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66 SozialversicherungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
§25 Abs1 GSVG; EStG 1972; Verweigerung des Abzuges aufgelöster Investitionsrücklagen von der Steuerbemessung als Beitragsgrundlage, nachdem in früheren rechtskräftigen Bescheiden die Investitionsrücklagen hinzugerechnet worden waren; verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Regel über die Maßgeblichkeit der zur Steuerbemessung herangezogenen Einkünfte für die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge; wer die Anwendung der (unsachlichen) Vorschriften über die Beitragsbemessung unbekämpft gelassen hat, kann dann nicht die (für sich allein unbedenklichen) Regeln des Leistungsrechts als unsachlich angreifen; keine Verletzung im Gleichheits- und im EigentumsrechtSpruch
Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Nach §25 Abs1 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG), BGBl. 560/1978, ist bei Ermittlung der Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte nach §2 Abs1 und §3 Abs3 des Gesetzes ein Zwölftel der Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit im drittvorangegangenen Kalenderjahr heranzuziehen; hiebei sind (nach der Stammfassung)
"die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte des Pflichtversicherten zuzüglich der auf eine vorzeitige Abschreibung, auf eine Investitionsrücklage, auf einen Investitionsfreibetrag und auf einen nichtentnommenen Gewinn entfallenden Beträge zugrunde zu legen."
Mit Erk. G103/81 vom 30. Juni 1984 hat der VfGH in dieser Bestimmung die Worte "auf eine vorzeitige Abschreibung," als verfassungswidrig aufgehoben. Er ist davon ausgegangen, daß damit ein System begründet werde, das die Versicherten unterschiedlich behandle:
"Bei denjenigen Pflichtversicherten, die bei der Bemessung der Einkommensteuer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines abnutzbaren Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens nur im Wege der Absetzung für Abnutzung gewinnmindernd verbuchen, wirken sich die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten - verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Wirtschaftsgutes - letztlich auch bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage mindernd aus.
Hingegen wird für Pflichtversicherte dann, wenn sie einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorzeitig abschreiben, dieser Teil bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage überhaupt nicht berücksichtigt. Die auf eine vorzeitige Abschreibung entfallenden Beträge erhöhen nämlich im Jahr der Anschaffung oder Herstellung des betreffenden Wirtschaftsgutes die Beitragsgrundlage, ohne daß diese Beträge aber in den folgenden Kalenderjahren zu einer Verminderung der Beitragsgrundlage führen können."
Diese unterschiedliche Behandlung hat der Gerichtshof aus denselben Gründen für unsachlich - und damit als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz - angesehen wie die dem §25 Abs1 GSVG für den Bereich der Krankenversicherung vorangegangene Bestimmung des §18 Abs1 GSKVG (G120, 121/81 vom 30. Juni 1984): Im Gegensatz zum Bereich der Pensionsversicherung, wo der höheren Beitragspflicht auch eine höhere Pensionserwartung gegenüberstehe, lasse sich für den Bereich der Krankenversicherung keine sachliche Rechtfertigung für die Mehrbelastung jener Pflichtversicherten feststellen, die von der - steuerrechtlichen - Möglichkeit der vorzeitigen Abschreibung Gebrauch machen. Da gesetzestechnisch eine Trennung der Regelung in einen die Krankenversicherung und einen die Pensionsversicherung betreffenden Teil nicht möglich sei, schlage die Verfassungswidrigkeit auf die gesamte Regelung durch.
2. Die vorliegenden Beschwerden richten sich gegen - im Instanzenzug ergangene - Bescheide, in denen unter Berufung auf §25 Abs1 GSVG der Abzug aufgelöster Investitionsrücklagen von der Steuerbemessung als Beitragsgrundlage verweigert wird:
Der Bf. zu B286/84 hatte 1977 eine Investitionsrücklage (im Ausmaß von 18014 S) gebildet, die 1980 in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden war. 1980 hat er diese Rücklage zur Gänze gewinnerhöhend aufgelöst. In der Beitragsfestsetzung für 1983 wird der auf die aufgelöste Rücklage entfallende Betrag entgegen seinem Begehren nicht abgezogen.
Der Bf. zu B944/84 hatte 1980 eine Investitionsrücklage (von 76424 S) gebildet, die der Beitragsgrundlage für 1983 hinzugerechnet worden war. Im gleichen Jahr 1983 löste er diese Rücklage mit Wirkung für 1981 zur Gänze gewinnerhöhend auf. Dennoch legt der angefochtene Bescheid der Beitragsbemessung für 1984 die gesamten steuerpflichtigen Einkünfte zugrunde.
Die Beschwerden weisen darauf hin, daß so für den Betrag der Investitionsrücklage zweimal Versicherungsbeiträge geleistet werden müssen (nämlich sowohl in dem Jahr, für welches das Jahr der Bildung der Rücklage, als auch in jenem, für welches das Jahr ihrer Auflösung maßgeblich ist), und rügen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit oder anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte (B286/84) bzw. auf Unversehrtheit des Eigentums (B944/84).
In ihren Gegenschriften versucht die beteiligte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft darzutun, daß der gerügte Umstand für den Bereich der Pensionsversicherung ebenso zu rechtfertigen sei wie im Falle des §17 GSPVG; da der Bf. zu B944/84 Wirtschaftstreuhänder (und infolgedessen nach §3 Abs3 GSVG nur in der Pensionsversicherung pflichtversichert) sei, ginge es hier auch nur um den Bereich der Pensionsversicherung.
II. Die Beschwerden sind im Ergebnis nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide bemessen die Beitragsgrundlage nach der Regel des §25 Abs1 GSVG, wonach die für die Bemessung der Einkommensteuer herangezogenen Einkünfte maßgeblich sind; sie nehmen keine Hinzurechnung nach dem letzten Teil des ersten Satzes dieser Bestimmung vor. Eine solche Hinzurechnung - wie sie für den ähnlichen Fall der vorzeitigen Abschreibung im Erk. VfSlg. 10099/1984 als verfassungswidrig erkannt wurde - war bereits in früheren, rechtskräftig gewordenen und unangefochten gebliebenen Bescheiden (für 1980 bzw. 1983) vorgenommen worden. Damit hat sich die allfällige Verfassungswidrigkeit der Regelung für die Bf. auf unanfechtbare Weise ausgewirkt. Selbst eine verfassungsrechtlich einwandfreie Regelung (etwa die Aufhebung der Worte "auf eine Investitionsrücklage," durch den Gesetzgeber) würde an der Endgültigkeit der Beitragsfestsetzung für 1980 bzw. 1983 und der darin liegenden Verfassungswidrigkeit nichts mehr ändern können.
Die verbleibende, in den angefochtenen Bescheiden für 1983 bzw. 1984 allein angewendete Regel über die Maßgeblichkeit der für die Steuerbemessung herangezogenen Einkünfte ist aber verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie bildet für die betroffenen Beitragsjahre mit den Bestimmungen über die Hinzurechnung weiteter Beträge auch keine untrennbare normative Einheit, die es gebieten würde, anstelle der nicht angewendeten Worte ("zuzüglich der auf eine Investitionsrücklage entfallenden Beträge") die Regel selbst aufzuheben. Der bloße Umstand, daß die Verfassungswidrigkeit der (früher angewendeten) Bestimmung über die Hinzurechnung von Beträgen einer Investitionsrücklage nicht bloß durch Aufhebung dieser Bestimmung selbst, sondern auch durch Beifügen einer Bestimmung über den (späteren) Abzug aufgelöster Rücklagen beseitigt werden könnte, belastet den angewendeten Text nicht mit Verfassungswidrigkeit. Es handelt sich dabei um ganz unterschiedliche Stadien im Ablauf des Verwaltungsgeschehens. daher ist die Lage ähnlich wie in Fällen, in denen eine höhere Beitragsleistung nur dann sachlich wäre, wenn ihr auch eine höhere Leistungserwartung gegenüberstünde: Wer die Anwendung der (unsachlichen) Vorschriften über die Beitragsbemessung unbekämpft gelassen hat, kann dann nicht die (für sich allein unbedenklichen) Regeln des Leistungsrechts als unsachlich angreifen.
Hier haben sich die Bf. eben mit der Möglichkeit abgefunden, daß ihnen die Bildung der Investitionsrücklage nicht die erwarteten Vorteile bringt und ihre Auflösung die Steuerbemessungsgrundlage mit Wirkung für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge in entsprechendem Maße (samt den Zuschlägen des §9 Abs2 EStG) erhöht.
Die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens aus Anlaß der vorliegenden Beschwerdefälle kommt daher nicht in Betracht.
Daß §25 Abs1 GSVG ohnedies ein Inhalt zukäme, der in den Beschwerdefällen einen Abzug vom steuerlichen Ergebnis gebieten würde, kann der Gerichtshof nicht finden. Für einen späteren Abzug hinzugerechneter Investitionsrücklagen bietet das Gesetz ebensowenig eine Handhabe wie für den laufenden Abzug hinzugerechneter vorzeitiger Abschreibungen während der Zeit der Abnützung des Wirtschaftsgutes (vgl. VfSlg. 10099/1984).
Die bel. Beh. haben also bei Erlassung der angefochtenen Bescheide weder gleichheitswidrig noch willkürlich gehandelt, das Gesetz nicht denkunmöglich angewendet und ihm auch keinen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. In den geltend gemachten Grundrechten sind die Bf. folglich nicht verletzt. Da auch die Verletzung anderer verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte oder eine Rechtsverletzung durch Anwendung rechtswidriger genereller Normen nicht hervorgekommen ist, sind die Beschwerden abzuweisen.
Schlagworte
Sozialversicherung, Beitragsgrundlagen (Sozialversicherung), InvestitionsrücklageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B286.1984Dokumentnummer
JFT_10148981_84B00286_00