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44 ZivildienstNorm
ZivildienstG §2 Abs1Leitsatz
ZivildienstG; keine Darlegung schwerer Gewissensnot; keine Verletzung des durch §2 Abs1 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung mangels Erfüllung der materiellen Voraussetzungen; bei Fehlen der materiellen Voraussetzungen ist es unerheblich, ob der Bescheid etwa unrichtig begründet ist; keine Verletzung im Gleichheitsrecht ZPO §72 Abs1; VerfGG 1953 §35, §19 Abs3 Z2 litd; Zurückweisung eines neuerlichen Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen entschiedener SacheSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Bf. beantragte mit Eingabe an das Militärkommando Vorarlberg vom 6. April 1984 unter Bezugnahme auf §2 Abs1 Zivildienstgesetz - ZDG, BGBl. 187/1974, die Befreiung von der Wehrpflicht und führte darin folgendes aus: Gewalt bringe wiederum Gewalt hervor. Vor allem kleine und neutrale Länder, wie zum Beispiel die Schweiz oder Österreich, sollten im Falle eines militärischen Konfliktes nicht das Gebiet verteidigen, sondern mit allen sozialen und gewaltfreien Mitteln dem Besetzer das Land unregierbar machen. Er könne sich für seine Person nicht vorstellen, jemals einen Menschen zu töten, ohne in schwerste Gewissenskonflikte zu geraten. Selbst das Lernen und Üben an der Waffe würde sich nachteilig auf sein weiteres Leben auswirken, weil er im Ernstfall dazu verpflichtet wäre, Menschen zu töten. Zu dieser Überzeugung sei er durch verschiedene Literatur und Mitarbeit in einer Friedensinitiative gekommen. Er sei bereit, seiner staatsbürgerlichen Verpflichtung in Form des Zivildienstes nachzukommen.
2. Die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (im folgenden: ZDK) führte sodann Erhebungen über die Person des Bf. durch. Diese ergeben, daß er Mitte 1983 mit einem Freund im Raum Lindau/BRD ein Moped gestohlen habe und deswegen von einem Gericht in der BRD verurteilt worden sei; im übrigen kam Nachteiliges nicht hervor. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der ZDK am 19. Juli 1984 bezog sich der Bf. auf seine Ausführungen im schriftlichen Antrag und führte ergänzend im wesentlichen aus, daß er bei der Musterung - entgegen den Eintragungen im Stellungsblatt - nicht bereit gewesen sei, Wehrdienst zu leisten. Man habe ihn bezüglich seines Waffengattungswunsches gar nicht befragt. Die Absicht, Zivildienst zu leisten, habe sich allmählich entwickelt; dieser Entschluß sei jedoch für ihn schon vor der Musterung festgestanden.
3. Mit Bescheid vom 19. Juli 1984 wies die ZDK, Senat 5, den Antrag des Bf. unter Berufung auf §§2 Abs1 und 6 Abs1 ZDG ab. Sie begründete ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf das Vorbringen des Bf. im wesentlichen damit, daß dieser für seine Person nicht dargetan habe, warum ihm der Wehrdienst im österreichischen Bundesheer nicht zugemutet werden könne. Da die vom Bf. angegebenen Gründe für die Befreiung von der Wehrpflicht gar nicht auf den Wehrdienst im österreichischen Bundesheer zuträfen, sei ihm schon auf dem Boden seiner eigenen Behauptungen die begehrte Befreiung von der Wehrpflicht mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen zu verweigern. Daran könne auch seine Mitarbeit in der Friedensinitiative Oberland nichts ändern. Aufgrund des Leumundes des Bf. sowie seines gesamten Vorbringens iZm. dem von ihm gewonnenen persönlichen Eindruck kam der erkennende Senat der ZDK zu dem Schluß, daß jedenfalls nicht angenommen werden könne, daß der Bf. über eine derart gefestigte innere Einstellung in der Frage des Wehrdienstes im österreichischen Bundesheer und der damit im Zusammenhang stehenden Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen verfüge, die es glaubwürdig erscheinen lasse, daß er in einen schwerwiegenderen Gewissenskonflikt geraten würde, als dies beim Durchschnitt der Staatsbürger der Fall sei.
4. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (im folgenden: ZDOK) führte der Bf. im wesentlichen aus, daß das Leben der Menschen auf der Welt besonders durch die Großmächte ständig bedroht sei. Sicherlich sei jedes Land und jeder Mensch verteidigenswert. Alle kleinen Länder sollten sich zusammenschließen. Beim Bundesheer störe ihn die Grundausbildung und der hierarchische Aufbau. Entscheidend sei jedoch der Dienst mit der Waffe. Ob das Zivildienstgesetz eine Aussage über Notwehr und Nothilfe treffe, wisse er nicht. Die hohe Wertschätzung, die er dem menschlichen Leben entgegenbringe, zeige sich vor allem im gegenständlichen Antrag. Zum Drogenkonsum vertrete er die Meinung, daß jemand, der harte Drogen nehmen wolle, dies tun solle, wie der Trinker seinen Schnaps konsumiere.
5. Mit Bescheid vom 29. November 1984 wies die ZDOK, Senat 3, den Antrag des Bf. ab. Sie begründete ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf das gesamte Vorbringen des Bf. iZm. dem Gesamteindruck, den der erkennende Senat der ZDOK von ihm gewinnen konnte, damit, daß der Bf. über keine gefestigte Einstellung zur Frage der Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen verfüge und damit die behauptete schwere Gewissensnot nicht glaubwürdig erscheine.
6. Gegen diesen Bescheid der ZDOK richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in welcher der Bf. eine Verletzung der durch §2 Abs1 ZDG und Art2 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142-StGG, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt. Unter einem stellt der Bf. den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe.
7. Die ZDOK als bel. Beh. legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Eine Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung liegt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH vor, wenn die Behörde die in dieser Gesetzesstelle umschriebenen materiellrechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt hat, und weiters - im Hinblick darauf, daß die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) in den Schutzumfang des Rechtes einbezogen ist - dann, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen sind oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit genommen hat, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.
Das Vorbringen des Bf. vor der ZDK beinhaltet nur Darlegungen darüber, daß er aufgrund bestimmter Erwägungen die militärische Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen ablehnt; er hat aber für seine Person nicht dargetan, weshalb er im Falle der Anwendung von Waffengewalt in eine schwere Gewissensnot geraten würde. Wie der VfGH in gleichgelagerten Fällen schon ausgesprochen hat (VfSlg. 9661/1983, 9257/1981, 9171/1981, 8788/1980), ist bei einer solchen Sachlage die ZDOK schon auf dem Boden der Behauptungen des Bf. gehalten, die von ihm begehrte Befreiung von der Wehrpflicht mangels Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des §2 Abs1 ZDG zu verweigern. Ist die Befreiung von der Wehrpflicht aber bereits in Ansehung des eigenen Standpunktes des Antragstellers wegen des Fehlens der materiellen Voraussetzungen abzulehnen, so ist es - wie der VfGH ebenfalls in den angeführten Erk. dargelegt hat - auch unerheblich, ob die belangte ZDOK ihren Bescheid etwa unrichtig begründet hat oder ob ihr - wie der Bf. anscheinend meint - irgendwelche Verfahrensfehler unterlaufen sind.
Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, daß eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung nicht stattfand.
2. Die vom Bf. behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art2 StGG) könnte gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur vorliegen, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die bel. Beh. Willkür geübt hätte. Es trifft jedoch beides nicht zu.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesvorschriften wegen eines Verstoßes gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot haben sich aus der Sicht dieses Beschwerdefalles nicht ergeben; die Vorschrift des §2 Abs1 ZDG scheidet, da es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt, bei dieser Betrachtung von vornherein aus.
Der Bf. behauptet auch "verfahrensrechtliche Verstöße im Bereich der Glaubhaftmachung". "Die belangte Behörde hätte die Möglichkeit gehabt, zur Überprüfung formaler Bescheinigungsmittel weitere Beweisunterlagen einzuholen und eingehend zu prüfen, was ergeben hätte, daß sich der Beschwerdeführer nicht nur mit den Zielen der Friedensgesellschaft identifiziert und sich für diese interessiert, sondern auch mit großem Engagement aktiv in der Vereinigung mitarbeitet." Es kann auf sich beruhen, ob diese behaupteten Verfahrensmängel tatsächlich vorliegen. Wenn nämlich - wie der VfGH ebenfalls schon mehrmals (s. auch dazu die schon angeführten Entscheidungen) ausgesprochen hat - die Befreiung von der Wehrpflicht schon in Ansehung des eigenen Standpunktes des Antragstellers wegen des Fehlens der materiellen Voraussetzungen des §2 Abs1 ZDG abzulehnen ist, so ist es unerheblich, ob die belangte ZDOK ihren Bescheid etwa unrichtig begründet hat.
Soweit der Bf. das Vorgehen der bel. Beh. deshalb kritisiert, weil sie ihm die Verurteilung wegen Mopeddiebstahls vorwarf und seine Anschauung in bezug auf Drogen in ihre Beweiswürdigung einbezog, beinhaltet dies nur den Vorwurf einer unrichtigen Wertung der für die Wehrpflichtbefreiung geltend gemachten Gründe unter dem Gesichtspunkt der Beweiswürdigung, mithin den Vorwurf eines dem verfahrensrechtlichen Bereich zuzuordnenden Fehlers. Ob ein solcher jedoch tatsächlich unterlaufen ist, ist hier - wie schon dargetan - wegen der Untauglichkeit der vorgebrachten Gründe für die Wehrpflichtbefreiung belanglos.
3. Das Beschwerdeverfahren hat auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme ergeben, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem anderen als den von ihm geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung und auf Gleichheit aller Staatsbürger oder infolge der Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in einem Recht verletzt wurde.
Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
4. Der in diesem Verfahren vom Bf. mit Schriftsatz vom 14. Mai 1985 gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurde mit hg. Beschl. vom 26. September 1985, B349/85-12, abgewiesen.
Da seither keine Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist, war der neuerlich gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen entschiedener Sache gemäß §35 VerfGG 1953 iVm. §72 Abs1 ZPO und gemäß §19 Abs3 Z2 litd VerfGG 1953 zurückzuweisen.
Schlagworte
Zivildienst, Bescheidbegründung, VfGH / VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1986:B349.1985Dokumentnummer
JFT_10139699_85B00349_00