TE Vfgh Beschluss 2006/9/26 B382/06

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Veröffentlicht am 26.09.2006
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
ASVG §340a, §343d, §349 idF Zahnärztereform-BegleitG, BGBl I 155/2005
ZahnärztekammerG §19, §35, §114, §124

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde einer Landeszahnärztekammer gegen die Zurückweisung eines Antrags betreffend die elektronische Abrechnung der Vertragsärzte durch die Bundesschiedskommission mangels Legitimation; keine Rechtsnachfolge der Beschwerdeführerin in die Rechtsstellung der Ärztekammer eines Bundeslandes, Kurie der Zahnärzte; Österreichische Zahnärztekammer Partei der für Zahnärzte und Dentisten abgeschlossenen Gesamtverträge

Spruch

              Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.              1. Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2003 beantragte die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, die Landesschiedskommission für Niederösterreich möge feststellen, dass die elektronische Abrechnung nach den Einheitlichen Grundsätzen gemäß §340a ASVG zu erfolgen habe, ohne dass es einer gesonderten Abänderung des bestehenden Gesamtvertrages samt integrierenden Bestandteilen bedürfe. Die Ärztekammer für Niederösterreich, Kurie der Zahnärzte, beantragte die Zurück- bzw. Abweisung dieses Antrages.

              2. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesschiedskommission vom 30. November 2005 wurde in Spruchpunkt 1 festgestellt, dass die Bestimmungen des Gesamtvertrages über die Abrechnung, soweit sie den vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gemäß §340a ASVG erlassenen "Einheitlichen Grundsätzen ... über die EDV-Abrechnung der Vertragsärzte" nicht entsprechen, ab 1. Jänner 2003 nicht mehr anzuwenden sind, und mit Spruchpunkt 2 der Antrag der Ärztekammer für Niederösterreich, Kurie der Zahnärzte, auf Feststellung, dass näher bezeichnete Bestimmungen der "Einheitlichen Grundsätze" als dem Gesamtvertrag widersprechend ohne gesonderte gesamtvertragliche Regelung nicht anzuwenden seien, zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde - wohl in Hinblick auf das mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Zahnärztekammergesetz - der Landeszahnärztekammer für Niederösterreich eigenen Angaben zufolge am 19. Jänner 2006 zugestellt.

              3. Gegen diesen - keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. §346 Abs7 ASVG) - Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Landeszahnärztekammer für Niederösterreich gemäß Art144 B-VG; darin behauptet die beschwerdeführende Partei, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in ihren Rechten verletzt zu sein, und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

              4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, ohne eine Gegenschrift zu erstatten. Die beteiligte Niederösterreichische Gebietskrankenkasse erstattete eine schriftliche Äußerung, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die beschwerdeführende Partei erstattete über Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes einen weiteren Schriftsatz, in welchem sie ihre Beschwerdelegitimation näher zu begründen suchte.

II.               Die Beschwerde ist unzulässig:

              1. Die dafür maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

              1.1. Nach dem mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Bundesgesetz über die Standesvertretung der Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs (Zahnärztekammergesetz - ZÄKG), BGBl. I Nr. 154/2005, obliegt die berufliche Vertretung der Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs der "Österreichischen Zahnärztekammer". Für den räumlichen Bereich eines jeden Bundeslandes sind "Landeszahnärztekammern" einzurichten (§2 Abs1 und 2 ZÄKG).

              Über die Österreichische Zahnärztekammer bestimmt §19 ZÄKG auszugsweise wie folgt:

              "§19. (1) Im eigenen Wirkungsbereich hat die Österreichische Zahnärztekammer insbesondere folgende Aufgaben wahrzunehmen:

              1. Abschluss und Auflösung von Verträgen zur Regelung

               der Beziehungen der Angehörigen des zahnärztlichen

               Berufs zu den Trägern der Sozialversicherung

               (Verbänden), der Fürsorge und der Krankenfürsorge;

..."

              Gemäß §35 Abs1 ZÄKG obliegt den Landeszahnärztekammern die Besorgung der Geschäfte der Österreichischen Zahnärztekammer von regionaler Bedeutung. Dazu gehören gemäß §35 Abs2 Z2 und 3 leg. cit. insbesondere der Beschluss über die Auflösung von Verträgen zur Regelung der Beziehungen der Angehörigen des zahnärztlichen Berufs zu den Trägern der Sozialversicherung (Verbänden), der Fürsorge und der Krankenfürsorge für das jeweilige Bundesland sowie der Abschluss von Vereinbarungen mit den für das jeweilige Bundesland zuständigen Sozialversicherungsträgern über den vertragsärztlichen Stellenplan.

              Das 7. Hauptstück des ZÄKG enthält unter der Überschrift "Schluss- und Übergangsbestimmungen" ua. folgende Bestimmungen:

              "§114. (1) Mit In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes treten als Rechtsnachfolger

1.

die Österreichische Zahnärztekammer in alle Rechte

und Pflichten der Österreichischen Dentistenkammer

und der Bundeskurie der Zahnärzte der

Österreichischen Ärztekammer und

2.

die Landeszahnärztekammern in alle Rechte und

               Pflichten der Kurien der Zahnärzte der Ärztekammern

               des jeweiligen Bundeslandes ein.

              Die Österreichische Zahnärztekammer ist

Rechtsnachfolger hinsichtlich jener Rechte und Pflichten der Österreichischen Ärztekammer und der Ärztekammern in den Bundesländern, die die von der Österreichischen Zahnärztekammer vertretenen Kammermitglieder betroffen haben und weiterhin betreffen.

              (2) Die mit Ablauf des 31. Dezember 2005 geltenden Verträge (Gesamtverträge), die von der Österreichischen Ärztekammer bzw. von den Ärztekammern in den Bundesländern für den Bereich der zahnärztlichen Tätigkeiten und von der Österreichischen Dentistenkammer mit den Trägern der Sozialversicherung (Verbänden) abgeschlossen wurden, gehen ab 1. Jänner 2006 auf die Österreichische Zahnärztekammer über. Die auf Grund der Gesamtverträge abgeschlossenen Einzelverträge zwischen Angehörigen des zahnärztlichen Berufs und Trägern der Sozialversicherung gelten unbeschadet dieser Rechtsnachfolge weiter.

              ...

              §124. (1) - (3) ...

              (4) In mit Ablauf des 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren vor ordentlichen Gerichten oder Schiedsgerichten, in denen die Österreichische Dentistenkammer oder die Österreichische Ärztekammer bzw. die Ärztekammer eines Bundeslandes Partei oder Beteiligte ist und die überwiegend zahnärztliche Belange betreffen, tritt die Österreichische Zahnärztekammer bzw. die jeweilige Landeszahnärztekammer mit 1. Jänner 2006 in das Verfahren als Verfahrensbeteiligte ein."

              1.2. Durch das Zahnärztereform-Begleitgesetz, BGBl. I Nr. 155/2005, wurde ua. das ASVG an die durch die Schaffung des ZÄKG geänderten standesrechtlichen Vorschriften für Angehörige des zahnärztlichen Berufs und des Dentistenberufs angepasst. §343d Abs1 ASVG idF des Zahnärztereform-Begleitgesetzes bestimmt:

              "§343d. (1) Auf die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den Angehörigen des zahnärztlichen Berufs nach dem Zahnärztegesetz finden die Bestimmungen dieses Abschnittes mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle der Österreichischen Ärztekammer und der Ärztekammern die Österreichische Zahnärztekammer tritt."

              §349 Abs1 ASVG idF des Zahnärztereform-Begleitgesetzes lautet:

              "Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Dentisten werden durch Gesamtverträge geregelt. Hiebei finden die Bestimmungen der §§340 Abs1, 341 bis 343a und 343c mit der Maßgabe sinngemäß Anwendung, daß an die Stelle der Ärztekammern die Österreichische Zahnärztekammer tritt."

              2. Die Zulässigkeit einer Beschwerde gemäß Art144

Abs1 B-VG hat ua. zur Voraussetzung, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht verletzt werden konnte, was immer dann der Fall ist, wenn die bescheidmäßigen Anordnungen und Feststellungen die subjektive Rechtssphäre der beschwerdeführenden Partei berühren, der Bescheid demgemäß subjektive Rechte begründet, verändert oder feststellt (zB VfSlg. 13.837/1994, 15.146/1998, 15.398/1999 jeweils mwN).

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor:

              2.1. §343d Abs1 ASVG sieht vor, dass die Bestimmungen des Abschnitts II des Sechsten Teils des ASVG über die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) zu den Ärzten (§§340 ff) auf die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den Angehörigen des zahnärztlichen Berufs nach dem Zahnärztegesetz mit der Maßgabe Anwendung finden, dass an die Stelle der Österreichischen Ärztekammer und der (Landes-)Ärztekammern die Österreichische Zahnärztekammer tritt. Auch hinsichtlich der freiberuflich tätigen Dentisten bestimmt §349 Abs1 ASVG, dass ihre Beziehungen zu den Trägern der Krankenversicherung durch Gesamtverträge geregelt werden, auf die die einschlägigen Bestimmungen des Abschnitts II des Sechsten Teils des ASVG mit der Maßgabe Anwendung finden, dass an die Stelle der Ärztekammern die Österreichische Zahnärztekammer tritt.

              2.2. Mit dieser ab 1. Jänner 2006 geltenden

Rechtslage übereinstimmend normiert §114 Abs2 erster Satz ZÄKG, dass die mit Ablauf des 31. Dezember 2005 geltenden Verträge (Gesamtverträge), die von der Österreichischen Ärztekammer bzw. von den Ärztekammern in den Bundesländern für den Bereich der zahnärztlichen Tätigkeiten und von der Österreichischen Dentistenkammer mit den Trägern der Sozialversicherung (Verbänden) abgeschlossen wurden, ab 1. Jänner 2006 auf die Österreichische Zahnärztekammer übergehen. Daraus folgt, dass Partei eines für die Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder des Dentistenberufs abgeschlossenen Gesamtvertrages in jedem Fall die Österreichische Zahnärztekammer und nicht eine Landeszahnärztekammer ist. Die beschwerdeführende Partei ist daher nicht Partei jenes Gesamtvertrages geworden, den die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid verbindlich ausgelegt hat.

              2.3. Auch die Übergangsvorschrift des §124 Abs4 ZÄKG vermag eine Beschwerdelegitimation der beschwerdeführenden Partei vor dem Verfassungsgerichtshof nicht zu begründen: Nach dieser Bestimmung tritt in anhängigen Verfahren vor "ordentlichen Gerichten oder Schiedsgerichten", in denen ua. die Ärztekammer eines Bundeslandes Partei oder Beteiligte ist und die überwiegend zahnärztliche Interessen betreffen, die jeweilige Landeszahnärztekammer mit 1. Jänner 2006 in das Verfahren "als Verfahrensbeteiligte" ein. Unvorgreiflich der Frage, ob es sich bei der Landes- bzw. Bundesschiedskommission um ein "Schiedsgericht" iS des §124 Abs4 ZÄKG handelt, könnte der beschwerdeführenden Partei durch diese Bestimmung zwar ein Recht auf Beteiligung an einem solchen Verfahren (allenfalls sogar auf Zustellung des Bescheides) eingeräumt worden sein; keinesfalls wurde dadurch aber eine den strittigen Gesamtvertrag betreffende subjektive Rechtssphäre geschaffen, welche aber allein die Beschwerdelegitimation nach Art144 B-VG zu begründen vermöchte (vgl. zu dieser aus neuerer Zeit das Erkenntnis VfSlg. 17.220/2004).

              2.4. Ist die beschwerdeführende Partei somit nicht in die Rechtsstellung der Ärztekammer für Niederösterreich, Kurie der Zahnärzte, als Partei des Gesamtvertrages nachgefolgt, kann sie durch den angefochtenen Bescheid, der in Erledigung einer Streitigkeit "zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages" (vgl. §345a Abs2 Z1 ASVG) ergangen ist und auch keinen darüber hinausgehenden Abspruch enthält, nicht in Rechten verletzt worden sein (vgl. VfSlg. 15.710/1999).

              2.5. Schließlich vermag auch die in §35 Abs1 und 2 ZÄKG den Landeszahnärztekammern übertragene allgemeine Aufgabe der Interessenvertretung die für die Beschwerdelegitimation im Zusammenhang mit dem angefochtenen Bescheid erforderliche Rechtssphäre nicht zu begründen(vgl. VfSlg. 15.530/1999 und 15.710/1999 hinsichtlich der Antragslegitimation der Bundeskurie der Zahnärzte bzw. der Österreichischen Ärztekammer für Individualanträge auf Aufhebung von Bestimmungen des ASVG betreffend Gesamtverträge).

              3. Die Beschwerde war daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen.

              4. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich noch zu dem Hinweis veranlasst, dass er mit Erkenntnis vom 19. Juni 2006, G145/05, V106,107/05, die Wortfolge "vom Hauptverband" in §340a zweiter Satz ASVG als verfassungswidrig sowie die "Einheitlichen Grundsätze gemäß §340a ASVG über die EDV-Abrechnung der Vertragsärzte" und die Organisationsbeschreibung "Datenaustausch mit Vertragspartnern (DVP), Version 2.0.1" als gesetzwidrig aufgehoben hat (vgl. die Kundmachungen BGBl. I Nr. 133/2006 und BGBl. II Nr. 293/2006). Ab der Wirksamkeit der Aufhebung der genannten Verordnungen entfaltet der auf der Geltung der genannten Verordnungen beruhende Spruch des angefochtenen Bescheides keine die Partner des Gesamtvertrages belastenden Rechtswirkungen mehr.

              5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Sozialversicherung, EDV, Ärzte, Ärztekammer, Zahnärztekammer, Rechtsnachfolger, Übergangsbestimmung, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2006:B382.2006

Zuletzt aktualisiert am

26.02.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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