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L1 GemeinderechtNorm
StGG Art18Leitsatz
Grazer LärmschutzV 1974; Verhängung einer Verwaltungsstrafe gemäß §7 iVm. §4 Abs1; kein Eingriff in die nach Art18 StGG gewährleisteten Rechte; keine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer gesetzwidrigen VSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Stmk. Landesregierung hat mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 20. März 1980 den Bf. schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §7 iVm. §4 Abs1 der Grazer Lärmschutz- und LuftreinhalteV 1974 (im folgenden kurz: LärmschutzV), kundgemacht im ABl. der Landeshauptstadt Graz 1974, Nr. 14/15,
S 167 f., begangen zu haben, daß er in der Zeit von Jänner 1977 bis einschließlich August 1977 in seiner Wohnung im Haus ..., Graz, Klarinette gespielt und die Nachbarn durch starken Lärm ungebührlich belästigt habe. Über den Bf. wurde eine Geldstrafe von 200 S und eine Ersatzarreststrafe von einem Tag verhängt.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Der Bf. erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem ihm "zustehenden, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Berufswahl und der Berufsausbildung gemäß Art18 StGG durch Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung verletzt". Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides.
3. Die Stmk. Landesregierung hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. 1. Der VfGH hat aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §4 Abs1 und des §7 LärmschutzV eingeleitet.
Mit Erk. VfSlg. 10614/1985 hat er diese in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen nicht als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Diese Vorschriften lauten:
"§4
Benützung von Musikinstrumenten, Tonübertragungs- und Tonwiedergabegeräten
(1) Bei der Benützung von Musikinstrumenten, Tonübertragungs- und Tonwiedergabegeräten in Gebäuden und im Freien ist die Lautstärke stets so zu wählen, daß andere Personen, insbesondere in der Zeit von 12.00 bis 15.00 Uhr und von 22.00 bis 7.00 Uhr durch Lärm nicht ungebührlich belästigt werden."
"§7
Strafbestimmungen
Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung werden als Verwaltungsübertretungen von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 3.000, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen geahndet."
III. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. a) Der Bf. bringt vor, in dem durch Art18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Berufswahl und der Berufsausbildung verletzt worden zu sein: Er sei Berufsmusiker; da er über keine anderen Übungsräume verfüge, sei er genötigt, in seiner Wohnung zu musizieren.
b) Diese Behauptung trifft nicht zu: Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 5611/1967 und 7071/1973) garantiert Art18 StGG, daß niemand durch eine Rechtsnorm in der freien Wahl eines Berufes und in der Ausbildung hiezu gehindert oder beschränkt werden darf; er garantiert demgegenüber nicht die freie Betätigung in dem selbstgewählten Beruf.
Es kann keine Rede davon sein, daß die LärmschutzV darauf abzielt, die freie Berufswahl und -ausübung unmöglich zu machen.
Der angefochtene Bescheid enthält keine Anordnung, durch die in die oben umschriebene Freiheitssphäre des Bf. eingegriffen würde. Die Behörde hat - nach Durchführung eines ausführlichen Ermittlungsverfahrens, insbesondere nach Einholung eines entsprechenden Gutachtens - festgestellt, daß der vom Bf. hervorgerufene Lärm für die Nachbarschaft störend ist; sie hat sein Interesse am Musizieren gegen das Interesse des Nachbarn, nicht durch Musizieren in der Ruhe gestört zu werden, abgewogen. Es wäre für den Bf. nicht ausgeschlossen, durch entsprechende bauliche Vorkehrungen dafür vorzusorgen, daß sein Musizieren die Nachbarschaft nicht (mehr) belästigt.
2. a) Ferner behauptet der Bf., die LärmschutzV sei rechtswidrig, weil die Organe der Gemeinde Graz nicht zur Erlassung dieser V kompetent gewesen seien; die V regle nämlich keine Angelegenheit der örtlichen Sicherheitspolizei.
b) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die Gesetzmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften, insbesondere gegen §4 Abs1 und §7 der LärmschutzV, keine Bedenken (s. hiezu das oben (II.1.) zitierte hg. Erk. VfSlg. 10614/1985), in dem auch dargetan wird, daß der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz zuständig war, die zitierte ortspolizeiliche V zu erlassen.
Der Bf. ist mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
3. Da auch nicht die Verletzung in einem anderen als dem geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht stattgefunden hat, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Polizeirecht, Lärmerregung, Erwerbsausübungsfreiheit, Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Sicherheitspolizei örtlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B247.1980Dokumentnummer
JFT_10148874_80B00247_00