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80 Land-und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art10 Abs1 Z8Beachte
Anlaßfall zu VfSlg. 10597/1985Leitsatz
FuttermittelG; Verhängung von Verwaltungsstrafen wegen Verwaltungsübertretungen nach §7 Abs2 lita iVm. §15 Abs1 (Feilbieten unerlaubter Mischungen als Futtermittel) sowie Verfallserklärung bezüglich näher umschriebener Mengen der einzelnen Arten der sichergestellten Futtermittel gemäß §15 Abs2 idF BGBl. 180/1970; Rechtsverletzung im Anlaßfall wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes nach Aufhebung der Verfallsbestimmung in §15 Abs2 als verfassungswidrig - diesbezügliche Aufhebung des Bescheides; im FMG enthaltene verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen fallen als akzessorische Regelungen zu der im FMG geregelten Verwaltungsmaterie nach Art10 Abs1 Z8 B-VG in die Zuständigkeit des Bundes; keine Bedenken gegen §5 Abs1 VStG 1950 unter dem Gesichtspunkt des Art6 Abs2 MRK aus den in VfSlg. 7210/1973 genannten Gründen; Frage der Bestrafung nach dem FMG (durch Verwaltungsbehörden) bzw. nach dem LMG 1975 (durch Gerichte); kein Entzug des gesetzlichen Richters durch Inanspruchnahme der Strafkompetenz nach dem FMG durch den Landeshauptmann von OÖ - keine Inanspruchnahme einer Strafbefugnis, für die jegliche Rechtsgrundlage fehltSpruch
I. Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit mit diesem gemäß §15 Abs2 des Futtermittelgesetzes, BGBl. 97/1952, idF BGBl. 180/1970 auf den Verfall näher umschriebener Mengen einzelner Arten der von der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesversuchsanstalt Linz sichergestellten Futtermittel erkannt wurde, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Insoweit wird der Bescheid aufgehoben.
II. Im übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
Die Verfahrenskosten werden gegeneinander aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Dem Bf. wurde zur Last gelegt, fünf näher umschriebene Arten von Futtermitteln unter Beimengung des "Coccidiostaticum Furazolidon" abweichend von der im Register (§6 des Futtermittelgesetzes, BGBl. 97/1952, im folgenden FMG) festgehaltenen chemischen und physikalischen Beschaffenheit erzeugt und veräußert zu haben. Wegen dieses Verhaltens wurde über den Bf. mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 23. Jänner 1979 wegen der Verwaltungsübertretung nach §7 Abs2 lita iVm. §15 Abs1 FMG, BGBl. 97/1952 (Stammfassung), in fünf Fällen eine Geldstrafe in der Höhe von je 10000 S (insgesamt 50000 S), für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe in der Dauer von je 14 Tagen (insgesamt 70 Tagen) verhängt. Gemäß §15 Abs2 FMG idF BGBl. 180/1970 wurde auf den Verfall näher umschriebener Mengen der einzelnen Arten der von der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesversuchsanstalt Linz sichergestellten Futtermittel erkannt.
In der Begründung des Bescheides ist auf die eingeholten Sachverständigengutachten verwiesen, aus denen sich die Tatbestandsmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Bf. ergeben habe. Ferner sei die Bezirkshauptmannschaft aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zur Auffassung gelangt, daß der Bf., der für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bei der Produktion der Futtermittel verantwortlich sei, nicht die notwendige Sorgfalt auf den Herstellungsprozeß verwendet habe. Der Bf. habe die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen schuldhaft begangen.
Der Verfall der beschlagnahmten Futtermittel sei nicht nur auszusprechen gewesen, weil die Herstellung und der gewerbsmäßige Verkauf ein Zuwiderhandeln gegen die Bestimmungen dieses BG oder der aufgrund dieses BG erlassenen V darstelle, sondern auch, weil das Verfüttern dieser Futtermittel ohne ärztliche Aufsicht und Kontrolle zu Schäden bei den Tieren führen könne. Außerdem würde die Freigabe der Futtermittel zum gewerbsmäßigen Verkauf bedeuten, daß die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land ohne Rücksicht auf die Rechtslage im kurzen Weg eine Genehmigung erteile, die unter Umständen gar nicht zu erhalten sei oder für die nach zahlreichen Gesetzen aufwendige Verfahren erforderlich seien. Auch die Vorgangsweise, die Ware nur mehr nach tierärztlicher Verschreibung und unter Aufsicht und Kontrolle eines dazu befugten Tierarztes bzw. Amtstierarztes an Tiere zu verfüttern, ändere nichts an diesem Sachverhalt.
b) Die gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 23. Jänner 1979 vom Bf. erhobene Berufung hat der Landeshauptmann von OÖ mit dem Bescheid vom 8. September 1980 als unbegründet abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid gemäß §51 Abs4 VStG 1950 im Grunde der Bestimmungen des §7 Abs2 lita iVm. §15 Abs1 und 2 FMG bestätigt.
Der Bescheid ist nach dem Hinweis auf den Inhalt der Bestimmungen des §15 Abs1 und des §7 Abs2 lita FMG wie folgt begründet:
"Es ist dem Berufungswerber beizupflichten, daß die Bestimmung des §7 Abs2 des Futtermittelgesetzes die 'Erzeugung' von Futtermitteln nicht unter Sanktion stellt, doch ist mit diesem Einwand nichts gewonnen, da dem Berufungswerber die Erzeugung ohnehin nicht als (eigener bzw. zusätzlicher) Straftatbestand vorgeworfen wurde.
Ebenso ist der Hinweis des Berufungswerbers auf die Zuständigkeit der Strafgerichte und die Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörden verfehlt, da §58 bzw. §59 in Verbindung mit §50 des Lebensmittelgesetzes 1975 (noch) nicht angewendet werden können. Scheiden §15 Abs2 lita, b und c des Lebensmittelgesetzes 1975 von vornherein für die Anwendung aus (anderer Normadressat), sind die für die Anwendung des §15 Abs2 litd, e und f des Lebensmittelgesetzes 1975 erforderlichen Verordnungen nach §15 Abs7 und 9 leg. cit. vom Verordnungsgeber noch nicht erlassen worden. Hinsichtlich der Bestimmung des §15 Abs2 litc, d und e des Lebensmittelgesetzes 1975 wird im §81 Abs3 leg. cit. ausdrücklich festgelegt, daß sie erst mit dem Wirksamwerden der Verordnungen nach §15 Abs7 des Lebensmittelgesetzes 1975 in Kraft treten.
Es ist unbestritten, daß der Berufungswerber die beanstandeten, im Spruch angeführten Mischungen als Futtermittel feilgeboten hat; weiters ist aufgrund der Untersuchungsergebnisse der Landwirtschaftlich-chemischen Bundesversuchsanstalt Linz und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für viehwirtschaftliche Produktion erwiesen, daß in den beanstandeten Futtermitteln Furazolidon enthalten war. Die vom Berufungswerber vorgelegten Untersuchungsergebnisse der Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt Kiel weichen zwar von den vorgenannten Untersuchungsergebnissen ab, schließen aber ebenfalls in allen fünf beanstandeten Fällen den Gehalt von Furazolidon nicht aus. Im übrigen wird auch vom Berufungswerber selbst zumindest in seiner Berufung der Gehalt von Furazolidon nicht mehr bestritten.
Auf Grund dieses Sachverhaltes steht somit fest, daß der Berufungswerber jedenfalls in objektiver Hinsicht den Straftatbestand des §7 Abs2 lita des Futtermittelgesetzes verwirklicht hat, zumal jeglicher Zusatz von Furazolidon in Futtermitteln ohne besondere Genehmigung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft verboten ist.
Zur Frage des Verschuldens ist auf die Bestimmung des §5 Abs1 VStG 1950 zu verweisen, der folgenden Wortlaut hat:
...
Da im gegenständlichen Fall mit Bezug auf die Bestimmung des §7 Abs2 lita des Futtermittelgesetzes die Voraussetzungen für die Anwendung des §5 Abs1 VStG 1950 gegeben sind, somit ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt vorliegt, ist es Aufgabe des Berufungswerbers, den Entlastungsbeweis anzutreten.
Nach Ansicht der Berufungsbehörde ist es dem Berufungswerber allerdings bislang nicht gelungen, schlüssige Beweise für seine Unschuld zu erbringen. Die vom Berufungswerber angebotenen Zeugen S und K geben zwar an, daß sie weder auf Anordnung des Berufungswerbers noch aus eigenem - ausgenommen den von S zugegebenen Fall, wo auf Verlangen eines Landwirtes unzulässigerweise furazolidonhältiges Futtermittel hergestellt und verkauft wurde - Furazolidon in Futtermittel beimischten, doch schließen ihre Aussagen keineswegs aus, daß im Betrieb des Berufungswerbers eine solche Beimengung durch andere Personen erfolgte bzw. haben sie bei Herstellung von sogenanntem Medizinalfutter keinen Einblick, wie solche Mischungen letztlich deklariert werden. Andererseits konnte aber auch die vom Berufungswerber angebotene Möglichkeit, daß das Furazolidon über von anderen Firmen bezogene Rohkomponenten in das von ihm hergestellte Endprodukt gelangt sei, nicht überzeugen, zumal die vom Berufungswerber in diesem Zusammenhang namhaft gemachten Vorlieferanten dies entschieden in Abrede stellten. Was schließlich die Verantwortung des Berufungswerbers betrifft, daß es unmöglich sei, die einzelnen Bestandteile, aus denen das Futter gemischt wird, auf jede nur erdenkliche Beimengung untersuchen zu lassen, so muß dem entgegengehalten werden, daß von zur gewerbsmäßigen Herstellung und zum gewerbsmäßigen Verkauf von Futtermitteln berechtigten Personen jedenfalls und jederzeit erwartet werden muß, daß sie für die nötigen Kontrolleinrichtungen und für ein ausreichend qualifiziertes Personal sorgen, um zu gewährleisten, daß ihre Produkte den Futtermittelvorschriften entsprechen. Unter diesem Gesichtspunkt war daher die Einvernahme eines Sachverständigen aus dem Fach der Biochemie entbehrlich.
Gemäß §15 Abs2 des Futtermittelgesetzes ... kann bei
Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder
der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen auf den
Verfall der den Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden
Waren ... erkannt werden.
Zu den Gründen, die im gegenständlichen Verfahren den Verfall der beschlagnahmten Futtermittel geboten erscheinen lassen, wird zunächst auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis hingewiesen. Zu dem vom Berufungswerber angedeuteten Weg einer nachträglichen veterinärmedizinischen Verwendung des arzneimittelhältigen Futtermittels wird ergänzend ausgeführt, daß eine solche Vorgangsweise, abgesehen davon, daß sie aus rechtspolitischen Gründen abzulehnen ist, weil sie dem Sinn der im Futtermittelgesetz vorgesehenen Strafwirkung des Verfalles klar widerspricht, auch aus praktischen Gründen kaum möglich ist, zumal das Furazolidon in den beschlagnahmten Futtermitteln in einer Dosierung enthalten ist, die kaum veterinärmedizinisch fundierte Indikationen für einen Einsatz finden lassen."
2. Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes vom 8. September 1980 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Bf. behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden zu sein. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II. 1. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der VfGH beschlossen, gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "auf den Verfall der den Gegenstand der strafbaren Handlung bildenden Waren," im §15 Abs2 des Futtermittelgesetzes, BGBl. 97/1952, idF BGBl. 180/1970 (im folgenden FMG) einzuleiten.
Mit dem Erk. VfSlg. 10597/1985 hat er die in Prüfung gezogene Regelung als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Soweit im angefochtenen Bescheid auf den Verfall näher umschriebener Mengen von Futtermitteln erkannt wurde, stützt er sich auf die als verfassungswidrig aufgehobenen Worte im §15 Abs2 FMG. Die bel. Beh. hat ein verfassungswidriges Gesetz angewendet. Es ist nach der Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung dem Bf. zum Nachteil gereicht. Demnach ist auszusprechen, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid, soweit darin auf den Verfall bestimmter Mengen von Futtermitteln erkannt worden war, wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt wurde und daß der Bescheid insoweit aufgehoben wird.
3. Bei diesem Ergebnis war auf die Behauptung des Bf., wonach er durch den Ausspruch des Verfalles im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden sei, nicht weiter einzugehen.
III. Die Beschwerde ist, auch soweit sie sich gegen den Teil des Bescheides richtet, mit dem über den Bf. Geldstrafen (für den Fall der Uneinbringlichkeit Arreststrafen) verhängt wurden, zulässig.
Insoweit hat der VfGH über die Beschwerde erwogen:
1. Der (mit "Benennungspflichten" überschriebene) §7 Abs1 und 2 FMG (Stammfassung) lautet:
"(1) Wer Futtermittel feilbietet, veräußert oder sonst in Verkehr bringt, hat sie ihrer Natur entsprechend zu benennen. Die zusätzliche Benennung der Ware mit Phantasienamen (Schutzmarken oder Warenzeichen) ist zulässig. Zur Benennung gehört, sofern dies vorgeschrieben ist, auch die Angabe der verarbeiteten Rohstoffe und der Herkunft.
(2) Die in das Register eingetragenen Futtermittel dürfen nur
a) in der im Register festgehaltenen chemischen und physikalischen Beschaffenheit,
b) ...
gewerbsmäßig veräußert, feilgeboten oder sonst in Verkehr gebracht werden."
§15 Abs1 FMG (Überschrift "Strafbestimmungen"; Stammfassung) lautet:
"(1) Wer den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt, wird, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geld bis zu 30.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen bestraft. Wird die Übertretung im Betriebe eines Gewerbes begangen, so kann nach vorheriger zweimaliger Bestrafung überdies von der Bezirksverwaltungsbehörde auf den Entzug der Gewerbeberechtigung zur Erzeugung von Futtermitteln oder zum Handel mit solchen auf bestimmte Zeit oder für immer erkannt werden".
2. a) Der Bf. macht geltend, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein. Hiezu wird zunächst folgendes vorgebracht:
"Die gegenständliche Sache ist nach Art10, 6. und Art15 (1) B-VG Landessache. Die angefochtene Entscheidung geht, wie der Unterschrift entnommen werden muß, vom Landeshauptmann aus und nicht, wie dies dem Gesetz entsprechen würde, vom Land OÖ."
b) Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers zur Erlassung des FMG hat sich auf die Bestimmung des Art10 Abs1 Z8 B-VG (Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes) gestützt (vgl. die EB zur RV des Futtermittelgesetzes, 443 BlgNR VI. GP). Sollte der Bf. mit seinem Vorbringen der - aus dem Hinweis auf Art10 Abs1 Z6 und Art15 Abs1 B-VG ableitbaren - Meinung sein, daß es sich beim Verwaltungsstrafrecht in dem vom FMG umfaßten Bereich um eine in die Zuständigkeit der Länder fallende Angelegenheit handle, so ist ihm entgegenzuhalten, daß die verwaltungsstrafrechtliche Kompetenz akzessorischer Natur ist. Die Zuständigkeit zur Regelung und Vollziehung von Verwaltungsstrafbestimmungen richtet sich nach der Zuständigkeit zur Regelung und Vollziehung der Angelegenheit, auf die sich die Verwaltungsstrafbestimmungen beziehen (vgl. VfSlg. 8155/1977). Die im FMG enthaltenen verwaltungsstrafrechtlichen Regelungen fallen als akzessorische Regelungen zu dem im FMG behandelten Verwaltungszweig nach Art10 Abs1 Z8 B-VG in die Gesetzgebungs- und Vollziehungszuständigkeit des Bundes.
Im übrigen sind Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der dem nunmehr behandelten Teil des angefochtenen Bescheides zugrundeliegenden Bestimmungen des FMG vom Bf. nicht vorgebracht worden. Beim VfGH sind unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles solche Bedenken nicht entstanden.
3. a) In der Beschwerde wird auch geltend gemacht, daß "die Erkenntnisse der Menschenrechtskonvention zuwiderlaufen". Hiezu wird folgendes vorgebracht:
"a) Die Erkenntnisse und besonders auch das Erkenntnis der II. Instanz nehmen den Standpunkt ein, daß es meine Aufgabe als Beschuldigter wäre, meine Unschuld zu beweisen. Tatsächlich scheint §5 des Verwaltungsstrafgesetzes für eine derartige Annahme auch eine Begründung abzugeben. Dies entspricht jedoch einem Rechtsirrtum.
b) Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, besitzt Verfassungsrang und hat daher auch entgegenstehenden Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes derogiert. Art11 (1) über die Menschenrechte besagt aber nun ausdrücklich, daß jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, so lange als unschuldig anzusehen ist, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.
c) Es wäre nun eine reine formale Scheinbegründung, wollte man diese Artikelbestimmung dadurch erfüllt sehen, daß im Verwaltungsstrafverfahren durch einfaches Gesetz die Beweislast für das Verschulden wieder umgekehrt werden kann".
b) Der VfGH wertet dieses Vorbringen als Behauptung, daß §5 Abs1 VStG 1950 wegen eines Widerspruches zu Art6 Abs2 MRK (nach dieser Bestimmung und nicht, wie in der Beschwerde ausgeführt, nach Art11 Abs1 MRK - wird bis zum gesetzlichen Nachweis einer Schuld vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist) verfassungswidrig sei.
Zu diesem Vorbringen verweist der VfGH auf das Erk. VfSlg. 7210/1973, in dem zu den auch dem Beschwerdevorbringen zugrundeliegenden Bedenken, daß §5 Abs1 VStG 1950, der einen Entlastungsbeweis vorsehe, im Widerspruch zu Art6 Abs2 MRK stehe, unter Hinweis auf die Entscheidung der Europäischen Menschenrechtskommission vom 18. Dezember 1963, Nr. 1452/62, folgendes ausgeführt ist:
"Der VfGH hat jedoch keine Bedenken dieser Art. Der VfGH hat in seinem ... Erkenntnis Slg. Nr. 5021/1965 ganz allgemein ausgeführt, daß der österreichische Vorbehalt zu Art5 MRK auch den Art6 mitumfasse. Er hat die Meinung vertreten, daß das Verfahren als Ganzes betrachtet werden müsse. Wenn die Verhängung einer Freiheitsstrafe durch eine Verwaltungsbehörde auf Grund des Vorbehaltes zu Art5 MRK möglich ist, so müsse auch das Verfahren, das zu einer solchen Verurteilung führt, durch denselben Vorbehalt gedeckt sein. Auch die Europäische Menschenrechtskommission hat in ihrer angeführten Entscheidung ausgeführt, daß der österreichische Vorbehalt so auszulegen ist, daß er nicht nur 'Maßnahmen des Freiheitsentzuges' erfaßt, sondern, auf Grund der im Vorbehalt genannten Gesetze, auch das ganze Verfahren, das zu der Entscheidung führt.
Es ist daher auch aus dem zweiten vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gesichtspunkt durch den angefochtenen Bescheid eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte des Beschwerdeführers nicht erfolgt."
Der VfGH sieht sich nicht veranlaßt, von der im angeführten Erk. vertretenen Auffassung abzugehen (vgl. VfSlg. 10237/1984).
Damit ist auch dargetan, daß die vom Bf. behauptete Verletzung eines durch Art6 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes nicht vorliegt.
4. a) Zur Begründung der behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird in der Beschwerde ferner folgendes vorgebracht:
"Es fehlt aber auch überhaupt die Verwaltungszuständigkeit. §81 (3) des Lebensmittelgesetzes kann nicht dahin verstanden werden, daß dieses Gesetz auf Futtermittel noch nicht anwendbar sei, weil der in der angeführten Gesetzesstelle gesetzte Endtermin mit 30. 6. 1978 längst verstrichen ist und auch bei Erlassung des Straferkenntnisses I. Instanz bereits verstrichen war. §58 des Lebensmittelgesetzes für sich alleine betrachtet stellt bereits eine Strafnorm dar, welche angewendet werden kann, sodaß im Sinne der Bestimmungen des Futtermittelgesetzes (besonders §15 (1) ds. Gesetzes) die gerichtliche Zuständigkeit begründet ist; dies müßte auch bei Annahme fahrlässiger Begehung gemäß §59 des Lebensmittelgesetzes zutreffen."
b) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt ua. dann vor, wenn die bel. Beh. eine ihr nach dem Gesetz nicht zukommende Zuständigkeit, insbesondere eine Strafbefugnis, für die jegliche Rechtsgrundlage fehlt, in Anspruch genommen hat (vgl. VfSlg. 8295/1978). Der Bf. wäre demnach im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden, wenn die dem Bf. zur Last gelegte Tat der Bestrafung durch die Gerichte iS der Bestimmungen der §§56 bis 73 des Lebensmittelgesetzes 1975 - LMG 1975, BGBl. 86/1975, unterläge und damit eine Ahndung dieser Tat gemäß §15 Abs1 FMG durch die Verwaltungsbehörde ausgeschlossen wäre.
c) Die zur Beurteilung des Beschwerdevorbringens maßgeblichen Bestimmungen des LMG 1975 lauten:
aa) §15:
"§15. (1) Die Bestimmungen der Abs2 bis 9 gelten für Tiere, die für die Gewinnung von Lebensmitteln tierischer Herkunft bestimmt sind.
(2) Es ist verboten, ...
c) Tieren Stoffe mit spezifischer Wirkung, die dazu bestimmt sind, den Ertrag zu steigern, Krankheiten vorzubeugen oder zu behandeln oder die Beschaffenheit der von den Tieren stammenden Lebensmittel zu beeinflussen, insbesondere Antibiotika, Chemotherapeutika, andere arzneiliche oder pharmakologisch wirkende Stoffe oder Fermentpräparate, ohne Zulassung oder entgegen den Zulassungsbestimmungen zu verabreichen;
d) nicht zugelassene oder der Zulassung nicht entsprechende Stoffe im Sinne der litc feilzuhalten, zu verkaufen oder für die Verabreichung bereitzuhalten oder Mischungen mit solchen Stoffen in Verkehr zu bringen;
...
(7) Der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz hat, wenn das mit der Sicherung einer einwandfreien Nahrung und mit dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschädigung und Täuschung vereinbar ist, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Verordnung Stoffe im Sinne des Abs2 litc und Mittel im Sinne des Abs2 lite zuzulassen, die Art der Anwendung und allenfalls einzuhaltende Fristen vorzuschreiben, die erlaubten Höchstmengen festzusetzen, die Zugabe allfälliger Indikatoren anzuordnen, das Anbringen von Anwendungsvorschriften und sonstigen Hinweisen auf den Abpackungen vorzuschreiben und allfällige unbedenkliche Rückstände in den von den Tieren stammenden Lebensmitteln festzulegen."
bb) §81 Abs1 und 3:
"§81. (1) Dieses Bundesgesetz tritt, soweit nichts anderes bestimmt wird, am 1. Juli 1975 in Kraft.
...
(3) Nachstehende Vorschriften dieses Bundesgesetzes treten erst mit dem Wirksamwerden der angeführten Verordnungen, die spätestens bis 30. Juni 1978 zu erlassen sind, in Kraft:
a) ...
c) die Bestimmungen des §15 Abs2 litd mit der Verordnung nach §15 Abs7;
d) ..."
cc) Nach §58 Abs1 Z1 LMG 1975 (enthalten in dem mit "Strafbestimmungen" überschriebenen VIII. Abschn.) ist von den Gerichten mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten (Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen) ua. zu bestrafen, wer entgegen dem §15 oder dem §16 nicht zugelassene Stoffe der im §15 Abs2 litc bezeichneten Art in Verkehr bringt.
Nach §59 ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten (Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen) zu bestrafen, wer eine im §58 Abs1 mit Strafe bedrohte Handlung fahrlässig begeht.
dd) Im §80 Abs1 LMG 1975 ist bestimmt, daß durch dieses Gesetz das Futtermittelgesetz nicht berührt wird.
d) Nach dem Beschwerdevorbringen ist der Bf. der Auffassung, daß er gemäß §58 Abs1 Z1 LMG 1975 von den Gerichten und nicht gemäß §15 Abs1 FMG von den Verwaltungsbehörden zu bestrafen sei. Hiezu hat die bel. Beh. in der Begründung des angefochtenen Bescheides den Standpunkt vertreten, daß die Bestimmung des §15 Abs2 litc, d und e LMG 1975 keine Geltung gehabt habe, da das Wirksamwerden dieser Bestimmung gemäß §81 Abs3 litc LMG 1975 vom Wirksamwerden der V nach §15 Abs7 LMG 1975 abhängig gemacht, eine solche aber - jedenfalls im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - noch nicht erlassen gewesen sei. Daher habe eine Bestrafung des Bf. nach §58 bzw. §59 LMG 1975 auch nicht in Betracht kommen können.
Auch nach Auffassung des VfGH wird die Bestimmung des §15 Abs2 litd LMG 1975, der das strafbare Verhalten des Bf. allein unterstellt werden könnte, erst mit der Erlassung der V nach §15 Abs7 wirksam. Der Umstand, daß diese V nach dem Einleitungssatz des §81 Abs3 bis 30. Juni 1978 zu erlassen gewesen wäre, hat nicht - wie der Bf. meint - der Bestimmung des §15 Abs2 litd die Wirkung verschafft, daß ein vor Erlassung der V nach §15 Abs7 LMG 1975 begangener Verstoß gegen das darin enthaltene Verbot nach Maßgabe des §58 Abs1 Z1 - bei Fahrlässigkeit nach Maßgabe des §59 - bestraft werden könnte.
Es trifft daher die Behauptung des Bf., daß eine Bestrafung des ihm zur Last gelegten Verhaltens nach §15 Abs1 FMG nicht in Betracht gekommen wäre, weil die von ihm begangene Tat nach anderen Vorschriften mit einer strengeren, von den Gerichten zu verhängenden Strafe zu ahnden gewesen wäre, nicht zu. Daß es ausgeschlossen wäre, das von der bel. Beh. angenommene strafbare Verhalten des Bf. als Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung des §7 Abs2 lita FMG zu werten, hat er nicht behauptet. Wenn die bel. Beh. daher, gestützt auf diese Bestimmung und auf §15 Abs1 FMG, über den Bf. die Strafe verhängt hat, so hat sie damit jedenfalls nicht eine Strafbefugnis in Anspruch genommen, für die jegliche Rechtsgrundlage fehlt. Damit ist es ausgeschlossen, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt wurde.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Die Kostenentscheidung fußt auf §88 VerfGG 1953. Angesichts des Gesamtergebnisses des Beschwerdeverfahrens (teils Abweisung, teils Stattgebung der Beschwerde) wurden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben (vgl. dazu VfSlg. 10272/1984).
Schlagworte
Kompetenz Bund - Länder Verwaltungsstrafrecht, Annexmaterie, Futtermittel, Lebensmittelrecht, VfGH / Kosten, VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B544.1980Dokumentnummer
JFT_10148875_80B00544_00