterwarf. Für das Jahr 1976 wurden 40 vH (zufolge Ausstattungsverbesserungen im Jahr 1976) nach dem Normalsteuersatz und 60 vH nach dem ermäßigten Steuersatz von 8 vH besteuert.
2. Der gegen die erstinstanzlichen Bescheide erhobenen Berufung hat die Finanzlandesdirektion für Ktn. (Berufungssenat I) mit dem Bescheid vom 4. August 1982 keine Folge gegeben. Der Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Campingplatzbenützer durch den Abschluß eines gemischten Vertrages neben dem Bestandrecht über den Stellplatz auch das Recht erwerbe, die zu einer Betriebsanlage gehörigen, als sonstige Vorrichtungen aller Art zu wertenden Einrichtungen des Campingplatzes zu nutzen. Kraft ausdrücklichem Gesetzesbefehl sei das dafür zu entrichtende Entgelt (auch soferne Miete oder Pacht vorläge) nicht begünstigt. Offenkundig weise der in Rede stehende Campingplatz solche Einrichtungen auf, die der VfGH in ständiger Rechtsprechung als Betriebsvorrichtungen wertete. In Ansehung dessen sei für einen Teil des von den Campinggästen zu entrichtenden Entgeltes die Begünstigung zu versagen. Da das Verhältnis der vom Prüfer getroffenen Aufteilung vom Bf. nicht bekämpft worden sei und auch sonst nichts dagegen spreche, habe sich die bel. Beh. an das Schätzungsergebnis des Prüfers angelehnt. Dem bloß grundsätzlichen Einwand des Bf., die zwangsläufig feste Verbindung gewisser Vorrichtungen mit dem sie umschließenden Mauerwerk würde deren Qualifikation als selbständige Vorrichtungen im Wege stehen, sei der eindeutige Gesetzesauftrag, "nicht begünstigt ist jedoch die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstückes sind", entgegengehalten worden.
Für das ohnedies unbestritten gebliebene Aufteilungsverhältnis seien für die bel. Beh. das vom Prüfer ins Treffen Gebrachte (zB Vergleichsbetriebe) und zudem die Preisangaben des Bf. relevant gewesen. Danach habe sich das von Gästen für die Campingplatzbenützung zu entrichtende Entgelt aus der sogenannten "Stellplatzgebühr" und der "Personengebühr" zusammengesetzt, wobei letztere nach Auffassung der bel. Beh. vorwiegend die Inanspruchnahme der Betriebsvorrichtungen abgelten sollte. Im übrigen vermeinte die bel. Beh., daß, wollte man die Campingplatzausstattung nicht als Betriebsvorrichtung ansehen, für die Berufung trotzdem nichts zu gewinnen wäre, weil die Begünstigung nur für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gelte, der Campinggast aber rücksichtlich der Vorrichtungen gar kein Bestandrecht erwerbe.
3. Gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Ktn. vom 4. August 1982 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
Es wird angeregt, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §10 Abs2 Z5 erster Abs., erster Halbsatz, und zweiter Abs. erster Satz UStG 1972 einzuleiten, und beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. §10 Abs2 Z5 UStG 1972 in der für die Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgebenden Fassung vor der Nov. BGBl. 563/1980 hat einen Steuersatz von 8 vH vorgesehen für
"5. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, und von staatlichen Hoheitsrechten, die sich auf die Nutzungen von Grund und Boden beziehen; die Überlassung der Nutzung an Wohnungen, Geschäftsräumen und anderen Räumlichkeiten auf Grund von Nutzungsverträgen ist als Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken anzusehen. Nicht begünstigt ist jedoch die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstückes sind.
Die Begünstigung erstreckt sich auch auf die Beherberung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen und die regelmäßig damit verbundenen Nebenleistungen, wobei als Nebenleistung auch die Verabreichung eines ortsüblichen Frühstücks anzusehen ist, wenn der Preis hiefür im Beherberungsentgelt enthalten ist. Die Begünstigung gilt überdies für die Nutzung von Grundstücken und eingerichteten Räumlichkeiten, die einen Eigenverbrauch im Sinne des §1 Abs1 Z2 darstellt;"
2. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9726/1983) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
b) In der Beschwerde wird behauptet, daß die bel. Beh. dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt habe; falls jedoch eine in der Beschwerde dargelegte verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung des §10 Abs2 Z5 UStG 1972 nicht möglich sei, sei das Gesetz verfassungswidrig. Hiezu wird in der Beschwerde ausgeführt:
"Wenn der Vermieter des Campingplatzes sanitäre Anlagen sowie Wasch- und Duschgelegenheiten zur Verfügung stellt, handelt es sich um eine der Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen und den damit verbundenen regelmäßigen Nebenleistungen weitgehend idente Leistung. In den letztgenannten Leistungen sind natürlich die erstgenannten inbegriffen. Es wäre eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung, die erstgenannten Leistungen dem vollen Steuersatz und die letztgenannten dem begünstigten zu unterstellen, wobei das Beherbergungsgewerbe nicht nur Wohn- und Schlafräume sondern auch bewegliche Wirtschaftsgüter als Einrichtung und umfangreiche sonstige Nebenleistungen zur Verfügung stellt.
Eine verfassungskonforme Auslegung der Z5 des §10 Abs2 UStG kann daher nur darin bestehen, daß in dem vom Campinggast geleisteten Entgelt für die Vermietung auch die Benützung der Sanitär-, Wasch- und Duschanlagen, sowie der Wege und Straßen und der Bademöglichkeit (Kranich - Siegel - Waba, 1976, 179) inbegriffen ist.
...
Sollte die ... dargelegte verfassungskonforme Auslegung aus dem Zusammenhang der Bestimmungen der Z5 des §10 Abs2 UStG nach Auffassung des VfGH nicht möglich sein, würde das Gesetz Gleiches ungleich behandeln. Es handelte sich diesfalls um dieselben Leistungen, dieselbe ratio legis, und dieselbe Art von Steuerpflichtigen, die im Fremdenverkehr tätig sind, und um die ratio legis der steuerlichen Begünstigung des Fremdenverkehrs aus den bekannten Gründen der staatlichen Zahlungsbilanz. Es läge also hier eine sachlich nicht begründbare und dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Differenzierung in der Behandlung sachlich gleicher Vorgänge vor."
c) Der VfGH kann es dahingestellt sein lassen, ob die Behauptung des Bf. zutrifft, daß die mit der Vermietung einer Grundfläche zur Aufstellung eines Zeltes oder eines Wohnwagens auf einem Campingplatz verbundene "Zurverfügungstellung" sanitärer Anlagen sowie von Wasch- und Duschgelegenheiten als eine der Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen und den damit verbundenen regelmäßigen Nebenleistungen weitgehend idente Leistung gewertet werden kann. Dem Gesetzgeber könnte, wenn er die steuerliche Begünstigung des verminderten Umsatzsteuersatzes nur für die Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen und für die damit verbundenen Nebenleistungen vorgesehen hätte, nicht zum Vorwurf gemacht werden, durch eine unsachliche Differenzierung im Rahmen der ihm zukommenden rechtspolitischen Überlegungen gleichheitswidrig gehandelt zu haben. Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, daß Campingplätze in gleicher Weise begünstigt werden müßten wie eingerichtete Beherbergungsbetriebe, werden die tatsächlichen Unterschiedlichkeiten, wie sie sich etwa in der Auswirkung auf die Erholung, auf die Landschaft oder in den mit einem Beherbergungsbetrieb verbundenen besonderen Investitionen zeigen, übersehen.
Gegen die Regelung des §10 Abs2 Z5 UStG 1972 bestehen unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles im Hinblick auf das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot keine Bedenken.
3. In der Beschwerde wird behauptet, das Gesetz sei "mangels ausreichender Determinierung nicht vollziehbar, daher verfassungswidrig". Es widerspreche dem rechtsstaatlichen Grundsatz, die Steuerbemessung für gewisse Umsätze, hier für die Vermietung von Campingplätzen, ausschließlich aufgrund von Schätzungen vorzunehmen. Eine Berechtigung, diese Umsätze - und zwar nur diese - von vornherein durch eine Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung in begünstigte und nichtbegünstigte aufzuteilen, sei auch durch §184 BAO nicht gedeckt.
Der Inhaber eines Campingplatzes erbringt sowohl Leistungen, die ihrer Art nach dem begünstigten Steuersatz unterliegen (Vermietung eines Abstellplatzes) als auch Leistungen, die mit dem Normalsteuersatz zu versteuern sind (zB Duldung der Benützung diverser Campingplatzeinrichtungen).
Der Umstand, daß in einem Fall für eine Summe umsatzsteuerrechtlich unterschiedlich zu behandelnder Leistungen ein einheitliches Entgelt verlangt wird, macht das Gesetz nicht unvollziehbar. Eine Aufteilung von Campingplatzerlösen ist rechnerisch unter Bedachtnahme auf den Anteil der einzelnen Leistungen zueinander möglich, mag auch eine gewisse Unschärfe bei Berechnung der Anteile eine Schätzung nach §184 Abs1 BAO erforderlich machen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit des §10 Abs2 Z5 UStG 1972 bestehen im Hinblick auf Art18 B-VG unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken.
4. Da gegen die Verfassungsmäßigkeit des Inhaltes des Gesetzes, der ihm von der bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides unterstellt wurde, Bedenken nicht bestehen, trifft der Vorwurf, die bel. Beh. hätte dem Gesetz bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, nicht zu. Ein Umstand, aus dem geschlossen werden könnte, daß die bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides willkürlich vorgegangen wäre, ist im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.
Die vom Bf. behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nicht vor.
5. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 9693/1983).
Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, den Vorwurf zu begründen, daß die bel. Beh. bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides das verfassungsrechtlich unbedenkliche Gesetz so fehlerhaft angewendet hätte, daß die Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe gestellt werden müßte. Ob das Gesetz auch richtig angewendet wurde, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.
6. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Umsatzsteuer, Steuersätze (Umsatzsteuer)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B494.1982Dokumentnummer
JFT_10148982_82B00494_00