TE Vfgh Beschluss 1985/12/5 B408/85

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Veröffentlicht am 05.12.1985
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
FremdenpolizeiG §8
VfGG §19 Abs3 Z3
VfGG §86
VfGG §88

Leitsatz

VerfGG 1953; Vorwegnahme des bestmöglichen Erfolges der Beschwerde durch neue behördliche Entscheidung; Unwirksamkeit der angefochtenen Erledigung; keine Klaglosstellung iS des §88 - kein Kostenersatz

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Verfahrenskosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Bundespolizeidirektion Wien erließ mit Bescheid vom 16. Juli 1984 gegen die Erstbf. (eine schweizerische Staatsangehörige) gemäß §3 Abs1 und Abs2 lite iVm. §4 Fremdenpolizeigesetz 1954 (FrPG) ein bis 31. Dezember 1989 befristetes Aufenthaltsverbot und dehnte es nach §3 Abs3 FrPG auf ihre mj. Kinder (die Zweit- und Drittbf.) aus.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien gab der dagegen eingebrachten Berufung mit Bescheid vom 30. April 1985 keine Folge. Die Erstbf. verfüge nicht über ausreichende Mittel zur Bestreitung ihres Unterhaltes und dem ihrer Kinder.

Dieser Berufungsbescheid bildet den Gegenstand der vorliegenden VfGH-Beschwerde.

2. Mit Bescheid vom 5. August 1985 hob die Bundespolizeidirektion Wien den oben erwähnten Bescheid vom 16. Juli 1984 gemäß §8 FrPG mit folgender Begründung auf:

Die Erstbf. habe einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, der über ein - wenngleich geringes - Einkommen verfüge. Damit sei Mittellosigkeit, die seinerzeit der Grund für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes war, weggefallen. Nach der neuen Sachlage sei das über die Erstbf. verhängte Aufenthaltsverbot aufzuheben gewesen. Ihre beiden mj. Kinder (die Zweit- und Drittbf.) hatten die österreichische Staatsbürgerschaft erworben, weshalb das auf sie seinerzeit ausgedehnte Aufenthaltsverbot "ex lege" aufzuheben gewesen sei.

3. Im Hinblick auf den späteren Bescheid wurden die Bf. im verfassungsgerichtlichen Verfahren aufgefordert, sich zu äußern, ob sie sich gemäß §86 VerfGG als klaglos gestellt erachten. Der Vertreter der Bf. gab daraufhin bekannt, daß die Bf. unbekannt verzogen seien und kein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens zeigten.

II. 1. a) Gemäß §8 FrPG ist das Aufenthaltsverbot von der Behörde, die es erlassen hat, auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Die Bundespolizeidirektion Wien hob - gestützt auf diese Gesetzesbestimmung - mit Bescheid vom 5. August 1985 zwar seinem Wortlaut nach den von ihr erlassenen, erstinstanzlichen Bescheid vom 16. Juli 1984 auf. Dieser Bescheid hatte jedoch durch den Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 30. April 1985 seine Wirksamkeit verloren; alleiniger Geltungsgrund des Aufenthaltsverbotes war seither der Berufungsbescheid. Würde der Bescheid vom 5. August 1985 wörtlich verstanden, ermangelte ihm jegliche Rechtswirkung. Da jedoch nicht angenommen werden kann, daß die Bundespolizeidirektion Wien mit ihrem Bescheid vom 5. August 1985 einen inhaltsleeren Akt erlassen wollte, ist dieser Bescheid daher so zu verstehen, daß damit das Aufenthaltsverbot, das mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 30. April 1985 verhängt worden war, aus der Rechtsordnung beseitigt wird.

b) Der VfGH hat in vergleichbaren Fällen (zB VfSlg. 10078/1984) den Standpunkt eingenommen, daß eine im Beschwerdeverfahren angefochtene Erledigung vollständig unwirksam wird, wenn die Behörde durch eine neue Entscheidung den bestmöglichen Erfolg der Beschwerde vorwegnimmt; eine solchermaßen rechtlich vollständig unwirksame und überholte Erledigung könne keine Grundlage mehr für eine Entscheidung des VfGH darstellen. An dieser Ansicht hält der VfGH fest.

Der Prozeßgegenstand ist also hier weggefallen. Die Beschwerde ist gegenstandslos geworden; das Verfahren war einzustellen (§86 VerfGG).

2. Die Bundespolizeidirektion Wien hat den angefochtenen Bescheid nicht aufgehoben, sondern, da sie annahm, seit dessen Erlassung habe sich der maßgebende Sachverhalt wesentlich geändert, einen neuen Bescheid erlassen, der dem Anliegen der Bf. Rechnung trug. Gegenstand dieser neuen Entscheidung ist sohin eine andere als die seinerzeit entschiedene Sache; eine Klaglosstellung iS des §88 VerfGG liegt daher nicht vor.

Die Bf. wurde sohin von der bel. Beh. nicht klaglos gestellt (§88 VerfGG). Daraus folgt, daß der Bf. der Ersatz der Verfahrenskosten nicht zusteht (vgl. zB VfSlg. 10078/1984).

Schlagworte

VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Kosten, VfGH / Klaglosstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1985:B408.1985

Dokumentnummer

JFT_10148795_85B00408_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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