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80 Land-und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art10 Abs2Leitsatz
ForstG; keine Bedenken gegen die mit §15 Abs2 dem Landesgesetzgebererteilte - weitmaschige - ErmächtigungNö. ForstausführungsG; Ablehnung eines Antrages auf Teilung einesWaldgrundstückes nach §2 durch die Nö. Landesregierung; keineBedenken gegen die - restriktive - Regelung des §2; keine Verletzungim Eigentumsrecht; Vollziehung der §§1 und 2 gemäß §10 Abs2 B-VGAufgabe des Bundes (mittelbare Bundesverwaltung); Entzug desgesetzlichen Richters durch Berufungsentscheidung der unzuständigenLandesregierungSpruch
Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bf. ist Eigentümer der Grundparzelle ... (Wald), EZ ..., KG
Schönbichl, im Ausmaß von 8059 Quadratmeter.
Am 7. Feber 1985 beantragte der Bf. bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, die Teilung dieses Grundstückes nach dem Nö. ForstausführungsG, LGBl. 6851-0, in fünf neue Grundstücke zu bewilligen.
Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten lehnte mit Bescheid vom 1. April 1985 diesen Antrag ab.
Dagegen erhob der Bf. Berufung.
Die Nö. Landesregierung wies mit Bescheid vom 26. Juni 1985 "im Grund des §2 lita des NÖ Forstausführungsgesetzes" dieses Rechtsmittel ab.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird. Die Beschwerde wird damit begründet, daß das Nö. ForstausführungsG mit §15 des Forstgesetzes 1975, BGBl. 440, nicht in Einklang stünde. Der Bescheid beruhe daher auf einem verfassungswidrigen Gesetz.
3. Die Nö. Landesregierung als bel. Beh. erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. a) Gemäß §10 Abs2 B-VG kann ua. in den nach Abs1 Z10 (hier ist neben anderen Angelegenheiten das Forstwesen aufgezählt) ergehenden Bundesgesetzen die Landesgesetzgebung ermächtigt werden, zu genau zu bezeichnenden einzelnen Bestimmungen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Die Vollziehung der in solchen Fällen ergehenden Ausführungsgesetze steht dem Bund zu, doch bedürfen die DurchführungsV, soweit sie sich auf die Ausführungsbestimmungen des Landesgesetzes beziehen, des vorherigen Einvernehmens mit der betreffenden Landesregierung.
b) §15 ForstG lautet:
"§15. (1) Die Teilung von Waldgrundstücken, durch welche die Grundstücksteile nicht mehr das für die Walderhaltung und eine zweckmäßige Waldbewirtschaftung erforderliche Mindestausmaß aufweisen würden, ist verboten. In besonders begründeten Fällen, wie bei Trassenführungen, hat die Behörde, unbeschadet sonstiger bundes- oder landesgesetzlich erforderlicher Voraussetzungen für eine Teilung von Waldgrundstücken, mit Bescheid Ausnahmen von diesem Verbot zu bewilligen.
2. Die Landesgesetzgebung wird gemäß Art10 Abs2 B-VG ermächtigt, das Mindestausmaß unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse sowie die Voraussetzungen für die Ausnahmen festzusetzen."
c) In Ausführung dieser bundesgesetzlichen Ermächtigung bestimmen die §§1 und 2 des Nö. ForstausführungsG:
"§1. Die aus einer Teilung von Waldgrundstücken entstehenden Teilstücke müssen ein Mindestausmaß von 1 ha und eine Mindestbreite von 50 m aufweisen. Die Mindestmaße gelten nicht für die Teilung eines Waldgrundstückes, das in einem Flächenwidmungsplan als Bauland oder Verkehrsfläche gewidmet ist, soweit hiefür eine rechtskräftige Rodungsbewilligung (§17 des Forstgesetzes 1975) vorliegt.
§2. Die Behörde hat eine Ausnahme von den Bestimmungen des §1 zu bewilligen, soweit
a) für ein Teilstück eine Rodungsbewilligung (§17 Forstgesetz 1975) erteilt wurde;
b) ein Teilstück mit einem benachbarten Waldgrundstück vereinigt wird und das daraus neu entstehende Grundstück dann das Mindestausmaß aufweist oder
c) ohne die Grundstücksteilung Anlagen im öffentlichen Interesse, wie der umfassenden Landesverteidigung, des Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehrs, des Post- und Fernmeldewesens, des Bergbaues, des Energiewesens, der Seil- und Güterwege oder Müllbeseitigung, überhaupt nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand errichtet werden könnten."
2. a) Der Bf. begründet seine Behauptung, im Eigentumsrecht verletzt worden zu sein, damit, daß das Nö. ForstausführungsG verfassungswidrig sei:
Im Widerspruch zum ForstG sehe §2 des Nö. ForstausführungsG vor, daß eine Ausnahmebewilligung nur bei Vorliegen öffentlicher Interessen erteilt werden könne, daß also private Interessen nicht berücksichtigt werden dürften. §1 des Nö. ForstausführungsG nehme - im Widerspruch zum ForstG - nicht auf die verschiedenen regionalen Verhältnisse in Niederösterreich Bedacht, sondern lege für das gesamte Landesgebiet einheitliche Mindestausmaße fest. Schließlich sei der Nö. Landesgesetzgeber durch das ForstG nur ermächtigt worden, Mindestausmaße festzusetzen, nicht aber auch Mindestbreiten.
b) aa) Der VfGH teilt diese Bedenken nicht:
Die vom Bundesgesetzgeber mit §15 Abs2 ForstG dem Landesgesetzgeber erteilte Ermächtigung ist zwar weitmaschig. Dies ist aber verfassungsrechtlich zulässig (vgl. hiezu die Judikatur des VfGH zum Verhältnis Grundsatzgesetzgebung - Ausführungsgesetzgebung, zB VfSlg. 6885/1972 und 9800/1983).
Wenn der Nö. Landesausführungsgesetzgeber im §2 des Nö. ForstausführungsG die Ausnahmen restriktiv umschreibt, so bestehen einerseits gegen die Sachgerechtigkeit dieser Regelung keine Bedenken; andererseits widerspricht die landesgesetzliche Ausführungsbestimmung auch keineswegs der Tendenz des ForstG (s. §12 leg. cit., wonach es eines der wesentlichsten Ziele dieses BG ist, die öffentlichen Interessen an der Erhaltung des Waldes zu wahren).
Es steht dem Ausführungsgesetzgeber frei, der im Grundsatzgesetz (dem ForstG) vorgeschriebenen "Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse" entweder dadurch Rechnung zu tragen, daß er - wie geschehen - für das ganze Bundesland eine einheitliche Regelung vornimmt, oder aber dadurch, daß er für verschiedene Regionen des Bundeslandes verschiedene Regelungen trifft.
Nicht einzusehen ist, weshalb unter "Mindestausmaß" iS des §15 Abs2 ForstG nicht auch die Mindestbreite subsumierbar ist.
bb) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles auch nicht aus anderen als den vom Bf. geltend gemachten Gründen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der den bekämpften Bescheid tragenden generellen Normen.
Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung hat der Bf. nicht behauptet; sie hat sich auch sonst nicht ergeben.
Der Bf. ist mithin nicht im Eigentumsrecht verletzt worden.
3. Es hat jedoch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes stattgefunden, nämlich jenes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Dieses Recht wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 9696/1983).
Dies ist hier geschehen:
Wie sich aus §10 Abs2 B-VG ergibt, obliegt die Vollziehung der §§1 und 2 Nö. ForstausführungsG dem Bund. Mangels anderslautender gesetzlicher Vorschriften bedeutet dies, daß zur Vollziehung dieses Gesetzes in zweiter Instanz der Landeshauptmann als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung einzuschreiten hat (Art102 Abs1 B-VG).
Der angefochtene Bescheid wurde aber von der Nö. Landesregierung, also einer unzuständigen Behörde erlassen.
Der bekämpfte Bescheid war sohin schon aus diesem Grunde als verfassungswidrig aufzuheben. Es erübrigt sich damit ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen.
Schlagworte
Forstwesen, Bundesverwaltung mittelbare,Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung, InstanzenzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B610.1985Zuletzt aktualisiert am
13.08.2010