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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
StGG Art5Leitsatz
Oö. GVG 1975; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung gemäß §4 Abs1 zur Übertragung des Hälfteanteiles einer Liegenschaft an den derzeitigen - benachbarten - Pächter dieser Liegenschaft; Annahme, daß der Bf. aufgrund einer allenfalls zu erwartenden Realteilung nicht die gesamte Liegenschaft erwerben könnte; Verletzung im Eigentumsrecht durch denkunmögliche GesetzeshandhabungSpruch
Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. J H, Eferding, L, war Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ ..., KG Schaumberg, (Gemeinde Hartkirchen); zur Liegenschaft gehören land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen im Ausmaß von zirka 4 ha.
2. a) Diese Liegenschaft ist aufgrund eines mit Bescheid der Bezirksgrundverkehrskommission Eferding vom 25. November 1980 genehmigten Pachtvertrages seit dem 1. April 1980 an die Ehegatten A und M Ü verpachtet. An die Pächter der Liegenschaft, die Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes sind, zu dem land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen im Ausmaß von 10 ha 63 a gehören, übertrug J H mit Übergabsvertrag vom 22. Oktober 1982 seinen Hälfteanteil.
b) Die Bezirksgrundverkehrskommission Eferding hat mit dem Bescheid vom 5. September 1983 den Übergabsvertrag vom 22. Oktober 1982 gemäß §1 Abs1 iVm. §4 des Oö. Grundverkehrsgesetzes 1975 - Oö. GVG 1975, LGBl. 53/1975, nicht genehmigt.
c) Der gegen diesen Bescheid von den Bf. erhobenen Berufung hat die Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung mit Bescheid vom 18. Jänner 1984 nicht Folge gegeben.
Der Bescheid ist wie folgt begründet:
"Die Landesgrundverkehrskommission hat das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines Berichtes der Bezirksbauernkammer Eferding ergänzt und aufgrund des so ergänzten Ermittlungsverfahrens im Zusammenhalt mit den Feststellungen des angefochtenen Bescheides folgenden Sachverhalt ermittelt:
Die Ehegatten H befinden sich im Altersheim L bei Eferding. J H hat die Hälfte des kleinlandwirtschaftlichen Betriebes, der ihm und seiner Gattin gehört, an die nunmehrigen Übernehmer übergeben. Seine Gattin weigert sich jedoch, die zweite Besitzhälfte ebenfalls zu übergeben.
Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, daß im Falle der Genehmigung des Rechtsgeschäftes nur die Hälfte des kleinlandwirtschaftlichen Betriebes übergeben wird, wobei noch völlig ungeklärt ist, wer die zweite Hälfte des Betriebes erhalten soll. Es ist daher zu besorgen, daß im Falle der Genehmigung des Rechtsgeschäftes eine Zerschlagung des kleinlandwirtschaftlichen Betriebes erfolgen soll. Dies entspricht aber nicht den in §4 Abs1 o. ö. Grundverkehrsgesetz 1975 geschützten öffentlichen Interessen an der Erhaltung der bestehenden klein- und mittelbäuerlichen Besitzstruktur. Die Bezirksgrundverkehrskommission hat daher dem Rechtsgeschäft zutreffend die Genehmigung versagt."
Gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrskommission vom 18. Jänner 1984 richtet sich die von A und M Ü unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde.
Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes verletzt worden zu sein. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
3. Der Übergeber J H ist am 11. April 1983 verstorben. Der Nachlaß ist mit Beschluß des BG Eferding vom 21. September 1983, A108/83-20, seiner Witwe M H zur Gänze eingeantwortet worden. Die Verlassenschaftsabhandlung wurde für beendet erklärt.
Als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen J H ist M H beteiligte Partei des Beschwerdeverfahrens.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zur Übertragung des Hälfteeigentums an der Liegenschaft EZ ..., KG Schaumberg, stützt sich im wesentlichen auf §4 Abs1 Oö. GVG 1975. Nach dieser Vorschrift müssen Rechtsgeschäfte den öffentlichen Interessen an der Schaffung und Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen und an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes entsprechen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung und gegen die sonstigen, bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften sind in der Beschwerde nicht geltend gemacht worden. Im Verfahren vor dem VfGH sind solche Bedenken nicht entstanden (vgl. 9313/1982, 9454/1982, 9765/1983).
2. a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht des Erwerbers (Übernehmers, Käufers) eines Grundstückes eingegriffen (vgl. VfSlg. 8518/1979, 9765/1983).
Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnten die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann verletzt worden sein, wenn die bel. Beh. das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
b) In der Beschwerde wird vorgebracht, daß "der gegenständliche Übergabsvertrag ... im Zusammenhalt mit dem Pachtvertrag und dem Umstand, daß die Liegenschaften der Beschwerdeführer den Übergabsliegenschaften direkt benachbart" seien, "die einzige Gewähr dafür" biete, daß die Übergabsliegenschaften ordnungsgemäß bewirtschaftet würden.
Die Genehmigung des vorliegenden Rechtsgeschäftes liege daher sehr wohl iS der der Bestimmungen des Oö. GVG 1975. Die bel. Beh. hätte nach Durchführung eines entsprechenden Berufungsverfahrens der Berufung Folge geben und die Genehmigung erteilen müssen.
c) In der Gegenschrift der bel. Beh. wird nach dem Hinweis, daß M H nicht bereit sei, ihre Liegenschaftshälfte den Bf. zu übergeben und daß sie diese bereits mit einem grundverkehrsbehördlich noch nicht genehmigten Übergabsvertrag einem anderen Erwerber übergeben habe, folgendes ausgeführt:
"Den Beschwerdeausführungen ist uneingeschränkt beizupflichten, wenn sie behaupten, daß die Übergeber (richtig wohl: die Übernehmer) geeignet seien, landwirtschaftliche Nutzflächen zu bewirtschaften und daß eine Aufstockung ihres Betriebes durch Grundstücke der Ehegatten H den landwirtschaftlichen Betrieb der Beschwerdeführer stärke. Die belangte Behörde ist aber bei ihrer Entscheidung, sowie im wesentlichen auch die Bezirksgrundverkehrskommission Eferding, davon ausgegangen, daß das zur Entscheidung vorliegende Rechtsgeschäft zwar dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung land- oder forstwirtschaftlicher Nutzflächen im Sinne des §4 Abs1 o.ö. Grundverkehrsgesetz 1975 entspricht, nicht aber dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes oder an der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes. Bei Beurteilung dieser Fragen ist nämlich von der Situation auch des übergebenden Betriebes auszugehen. Bei diesem handelt es sich um einen kleinlandwirtschaftlichen Betrieb, zu dem annähernd 4 ha land- und forstwirtschaftliche Nutzflächen gehören. Selbstverständlich kann dieser Betrieb nicht als landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetrieb geführt werden, er eignet sich aber gerade im Hinblick auf seine Lage als landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb. Damit ist nicht gesagt, daß der Betrieb nicht als Ganzes aufgelöst und die zum Betrieb gehörigen Grundflächen zur Grundaufstockung für andere landwirtschaftliche Betriebe verwendet werden könnten. Den angeführten geschützten öffentlichen Interessen entspricht es aber nicht, wenn der im Miteigentum eines bäuerlichen Ehepaares befindliche Betrieb dadurch zerschlagen wird, daß über im Miteigentum stehende ideelle Hälften getrennt verfügt wird. Es kann nämlich in diesem Falle nicht beurteilt werden, ob und welche Grundstücke allenfalls zur Grundaufstockung anderer Betriebe verwendet werden und was im Falle einer Realteilung mit den verbleibenden Grundflächen geschieht, vor allem ob dann die verbleibenden Restflächen überhaupt noch zur Aufrechterhaltung eines kleinstlandwirtschaftlichen Betriebes dienen können. Sollte eine derartige Realteilung nicht möglich sein, müßte es zu einer Zivilteilung kommen, die aber nach den Gesichtspunkten des Grundverkehrsrechtes wiederum nicht den Beschwerdeführern als Besitzer eines landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebes dienen würde. Die Zerschlagung eines landwirtschaftlichen Betriebes durch Aufsplitterung des Hälfteeigentums der ehelichen Miteigentümer ist daher nach Lage des Falles abzulehnen."
d) Der VfGH vermag die in der Gegenschrift der bel. Beh. vertretene Auffassung, daß das zur Entscheidung vorliegende Rechtsgeschäft zwar dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen iS des §4 Abs1 Oö. GVG 1975 entspreche, nicht aber im öffentlichen Interesse an der Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes wäre, nicht zu teilen. Nach der Lage des Falles (aufstockungsbedürftiger Vollerwerbsbetrieb der Bf., dessen Lage zu den übergebenen Grundstücken und die Stärkung dieses Betriebes durch die derzeitige Pachtung) ist ohne nähere Begründung davon auszugehen, daß der Zuerwerb von Grundstücken aus der Liegenschaft EZ ..., KG Schaumberg, eine Stärkung des Vollerwerbsbetriebes der Bf. herbeiführen und damit eine Maßnahme zur Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes darstellen würde. Daraus ergibt sich, daß nach den Tatsachenfeststellungen, wie sie im Zeitpunkt der Entscheidung der bel. Beh. gegeben sind, eine Übertragung der Liegenschaft EZ ..., KG Schaumberg, zur Gänze oder auch nur von Teilen an die Bf. den im GVG geschützten Interessen völlig entspräche.
Nach Auffassung des VfGH kann bei Übertragung lediglich des Hälfteanteiles an dieser Liegenschaft an die Bf. daraus, daß möglicherweise durch einen rechtlich zulässigen aber jedenfalls noch nicht feststehenden Vorgang einer allenfalls zu erwartenden Realteilung nicht die gesamte Liegenschaft EZ ... von den Bf. erworben werden könnte, nicht abgeleitet werden, daß das zur Genehmigung vorliegende Rechtsgeschäft den Interessen des Oö. GVG 1975 zuwiderlaufe und daß der sich aus der Übertragung des Hälfteanteiles ergebende Anspruch auf Übertragung des dem ideellen Hälfteanteil entsprechenden realen Teiles der Grundstücke dieser Liegenschaft als mit dem Oö. GVG 1975 im Widerspruch stehend anzusehen wäre. Insbesondere würde dann, wenn ein Vertrag über den Erwerb des zweiten Hälfteanteiles an der Liegenschaft EZ ..., KG Schaumberg, der Grundverkehrsbehörde zur Genehmigung vorgelegt würde, das Vorliegen der grundverkehrsbehördlich genehmigten Übertragung des
(1.) Hälfteanteiles an die Bf. ein konkretes Sachverhaltselement bei der Beurteilung bilden, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung zur Übertragung des zweiten Hälfteanteiles gegeben wären. Damit zeigt sich, daß es der Grundverkehrsbehörde auch für den Fall, daß sich die Eigentümerin des zweiten Hälfteanteiles aus den in der Gegenschrift der bel. Beh. angeführten Gründen weigern sollte, ihren Anteil an die Bf. zu übertragen, wodurch die Gefahr einer Real- oder Zivilteilung entstehen könnte, möglich wäre, durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines von Eigentümern des zweiten Hälfteanteiles abgeschlossenen Rechtsgeschäftes die Zerreißung des land- und forstwirtschaftlichen Kleinbetriebes zu verhindern.
Indem die bel. Beh., anstatt nach den konkreten Gegebenheiten die Genehmigung zur Übertragung des Hälfteanteiles an der Liegenschaft EZ ..., KG Schaumberg, zu erteilen, aus vagen und unbestimmten Vermutungen die Genehmigung zur Übertragung verweigert hat, hat sie mit einer, der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Fehlerhaftigkeit dem vorliegenden Rechtsgeschäft die Genehmigung versagt. Die Bf. wurden dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne daß auf die weiteren Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.
Schlagworte
GrundverkehrsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B223.1984Dokumentnummer
JFT_10148981_84B00223_00