TE Vfgh Erkenntnis 1985/11/26 B380/82

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Veröffentlicht am 26.11.1985
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

Nö GVG 1973 §8 Abs1
Nö GVG 1973 §8 Abs2 litd

Leitsatz

Nö. GVG 1973; Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung gemäß §8 Abs2 litd; denkunmögliche Anwendung des Gesetzes durch Vornahme einer Interessenabwägung bei Auftreten eines Landwirtes als Erwerber; Verletzung im Eigentumsrecht

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bf. beabsichtigen, von J und T B die Grundstücke ... Wald

und ... Weide, KG Zintring, und ... Wald, KG Grimsing, zu kaufen.

Die Grundverkehrs-Bezirkskommission Spitz am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Krems hat dem Kauf mit Bescheid vom 2. Juli 1981 die Zustimmung mit der Begrundung versagt, daß die Bf. keine Landwirte seien und daß die Landwirte F und L N bereit wären, die Grundstücke zu erwerben.

Der von den Bf. gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung hat die Grundverkehrs-Landeskommission beim Amt der Nö. Landesregierung mit Bescheid vom 25. Mai 1982 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 iVm. §§1 Abs1, 6 Abs3 und 8 Abs2 litd des Nö. Grundverkehrsgesetzes 1973 (GVG), LGBl. 6800-2, keine Folge gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. In der Beschwerde wird zur Begründung der Gleichheitsverletzung vorgebracht, die bel. Beh. unterscheide zwischen Vollerwerbslandwirten und Nebenerwerbslandwirten. Diese Differenzierung sei jedoch vom Gesetzgeber in keiner Weise gewollt, vielmehr seien in der Bestimmung des §8 Abs5 GVG als Landwirte sowohl die Voll- als auch die Nebenerwerbslandwirte angeführt. Ebenso seien in der Bestimmung des §8 Abs7 GVG als bäuerliche Betriebe sowohl die Vollerwerbsbetriebe als auch die Nebenerwerbsbetriebe angeführt.

Die Bf. seien demnach als Landwirte und ihr landwirtschaftlicher Betrieb als bäuerlicher Betrieb iS des GVG zu qualifizieren. Die Voraussetzungen für die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung seien gegeben. Durch die von der Behörde vorgenommene Auslegung des GVG seien die Bf. im Gleichheitsrecht verletzt worden.

Es widerspreche auch den Grundsätzen des StGG, eine bevorrechtete Klasse von Landwirten zu schaffen: eine Klasse, die jederzeit landwirtschaftlichen Besitz erwerben könne (Vollerwerbslandwirte), und eine zweite Klasse, die nur dann zum Zuge käme, wenn die Bevorzugten ihr Recht auf Grundstückserwerb nicht ausübten (Nebenerwerbslandwirte).

Da die gegenständliche Eigentumsübertragung Grundverkehrsinteressen an sich nicht widerstreite, sei die Grundverkehrsbehörde nicht ermächtigt, im Einzelfalle festzustellen, welcher Erwerber den Grundverkehrsinteressen am besten entspreche, und darauf Einfluß zu nehmen, welche bestimmte Personen Grundstücke erwerben dürften und welche nicht.

Die Bestimmung des §8 Abs2 litd GVG biete keine gesetzliche Grundlage dafür, die Zustimmung zum Eigentumserwerb der Bf. zu versagen. Durch eine denkunmögliche Anwendung dieser Gesetzesvorschrift seien die Bf. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

2. Die bel. Beh. ist - gestützt auf Sachverständigengutachten - davon ausgegangen, daß die Bf. (die Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes im Ausmaß von 42 ha sind und in Wien einen Tankstellenbetrieb sowie einen Mineralölgroßhandel betreiben) Nebenerwerbslandwirte iS des §8 Abs6 GVG sind. Die Interessenten seien Vollerwerbslandwirte mit einem als stärkungsbedürftig zu bezeichnenden Betrieb.

Die Behörde hat sodann eine Interessenabwägung zwischen den Bf. und den Interessenten vorgenommen und sich hiebei auf die Judikatur des VfGH berufen. Der VfGH habe im Erk. VfSlg. 9004/1981 ausgeführt, daß eine Interessenabwägung dann nicht zulässig sei, wenn der Erwerber Inhaber eines bäuerlichen Betriebes iS des §8 Abs7 GVG sei. Der VfGH habe aber sowohl in diesem Erk. als auch in den Erk. VfSlg. 9128/1981 und 9131/1981 ausgesprochen, daß eine Interessenabwägung dann Platz zu greifen habe, wenn der Erwerber Inhaber eines Nebenerwerbsbetriebes iS des §8 Abs8 GVG sei.

Aufgrund der von ihr vorgenommenen Interessenabwägung hat die bel. Beh. schließlich dem beabsichtigten Kauf gemäß §8 Abs2 litd GVG die Zustimmung versagt.

3. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (vgl. zB VfSlg. 9004/1981) könnte die von den Bf. behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann vorliegen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte (s. zB VfSlg. 9047/1981).

Wie der VfGH im Erk. VfSlg. 9004/1981 (S 10) ausgeführt hat, bietet

"weder §8 Abs1 noch §8 Abs2 litd GVG eine gesetzliche Grundlage dafür, einem Eigentumserwerb die Zustimmung auch dann zu versagen, wenn dieser Erwerb zwar Grundverkehrsinteressen an sich nicht widerstreitet, wohl aber der Erwerb durch eine andere Person diesen Interessen besser dient. Es ist - von extremen Ausnahmesituationen abgesehen (die hier nach dem Ergebnis der von der Behörde angestellten Ermittlungen aber offenkundig nicht vorliegen) - ausgeschlossen, daß es den Grundverkehrsinteressen widerspricht, wenn ein Bauer als Erwerber auftritt und das gekaufte Grundstück im Rahmen seines bäuerlichen Betriebes genutzt werden soll.

Daraus ergibt sich, daß §8 Abs1 und §8 Abs2 litd GVG bei der gebotenen verfassungskonformen Interpretation dann nicht zum Tragen kommen, wenn ein Landwirt als Erwerber auftritt und dieser mit dem beabsichtigten Zuerwerb Inhaber eines bäuerlichen Betriebes iS des §8 Abs7 GVG bleibt oder wird. Nur dann, wenn diese Voraussetzungen beim Erwerber nicht vorliegen und es Interessenten gibt, die bereits Inhaber eines bäuerlichen Betriebes sind oder durch den Erwerb des Grundstückes werden würden, ist §8 Abs2 litd GVG anzuwenden; nur diesfalls hat die vorgesehene Interessenabwägung stattzufinden; hiebei ist dann in erster Linie auf einen bäuerlichen Vollerwerbsbetrieb und erst in zweiter Linie auf einen bäuerlichen Betrieb, der Nebenerwerbsbetrieb iS des §8 Abs8 leg. cit. ist, Bedacht zu nehmen."

Der VfGH hat in diesem Erk. nicht - wie die bel. Beh. meint - zum Ausdruck gebracht, daß eine Interessenabwäung dann durchzuführen ist, wenn der Erwerber Nebenerwerbslandwirt iS des §8 Abs8 GVG ist. Auf diese Gesetzesstelle hat sich der VfGH in dem genannten Erk. nur in einem anderen Zusammenhang bezogen, und zwar in welcher Reihenfolge eine Bedachtnahme dann zu erfolgen hat, wenn (überhaupt) eine Interessenabwägung stattfindet. Der VfGH ist in diesem Erk. vielmehr davon ausgegangen, daß eine Interessenabwägung zu unterbleiben hat, wenn "ein Bauer als Erwerber auftritt und das gekaufte Grundstück im Rahmen seines bäuerlichen Betriebes genutzt werden soll". Hiebei hat der VfGH - der Legaldefinition folgend - nicht zwischen Voll- und Nebenerwerbslandwirten unterschieden, er hat vielmehr nur darauf abgestellt, ob der Käufer schlechthin Landwirt ist.

Von dieser im Erk. VfSlg. 9004/1981 vertretenen grundsätzlichen Auffassung ist der VfGH in den Erk. VfSlg. 9128/1981 und 9131/1981 nicht abgerückt (zumal sich der VfGH in diesen Erk. ausdrücklich auf das Erk. VfSlg. 9004/1981 gestützt hat), wenngleich der bel. Beh. einzuräumen ist, daß die diesbezüglichen Formulierungen in den beiden Erk. VfSlg. 9128/1981 und 9131/1981 auch anders aufgefaßt werden könnten. Der VfGH hält jedenfalls daran fest, daß §8 Abs1 und §8 Abs2 litd GVG bei verfassungskonformer Interpretation dann nicht zum Tragen kommen, wenn ein Landwirt als Erwerber auftritt, und zwar sowohl ein Voll- als auch ein Nebenerwerbslandwirt.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß die Behörde in denkunmöglicher Anwendung des Gesetzes eine Interessenabwägung vorgenommen hat.

4. Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Verstoßes gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums als verfassungswidrig aufzuheben.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B380.1982

Dokumentnummer

JFT_10148874_82B00380_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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