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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Stmk. GemeindewahlO; Anfechtung der Wahl des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kapfenberg; auf der Rückseite einiger Stimmzettel Listen und Bewerber anderer Parteien als auf der Vorderseite gekennzeichnet - die Anzeichnungen beinträchtigten gemäß §69 Abs3 nicht die Gültigkeit der StimmzettelSpruch
Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. Am 24. März 1985 fand die Wahl des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kapfenberg (politischer Bezirk Bruck an der Mur, Bundesland Stmk.) statt.
1.1.2. Dieser Wahl lagen von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ), der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), den Grünen Österreichs (GRÜNE) und der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) eingebrachte und von der Gemeindewahlbehörde überprüfte, gemäß §48 Abs1 der Stmk. Gemeindewahlordnung 1960, LGBl. 6, idF LGBl. 10/1985 (GWO) abgeschlossene und veröffentlichte Wahlvorschläge zugrunde.
1.1.3. Von den bei dieser Gemeinderatswahl abgegebenen 17.096 gültigen Stimmen entfielen auf:
ÖVP 2.299 ( 4 Gemeinderatssitze)
SPÖ 13.544 (26 Gemeinderatssitze)
FPÖ 287 ( 0 Gemeinderatssitze)
GRÜNE 513 ( 1 Gemeinderatssitz)
KPÖ 453 ( 0 Gemeinderatssitze)
1.2.1. S S erhob als zustellungsbevollmächtigter Vertreter der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ) am 26. März 1985 gemäß §81 GWO Einspruch gegen die ziffernmäßige Ermittlung des Wahlergebnisses:
Die Wahlbehörde habe zu Unrecht insgesamt fünfzehn abgegebene Stimmzettel als gültig angesehen und den "Grünen Österreichs" zugezählt. Es seien nämlich auf den Rückseiten von vierzehn dieser Zettel, und zwar von zwei aus dem Wahlsprengel 103, von einem aus dem Wahlsprengel 301, von zehn aus dem Wahlsprengel 701 und von einem aus dem Wahlsprengel 801, Listen und Bewerber anderer Parteien als auf den Vorderseiten angehakt, auf der Rückseite des fünzehnten aus dem Wahlsprengel 527 aber die Bewerber der auf der Vorderseite angezeichneten Partei gestrichen. Nur infolge dieser rechtswidrigen Stimmenzählung sei es zur Zuweisung eines Mandates an die "Grünen Österreichs" gekommen.
1.2.2. Mit Bescheid der (Stmk.) Landeswahlbehörde für die Gemeinderatswahl 1985 vom 14. Mai 1985, Z 7-5 I Ka 15/25-1985, wurde dieser Einspruch als unbegründet abgewiesen.
1.3.1. Die Sozialistische Partei Österreichs focht die Wahl des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kapfenberg mit einer am 13. Juni 1985 zur Post gegebenen und auf Art141 B-VG gestützten Eingabe beim VfGH an. In der Anfechtungsschrift wurde der Sache nach die Nichtigerklärung (eines Teiles) des Wahlverfahrens im wesentlichen aus den schon im Einspruch dargelegten Gründen begehrt; dies jedoch mit der Einschränkung, daß sich die Anfechtung nicht (mehr) auf die Wertung des zu Punkt 1.2.1. erwähnten, im Wahlsprengel 527 abgegebenen Stimmzettels erstreckt. Die übrigen (vierzehn) Stimmzettel wären, wie die Anfechtungswerberin sinngemäß zusammengefaßt einwendet, mit Rücksicht auf ihre widersprüchliche Ausfüllung als ungültig zu betrachten gewesen.
1.3.2. Die Landeswahlbehörde legte die Wahlakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
1.4.1. Der mit "Gültige Ausfüllung" überschriebene §67 GWO lautet:
"(1) Zur Stimmenabgabe darf nur der vom Wahlleiter gleichzeitig mit dem Wahlkuvert dem Wähler übergebene amtliche Stimmzettel verwendet werden.
(2) Der Stimmzettel ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in einem der links von jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem unzweideutig hervorgeht, daß er die in derselben Zeile angeführte Parteiliste wählen will. Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, zB durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei, durch Durchstreichung der übrigen wahlwerbenden Parteien oder durch Bezeichnung eines, mehrerer oder aller Bewerber einer Parteiliste, eindeutig zu erkennen ist.
(3) Der Stimmzettel ist auch gültig ausgefüllt, wenn zwar eine Parteiliste angezeichnet wurde, auf der Rückseite des Stimmzettels aber die Bewerber einer anderen Partei oder verschiedener Parteien, gereiht oder gestrichen wurden. Diese Reihungen und Streichungen gelten in diesem Falle als nicht beigesetzt bzw. als nicht erfolgt."
1.4.2. Der mit "Ungültige Stimmzettel" betitelte §69 GWO hat folgenden Wortlaut:
"(1) Der Stimmzettel ist ungültig, wenn
1. ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Abgabe der Stimme verwendet wurde, oder
2. der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beeinträchtigt wurde, daß nicht mehr unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte, oder
3. überhaupt keine Parteiliste oder kein Bewerber angezeichnet wurde, oder
4. zwei oder mehrere Parteilisten oder Bewerber verschiedener Parteilisten angezeichnet wurden, oder
5. eine Liste angezeichnet wurde, die nur eine Listennummer, aber keine Parteibezeichnung enthält, oder
6. aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht unzweideutig hervorgeht, welche Parteiliste er wählen wollte.
(2) Leere Wahlkuverts zählen als ungültige Stimmzettel. Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, die auf verschiedene Parteien lauten, so zählen sie, wenn sich ihre Ungültigkeit nicht schon aus anderen Gründen ergibt, als ein ungültiger Stimmzettel.
(3) Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf den amtlichen Stimmzetteln außer zur Kennzeichnung der wahlwerbenden Partei angebracht wurden, beeinträchtigen die Gültigkeit eines Stimmzettels nicht, wenn sich hiedurch nicht einer der vorangeführten Ungültigkeitsgründe ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit des amtlichen Stimmzettels nicht."
2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:
2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der VfGH ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980). Nach Art141 Abs1 Satz 2 B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.
2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG 1953 muß die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht sein.
2.1.3. Einen derartigen, die unmittelbare Anfechtung der Wahl des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kapfenberg beim VfGH ausschließenden Instanzenzug richtet die Bestimmung des §81 Abs1 GWO ein.
Danach steht es dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter jeder wahlwerbenden Partei frei, gegen die ziffernmäßigen Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde binnen drei Tagen und wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens binnen zwei Wochen - vom Ablauf des ersten Tages der Kundmachung des Wahlergebnisses an gerechnet - schriftlich Einspruch an die Landeswahlbehörde zu erheben.
Über den bei der Gemeindewahlbehörde einzubringenden Einspruch entscheidet in erster und letzter Instanz die Landeswahlbehörde (§81 Abs2 und 6 GWO).
2.1.4. Wie sich aus den Ausführungen zu Punkt 1.2.2. ergibt, wurde der von der Sozialistischen Partei Österreichs wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens ergriffene Einspruch mit Bescheid der Landeswahlbehörde vom 14. Mai 1985 als unbegründet abgewiesen.
2.1.5. Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung der Gemeinderatswahl vor dem VfGH (vgl. auch §81 Abs6 Satz 2 GWO) ist somit der 17. Mai 1985, das ist der Tag der Zustellung des Bescheides der Landeswahlbehörde an den Zustellungsbevollmächtigten der Einspruchswerberin.
Die (am 13. Juni 1985 zur Post beförderte - s. Punkt 1.3.1.) Wahlanfechtungsschrift wurde darum rechtzeitig eingebracht.
2.1.6. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.
2.2.1. In der Begründung des Bescheides der Landeswahlbehörde vom 14. Mai 1985 finden sich ua. folgende Feststellungen:
"... Die Überprüfung aller dieser fünfzehn in Frage gestellten Stimmzettel durch die Landeswahlbehörde, welche für die Wahlpartei 'Die Grünen Österreichs (GRÜNE)' von den verschiedenen Sprengelwahlbehörden für gültig erklärt wurden, hat folgendes ergeben:
Bei allen fünfzehn Stimmzetteln war auf der Vorderseite in dem links von der Parteibezeichnung 'Die Grünen Österreichs (GRÜNE)' vorgedruckten Kreis ein Kreuz bzw. ein anderes Zeichen, wie beispielsweise ein Häkchen, angebracht, aus dem zweifelsfrei hervorgeht, daß der Wähler die von ihm angekreuzte Partei wählen wollte.
Auf der Rückseite dieser Stimmzettel waren in insgesamt acht Fällen die 'SPÖ' allein oder ein Kandidat bzw. die 'SPÖ' und ein oder mehrere Kandidaten dieser Wahlpartei angekreuzt bzw. unterstrichen oder angehakt. In sechs Fällen war dieselbe Kennzeichnung auf der Rückseite, jedoch bei der 'Österreichischen Volkspartei' vorhanden. In einem (nicht Gegenstand der Anfechtung vor dem VfGH bildenden) Fall waren beide Kandidaten der 'Grünen Österreichs' gestrichen ..."
2.2.2. Von diesem - mit der Aktenlage übereinstimmenden - Sachverhalt geht auch die Anfechtungswerberin aus; er wird der Entscheidung des VfGH zugrundegelegt.
2.3.1. Nach §67 Abs2 Satz 1 GWO ist ein Stimmzettel gültig ausgefüllt, "wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte." Dies ist (ua.) dann der Fall, "wenn der Wähler in einem der links von jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreise ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen ... anbringt ... " (§67 Abs2 Satz 2 GWO).
Der Stimmzettel ist auch gültig ausgefüllt, "wenn zwar eine Parteiliste angezeichnet wurde, auf der Rückseite des Stimmzettels aber die Bewerber einer anderen Partei oder verschiedener Parteien gereiht ... wurden" (§67 Abs3 Satz 1 GWO). (§68 Abs1 litb GWO legt in diesem Zusammenhang fest, wie eine solche Reihung vor sich zu gehen hat: Der Wähler ist berechtigt, die Reihenfolge der Wahlwerber der von ihm gewählten wahlwerbenden Partei durch Beisetzung einer Ziffer (Reihungsziffer) an der rechten Seite ihres Namens oder in der für die Reihung bestimmten Spalte zu ändern. Dazu kam es indessen unbestrittenermaßen auf keinem der Stimmzettel.)
2.3.2. Nach dem - einen integrierenden Teil der GWO bildenden - Muster des Amtlichen Stimmzettels (Anlage 8 zur GWO) - dem die verwendeten Stimmzettelformulare entgegen der Meinung der Anfechtungswerberin in jeder Hinsicht entsprachen - sind auf der einen Seite des Blattes mehrere Spalten für die Namen der Bewerber der Parteilisten, jeweils betitelt mit "Liste ..., Parteibezeichnung, Kurzbezeichnung" enthalten; es handelt sich dabei kraft der ausdrücklichen und unmißverständlichen Vorschrift des §67 Abs3 Satz 1 GWO um die "Rückseite" des Stimmzettels. Auf der anderen Blattseite, der weitwendig dargelegten Auffassung der anfechtenden Partei zuwider also auf der Vorderseite, finden sich (laut amtlichem Muster) vier Spalten, überschrieben mit "Liste-Nr.", "Für gewählte Partei im Kreis ein X einsetzen", "Kurzbezeichnung" und "Parteibezeichnung".
Nach der von der Anfechtungswerberin zur Stützung ihres Rechtsstandpunkts bezogenen Norm des §69 Abs1 Z4 GWO ist ein Stimmzettel ungültig, wenn a) "zwei oder mehrere Parteilisten" oder
b) "Bewerber verschiedener Parteilisten" angezeichnet wurden. Anwednungsfall a) scheidet hier aus der näheren Betrachtung aus, weil es nach der gegebenen Sachlage auf keinem der in Rede stehenden Stimmzettel zu einer Anzeichnung von zwei oder mehreren Parteilisten iS der GWO kam. Schreibt doch die GWO, wie aus §67 Abs3 Satz 1 iVm.
§67 Abs2 Satz 2 erhellt, die Wahl der Parteiliste - wie hier geschehen (s. Punkt 2.2.1.) - durch Ankreuzen des entsprechenden Kreises vor, der ausschließlich der maßgebenden Vorderseite des Stimmzettels aufgedruckt ist. Anwendungsfall b) wieder kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil auf der Rückseite keines einzigen der besagten Stimmzettel die Bewerber verschiedener Parteilisten, sondern jeweils nur die Kandidaten einer solchen Liste (entweder "SPÖ" oder "ÖVP") angehakt wurden.
Das bedeutet, daß für die von der Anfechtungswerberin kritisierten Anzeichnungen auf den Rückseiten der (vierzehn) Stimmzettel - wie die Landeswahlbehörde im Ergebnis richtig erkannte - die (Ausnahms-)Regel des §69 Abs3 GWO gilt, wonach Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf den amtlichen Stimmzetteln außer zur Kennzeichnung der wahlwerbenden Partei angebracht wurden, die Gültigkeit (des Stimmzettels) nicht beeinträchtigen, sofern sich hiedurch nicht einer der gesetzlichen Ungültigkeitsgründe - so der des §69 Abs1 Z4 GWO - ergibt.
Alle diese Voraussetzungen (des §69 Abs3 GWO) sind hier nach dem bereits Gesagten erfüllt. Die Behauptung der Anfechtungswerberin, die bel. Beh. habe die bemängelten vierzehn Stimmzettel zu Unrecht als gültig bewertet, trifft darum nicht zu.
2.3.3. Da somit dem Wahlverfahren die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten nicht anhaften, war die Wahlanfechtung - allein schon aus dieser Erwägung - abzuweisen.
Schlagworte
Wahlen, Ermittlungsverfahren (Wahlen), StimmzettelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:WI4.1985Dokumentnummer
JFT_10148870_85WI0004_00