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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Bebauungsplan AL-B 1 der Stadtgemeinde Innsbruck; bekämpfter Bebauungsplan ist erster nach den Vorschriften des TROG erlassener Bebauungsplan für das betroffene Gebiet - keine Anwendbarkeit des §28 TROG über die Änderung von Bebauungsplänen; Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maß erkennbar; bei Beurteilung der Gesetzmäßigkeit einer Planungsmaßnahme kommt es nicht darauf an, ob getroffene Lösung bestmögliche istSpruch
Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Antragsteller sind je zur Hälfte Eigentümer der GP ... und ... in EZ 1.001, KG Arzl (Innsbruck). Sie beantragen gemäß Art139 Abs1 B-VG die Aufhebung des Bebauungsplanes AL-B 1 der Stadtgemeinde Innsbruck, betreffend den Berech zwischen ÖBB-Framsweg-Schusterbergweg (Arzl-West), vom Gemeinderat beschlossen am 28. Juli 1983, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 8. bis 30. August 1983 sowie durch Verlautbarung im Boten für Tir. vom 5. August 1983. Die Aufhebung des genannten Planes wird insoweit beantragt, als in diesem am westlichen Rand der GP ... und ... eine in Nord-Süd-Richtung verlaufende Verkehrsfläche (geplant ist ein Fußweg) vorgesehen ist.
2. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Innsbruck hat in einer Äußerung die Abweisung des Antrages begehrt, die Tir. Landesregierung hat von der Abgabe einer Äußerung abgesehen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Der Antrag ist zulässig (s. die Rechtsprechung des VfGH zur Anfechtung von Flächenwidmungsplänen in Tir. durch den Grundeigentümer, zB VfSlg. 9260/1981; die dort angestellten Erwägungen haben auch für die Anfechtung von Bebauungsplänen Gültigkeiten, s. VfGH 11. 3. 1985 V8/84).
2. Die Antragsteller haben ihre - näher ausgeführten - Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen V wie folgt zusammengefaßt:
"Der bekämpfte Bebauungsplan ist gesetzwidrig, weil er den Bestimmungen des TROG hinsichtlich der Bestandsaufnahme und dessen Ableitung aus den Zielen des Flächenwidmungsplanes nicht genügt. Das Planungsverfahren ist im gegenständlichen Fall nicht überprüfbar, da der Bebauungsplan nicht gehörig begründet wurde. Eine verfahrensrechtliche Kontrolle der Planung setzt aber eine Planbegründung voraus. Den im gegenständlichen Fall zugrunde liegenden Verwaltungsakten ist eine entsprechende Planbegründung nicht zu entnehmen, welche als Bestandteil des Bebauungsplanes auch vom planenden Verwaltungsorgan und damit vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck mitbeschlossen werden hätte müssen (§8 Abs4 TROG). Der Bebauungsplan leidet an einer Gesetzwidrigkeit nach dem TROG wegen eines Ermittlungsdefizites (§19 Abs1 TROG). Er verstößt auch gegen das TROG, weil ihm keine ausreichende Interessenabwägung vorangegangen ist (§28 Abs2 TROG)."
3. Aus den vorgelegten Akten über das Zustandekommen der bekämpften V ergibt sich hiezu folgendes:
Die Antragsteller haben im Zuge der ersten Auflegung des Entwurfes Einwendungen gegen den vorgesehenen Fußweg vorgebracht, welcher vom Zimmeterweg aus in Richtung Norden zunächst über den zu den Parzellen der Einschreiter und ihrer Nachbarn führenden Privatweg und anschließend über die Parzellen der Antragsteller zu einem gleichfalls geplanten, vom Westen als Verlängerung des Kalkofenweges kommenden Verbindungsweg zur Volksschule Arzl führen soll. In einer Stellungnahme des Stadtbauamtes Innsbruck vom 15. Juni 1983 wird hiezu ausgeführt, es sei seit langem ein Wunsch der Bevölkerung, die vorgesehene Nord-Süd-Fußgängerverbindung von der Volksschule zum südlich gelegenen Wohngebiet zu realisieren, da die Schüler aus dem südlichen und westlichen Wohngebiet die Schule derzeit nur über einen großen Umweg, den weit östlich gelegenen Seitenweg, erreichen könnten. Die geplante Verbindung erscheine aus mehrfacher Sicht notwendig. Unter dem geplanten Nord-Süd-Weg verlaufe seit vielen Jahren ein privater Abwasserkanal. Selbst im Falle, daß der Abwasserkanal, wie im Bebauungsplan vorgesehen, künftig in Ost-West-Richtung (verlängerter Kalkofenweg) verlaufen solle, könnte nicht auf den Nord-Süd-Weg verzichtet werden. Der hier maßgebliche Bereich sei vom Bauausschuß am 3. Juni 1982 mit dem Ergebnis besichtigt worden, daß der Weg "die Notwendigkeit im Sinne des öffentlichen Interesses erkennen" lasse.
Anläßlich einer neuerlichen (zweiten) Auflegung des Entwurfes des angefochtenen Bebauungsplanes haben die Antragsteller neuerlich Einwendungen vorgebracht, zu welchen das Stadtbauamt Innsbruck am 27. Juli 1983 in der Form Stellung genommen hat, daß die gegenständliche Angelegenheit bereits eingehend geprüft worden sei und sich diesbezüglich keine weiteren, sinnvollen Alternativen ergäben.
Im Stadtentwicklungskonzept der Stadtgemeinde Innsbruck wird im Abschn. "Fußwegenetz" darauf hingewiesen, daß dem Ausbau des Fußwegenetzes im Rahmen der zukünftigen Stadtteilentwicklung eine entscheidende Bedeutung zukomme, so sei ua. das Fußwegenetz zur Volksschule Arzl in Arzl-West zu verbessern. Im Erläuterungsbericht zum Flächenwidmungsplan Innsbruck, Teilbereich Arzl wird unter dem Punkt B 7 "Verkehr" ausgeführt, daß das Fußwegenetz insbesondere zu den öffentlichen Einrichtungen wie Volksschule, Kindergarten und den Haltestellen des öffentlichen Verkehrs lückenhaft sei und einen weiteren Ausbau erfordere.
4. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist auf das Antragsvorbringen folgendes zu erwidern:
a) Zunächst ist festzuhalten, daß der bekämpfte Bebauungsplan der erste nach den Vorschriften des am 16. Feber 1972 in Kraft getretenen Tir. Raumordnungsgesetzes (TROG), LGBl. 10/1972, erlassene Bebauungsplan für das betroffene Gebiet ist; er hat den Änderungsplan mit der Bezeichnung 6/f vom 20. Mai 1968 abgelöst. Das bedeutet, daß die Vorschriften des §28 TROG über die Änderung von Bebauungsplänen auf den bekämpften Bebauungsplan nicht anzuwenden sind (s. die Rechtsprechung über die Verneinung der Anwendbarkeit des §28 TROG bei erstmaliger Erstellung von Flächenwidmungsplänen nach den Bestimmungen des TROG, zB VfSlg. 9951/1984, welche folgerichtig auch für Bebauungspläne zu gelten hat).
b) Nach §8 Abs3 TROG ist die örtliche Raumordnung in zwei Stufen durchzuführen, nämlich durch Erstellung des Flächenwidmungsplanes und durch Erstellung des Bebauungsplanes.
Gemäß §9 Abs1 TROG sind als Grundlage für die örtliche Raumordnung die hiefür bedeutsamen Gegebenheiten zu erheben und in einer Bestandsaufnahme festzuhalten.
Daraus ergibt sich der Auftrag des Gesetzgebers, vor Erstellung eines Flächenwidmungs-, aber auch eines Bebauungsplanes ausreichende Entscheidungsgrundlagen zu beschaffen. Wie der VfGH in dem ebenfalls einen Innsbrucker Bebauungsplan betreffenden Erk. VfSlg. 8330/1978 ausgeführt hat, kommt den Vorschriften des Gesetzes über die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen dann besondere Bedeutung zu, wenn - wie hier - das Gesetz die vom Verordnungsgeber zu erlassenden Planungsnormen nur final, das heißt im Hinblick auf bestimmte zu erreichende Planungsziele, determiniert (s. §8 Abs1 und 2 TROG). Dementsprechend sind nach der mit dem Erk. VfSlg. 8280/1978 begonnenen ständigen Rechtsprechung des VfGH die auf der Grundlage solcher - iS des Art18 Abs2 B-VG ausreichender - gesetzlicher Ermächtigungen erlassenen Planungsmaßnahmen strenge daraufhin zu prüfen, ob die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sind. Daher hat der VfGH in solchen Fällen im Verordnungsprüfungsverfahren nach Art139 B-VG auch zu untersuchen, ob der Verordnungsgeber die im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehene Vorgangsweise eingehalten hat.
Der VfGH kann im vorliegenden Fall - im Gegensatz zu den Antragstellern, welche sich bei ihrer Argumentation ebenfalls auf die oben angeführte ständige Rechtsprechung des VfGH stützen - nicht finden, daß die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers für die Normierung der bekämpften Verkehrsfläche nicht in ausreichendem Maße erkennbar sind.
Der Verordnungsgeber hat bei seiner kritisierten Entscheidung - wie der oben unter Punkt 3. wiedergegebene Akteninhalt zeigt - nicht nur die Ziele und Grundlagen der örtlichen Raumforschung (Stadtentwicklungskonzept, Erläuterungsbericht zum Flächenwidmungsplan) berücksichtigt, sondern hat sich auch mit den Einwendungen der Antragsteller auseinandergesetzt und hat (nach einer Besichtigung des Bereiches durch die Behörde) den öffentlichen Interessen an der Errichtung des umstrittenen Weges den Vorrang vor den Interessen der Antragsteller gegeben.
Es kann bei Beurteilung der Gesetzmäßigkeit einer Planungsmaßnahme nicht darauf ankommen, ob - wie es die Antragsteller in einem ergänzenden Schriftsatz in Abrede stellen - die vom Verordnungsgeber getroffene Lösung die bestmögliche ist. Im Rahmen der Normenkontrolle nach Art139 B-VG hat der VfGH nicht darüber zu befinden, welche der dem Verordnungsgeber im Rahmen des Gestaltungsspielraumes offenstehenden Möglichkeiten die zweckmäßigste ist; sie muß (nur) mit dem Gesetz in Einklang stehen.
Ebenso verkennen die Antragsteller die Rechtsprechung des VfGH, wenn sie eine "gehörige Begründung" des Bebauungsplanes (offenbar ähnlich der Begründung eines Bescheides) vermissen und von einem "Ermittlungsdefizit" sprechen. Eine solche Art von Begründung hat der VfGH in seiner Judikatur zu den nur final determinierten Planungsnormen nie als erforderlich erachtet. Er hält eine V vielmehr nur dann für gesetzwidrig, wenn die Entscheidungsgrundlagen so mangelhaft sind, daß eine Aussage darüber, ob die V den vom Gesetz vorgegebenen Zielen entspricht, nicht möglich erscheint (vgl. das bereits oben zitierte Erk. VfSlg. 8330/1978, S 418). Daß davon aber im vorliegenden Fall keine Rede sein kann, wurde bereits oben dargelegt. Der Verordnungsgeber ist bei der von ihm getroffenen Lösung - worauf wiederholend hinzuweisen ist - von den Zielen und Gegebenheiten der örtlichen Raumplanung ausgegangen und ist sodann - unter Beachtung, allerdings nicht unter Befolgung der Einwendungen der Antragsteller - zu einer Entscheidung gelangt, deren Grundlage (Ausbau des Wegenetzes zur Volksschule) deutlich erkennbar ist.
c) Abschließend ist zu bemerken, daß der VfGH auch die Auffassung der Antragsteller nicht teilt, wonach die "Planbegründung" vom Gemeinderat hätte mitbeschlossen werden müssen (wobei sich die Antragsteller auf §8 Abs4 TROG berufen). Diese Bestimmung enthält, soweit sie im gegebenen Zusammenhang von Belang ist, nur die Vorschrift, daß der Bebauungsplan aus dem Wortlaut und einer zeichnerischen Darstellung samt Planzeichenerläuterung zu bestehen hat. Diese Voraussetzungen sind beim bekämpften Bebauungsplan gegeben. Sicherlich müssen für die Entscheidung des Gemeinderates Grundlagen vorhanden sein (was hier, wie bereits oben ausgeführt, auch der Fall ist), doch stellen diese eben nur die Grundlage, aber nicht den Gegenstand der Entscheidung des Gemeinderates dar.
5. Da die Bedenken der Antragsteller somit insgesamt nicht zutreffen, ist dem Antrag nicht Folge zu geben.
Schlagworte
Raumordnung, Bebauungsplan, VfGH / Individualantrag, Determinierungsgebot, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:V26.1984Dokumentnummer
JFT_10148870_84V00026_00