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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs7 zweiter SatzBeachte
ähnlich B647/85, B653/85 und B849/85 vom selben Tag sowie B865/85 und B866/85, beide vom 3. März 1986, alle Anlaßfälle zu VfSlg. 10737/1985Leitsatz
Art140 Abs7 B-VG; dem hier genannten Anlaßfall im engeren Sinn sind all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren bzw. bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung bereits anhängig geworden sind; Aufhebung des Bescheides aus dem Grunde der Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes nach Aufhebung des §3 FrPG als verfassungswidrig - Anwendung dieses Gesetzes offenkundig nachteiligSpruch
Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vbg. erließ mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 23. Juli 1985 gegen AA (den Erstbf.) gemäß §3 Abs1 iVm. §4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. 75/1954 (FrPG), ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet. Gemäß §3 Abs3 FrPG wurde das Aufenthaltsverbot auf seine Gattin (die Zweitbf.) und seine drei Kinder (die Dritt- bis Fünftbf.) ausgedehnt.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde.
II. 1. Mit Erk. des VfGH VfSlg. 10737/1985 wurde §3 FrPG als verfassungswidrig aufgehoben.
2. a) Wie sich aus Art140 Abs7 B-VG ergibt, wirkt die Aufhebung eines Gesetzes (hier des §3 FrPG) auf den Anlaßfall zurück. Es ist darum so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
b) Dem im Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) sind all jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung) bereits anhängig geworden sind (VfSlg. 10616/1985).
c) Die mündliche Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren, das zur Aufhebung des §3 FrPG geführt hat, fand am 4. Dezember 1985 statt.
Die vorliegende Beschwerde ist beim VfGH am 12. September 1985 - also noch vor der Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren - eingelangt.
Der Fall ist sohin einem Anlaßfall gleichzuhalten.
3. Die bel. Beh. wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig befundene Vorschrift an. Nach der Lage des Falles ist es offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Bf. nachteilig war.
Es ist daher auszusprechen, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt wurden sowie daß der Bescheid aufgehoben wird (vgl. etwa VfGH 13. März 1985 B616/82).
Schlagworte
VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1985:B646.1985Dokumentnummer
JFT_10148788_85B00646_00