TE Vfgh Erkenntnis 1986/2/27 V24/83

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Veröffentlicht am 27.02.1986
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
GewO 1973 §52 Abs4
AutomatenV des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 09.02.83

Leitsatz

Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der AutomatenV Wels vom 9. Feber 1983; Automaten nicht in allen in der V genannten Verbotsbereichen aufgestellt - kein Eingriff in die Rechtssphäre hinsichtlich dieser Bereiche; insofern Mangel der Legitimation; Anzeige über die Aufstellung der Automaten von der Behörde 1968 ohne Einwände zur Kenntnis genommen; Beschreiten eines anderen Rechtsweges nicht zumutbar, insbesondere nicht die Erwirkung von Strafbescheiden; Zulässigkeit des Antrages hinsichtlich dieses Teiles der V AutomatenV Wels vom 9. Feber 1983; keine Gesetzwidrigkeit der V und keine Bedenken gegen deren gesetzliche Grundlage (§52 Abs4 GewO) unter Hinweis auf VfSlg. 10050/1984 und 10594/1985

Spruch

I. Der Antrag auf Aufhebung der V des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9. Feber 1983 über das Verbot der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten wird, soweit er sich gegen die Verbotszonen Grillparzerstraße 2, Mozartstraße 18 - 20, Prunnerstraße 4, Dr. Schauer-Straße 2 und 9, Vogelweiderstraße 2 - 4, Wallerer Straße 24 und Zeileisstraße 1 richtet, zurückgewiesen.

II. Im übrigen wird dem Antrag keine Folge gegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Der Bürgermeister der Stadt Wels erließ am 9. Feber 1983 folgende

V über das Verbot der Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten:

"Gemäß §52 Abs4 GewO 1973, BGBl. Nr. 50/1974 in der Fassung der Gewerbeordnungs-Novelle 1981, BGBl. Nr. 619, wird verordnet:

§1

Zum Schutze von unmündigen Minderjährigen vor unüberlegten Geldausgaben, wird die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Automaten zur Abgabe von Süßigkeiten, wie Zuckerl und Kaugummi und zur Abgabe von Kleinspielwaren, wie Ringe, Tierzeichen, Kugeln, an folgenden Standorten im Verwaltungsbereich der Stadt Wels, wie folgt untersagt:

In einem Umkreis von 200 m, gemessen vom Haupteingang der jeweiligen Schulgebäude von den Standorten der Schulen, und zwar:

Anton-Bruckner-Straße 16, Dr. Breitwieser-Straße 1, Gabelsbergerstraße 1, Grillparzerstraße 2, Handel-Mazzetti-Straße 2, Handel-Mazzetti-Straße 5, Mozartstraße 18 - 20, Porzellangasse 44 - 46, Prunnerstraße 4, Rainerstraße 5, Dr. Schauer-Straße 2, Dr. Schauer-Straße 9, Schulstraße 1, Schulstraße 3, Vogelweiderstraße 2 - 4, Wallerer Straße 24, Zeileisstraße 1.

§2

Diese Verordnung wird durch Anschlag an der Amtstafel des Magistrates der Stadt Wels in der Dauer von 2 Wochen kundgemacht. Sie tritt mit 1. März 1983 in Kraft."

2. In dem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag wird vorgebracht, der Antragsteller habe in den letzten Jahren gemäß den jeweils geltenden Bestimmungen nach Vereinbarung mit den Grundeigentümern in der Stadt Wels, ua. auch in den in der V umschriebenen Gebieten, Warenautomaten aufgestellt. Der Antragsteller sei vom Magistrat der Stadt Wels bereits am 5. April 1983 unter Hinweis auf die V vom 9. Feber 1983 bei sonstiger Androhung gegen ihn gerichteter Maßnahmen aufgefordert worden, diese Warenautomaten zu entfernen. Die bekämpfte V sei für den Antragsteller unmittelbar wirksam geworden und greife in seine Rechtssphäre ein. Der Antragsteller macht geltend, daß die angefochtene V gesetzwidrig sei, weil sie in §52 Abs4 Gewerbeordnung 1973 (GewO) idF der Gewerbeordnungs-Nov. 1981 keine Deckung finde; gegen die Gesetzesstelle bestünden aber zusätzlich ebenfalls näher umschriebene verfassungsrechtliche Bedenken. Er stellt daher den Antrag, die V zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

Der Antragsteller hält die angefochtene V für gesetzwidrig, weil der Verordnungsgeber verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen, ob es in den von der V betroffenen (Schul-)Bereichen tatsächlich erforderlich ist, die Ausübung gewerblicher Tätigkeiten mittels Warenautomaten zum Schutz unmündiger Mj. zu untersagen. Gegen das Gesetz werde auch durch die Festlegung von Verbotsbereichen im Umkreis von 200 m von den Schulen verstoßen, da es sich hiebei nicht mehr um einen "näheren" Umkreis iS des §52 Abs4 Z1 GewO handle. Die V fuße zusätzlich auf einer verfassungswidrigen Gesetzesstelle; §52 Abs4 GewO diene dem Schutz unmündiger Mj., das Sachgebiet Jugendschutz falle jedoch in die Zuständigkeit der Länder. Durch das Gesetz werde praktisch ein gesamter Berufsstand ausgeschaltet und damit die Freiheit der Erwerbstätigkeit verletzt. Da die Automaten aufgrund privatrechtlich getroffener Vereinbarungen auf Privatgrund aufgestellt seien, werde auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verstoßen. Da vom Verbot nur die Abgabe von Süßigkeiten und Kleinspielwaren mittels Automaten erfaßt werde, die Aufstellung anderer Automaten jedoch zulässig bleibe, liege auch ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vor; darüber hinaus sei zu bedenken, daß es unmündigen Mj. ohne weiteres jederzeit möglich sei, die in Frage stehenden Waren in Geschäften und Warenhäusern zu erwerben. Schließlich liege ein unlösbarer Wertungswiderspruch zwischen der Bestimmung des §52 Abs4 GewO und der Regelung des §151 Abs3 ABGB vor. Der Antragsteller regt an, hinsichtlich §52 Abs4 GewO von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.

3. Der Bürgermeister der Stadt Wels begehrt in der von ihm erstatteten Äußerung, den vorliegenden Antrag zurückzuweisen, im Falle der Zulassung als unbegründet abzuweisen. Auch der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie verteidigt die angegriffene V und beantragt, der VfGH möge das Begehren des Antragstellers auf Aufhebung der V als unbegründet abweisen.

4. Der VfGH hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

4.1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzmäßigkeit von V auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch die Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die V ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die V in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der VfGH vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980).

4.2. Der Antragsteller stellt das Begehren, die V des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9. Feber 1983 zu Gänze aufzuheben, weil sich seine Automaten in dem in der in Frage stehenden V umschriebenen Gebiet befänden. Über Aufforderung des Gerichtshofes gab der Antragsteller bekannt, daß er unter §1 der V fallende Warenautomaten in den Verbotsbereichen Anton-Bruckner-Straße 16, Dr. Breitwieserstraße 1, Gabelsbergerstraße 1, Handel-Mazzetti-Straße 2 und 5, Porzellangasse 44 - 46, Rainerstraße 5 sowie Schulstraße 1 und 3 betreibe. Durch die Verbotsbereiche Grillparzerstraße 2, Mozartstraße 18 - 20, Prunnerstraße 4, Dr. Schauer-Straße 2 und 9, Vogelweiderstraße 2 - 4, Wallerer Straße 24 und Zeileisstraße 1 wird die Rechtssphäre des Antragstellers schon nach dessen eigenem Vorbringen überhaupt nicht berührt. Insofern fehlt dem Antragsteller somit die Legitimation zur Verordnungsanfechtung, sodaß sein Antrag in diesem Umfange zurückzuweisen ist.

4.3. Im übrigen ist der Verordnungsprüfungsantrag zulässig:

Der Bürgermeister der Stadt Wels hält in der von ihm erstatteten Äußerung der Antragslegitimation entgegen, daß die Bezirksverwaltungsbehörde gemäß §345 Abs9 GewO 1973 eine gewerbliche Tätigkeit mittels Warenautomaten bescheidmäßig zu untersagen habe, wenn die Anzeige für einen Aufstellungsort erfolge, für den aufgrund einer V nach der zitierten Gesetzesstelle ein Verbot zum Betrieb bestimmter Warenautomaten erlassen worden sei; diesen Bescheid könne der Antragsteller bekämpfen und letztlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts anrufen.

Über Aufforderung des VfGH teilte der Antragsteller mit, daß er die Aufstellung der von der bekämpften V betroffenen Warenautomaten bereits am 19. Feber 1968 der Behörde angezeigt habe und diese mit Bescheiden vom 26. September 1968 die Anzeige, ohne Einwände zu erheben, zur Kenntnis genommen habe. Damit kann der Antragsteller auf diese Möglichkeit, einen anderen Rechtsweg zu beschreiten, nicht verwiesen werden; andere zumutbare rechtliche Möglichkeiten, die angefochtene V zu bekämpfen, wurden weder behauptet noch sind sie ersichtlich. Daß der Antragsteller die Warenautomaten verbotswidrig betreiben und gegen ihn ergehende Strafbescheide bekämpfen könnte, scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als zumutbarer Weg aus (vgl. zB VfSlg. 8396/1978, 9254/1981).

5. Der VfGH hat in der Sache selbst erwogen:

5.1. Das Vorbringen des Antragstellers enthält der Sache nach nichts, womit sich der VfGH nicht bereits in den Erk. 10050/1984 und 10594/1985 befaßt hätte; es genügt daher, auf diese Erk. zu verweisen, aus denen sich ergibt, warum die behauptete Gesetzwidrigkeit der bekämpften V, aber auch die behaupteten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §52 Abs4 GewO nicht zutreffen. Der VfGH hat insbesondere im Erk. VfSlg. 10594/1985 dargelegt, was unter "näherem" Umkreis gesetzeskonform zu verstehen ist, woraus sich ergibt, daß der Vorwurf des Antragstellers gegen die hier bekämpfte V nicht zutrifft.

5.2. Dem Antrag war daher - soweit er zulässig ist - keine Folge zu geben.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Gewerberecht, Automaten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:V24.1983

Dokumentnummer

JFT_10139773_83V00024_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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