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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Art144 Abs1 B-VG; kein Nachweis dafür, daß anläßlich einer freiwillig gestatteten Nachschau durch Zollwachebeamte unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt ausgeübt wurde; Erklärung der Beamten, im Falle der Weigerung, freiwillig Nachschau zu gestatten, einen Hausdurchsuchungsbefehl einzuholen - keine sofortige ZwangsmaßnahmeSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wird folgendes vorgebracht:
"Am 2. 6. 1984 gestattete Herr B H J L als Angestellter der Beschwerdeführerin Beamten des Zollamtes Wien, und zwar Herrn Abteilungsinspektor E und Herrn Bezirksinspektor P, eine freiwillige Nachschau in den Geschäftsräumen der Zweigstelle der Beschwerdeführerin in Wien ... Bei dieser freiwillig gestatteten Nachschau ging es darum, ob die Behauptung des Angestellten der Beschwerdeführerin richtig war, daß die ansonsten in dieser Zweigstelle feilgebotenen Silberwaren sich sämtliche derzeit bei einer Verkaufsausstellung im Hotel Bristol in Wien befinden. Diese freiwillig gewährte Nachschau artete jedoch in eine Hausdurchsuchung gemäß §93 FinanzstrafG, ohne Zustimmung des Angestellten der Beschwerdeführerin aus. Die Beamten des Zollamtes Wien zwangen den Angestellten der Beschwerdeführerin sogar, einen Kasten aufzubrechen. Sie haben Kästen durchsucht, sämtliche Laden des Schreibtisches durchsucht, sämtliche Säcke für Silberwaren durchsucht. Illustrativ sei ein Fall aufgezeigt, bei welchem Herr B L einen Kasten öffnete und der eine Zollbeamte, nämlich Herr AbtInsp. E, sagte, es sei in Ordnung und schloß daraufhin Herr B L die Türen dieses Kastens. Eigenmächtig hat daraufhin Herr Bezlnsp. P alle Türen wiederum geöffnet und eine genaue Durchsuchung dieses Kastens vorgenommen."
Die bf. Gesellschaft erachtet sich "durch die Ausuferung der freiwillig gestatteten Nachschau in eine Hausdurchsuchung" am 2. Juni 1984 im Geschäftslokal Wien ..., in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Schutz des Hausrechts verletzt und beantragt, der VfGH möge dies feststellen.
2. Das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt und der Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerde entgegnet, daß B L während der Vorgänge im Geschäftslokal in der ... nie zu erkennen gegeben habe, daß die Handlungen der beiden Zollwachebeamten nicht oder nicht mehr seine Zustimmung fänden, das Maß dessen überstiegen, wozu er zugestimmt hätte oder daß er seine vorerst erteilte Zustimmung zurückziehe. Eine Ausübung von Zwang durch die Zollwachebeamten zum Aufbrechen eines Kastens werde in Abrede gestellt.
3. Der VfGH hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Beamten K E,
R P und G L als Zeugen sowie des B L als Partei im Rechtshilfewege sowie durch Einsichtnahme in den bezughabenden Akt der bel. Beh.
Daraus ergibt sich - soweit dies für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde von Belang ist - folgendes:
Der am 2. Juni 1984 von der bel. Beh. aufgenommenen Niederschrift über die Vernehmung des B L als Verdächtiger ist zu entnehmen, daß B L sich bereit erklärte, zum Zwecke einer Nachschau in der ... dieses Lokal zu einer Kontrolle bzw. einer freiwillig gestatteten Nachschau zur Verfügung zu stellen. Nach der Vernehmung begaben sich die Finanzbeamten E, P und L mit B L in das genannte Geschäftslokal, wo die Nachschau stattfand. Die drei Beamten gaben als Zeugen übereinstimmend an, es sei dabei keinerlei Zwang oder Gewalt ausgeübt worden. B L hat bei seiner Vernehmung im verfassungsgerichtlichen Verfahren im wesentlichen vorgebracht, es sei keine Gewalt angewendet, sondern nur "psychischer Druck" ausgeübt worden. Er sei "zur Öffnung des Geschäftes" dadurch veranlaßt worden, daß man ihm erklärt habe, ansonsten einen Hausdurchsuchungsbefehl einzuholen. Der "ausgeübte psychische Druck" sei so groß gewesen, daß er Auseinandersetzungen mit den Beamten nicht gewagt habe. B L räumte auch ein, Schränke selbst geöffnet zu haben.
4. Der VfGH kann aufgrund dieser Beweisergebnisse nicht als erwiesen annehmen, daß die Beamten anläßlich der bekämpften Amtshandlung unmittelbare Befehls- oder Zwangsgewalt iS des Art144 Abs1 B-VG ausgeübt haben. Auch nach den Ausführungen des B L bestand der auf ihn ausgeübte "psychische Druck" (nur) darin, daß die Beamten ihm bedeuteten, sie würden im Weigerungsfall einen Hausdurchsuchungsbefehl einholen. Es kann daher nicht die Rede davon sein, daß die Weigerung, freiwillig Nachschau zu gewähren, zur Anwendung sofortiger Zwangsmaßnahmen gegen die bf. Gesellschaft geführt hätte, was aber nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8146/1977, 8327/1978) eine Voraussetzung für eine nach Art144 Abs1 B-VG bekämpfbare Amtshandlung bildet; der in der zitierten Judikatur des VfGH geforderte "unverzügliche Befolgungsanspruch" lag nicht vor, wenn erst ein Hausdurchsuchungsbefehl hätte eingeholt werden müssen (dessen Ausstellung im übrigen nicht in der Ingerenz der Beamten lag).
Die Beschwerde ist daher wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des VfGH gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Zuständigkeit, Finanzstrafrecht, Hausdurchsuchung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B593.1984Dokumentnummer
JFT_10139772_84B00593_00