TE Vfgh Erkenntnis 1985/11/30 B258/82

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Veröffentlicht am 30.11.1985
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht

Norm

StbG 1965 §48 Abs1
Verordnung der Nö Landesregierung vom 24.10.78. LGBl 4200/1-0 ArtI

Leitsatz

StbG 1965; V der Nö. Landesregierung vom 24. 10. 1978, LGBl. 4200/1-0; Festsetzung der der Stadt Wr. Neustadt für die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz zu ersetzenden Kosten gemäß §48 Abs1 StbG 1965 und ArtI der zitierten V; keine Bedenken gegen den in der V festgesetzten Bauschbetrag

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Nö. Landesregierung sprach mit Bescheid vom 29. März 1982 unter Berufung auf §48 Abs1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965, BGBl. 250, idF der Nov. BGBl. 394/1973 (im folgenden: StbG 1965) und ArtI der V der Nö. Landesregierung vom 24. Oktober 1978, LGBl. 4200/1-0, aus, daß der Stadt Wr. Neustadt die Kosten für die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz für das Jahr 1981 mit einem Betrag von 76650 S ersetzt werden, und wies das Mehrbegehren von 180127 S ab. Zur Begründung wurde angeführt, daß gemäß §48 Abs2 StbG 1965 der Kostenersatz in Bauschbeträgen zu erfolgen habe, die durch V der Landesregierung für jedes begonnene Hundert der in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichneten Personen festzusetzen sind. Die Festsetzung für NÖ sei letztmalig durch die V der Nö. Landesregierung vom 24. Oktober 1978, LGBl. 4200/1-0, mit 150 S erfolgt; in der Staatsbürgerschaftsevidenz seien am Ende des Rechnungsjahres 1981 51090 Personen verzeichnet gewesen. Es sei daher der angewiesene Betrag (von 76650 S) festzusetzen gewesen. Das Mehrbegehren sei abzuweisen gewesen, weil individueller Kostenersatz nicht vorgesehen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der Stadt Wr. Neustadt, in der sie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung der von ihr als gesetzwidrig gehaltenen V LGBl. 4200/1-0 (im folgenden auch bloß: V) geltend macht. Die Bf. ist der Meinung, daß der Kostenersatzbetrag von 150 S nicht einmal annähernd kostendeckend sei, und wiederholt das schon in ihrem Ersatzbegehren enthaltene Vorbringen, daß im Jahr 1981 ihre Kosten für die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz (Personal- und Sachaufwand) 256777 S betragen hätten. Aus dem Wortlaut des §48 Abs1 StbG 1965 leitet die bf. Stadt ab, daß grundsätzlich die tatsächlich aufgelaufenen Kosten gemeint seien (arg. "erwachsen"); wenngleich das Gesetz von Bauschbeträgen spreche, müsse es sich wohl um einen dem Wert nach ungefähr gleichen Ersatz handeln, der sich jedoch ziffernmäßig nicht genau mit den wirklich entstandenen Kosten decken werde; der Gesetzgeber habe nicht fiktiv festgesetzte Beträge gemeint, die den tatsächlich entstandenen Kosten nicht im Entferntesten nahekommen. Die Bf. bezieht sich hiebei auf folgende Stelle des (in Goldemund - Ringhofer - Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht, 1969) wiedergegebenen Berichtes des Verfassungsausschusses des Nationalrates zum StbG 1965: "Diese (d.h. die Landesregierungen) werden bei der Festsetzung der Bauschbeträge jedenfalls darauf Bedacht nehmen müssen, daß den Gemeinden aus der Errichtung und Fortführung der Staatsbürgerschaftsevidenz keine finanzielle Mehrbelastung entsteht".

3. Die Nö. Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die im gegebenen Zusammenhang zu betrachtenden Vorschriften haben folgenden Wortlaut:

§48 Abs1 und 2 StbG 1965:

"(1) Die Gemeinden (Gemeindeverbände) haben die Kosten, die ihnen aus der Durchführung der ihnen nach diesem Bundesgesetz obliegenden Aufgaben erwachsen, selbst zu tragen. Das Land hat jedoch den Gemeinden (Gemeindeverbänden) jene Kosten zu ersetzen, die ihnen aus der Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz (§49) erwachsen.

(2) Der Kostenersatz nach Abs1 hat jährlich in Bauschbeträgen zu erfolgen. Diese sind durch Verordnung der Landesregierung für jedes begonnene Hundert der in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichneten Personen festzusetzen. Für die Berechnung des Kostenersatzes ist die Anzahl der Personen maßgebend, die am Ende des jeweiligen Rechnungsjahres in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichnet waren."

ArtI der V LGBl. 4200/1-0:

"Der Kostenersatz für die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz wird für jedes begonnene Hundert der in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichneten Personen mit S 150,- festgesetzt."

Bei der Auslegung der eben wiedergegebenen Bestimmungen des StbG 1965 räumt die bf. Partei zwar prinzipiell ein, daß zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und dem zu gewährenden Ersatzbetrag eine gewisse Differenz bestehen kann; sie hält aber offenkundig nur eine solche Festsetzung des Bauschbetrages für gesetzmäßig, die diese Differenz minimiert. Damit trifft sie sich zumindest im Ergebnis mit einer Literaturmeinung (Fuschlberger, Kostenersatz für die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz, ÖGZ 1978, S 46 ff.), welche die Ermittlung des Bauschbetrages an besonders strenge Anforderungen knüpfen will. Fuschlberger (aaO S 46) hält es für unzulässig, die zu ersetzenden Kosten am Beispiel einer "abstrakten" Durchschnittsgemeinde zu schätzen, und verlangt, daß die Bauschbeträge "innerhalb eines Bundeslandes anhand der tatsächlichen Kosten aller mit der Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz betrauten Gemeinden (Gemeindeverbände) zu bilden (sind)". Diesem Standpunkt kann der VfGH jedoch nicht beitreten. Schon der Ausdruck "Bauschbetrag" weist nach seinem spezifischen Begriffsinhalt darauf hin, daß es nicht auf ins Detail gehende Ermittlungen, sondern auf eine gröbere, gewisse Ungenauigkeiten durchaus zulassende Schätzung und Durchschnittswertung nach allgemeinen Erfahrungssätzen ankommt. In dieselbe Richtung weist ferner der Umstand, daß der Bauschbetrag für sämtliche evidenzführenden Gemeinden und Gemeindeverbände eines Bundeslandes, also einheitlich festzulegen ist; es führte nämlich geradezu zu einem Widerspruch, zwar die Kosten jeder evidenzführenden Verwaltungseinrichtung einzeln festzustellen, den Kostenersatz sodann aber nicht nach den vorliegenden erhobenen Umständen des konkreten Einzelfalles, sondern aufgrund einer Summierung und Mittelwertberechnung vorzunehmen. Schließlich zeigt auch der vom Gesetzgeber gewählte Maßstab, das ist die (nach Teilung durch Hundert aufgerundete) Personenzahl in der Evidenz, daß nicht von einer exakten Kostenermittlung, sondern von einer bloßen Schätzung des durchschnittlichen Aufwandes auszugehen ist.

Diese Überlegungen erweisen, daß das Vorbringen der bf. Stadtgemeinde über ihren tatsächlichen Personal- und Sachaufwand vom Ansatz her (nämlich weil es nicht auf die konkreten Verwaltungskosten im Einzelfall ankommt) nicht geeignet ist, Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der V hervorzurufen. Der von der Bf. genannte Betrag kann aber auch nicht als Anhaltspunkt für eine überschlägige Annahme des allgemeinen, durchschnittlichen (Personal- und Sachaufwand umfassenden) Verwaltungsaufwandes für die Führung einer Staatsbürgerschaftsevidenz dienen, weil er - wie die vorgelegten Verwaltungsakten zeigen - auf einer zu groben, nachweislosen Schätzung beruht, und zwar auf der Behauptung, daß 75 vH der Arbeitskraft der beiden im Staatsbürgerschaftsamt des Magistrates in Verwendung stehenden Bediensteten für die Evidenzführung aufgewendet wird.

Die Nö. Landesregierung weist auf eine in den Verwaltungsakten befindliche Nachprüfung des in der V mit 150 S festgesetzten Bauschbetrages (Aktenvermerk vom 3. Feber 1983) hin, in der folgendes festgehalten ist:

"Im Jahre 1981 wurden in Niederösterreich 35.400 Karteikarten angelegt. Von der Annahme ausgehend, daß zur Anlegung einer Karteikarte inkl. sämtlicher Nebenarbeiten und Ergänzungen keinesfalls mehr als eine 1/2 Stunde benötigt werden kann, ergibt sich, daß ein Evidenzführer, unter Berücksichtigung eines Acht-Stunden-Tages, in der Lage ist, täglich zumindest 16 Karteikarten anzulegen. Er kann daher bei Annahme von 1.800 Arbeitsstunden jährlich 3.600 Karteikarten anlegen, woraus sich ergibt, daß die Anlage von 35.400 Karteikarten die Arbeitsauslastung von 983,3% eines vollbeschäftigten Bediensteten ausmacht. Daraus ergibt sich weiters, daß 10 vollbeschäftige Bedienstete in der Lage sind, dieses Arbeitspensum zu erledigen. Bei Annahme eines durchschnittlichen Jahreseinkommens von ca. S 150.000,- bis S 160.000,- entspricht dies einer Belastung von ca. S 1,500.000,- bis S 1,600.000,-. Im Jahre 1982 wurde von der NÖ Landesregierung den Gemeinden und Gemeindeverbänden für die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz im Jahre 1981 S 2,311.500,- angewiesen."

Die wiedergegebenen Darlegungen erscheinen dem VfGH im Ergebnis nicht als unzutreffend, da die Gesetzeslage - wie schon erwähnt wurde - eine gröbere, gewisse Ungenauigkeiten durchaus zulassende Schätzung erlaubt. Es ist zu berücksichtigen, daß die festgehaltene Differenz zwischen 1,5 bis 1,6 Millionen S und (ebenfalls gerundet) 2,3 Millionen S Personalnebenkosten und Sachaufwand (- auszunehmen sind die Kosten für die den Gemeinden unentgeltlich zur Verfügung gestellten Karteikarten -) abdeckt sowie daß das - grundsätzlich zu bejahende - Erfordernis einer Anpassung des Bauschbetrages an die Kostenentwicklung (vgl. dazu VfSlg. 6774/1972 S 613) im Hinblick auf den Zeitraum zwischen Verordnungserlassung (Oktober 1978) und dem hier maßgebenden Rechnungsjahr (1981) noch nicht angenommen werden kann.

2. Da die behauptete Gesetzwidrigkeit der angewendeten V sohin nicht gegeben ist, war die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

Staatsbürgerschaftsrecht, Staatsbürgerschaftsevidenz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B258.1982

Dokumentnummer

JFT_10148870_82B00258_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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