TE Vfgh Beschluss 1986/3/1 B680/85

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Veröffentlicht am 01.03.1986
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33, §35
ZPO §39
ZPO §146 Abs1, §§146ff

Leitsatz

ZPO §146 Abs1 idF BGBl. 135/1983; VerfGG 1953; Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig und begründet - minderer Grad des Versehens durch Kanzleikraft des Beschwerdevertreters

Spruch

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird bewilligt.

Begründung

Begründung:

1. Mit Eingabe vom 25. September 1985 hat die Bf. gegen den Bescheid der Landesgrundverkehrskommission beim Amt der Oö. Landesregierung vom 4. Juni 1985, Z Agrar-100203-9021/1-5, Beschwerde gemäß Art144 B-VG erhoben.

Dieser Beschwerde wurde trotz der Vorschrift des §82 Abs4 VerfGG 1953 der angefochtene Bescheid in Urschrift, Gleichschrift, Abschrift oder Kopie nicht angeschlossen.

2. Mit Schreiben vom 8. Oktober 1985, B680/85-2, hat der VfGH die Bf. über ihren ausgewiesenen Rechtsanwalt unter Hinweis auf die gemäß §19 Abs3 VerfGG 1953 eintretenden Säumnisfolgen aufgefordert, diesen Mangel innerhalb von vier Wochen zu beheben.

Dieses Schreiben wurde dem Vertreter der Bf. laut Übernahmsbestätigung des Angestellten des berufsmäßigen Parteienvertreters am 11. Oktober 1985 zugestellt.

Die gesetzte Frist endete daher mit Ablauf des 8. November 1985.

3. Mit Schreiben vom 7. November 1985 wurde der Aufforderung des VfGH vom 8. Oktober 1985 entsprochen und der angefochtene Bescheid in Kopie vorgelegt. Das Schreiben vom 7. November 1985 wurde jedoch erst am 12. November 1985, also erst nach Ablauf der gesetzten Frist, zur Post gegeben.

Mit dem der Bf. am 17. Dezember 1985 zugestellten Beschl. vom 23. November 1985, B680/85-5, wurde die Beschwerde zufolge der Nichtbehebung des Mangels des formellen Erfordernisses innerhalb der gesetzten Frist zurückgewiesen.

4. Mit einem am 20. Dezember 1985 zur Post gegebenen Schriftsatz stellt die Bf. den Antrag auf Bewilligung der "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der mit Schreiben des VfGH vom 8. 10. 1985 Z B680/85-2 eingeräumten Frist zur Behebung der in diesem Schreiben genannten Mängel".

Der Antrag wird damit begründet, daß die mit der Entgegennahme und Bearbeitung der Post und insbesondere der Vormerkung der Termine beauftragte Kanzleikraft "den Vormerkkalender um eine Woche weiter am Zustellungstage aufgeschlagen hatte, als es der Tatsachen gemäß gewesen wäre. Sie hat daher irrtümlich das Einlangen der Aufforderung des VfGH mit 17. 10. 1985 statt mit 11. 10. 1985 angenommen und demgemäß auch in weiterer Verfolgung des Irrtums den Termin für das Absenden der Mängelbehebung mit 14. 11. 1985 in den Vormerkkalender eingetragen." Ein derartiger Irrtum sei der verläßlichen und bereits seit 33 Jahren beschäftigten Kanzleikraft niemals unterlaufen. Dieser Irrtum sei für den Parteienvertreter bzw. für die Bf. nicht vorhersehbar gewesen. Hiezu komme, daß der Beschwerdevertreter in den beiden Wochen vom 4. 11. 1985 bis 18. 11. 1985 an einer schweren Grippe erkrankt gewesen sei und daher die tägliche Kalenderkontrolle, bei der alle Eintragungen und Vormerkungen persönlich von ihm überprüft werden, in dieser Zeit nicht habe vornehmen können.

5. a) Das VerfGG 1953 regelt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst; demnach sind nach §35 leg. cit. die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Nov. 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden.

b) Gemäß §148 Abs2 ZPO muß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen 14 Tagen nach Wegfall des Hindernisses, welches die Versäumung verursachte, gestellt werden.

Die rechtzeitige Behebung des nach dem Schreiben des VfGH vom 8. Oktober 1985 vorliegenden Mangels wurde durch die irrtümliche Eintragung des Einlangens dieses Schreibens in der Kanzlei des Beschwerdevertreters verhindert. Von der Nichtbehebung des Mangels hat der Beschwerdevertreter mit der Zustellung des Beschl. des VfGH vom 23. November 1985 am 17. Dezember 1985 Kenntnis erlangt.

Da der Antrag am 20. Dezember 1985 zur Post gegeben wurde, ist er rechtzeitig.

6. a) Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumnis zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das ist dann der Fall, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 10473/1985).

b) Nach dem vom VfGH als glaubhaft angenommenen Vorbringen des Antragstellers kann das Verschulden der Kanzleikraft, für die die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (§39 ZPO; vgl. VfSlg. 10345/1985), bei der Eintragung des Einlangens der Aufforderung des VfGH vom 8. Oktober 1985 und somit bei der Vormerkung des Termins für das Absenden der Mängelbehebung - unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles - nur als leichte Fahrlässigkeit angesehen werden. Unter den vorliegenden Umständen kann nicht davon gesprochen werden, daß nicht auch einem sorgfältigen Menschen eine derartige Fehlleistung gelegentlich unterlaufen kann (vgl. VfSlg. 10382/1985).

c) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gemäß §33 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1986:B680.1985

Dokumentnummer

JFT_10139699_85B00680_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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